1 Allgemeines
1.1 Kirchensteuer
1.2 Mitgliederanzahl
2 Das Kirchensteuerschuldverhältnis
2.1 Der Steuergläubiger
2.2 Steuerschuldner
2.3 Die Höhe der Kirchensteuer
2.3.1 Bemessungsgrundlage
2.3.2 Höhe
2.3.3 Beginn und Ende der KiSt-Pflicht
2.3.3.1 Allgemeines
2.3.3.2 VG Berlin vom 12.12.2019
2.4 Kirchensteuer bei Pauschalierung der Lohn- und Einkommensteuer
2.4.1 Vereinfachtes Verfahren
2.4.2 Nachweisverfahren
2.5 Kirchensteuerabzug bei Kapitalerträgen
2.5.1 Allgemeines
2.5.2 Durchführung des Abzugs
2.5.3 Härtefallregelung
3 Das Verfahren bei der Kirchensteuer
3.1 Festsetzung und Erhebung
3.2 Die Rechte des Kirchensteuerzahlers
4 Glaubens- und konfessionsverschiedene Ehe
4.1 Allgemeines
4.2 Glaubensverschiedene Ehe
4.2.1 Ausgangslage
4.2.2 Das besondere Kirchgeld
4.2.2.1 Hintergrund
4.2.2.2 Höhe
4.2.2.3 Erhebungsberechtigte
4.2.2.4 Rechtsprechung
4.2.3 Verfahren bei der Lohnsteuer
4.3 Konfessionsverschiedene Ehe
4.3.1 Einzelveranlagung bzw. Alleinverdiener-Ehe
4.3.2 Zusammenveranlagung
4.3.3 Die Lohnkirchensteuer
5 KiSt als Sonderausgabe
6 Verspätungszuschlag auf die KiSt
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
Aktuelles: »Corona Maßnahmen«
In weiten Teilen des Bundesgebietes entstehen durch das Coronavirus beträchtliche wirtschaftliche Schäden. Nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Stpfl. konnten bis zum 31.12.2020 und auch weiterhin bis zum 30.6.2022 unter Darlegung ihrer Verhältnisse u.a. Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer oder auf Stundung im vereinfachten Verfahren stellen (BMF vom 19.3.2020, BStBl II 2020, 262; ergänzt durch BMF vom 31.1.2022, BStBl II 2022, 132). Damit sind auch etwaige KiSt-Vorauszahlungen betroffen.
Die FinMin der Länder NRW und Rheinland-Pfalz haben Erlasse zur Berücksichtigung der Schäden im Zusammenhang mit den Unwetterereignissen im Juli 2021 in Kraft gesetzt (z.B. Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz vom 26.7.2021, S 1915#2018/0001 -0401447). Danach werden diverse steuerliche Unterstützungsmaßnahmen ermöglicht, u.a. Stundungs- und Vollstreckungsmaßnahmen sowie Anpassung der Vorauszahlungen. Bei Fragen zu den steuerlichen Hilfsmaßnahmen können sich von der Hochwasser-Katastrophe Betroffene mit den Finanzämtern vor Ort in Verbindung setzen.
Unter Kirchensteuern (KiSt) sind Geldleistungen zu verstehen, die von den als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften von ihren Mitgliedern auf Grund gesetzlicher Vorschriften erhoben werden. Keine Kirchensteuern sind jedoch freiwillige Beiträge, die an öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder andere religiöse Gemeinschaften entrichtet werden (→ Spendenabzug).
Die KiSt gehört neben dem Solidaritätszuschlag zu den Zuschlagsteuern, für die die Einkommensteuer die Bemessungsgrundlage abgibt. Zuschlagsteuern werden auch Annexsteuern oder Ergänzungsabgaben genannt.
Ohne dass dem Gesetzgeber des Bundes dafür eine Kompetenz zusteht (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV), definieren die Kirchensteuergesetze der Länder die Rechtsgrundlagen für die Festsetzung und die Erhebung der KiSt. Die KiSt ist folglich im föderativen Aufbau Ländersache. Dazu gehört auch, dass die Länder die Aufsicht über sämtliche Normsetzungsakte der Landeskirchen ausüben. Die Kirchensteuergesetze als Rahmengesetz werden durch »kircheneigene« Vorschriften ausgefüllt.
