Gebäude auf fremdem Grund und Boden

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Bürgerlich-rechtliches Eigentum
3 Wirtschaftliches Eigentum
3.1 Ausschluss des Eigentümers
3.2 Ersatzanspruch des Mieters oder Pächters
4 Wirtschaftliches Eigentum i.S.d. Rechtsprechung
5 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
6 Bewertungsrechtliche Behandlung
6.1 Bewertung für die Grundsteuer
6.2 Bewertung für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer
6.2.1 Bedarfsbewertung für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 aber vor dem 31.12.2008
6.2.2 Bedarfsbewertung für Stichtage nach dem 31.12.2008
6.2.3 Änderungen durch das JStG 2022
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Gebäude auf fremdem Grund und Boden können bürgerlich-rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum des Mieters oder Pächters sein.

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2. Bürgerlich-rechtliches Eigentum

Bürgerlich-rechtliches Eigentum ist dann der Fall, wenn die Gebäude nicht wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens werden und damit nicht automatisch in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen. Nach § 95 Abs. 1 BGB gehören zu den Bestandteilen eines Grundstücks nicht solche Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das Gleiche gilt von einem Gebäude, das in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden ist. Es handelt sich dabei um Scheinbestandteile, die im Eigentum des Mieters oder Pächters bleiben und vom ihm zu bilanzieren sind. Die Gebäude oder Gebäudeteile sind vom Mieter oder Pächter nach § 7 Abs. 4 oder Abs. 5 EStG abzuschreiben (→ Gebäudeabschreibung). Sind die Gebäude keine → Scheinbestandteile, so sind sie zivilrechtliches Eigentum des Grundstückseigentümers.

Ein Scheinbestandteil liegt nur dann vor, wenn die Nutzungsdauer des Gebäudes länger als die voraussichtliche Mietdauer ist, das Gebäude nicht nur Schrottwert, sondern noch einen beachtlichen Wiederverwendungswert repräsentiert und nach den gesamten Umständen, insbesondere nach Art und Zweck der Verbindung, damit gerechnet werden kann, dass das Gebäude später wieder entfernt wird.

3. Wirtschaftliches Eigentum

3.1. Ausschluss des Eigentümers

Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO liegt wirtschaftliches Eigentum des Mieters oder Pächters vor, wenn er den Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG wirtschaftlich ausschließen kann.

3.2. Ersatzanspruch des Mieters oder Pächters

Wirtschaftliches Eigentum liegt auch dann vor, wenn der Eigentümer bei vorzeitiger Kündigung ein Entgelt in Höhe des dann noch bestehenden wirtschaftlichen Wertes zu erstatten hat (Ersatzanspruch nach § 951, § 812 BGB). Die Gebäude auf fremden Grund und Boden sind nach Gebäudegrundsätzen zu behandeln. Der wirtschaftliche Eigentümer hat ein Nutzungsrecht zu aktivieren, dieses aber nach § 7 Abs. 4 bzw. Abs. 5 EStG (→ Gebäudeabschreibung) abzuschreiben (R 7.1 Abs. 6 EStR, s.a. § 266 Abs. 2 HGB).

Eine Mitunternehmerin, die auf einem Grundstück, das im hälftigen Miteigentum ihres Ehemannes steht, auf eigene Rechnung und Gefahr mit Einverständnis ihres Ehemannes für ihre betrieblichen Zwecke ein Gebäude errichtet, ist wirtschaftliche Eigentümerin der im zivilrechtlichen Eigentum des Ehemannes stehenden Gebäudehälfte, wenn ihr bei Beendigung der Nutzung ihrem Ehemann gegenüber ein Anspruch auf Entschädigung gem. §§ 951, 812 BGB zusteht (BFH Urteil vom 14.5.2002, VIII R 30/98, BStBl II 2002, 741). Der Anspruch auf Entschädigung ergibt sich aus dem Gesetz, so dass er zu unterstellen ist, wenn er nicht ausdrücklich oder konkludent abgedungen wird. Das Gebäude ist mit den gesamten Herstellungskosten zu aktivieren und abzuschreiben (s.a. BFH Urteil vom 4.5.2004, XI R 43/01, BFH/NV 2004, 1397).

4. Wirtschaftliches Eigentum i.S.d. Rechtsprechung

In folgenden Fällen hat der BFH wirtschaftliches Eigentum angenommen:

  • BFH-Urteil vom 27.11.1996 (X R 92/99, BStBl II 1998, 97): Der Grundstückseigentümer hat dem Bauenden vor der Errichtung des Gebäudes das dauernde, durch den Tod des Berechtigten nicht endende Recht eingeräumt, das Gebäude für dessen »Lebensdauer«, mindestens aber für 50 Jahre wie ein Miteigentümer zu nutzen. Auf Grund dieser – vererblichen – Nutzungsvereinbarung hat der zivilrechtliche Eigentümer bis zum wirtschaftlichen Verbrauch des Gebäudes keinen Herausgabeanspruch (§ 986 BGB) gegenüber dem Nutzungsberechtigten.

  • BFH-Urteil vom 18.7.2001 (X R 23/99 und X R 27/00, BFH/NV 2/2002, 168 und X R 69/00, BFH/NV 2/2002, 171 und X R 15/01, BStBl II 2002, 278): Kann der zivilrechtliche Eigentümer den Wert des Gebäudes nicht für eigene Rechnung realisieren, weil er den Nutzungsberechtigten bei Beendigung der Nutzung i.H.d. Verkehrswertes des Gebäudes entschädigen muss, ist sein Anspruch auf Herausgabe des Gebäudes wirtschaftlich wertlos.

    Wer auf einem fremdem Grundstück in der Erwartung er werde später Eigentümer des Grundstücks, ein Gebäude errichtet, hat einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB, wenn die Erwartung später enttäuscht wird. Der Anspruch auf Wertersatz richtet sich nicht auf Ersatz der einzelnen wirtschaftlichen Leistungen, sondern auf den Ersatz des Wertes, den das Gebäude als wirtschaftliche Einheit für den Bereicherten zu dem Zeitpunkt hat, in dem die Nutzung durch den Hersteller endet. Der zivilrechtliche Eigentümer kann insoweit über sein Eigentum wirtschaftlich nicht verfügen.

  • BFH-Urteil vom 18.7.2001 (X R 16/99, BFH/NV 3/2002, 322): Wer auf dem Grundstück seiner Lebensgefährtin mit eigenen Mitteln ein Einfamilienhaus für gemeinsame Wohnzwecke errichtet, kann als wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes zur Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung berechtigt sein, wenn ihm für den Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft und der Veräußerung des Grundstücks durch die Lebensgefährtin ein vertraglicher Anspruch auf Entschädigung i.H.d. Verkehrswerts des Gebäudes zusteht.

  • BFH-Urteil vom 4.5.2004 (XI R 43/01, BFH/NV 2004, 1397): Wirtschaftliches Eigentum eines Mieters ist anzunehmen, wenn er das Gebäude bzw. den Gebäudeteil im Einverständnis mit dem zivilrechtlichen Eigentümer auf eigene Rechnung und Gefahr hergestellt hat und ihm ein Anspruch auf Entschädigung i.H.d. Werts des Gebäudes bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses zusteht. Ein zivilrechtlicher Entschädigungsanspruch (§§ 946, 951 BGB) besteht, soweit nicht ausdrücklich auf den gesetzlichen Ersatzanspruch verzichtet worden ist.

  • BFH-Urteil vom 24.6.2004 (III R 50/01, BStBl II 2005, 80): Beteiligt sich der Nießbraucher an den Anschaffungskosten des Grundstücks und den Herstellungskosten des Gebäudes, kann er wirtschaftlicher Eigentümer nur in Höhe seiner Beteiligung an den auf das Gebäude entfallenden Gesamtaufwendungen sein. Bei mehreren Anspruchsberechtigten kann der Nießbraucher daher den Fördergrundbetrag der Eigenheimzulage nur entsprechend seinem wirtschaftlichen Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen.