In den jeweiligen Landes-Kirchensteuergesetzen wird sodann Bezug auf § 51a EStG genommen.
Kirchgeld ist demgegenüber der Betrag, den die Religionsgemeinschaften bei glaubensverschiedenen Ehepartnern erheben, ohne dass hierfür die Einkommensteuer die Bemessungsgrundlage darstellt.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Kirchensteuerpflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Wie das Gericht feststellte, verstößt sie nicht gegen die Glaubensfreiheit und das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung gem. Art. 4 GG. Der Grund liege darin, dass sie durch Beendigung der Kirchenmitgliedschaft abgewendet werden könne (OVG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 1.2.2016, 6 A 10941/15).
Aktuell verzeichnen die beiden »großen« deutschen Kirchen (katholisch und evangelisch) ca. 45 Millionen Mitglieder.
Steuerberechtigt sind – je nach Bundesland – die einzelnen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Neben der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche sind dies auch kleinere Religionsgemeinschaften. Ein besonderes Problem tritt immer dann auf, wenn sich kirchenrechtliche Änderungen bzw. Umgruppierungen ergeben. Die Länderparlamente verharren dabei häufig auf dem status quo ante, ohne die kirchensteuerlichen Konsequenzen aus den kirchlichen Organisationsakten zu ziehen.
KiSt-pflichtig sind die Mitglieder der jeweiligen Religionsgemeinschaft, wobei sich die Mitgliedschaft nach innerkirchlichem Recht bestimmt.
Die Zugehörigkeit zu den großen Kirchen (evangelisch und römisch-katholisch) richtet sich nach der Taufe. Des Weiteren wird an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt und eine entsprechende Willenserklärung angeknüpft.
Die Kirchensteuer gibt es in verschiedenen Erscheinungsformen. Sie kann als Zuschlagsteuer z.B. zur Einkommen-, Lohn- und Kapitalertragsteuer erhoben werden oder als eigenständige Steuer mit eigenem Steuertarif in Form des Kirchgelds (vgl. 4.2.2).
Als Zuschlagsteuer knüpft die Kirchensteuer gem. § 51a Abs. 2 EStG an die Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage an.
Dabei werden gem. § 51a Abs. 2 EStG die Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG sowie das Teileinkünfteverfahren (in beiden Richtungen: § 3 Nr. 40 EStG sowie § 3c Abs. 2 EStG) nicht angewendet bzw. rückgängig gemacht. Dies hat zur Folge, dass die Kirchensteuer die festgesetzte Einkommensteuer übersteigen kann. Andererseits wird der Kindesbedarf (Kinderfreibeträge und Betreuungsfreibeträge) immer berücksichtigt, auch wenn im Einzelfall Kindergeld ausbezahlt wurde (§ 51a Abs. 2 bzw. 2a EStG).
Die einzelnen Kirchensteuer(hebe)sätze liegen zwischen 8 % (Baden-Württemberg und Bayern) und 9 % (übrige Bundesländer) der jeweiligen Einkommensteuer, jedoch nicht über einem gewissen Prozentsatz (2,75 % bis 4 %) des zu versteuernden Einkommens. Die Kirchensteuerordnungen und -beschlüsse sehen – bis auf diejenigen der Religionsgemeinschaften in Bayern und der Ev.-Luth. Landeskirche Mecklenburgs – vor, dass die kirchlichen Steuern auf einen bestimmten Prozentsatz des zu versteuernden Einkommens begrenzt werden können (sog. Kappung der Progression). Wiederum anders sehen die Kirchensteuergesetze in verschiedenen Bundesländern eine Mindestkirchensteuer (Mindestbetragssteuer i.H.v. bis zu 3,60 €) für den Fall vor, dass die Bemessungsgrundlage Null (0) beträgt.
Hinsichtlich der von den Landesfinanzbehörden verwalteten Kirchensteuern werden für jedes Kalenderjahr die Hundertsätze und Beträge durch das jeweilige Finanzministerium im BStBl I neu bekannt gegeben (so z.B. für Rheinland-Pfalz für das Jahr 2022, BStBl I 2022, 228).
Die KiSt-Pflicht beginnt mit dem ersten Tag des Monats, der auf die Kirchenangehörigkeit folgt.