  • Auch der dinglich Wohnberechtigte ist jedenfalls dann kein wirtschaftlicher Eigentümer des von ihm finanzierten Anbaus an ein Einfamilienhaus, wenn das Recht nicht für die gewöhnliche Nutzungsdauer, sondern auf seine Lebenszeit und damit auf eine unbestimmte Zeit bestellt ist (BFH Urteil vom 12.4.2000, X R 20/99, BFH/NV 1/2001, 9).

Der BFH hat ferner zur steuerlichen Berücksichtigung der Herstellungskosten eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden Stellung genommen (BFH vom 25.2.2010, BStBl II 2010, 670).

Das allen Einkunftsarten zugrundeliegende Nettoprinzip, demzufolge die erwerbssichernden Aufwendungen von den steuerpflichtigen Einnahmen abgezogen werden, gebietet grundsätzlich den Abzug der vom Steuerpflichtigen zur Einkunftserzielung getätigten Aufwendungen auch dann, wenn und soweit diese Aufwendungen auf in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter erbracht werden (BFH Beschluss vom 30.1.1995, GrS 4/92). In diesen Fällen wird der Aufwand bilanztechnisch »wie ein materielles Wirtschaftsgut« behandelt. Das bedeutet, dass die Herstellungskosten für ein fremdes Gebäude als Posten für die Verteilung eigenen Aufwands zu aktivieren und nach den für Gebäude geltenden AfA-Regeln abzuschreiben sind. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG stellt ausdrücklich auf die (voraussichtliche) tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes und nicht auf eine davon ggf. abweichende kürzere Dauer des Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnisses ab.

Der BFH weist in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass es für die Behandlung von Herstellungskosten eines fremden Gebäudes »wie ein materielles Wirtschaftsgut« ohne Bedeutung ist, ob

  • die Nutzungsbefugnis des Steuerpflichtigen auf einem unentgeltlichen oder auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruht,

  • dem Steuerpflichtigen zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den Eigentümer des Grundstücks zustehen oder ob er von vornherein auf solche Ansprüche verzichtet, und

  • die Übernahme der Herstellungskosten durch den Steuerpflichtigen eine unentgeltliche Zuwendung an den Eigentümer des Grundstücks oder Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Grundstücks ist.

Der BFH hatte zudem mit Urteil vom 9.3.2016 (X R 46/14, BStBl II 2016, 976; vgl. BMF vom 16.12.2016, IV C 6-S-2134/15/10003, BStBl I 2016, 143) nochmals zur Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück des Ehegatten zu entscheiden und die bisherige Rechtsprechung bestätigt und mit folgenden Kernaussagen fortgeführt:

  1. Errichtet der Unternehmer-Ehegatte mit eigenen Mitteln ein Gebäude auf einem auch dem Nichtunternehmer-Ehegatten gehörenden Grundstück, wird der Nichtunternehmer-Ehegatte –sofern keine abweichenden Vereinbarungen zwischen den Eheleuten getroffen werden – sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer des auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Gebäudeteils. Dieser Gebäudeteil gehört zu seinem Privatvermögen.

  2. Die vom Unternehmer-Ehegatten für die typisierte Verteilung seines eigenen Aufwands gebildete Bilanzposition kann nicht Sitz stiller Reserven sein. Daraus folgt zum einen, dass dem Unternehmer-Ehegatten Wertsteigerungen, die bei dem im Privatvermögen des Nichtunternehmer-Ehegatten befindlichen Gebäudeteil eingetreten sind, ertragsteuerrechtlich nicht zugerechnet werden können. Auf der anderen Seite kann der Unternehmer-Ehegatte in dieser Bilanzposition nicht dadurch stille Reserven bilden, dass er hierauf ertragsteuerrechtliche Subventionsvorschriften anwendet, die der Gesetzgeber nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, nicht aber für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens vorgesehen hat.

  3. Übertragen in derartigen Fällen sowohl der Unternehmer-Ehegatte den Betrieb als auch beide Eheleute ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück samt Gebäude unentgeltlich auf einen Dritten, kann dieser den Miteigentumsanteil des Nichtunternehmer-Ehegatten zum Teilwert in seinen Betrieb einlegen und von diesem Wert AfA vornehmen.