Die KiSt-Pflicht endet (in allen Bundesländern einheitlich) mit Ablauf des Monats, in dem der Kirchenaustritt erfolgt. Gleiches gilt bei Tod oder Wegzug. Hieraus wird ersichtlich, dass die Kirchensteuer eine Monatssteuer (»Zwölftelung« der Jahressteuer) ist, wenn unterjährig die Kirchenmitgliedschaft endet. Wer also im Dezember aus der Kirche austritt, ist somit ab 1. Januar des nächsten Jahres von der Kirchensteuer befreit. Tritt man hingegen erst im Januar eines Jahres aus, muss auf alle Jahreseinkünfte anteilig Kirchensteuer gezahlt werden.
Beispiel:
A tritt zum 21.1.2020 aus der römisch-katholischen Kirche aus.
Lösung:
Die KiSt-Pflicht endet am 31.1.2020. Von den Einkünften, die im Jahr 2020 erzielt werden, wird die Jahres-KiSt 2020 berechnet und 1/12 davon als KiSt erhoben.
Mit der Kirchensteuerpflicht von im Kindesalter getauften und nicht aus der Kirche wieder ausgetretenen Erwachsenen befasste sich das VG Berlin mit Urteil vom 12.12.2019 (27 K 292.15).
Leitsatz
Die Heranziehung der als Säugling getauften Klägerin zur Entrichtung der Kirchensteuer im Erwachsenenalter war mangels ausdrücklichen Kirchenaustritts rechtens.
Sachverhalt
Die Klägerin gab in einem ihr von der Kirchensteuerstelle beim zuständigen FA zugesandten Fragebogen an, nicht getauft zu sein. Als die Kirchensteuerstelle von der Kirchengemeinde auf Anfrage jedoch erfuhr, dass die Klägerin 1953 getauft worden sei, zog diese die Klägerin mit zwei Bescheiden zur Kirchensteuerentrichtung mit der Begründung heran, dass sie infolge ihrer Taufe und mangels Kirchenaustritts Kirchenmitglied und damit kirchensteuerpflichtig sei.
Hiergegen setzt sich die Klägerin gerichtlich zur Wehr. Sie macht unter anderem geltend, ihre Eltern hätten seinerzeit (1956 und 1958) auch den Austritt der Klägerin miterklärt. Eine Kirchenmitgliedschaft sei ihr aufgrund ihrer atheistischen Erziehung auch nicht bewusst gewesen. Darüber hinaus sei die Anbindung der Kirchensteuerpflicht an die Kirchenmitgliedschaft und dieser wiederum an die Säuglingstaufe verfassungswidrig, weil das Freiwilligkeitsprinzip verletzt werde. Ferner rügt die Klägerin Verstöße der Kirchensteuerstelle gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen anlässlich deren Informationserhebung bei ihr und der genannten Kirchengemeinde.
Die Klage wurde jedoch vom VG Berlin abgewiesen.
Durch die Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 8.8.2016 (S 2447, BStBl I 2016, 773) wurde die Kirchensteuer bei Pauschalierung der Lohn- und Einkommensteuer neu geregelt. In folgenden Fällen der Pauschalierung
der Lohnsteuer gem. § 40, § 40a Abs. 1, 2a und 3 sowie § 40b EStG kann der Arbeitgeber;
der Einkommensteuer gem. § 37a EStG kann das Unternehmen (welches die Sachprämie gewährt);
der Einkommensteuer gem. § 37b EStG kann der Stpfl. (welcher die Sachzuwendung gewährt)
zwischen einem vereinfachten Verfahren und einem Nachweisverfahren zur Erhebung der Kirchensteuer wählen. Die Wahl zwischen diesen Verfahren kann der Pauschalierende sowohl für jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum als auch für die jeweils angewandte Pauschalierungsvorschrift und darüber hinaus für die in den einzelnen Rechtsvorschriften aufgeführten Pauschalierungstatbestände unterschiedlich treffen.
Einzige Ausnahme hiervon ist die Pauschalierung wegen geringfügiger Beschäftigung gem. § 40a Abs. 2 EStG, da im dortigen 2 %-Pauschsatz die Kirchenlohnsteuer – ebenso wie der Solidaritätszuschlag – enthalten ist.