Obwohl die Baukosten nur einmal angefallen sind, kann eine »doppelte« Abschreibung zulässig sein. Überträgt der Unternehmer-Ehegatte den Betrieb und der Nichtunternehmer-Ehegatte seine Miteigentumsanteile am Grundstück samt Gebäude unentgeltlich auf einen Dritten, kann dieser den Miteigentumsanteil des Nichtunternehmer-Ehegatten zum Teilwert in seinen Betrieb einlegen und davon AfA vornehmen.

5. Umsatzsteuerrechtliche Behandlung

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Grundstücken auf fremdem Grund und Boden ist im BMF-Schreiben vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432) geregelt.

6. Bewertungsrechtliche Behandlung

6.1. Bewertung für die Grundsteuer

Bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist nach § 94 BewG der Bodenwert dem Eigentümer des Grund und Bodens und der Gebäudewert dem wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes zuzurechnen. Für die Grundstücksart des Gebäudes ist § 75 BewG maßgebend; der Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet ist, gilt als bebautes Grundstück derselben Grundstücksart. Für den Grund und Boden ist der Wert nach den für unbebaute Grundstücke geltenden Grundsätzen zu ermitteln (→ Einheitswertfeststellungen; Abschn. 50 BewRGr). Die Bewertung der Gebäude erfolgt nach § 76 BewG.

Zu einem bewertungsrechtlichen Abschlag für eine Abbruchverpflichtung für Gebäude auf fremden Grund und Boden hat der BFH mit zwei Urteilen entschieden (BFH Urteil vom 16.1.2019, II R 19/16, LEXinform 0950945 sowie Urteil vom 30.1.2019, II R 26/17, LEXinform 0951432). Bei einer bestehenden Abbruchverpflichtung ist gem. § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG ein Abschlag vorzunehmen. Der Abschlag entfällt jedoch, wenn abzusehen ist, dass trotz der Abbruchverpflichtung tatsächlich kein Abbruch erfolgt. Lassen sich konkrete Tatsachen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs von Gebäuden, die auf fremdem Grund und Boden errichtet wurden, nicht hinreichend sicher feststellen, bleibt es bei dem in § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG vorgesehenen Grundsatz, dass der Abschlag wegen Abbruchverpflichtung zu gewähren ist (BFH Urteil vom 30.1.2019, LEXinform 0951432). Ob der Nichtabbruch eines Gebäudes trotz Abbruchverpflichtung voraussehbar ist, ist anhand des Verhaltens der am konkreten Miet- oder Pachtvertragsverhältnis Beteiligten zu beurteilen. Auch das Verhalten der Rechtsvorgänger oder der Beteiligten vergleichbarer Miet- oder Pachtverhältnisse kann bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 16.1.2019, LEXinform 0950945). Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die für einen Nichtabbruch des Gebäudes bei Vertragsende sprechen. Lassen sich solche Tatsachen nicht hinreichend sicher feststellen, ist der Abschlag zu gewähren, so die Entscheidung des BFH.

6.2. Bewertung für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer

6.2.1. Bedarfsbewertung für Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2006 aber vor dem 31.12.2008

Mit dem Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) wurde § 148a BewG neu eingefügt. Danach ist bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden § 148 Abs. 1 BewG entsprechend anzuwenden (→ Erbbaurecht). Das bedeutet, dass für die Ermittlung des Grundbesitzwerts für den Grund und Boden und das Gebäude von dem Gesamtwert auszugehen ist, der sich für den Grund und Boden einschließlich der Gebäude ergäbe, wenn das Gebäude nicht auf fremdem Grund und Boden stünde.

Der Bodenwert ist dem Eigentümer des Grund und Bodens, der Gebäudewert dem Eigentümer des Gebäudes zuzurechnen.

Nach § 148a Abs. 2 BewG ist § 148 Abs. 4 und 6 BewG entsprechend anzuwenden. Nach § 148 Abs. 4 BewG beträgt der Gebäudewert 80 % des nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ermittelten Werts; der verbleibende Teil des Gesamtwerts entspricht dem Wert des Grund und Bodens. Siehe auch die Beispiele unter → Erbbaurecht.

Der Stpfl. kann einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen (§ 138 Abs. 4 BewG).

6.2.2. Bedarfsbewertung für Stichtage nach dem 31.12.2008

Infolge der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaftssteuergesetzes wurde Ende 2008 das Erbschaftsteuergesetz umfassend novelliert. Die neue Rechtslage wird grundsätzlich für alle Erwerbe nach dem 31.12.2008 angewandt. Es handelt sich hier um eine stark typisierende Regelung. Angesichts der unterschiedlichen Fallgestaltungen ist nicht auszuschließen, dass der nach dieser Vorschrift ermittelte Wert den gemeinen Wert übersteigt. Dem Steuerpflichtigen steht der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 offen.

  • Das Gebäude ist entweder im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren zu bewerten, wobei eine etwaig vorhandene Abbruchverpflichtung zu beachten ist (§ 195 Abs. 2 BewG, vgl. R B 195.2 Abs. 1 ErbStR).

  • Der Wert des belasteten Grundstücks ist der auf den Bewertungsstichtag abgezinste Bodenwert i.S.d. § 179 BewG zuzüglich des über die Restlaufzeit des Nutzungsrechtes kapitalisierten Entgelts (§ 195 Abs. 3 BewG, vgl. R B 195.2 Abs. 2 ErbStR).

Ein Berechnungsbeispiel enthält H B 195.2 ErbStH.

6.2.3. Änderungen durch das JStG 2022

Die Bewertung in Fällen mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden wird analog zu den Erbbaurechtsfällen in Anlehnung an die Regelungen nach §§ 48 ff. ImmoWertV ausgestaltet. Analog zu den Erbbaurechtsfällen in § 192 Satz 2 BewG bestimmt § 195 Abs. 1 Satz 2 BewG n.F., dass die ermittelten Grundbesitzwerte nicht weniger als 0 € betragen dürfen.

Der Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden wird wie folgt ermittelt (schematische Darstellung aus der Gesetzesbegründung):

Abb.: Ermittlung Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nach dem JStG 2022

Nach § 195 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 BewG ist der auf den Bewertungsstichtag bezogene Barwert der Differenz aus dem angemessenen Verzinsungsbetrag des Bodenwertes des unbelasteten Grundstücks und dem vertraglich vereinbarten jährlichen Nutzungsentgelt zu ermitteln. Soweit für die Kapitalisierung von den Gutachterausschüssen nach §§ 192 ff. BauGB keine geeigneten Liegenschaftszinssätze vorliegen, sind ersatzweise die in § 193 Abs. 4 Satz 3 BewG bestimmten Zinssätze entsprechend anzuwenden. Die Höhe der Zinssätze wurde an das aktuelle Marktniveau angepasst.

Der Wert des belasteten Grundstücks regelt § 195 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 und 7 BewG. Schematische Darstellung hierzu aus der Gesetzesbegründung zum JStG 2022:

Abb.: Bewertung belastetes Grundstück nach dem JStG 2022

7. Literaturhinweise

Radeisen, Die Erbschaftsteuerreform 2008/2009, HDS Verlag, Horschitz u.a., Finanz und Steuern Band 1, 10. A.; Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Große, Wirtschaftliches Eigentum an Gebäuden auf fremdem Grund und Boden – Hinweise zur Umsetzung der BFH-Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung –, DStR 2002, 1517; Schoor, Bilanzierung von Grundstücken und Gebäuden, Steuer & Studium 2003, 231; Strahl, Wirtschaftliches Eigentum bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden und Mietereinbauten, FR 2003, 447; Theede, Zurechnung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, Steuer & Studium 2004, 330; Eisele, Jahressteuergesetz 2007: Neuerungen im erbschaftsteuerlichen Bewertungsrecht, INF 2007, 136.

8. Verwandte Lexikonartikel

Bedarfsbewertung

Drittaufwand

Erbbaurecht

Mietereinbauten

Mieterzuschuss

Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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