Die Regelungen sind erstmals für laufenden Arbeitslohn, sonstige Bezüge und Sachprämien oder -zuwendungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 gezahlt werden.
Wird das vereinfachte Verfahren gewählt, muss in allen Fällen der Pauschalierung für sämtliche Arbeitnehmer, für sämtliche Empfänger von Sachprämien oder für sämtliche Empfänger von Sachzuwendungen Kirchensteuer entrichtet werden. Dabei ist ein ermäßigter Steuersatz anzuwenden, der in pauschaler Weise dem Umstand Rechnung trägt, dass nicht alle Empfänger Angehörige einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft sind. Die so ermittelten Kirchensteuern sind in der Lohnsteuer-Anmeldung unter der Kirchensteuer-Kennzahl 47 anzugeben. Die Aufteilung auf die steuererhebenden Religionsgemeinschaften übernimmt die Finanzverwaltung.
Bundesländer | Pauschaler Lohn-KiSt-Satz |
Hamburg | 4 % |
Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen | 5 % |
Niedersachsen, Baden-Württemberg | 6 % |
Bayern, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland | 7 % |
Abb.: Pauschale Lohn-Kirchensteuersätze
Wenn kein Gebrauch vom vereinfachten Verfahren gemacht wird, muss grundsätzlich für alle Empfänger die Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft festgestellt werden. Es ist nur dann Kirchensteuer abzuführen, wenn eine Zugehörigkeit vorliegt. Für diese Empfänger gilt dann der allgemeine Kirchensteuersatz.
Als Nachweis gelten die vom Arbeitgeber beim BZSt abgerufenen ELStAM. Alternativ kann eine schriftliche Erklärung nach Muster der Ländererlasse vom 8.8.2016 als Beleg dienen.
Durch die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden vom 19.7.2021 (BStBl I 2021, 1014) nimmt die Finanzverwaltung zum elektronischen Verfahren zum Kirchensteuerabzug bei Kapitalerträgen (§ 51a Abs. 2b bis 2e und Abs. 6 EStG i.V.m. den KiStG der Länder) ausführlich Stellung.
Ist der Gläubiger der Kapitalerträge Mitglied einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft, hat die zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtete Stelle auch die auf die Kapitalertragsteuer entfallende Kirchensteuer einzubehalten und abzuführen. Die Kirchensteuer ist anhand des elektronischen Kirchensteuerabzugsmerkmals (KiStAM) einzubehalten (§ 51a Abs. 2c EStG). Das KiStAM wird dem Kirchensteuerabzugsverpflichteten vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unentgeltlich als automatisiert abrufbares Merkmal bereitgestellt.
Die Kirchensteuer ist gläubigerscharf abzuführen. Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete hat die Kirchensteuer für diejenige Religionsgemeinschaft einzubehalten, der der Gläubiger der Kapitalerträge konkret angehört. Diese Zuordnung ist ausschließlich mithilfe des für den Kirchensteuerpflichtigen zutreffenden KiStAM möglich.
Der Kirchensteuerabzugsverpflichtete ist verpflichtet, für alle natürlichen Personen, für deren Rechnung er möglicherweise Kapitalertragsteuer einzubehalten hat, das KiStAM anzufordern.
Im Rahmen der Durchführung des KiSt-Abzugs sind zu beachten:
die Pflichten des Kirchensteuerabzugsverpflichteten,
die technischen Übermittlungsmöglichkeiten des Kirchensteuerabzugsverpflichteten,
die Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge,
die Pflichten des Gläubigers der Kapitalerträge im Fall des Sperrvermerks sowie
die Schutzvorschriften für das KiStAM.
Auf Antrag kann das BZSt zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung der Daten verzichten.
Die Kirchensteuer verwalten die Finanzämter im Rahmen der Auftragsverwaltung. Diese setzen die Kirchensteuer bei der Einkommensteuerveranlagung fest und erheben auch diese Steuer, was immer wieder zu verfassungsrechtlichen Fragen Anlass gab.
Eine Ausnahme hiervon bilden in Bayern die Kirchensteuerämter, die die Kircheneinkommensteuer selbstständig verwalten; die dazu erforderlichen Bemessungsgrundlagen werden von den Finanzämtern geliefert. Dies gilt aber nicht für die bayerische Lohnkirchensteuer.
Gegen die Kircheneinkommensteuer ist der Einspruch der zulässige Rechtsbehelf. Er ist in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen und Thüringen bei den Finanzämtern einzulegen, in allen anderen Bundesländern bei den Kirchenbehörden.
Entsprechend zweigleisig ist auch der Klageweg zu beschreiten:
Einspruch beim jeweiligen Finanzamt, also Finanzrechtsweg;
Einspruch bei der Kirchenbehörde, also Verwaltungsrechtsweg.
Für Einwendungen gegen die Festsetzung von Lohnkirchensteuer ist im Bundesland Rheinland-Pfalz nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben (BFH Urteil vom 18.6.2012, VI B 108/11, BFH/NV 2012, 1612).
Mit Urteil vom 1.7.2009 (I R 81/08, BFH/NV 2009, 1908) nahm der BFH Stellung zu Billigkeitserwägungen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Kirchensteuern. Er entschied, dass es nicht sachlich unbillig sei, wenn eine Kirchensteuer auch insoweit erhoben wird, als sie auf der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen und Übergangsgewinnen beruhe.
Bei identischer Konfession beider Ehegatten bereitet die Kirchensteuer keine Probleme. Je nach Veranlagungsart wird hier die Kirchensteuer erfasst. Im Falle der Zusammenveranlagung wird der Kirchensteuersatz auf der Basis der gemeinsamen Einkommensteuerschuld berechnet.
Bei der getrennten bzw. besonderen → Veranlagung bildet die jeweilige individuelle Einkommensteuer die Bemessungsgrundlage für diese Zuschlagsteuer.
Probleme treten auf, wenn nur einer der Ehepartner KiSt-pflichtig ist (sog. glaubensverschiedene Ehe) oder wenn die Ehepartner unterschiedlicher Konfession angehören (sog. konfessionsverschiedene Ehe). Konfessionslose können über ihren Ehepartner an der Kirchensteuer beteiligt werden.
Ist nur einer der Ehegatten Mitglied einer Kirche (Religionsgemeinschaft), so muss auch nur diese Person Kirchensteuer zahlen. Für den anderen Ehegatten entfällt die KiSt-Pflicht.
Dies bedeutet im Falle der Zusammenveranlagung, dass sich die Steuerbemessungsgrundlage für die Kirchensteuer wie folgt ergibt:
gemeinsame Einkommensteuer (abzüglich der Kinderermäßigungen), die entsprechend der Einzeleinkünfte eines jeden Ehegatten aufgeteilt wird;
auf den Anteil, der auf das Konfessionsmitglied entfällt, wird sodann die Kirchensteuer festgesetzt.
Bei der Einzelveranlagung von Ehegatten entfällt dieser Rechenschritt.
Das Kirchgeld existiert in Form des allgemeinen und des besonderen Kirchgelds.
Das allgemeine Kirchgeld, das Kirchengemeinden für ihre ortskirchlichen Zwecke erheben, soll der Finanzierung von Aufgaben der Kirchengemeinden dienen und ist von denjenigen Mitgliedern zu zahlen, die keiner Hauptsteuer unterfallen, zu der eine Kirchensteuer als Zuschlagsteuer erhoben wird und wird als Ortskirchensteuer erhoben.
Das besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe ist eine spezielle Form der Kirchensteuer in Deutschland. Es ist nicht zu verwechseln mit dem allgemeinen Kirchgeld, das die Funktion einer Mindestkirchensteuer hat und in einigen Ländern nach kircheneigenen, gewöhnlich sehr niedrigen Sätzen erhoben wird und eine Form der ergänzenden Finanzierung kirchlicher Arbeit darstellt. Das besondere Kirchgeld wird grds. in allen Bundesländern erhoben.
Zur Erhebung des besonderen Kirchgelds kommt es nur bei zusammenveranlagten glaubensverschiedenen Ehegatten, bei denen der konfessionsangehörige Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt und dadurch keinen oder einen entsprechend der Leistungsfähigkeit der zusammenveranlagten Ehegatten nur geringen Beitrag an die Religionsgemeinschaft leistet. Glaubensverschieden ist eine Ehe z.B. dann, wenn ein Ehegatte Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist (z.B. katholisch) und der andere Ehegatte keiner Religionsgemeinschaft angehört.
Das Kirchgeld erhebt also indirekt »KiSt« von Nicht-Kirchenmitgliedern. Daher ist es immer wieder auch Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen. Für die Kirchen ist die Erhebung des besonderen Kirchgelds begründet. Jedes Kirchenmitglied soll – bemessen nach seiner Leistungsfähigkeit bzw. seinem Lebensführungsstandard – einen Beitrag an die Kirche leisten; es dient somit auch der Steuergerechtigkeit. Denn durch das höhere Einkommen des konfessionslosen Ehegatten partizipiert auch das Kirchenmitglied.
Die Erhebung des besonderen Kirchgelds stört jedoch das Rechtsempfinden der Betroffenen. Der Zahlungsverpflichtete hat kein eigenes Einkommen, aus dem er den Kirchenbeitrag entrichten könnte und der Ehe- bzw. Lebenspartner verfügt über Einkommen, jedoch ist er nicht Mitglied der Kirche und fühlt sich durch die Erhebung in der Ausübung seiner Religionsfreiheit verletzt, da er zu einer finanziellen Unterstützung einer Religionsgemeinschaft herangezogen wird, der er nicht angehören möchte.
Das Kirchgeld ist keine Maßstabsteuer. Die Bemessungsgrundlage ist also nicht die Einkommensteuer, sondern das zu versteuernde Einkommen beider (!) Ehegatten nach Maßgabe des § 51a Abs. 2 EStG.
Stufe | Zu versteuerndes Einkommen von … bis … (€) | Jährliches Kirchgeld (€) | ||
1 | 40 000 | bis | 47 499 | 96 |
2 | 47 500 | bis | 59 999 | 156 |
3 | 60 000 | bis | 72 499 | 276 |
4 | 72 500 | bis | 84 999 | 396 |
5 | 85 000 | bis | 97 499 | 540 |
6 | 97 500 | bis | 109 999 | 696 |
7 | 110 000 | bis | 134 999 | 840 |
8 | 135 000 | bis | 159 999 | 1 200 |
9 | 160 000 | bis | 184 999 | 1 560 |
10 | 185 000 | bis | 209 999 | 1 860 |
11 | 210 000 | bis | 259 999 | 2 220 |
12 | 260 000 | bis | 309 999 | 2 940 |
13 | 310 000 | und mehr | 3 600 |
Abb.: Übersicht zum Kirchgeld
Die Kirchensteuerbeschlüsse der einzelnen Länder regeln, wer in dem jeweiligen Bundesland zur Erhebung des besonderen Kirchgeldes berechtigt ist.
Die Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Erhebung eines besonderen Kirchgelds war bereits Gegenstand einiger Verfahren.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte vom 6.4.2017
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sieht jedoch in dem in Deutschland erhobenen »Besonderen Kirchgeld« keinen Verstoß gegen die Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK = Europäische Menschenrechtskonvention) oder andere Menschenrechte (EGMR Urteile vom 6.4.2017, 10138/11, 16687/11, 25359/11 und 28919/11; abrufbar unter http://go.nwb.de/aggig – auf Englisch). Das Urteil beseitigt die rechtlichen Bedenken gegen die Erhebung des besonderen Kirchgelds.
Sächsisches FG vom 25.3.2019
Das Sächsische FG hält die Sächsische Regelung zum besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe für unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil Ehegatten in den Jahren 2014 und 2015 ohne sachlichen Grund schlechter gestellt werden als eingetragene Lebenspartnerschaften. (Sächsisches FG Beschluss vom 25.3.2019, 5 K 1549/18).
Aus diesem Grund wird eine Entscheidung des BVerfG zu der Frage eingeholt, ob § 4 Abs. 1 Nr. 5 des Sächsischen Kirchensteuergesetzes in der bis zum 1.9.2015 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit darin Ehegatten/Ehe nicht mit Lebenspartnern/Lebenspartnerschaften gleichgestellt werden. Nach Überzeugung des FG ist die Erhebung des besonderen Kirchgeldes nur von glaubensverschiedenen Ehegatten, nicht aber von glaubensverschiedenen Lebenspartnern nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 des SächsKiStG in der bis zum 1.9.2015 geltenden Fassung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
VG Neustadt vom 28.3.2022
Mit dem besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe befasste sich das VG Neustadt mit Urteil vom 28.3.2022 (3 K 952/21.NW).
Beim Lohnsteuerabzug verheirateter glaubensverschiedener ArbN ist zu differenzieren:
beim KiSt-pflichtigen ArbN werden – je nach Bundesland – 8 % oder 9 % aus dessen Lohnsteuer herausgerechnet;
beim anderen Ehegatten ist keine Kirchensteuer einzubehalten;
u.U. wird nach einer Vergleichsberechnung im Veranlagungsweg ein Kirchgeld erhoben.
Gehören die Ehegatten verschiedenen Konfessionen an (jeder Ehepartner ist gegenüber einer anderen Kirche/Religionsgemeinschaft KiSt-pflichtig), wird die Kirchensteuer des allein verdienenden Ehegatten nach der Einkommensteuerschuld dieses KiSt-pflichtigen Ehegatten berechnet.
Bei der Einzelveranlagung von Ehegatten bemisst sich die Kirchensteuer nach der Steuerschuld eines jeden einzelnen Ehegatten.
Werden Ehegatten verschiedener Konfessionen zusammen veranlagt, so bemisst sich die Kirchensteuer bei Anwendung des gültigen Kirchensteuersatzes (9 % oder 8 %) bei jedem Ehegatten nach der Hälfte der gemeinsamen Steuerschuld (Halbteilungsgrundsatz).
Beim Abzug der Lohnkirchensteuer gelten bei konfessionsverschiedenen Ehepartnern folgende Regelungen:
Es wird wieder der jeweils gültige volle Hebesatz angewandt; Bemessungsgrundlage ist die jeweilige Lohnsteuer und die Kirchensteuer wird je zur Hälfte auf die beiden Religionskörperschaften aufgeteilt.
Die Halbteilung der Lohnkirchensteuer gilt nicht in Bayern, Bremen und Niedersachsen (vgl. zuletzt BMF vom 30.7.2015, BStBl I 2015, 614).
Die bezahlte und geschuldete KiSt ist – ebenso wie das Kirchgeld – bei Verrechnung mit etwaigen Erstattungen dieses VZ als → Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG unbegrenzt abziehbar. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der nach § 51a Abs. 2b bis 2d EStG auf Kapitalertragsteuer erhobenen KiSt, da sich die Kapitalertragsteuer bei KiSt-Pflicht um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallenden KiSt mindert (§ 43a Abs. 1 Satz 2, § 32d Abs. 1 Satz 3 ff. EStG), sodass die entlastende Wirkung an anderer Stelle eintritt.
BFH vom 12.3.2019
Mit Urteil vom 12.3.2019 (BStBl II 2019, 658) hatte sich der BFH mit der Hinzurechnung eines Kirchensteuer-Erstattungsüberhangs beschäftigt.
Leitsatz
Der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG).
Sachverhalt
Im Streitfall wurde den Klägern für das Streitjahr 2012 in den Vorjahren gezahlte Kirchensteuer erstattet, da sich aufgrund einer für diese Jahre durchgeführten Außenprüfung das zu versteuernde Einkommen gemindert hatte. Die Kläger gingen davon aus, dass der sich hieraus ergebende Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer i.H.v. 166 744 € mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen sei. FA, FG und schließlich auch der BFH lehnten dies ab.
BFH vom 16.3.2021
Mit Urteil vom 16.3.2021 (X R 23/19) beschäftigte sich der BFH mit dem Sonderausgabenabzug für Kirchensteuer bei nachträglicher Besteuerung von Kapitaleinkünften zum Abgeltungsteuertarif.
Für Steuererklärungen, die nach dem 31.12.2018 einzureichen sind, ist der Verspätungszuschlag bei verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht mehr ermessensabhängig, sondern obligatorisch festzusetzen. Das hat in Bezug auf die Kirchensteuerfestsetzung die Folge, dass auch hier der Verspätungszuschlag obligatorisch festzusetzen wäre.
Stier, Lohn und Gehalt, direkt digital 6/2017, 2; Kobus, Besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe/Lebenspartnerschaft, NWB 2017, 2835.
→ Pauschalierung der Lohnsteuer
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden