1 Anweisung für das Straf- und Bußgeldverfahren
2 Die einzelnen Steuerstraftatbestände
3 Die einzelnen Steuerordnungswidrigkeiten
4 Straffreiheit bei Selbstanzeige
5 Behandlung der Selbstanzeigen durch die Buß- und Strafsachenstellen
6 Verfolgungsverjährung
7 Strafverfahren
7.1 Mitwirkungspflichten
7.2 Einleitung des Strafverfahrens
7.3 Verteidigung im Steuerstrafverfahren
7.3.1 Verteidiger
7.3.2 Bevollmächtigung
7.3.3 Anwesenheit des Verteidigers bei der Vernehmung
7.3.4 Akteneinsicht
7.4 Vernehmung
7.4.1 Ladung
7.4.2 Aussage- und Zeugnisverweigerungsrecht
7.4.3 Durchführung der Vernehmung
7.4.4 Niederschrift über die Vernehmung
7.5 Durchsuchung, Beschlagnahme und Sicherung des Steueranspruchs
8 Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge bei Steuerhinterziehung gem. § 375a AO
9 Bußgeldverfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten
10 Informations- und Erkenntnisaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
11 Einzelfälle aus der Rechtsprechung
11.1 Schätzung durch Bargeldverkehrsrechnung im Steuerstrafverfahren
11.2 Schätzung durch inneren Betriebsvergleich im Steuerstrafverfahren
11.3 Grenzen der Strafbarkeit bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel
Die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) vom 4.1.2023 (AStBV St 2023, BStBl I 2023, 103; mit Wirkung vom 1.2.2023) sollen der einheitlichen Handhabung des Gesetzes dienen und die reibungslose Zusammenarbeit der zur Verfolgung von Steuerstraftaten und → Steuerordnungswidrigkeiten berufenen Stellen der Finanzbehörden untereinander, mit anderen Stellen der Finanzbehörden sowie mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften gewährleisten. Die Anweisungen enthalten eine Zusammenfassung von hierfür maßgeblichen Grundsätzen sowie Hinweise für deren praktische Anwendung und sind in allen Straf- und Bußgeldverfahren anzuwenden, in denen die Finanzbehörde ermittelt oder zur Mitwirkung berufen ist. Im Folgenden werden wesentliche Inhalte der Anweisungen wiedergegeben.
Steuerstraftaten i.S.d. § 369 AO sind
Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind, also insbesondere → Steuerhinterziehung nach §§ 370 und 370a AO und versuchte Steuerhinterziehung. Auch soweit der gesamte steuerliche Sachverhalt erfunden wurde, d.h., indem das Vorhandensein eines Steuerschuldverhältnisses (→ Steuerschuldverhältnis) lediglich vorgetäuscht worden war, ist die Tat als Steuerhinterziehung zu beurteilen (BGH Beschluss vom 23.3.1994, 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109);
der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel (§ 373 AO), dessen Versuch ebenfalls strafbar ist (§ 373 Abs. 3 AO);
die Steuerhehlerei(§ 374 AO), deren Versuch ebenfalls strafbar ist (§ 374 Abs. 3 AO);
der Bannbruch (§§ 369 Abs. 1 Nr. 2, 372 AO) einschließlich der entsprechenden Begehung als Schmuggel i.S.d. § 373 AO;
die Steuerzeichenfälschung (§ 369 Abs. 1 Nr. 3 AO, §§ 148 ff. StGB);
die Begünstigung (§ 257 StGB) einer Person, die eine der vorstehend genannten Taten begangen hat. Unter den Begriff der Begünstigung fällt nur die sachliche Begünstigung, die darin besteht, dem Täter die Vorteile aus der Tat sichern zu helfen, nicht dagegen die persönliche Begünstigung, die den Zweck hat, den Täter der Strafverfolgung zu entziehen (Strafvereitelung nach § 258 StGB);
die gewerbs- und bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26c UStG);
die Anstiftung (§ 26 StGB) und die Beihilfe (§ 27 StGB) zu einer Tat i.S.d. Ziffern 1 bis 7.
Zu den gleichgestellten Straftaten gehören
die ungerechtfertigte Erlangung von Altersvorsorgezulagen, von Wohnungsbauprämien (§ 8 Abs. 2 WoPG) und von Arbeitnehmersparzulagen (§ 14 Abs. 3 VermBG);
der Betrug in Bezug auf → Eigenheimzulage (§ 15 Abs. 2 EigZulG);
der Subventionsbetrug in Bezug auf Investitionszulagen (§ 15 InvZulG);
die Begünstigung einer Person, die eine der vorstehend genannten Taten begangen hat (§ 257 StGB);
die Anstiftung (§ 26 StGB) und die Beihilfe (§ 27 StGB) zu einer der vorstehend genannten Taten. Steuerberater haben nach der Rechtsprechung ein Privileg hinsichtlich der Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, da an den Vorsatz erhöhte Anforderungen gestellt werden (LG Leipzig Urteil vom 16.10.2017, 15 Ns 202 Js 49069, PStR 2018, 2; BGH Urteil vom 21.12.2016, 1 StR 112/16, NStZ 2017, 337).
Steuerordnungswidrigkeiten sind insbesondere:
die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO),
die Steuergefährdung (§ 379 AO),
die Gefährdung der Abzugssteuern (§ 380 AO),
der unzulässige Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen (§ 383 AO),
die zweckwidrige Verwendung des Identifikationsmerkmals nach § 139a AO (§ 383a AO),
Ordnungswidrigkeiten nach §§ 26a und 26b UStG und
Ordnungswidrigkeiten nach §§ 50e Abs. 1, 50f und 96 Abs. 7 EStG.
Den o.a. Steuerordnungswidrigkeiten stehen die Handlungen gleich, die sich auf Prämien und Zulagen beziehen, soweit in den entsprechenden Gesetzen der o.a. Vorschriften darauf verwiesen wird (§ 8 Abs. 2 WoPG; § 29a BerlinFG; § 14 Abs. 3 VermBG).
Nach dem Steuerberatungsgesetz werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet
die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen (§ 160 Abs. 1 StBerG),
die unbefugte Benutzung der Bezeichnung »Steuerberatungsgesellschaft« usw. (§ 161 StBerG),
die Verletzung der den Lohnsteuerhilfevereinen obliegenden Pflichten (§ 162 StBerG) nach § 15 Abs. 3 StBerG (Mitteilung von Satzungsänderungen), § 22 Abs. 1 StBerG (Jahresprüfung der Aufzeichnung usw.), § 22 Abs. 7 Nr. 1 und 2 StBerG (Vorlage des Prüfungsberichts und Unterrichtung der Mitglieder über den Inhalt der Prüfungsfeststellungen), § 23 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 StBerG (Bestellung der Leiter von Beratungsstellen und Mitteilungen über Veränderungen bei Beratungsstellen), § 25 Abs. 2 Satz 1 StBerG (nicht angemessene Versicherung) und § 29 Abs. 1 StBerG (unterbliebene oder nicht rechtzeitige Unterrichtung der Aufsichtsbehörde von Mitgliederversammlungen oder Vertreterversammlungen) und
die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.V.m. einer Hilfeleistung in Lohnsteuersachen (§ 163 StBerG).
Mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2415; nachfolgend »AO-Änderungsgesetz«) wurden die Voraussetzungen für die Abgabe einer strafbefreienden → Selbstanzeige deutlich verschärft. Dies zeigt sich insbes. in der Verlängerung des Nacherklärungszeitraums auf zehn Jahre gem. § 376 Abs. 1 AO (durch das JStG 2020 wird die Verjährungsfrist auf 15 Jahre erhöht), der deutlichen Erhöhung des Selbstanzeigezuschlags gem. § 398a AO sowie der Erweiterung der Sperrgründe in § 371 Abs. 2 AO.
Nach § 371 AO erlangt ein Tatbeteiligter für sich Straffreiheit, wenn
er zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang Angaben berichtigt, ergänzt oder nachholt (§ 371 Abs. 1 AO),
eine Sperrwirkung nicht eingetreten ist (§ 371 Abs. 2 AO) und
er die hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet (§ 371 Abs. 3 AO).
§ 371 Abs. 1 Satz 2 AO enthält eine Kombination aus strafrechtlicher Verfolgungsfrist und einer festen Frist von zehn Jahren. Für eine wirksame Selbstanzeige ist es hiernach erforderlich, dass vollständige Angaben
zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart (Strafrecht),
mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.
Die Selbstanzeige hat keine strafbefreiende Wirkung, wenn sog. Sperrgründe gem. § 371 Abs. 2 AO vorliegen. Durch das AO-Änderungsgesetz hat sich die Rechtslage erheblich verändert.
Wenn die Nacherklärungen als sog. Teilselbstanzeigen des Stpfl. wegen nicht nur geringfügiger Abweichungen von den tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nicht zu einer Straffreiheit führen, so ist allerdings zu erörtern, ob solch verunglückte Selbstanzeigen gleichwohl zumindest strafmildernd wirken können (BGH Beschluss vom 24.3.2022, 1 StR 480/21, NStZ 2022, 571).
Zur ausführlichen Darstellung der Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige vgl. → Selbstanzeige.
In Teil 2 Nr. 11 der AStBV (vom 4.1.2023 – BStBl I 2023, 103; mit Wirkung vom 1.2.2023) wird erläutert, wie Selbstanzeigen bei Eingang zu behandeln sind: »Nach dem Legalitätsprinzip ist die BuStra grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, nach Eingang einer Selbstanzeige ein Strafverfahren zur Prüfung der Straffreiheit gemäß § 371 Abs. 1 und 3 AO einzuleiten (BFH Urteil vom 29.4.2008, BStBl II 2008, 844). Von der Einleitung eines Strafverfahrens ist nur dann abzusehen, wenn in der Selbstanzeige die Angaben erkennbar richtig und vollständig gemacht wurden, die nachzuzahlenden Steuern sowie die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und die Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, in voller Höhe entrichtet wurden und keine Ausschlussgründe nach § 371 Abs. 2 Satz 1 AO vorliegen. Im Bereich einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung ist eine Selbstanzeige vollständig, wenn zu allen unverjährten Steuerstraftaten (§ 369 Abs. 1 Nummer 1 AO) einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre Angaben erfolgen (§ 371 Abs. 1 AO). Die zehn Kalenderjahre sind diejenigen, die dem Jahr des Eingangs der Selbstanzeige vorangehen. Nach dem Vollständigkeitsgebot müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt werden, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt werden, sodass auch die Steuerstraftaten, die im Kalenderjahr der Abgabe der Selbstanzeige begangen wurden, mit erklärt werden müssen, damit von einer wirksamen Selbstanzeige ausgegangen werden kann. Anknüpfungspunkt für den strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraum ist die materielle Tat, die durch Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmt wird. Bei Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Erklärung ist für die Berechnung des Berichtigungszeitraums auf den Abgabezeitpunkt der Erklärung abzustellen. Bei Unterlassungsdelikten ist auf die Tatvollendung abzustellen.
Hängt die Straffreiheit von der Nachentrichtung der Steuer, der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO und der Zinsen nach § 233a AO, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden, ab, veranlasst die BuStra, dass dafür eine angemessene Frist gesetzt und dabei auf die Bedeutung der Einhaltung der Frist hingewiesen wird. Hängt die Bußgeldfreiheit von der Nachentrichtung der Steuer ab, so verfährt die BuStra entsprechend.
Fristverlängerung, Stundung, Vollstreckungsaufschub sowie Erlass dürfen nur im Benehmen mit der BuStra gewährt werden.
Eine Nachschau hindert die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 1e AO beschränkt auf ihren sachlichen und zeitlichen Umfang und unabhängig vom Ort der Nachschau. Inaugenscheinnahmen und Liquiditätsprüfungen sind keine Nachschauen i.S.d. steuerrechtlichen Vorschriften«.
Soweit eine Steuer hinterzogen wurde, beträgt die Verfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuches grds. fünf Jahre. Demgegenüber beträgt die steuerliche Festsetzungsfrist im Fall der Steuerhinterziehung gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre, die sich im Einzelfall durch An- und Ablaufhemmungen über die zehn Jahre hinaus verlängert.
Mit den Änderungen durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) wurde die Verfolgungsverjährung durch den neu eingefügten § 376 Abs. 1 AO in den besonders schweren, in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO aufgeführten Fällen der Steuerhinterziehung ebenfalls auf zehn Jahre verlängert (durch das JStG 2020 wird die Verjährungsfrist auf 15 Jahre erhöht). Dadurch soll vermieden werden, dass im Falle der Steuerhinterziehung die Steuerfestsetzung noch erfolgen kann, während eine Strafverfolgung des Steuerhinterziehers nicht mehr möglich ist. Die Änderung gilt gem. § 23 EGAO i.d.F. des JStG 2009 für alle Straftaten, die ab dem Inkrafttreten des JStG 2009 noch nicht verjährt sind.
Für den Grundtatbestand nach § 370 AO ist eine Verlängerung der Verfolgungsverjährung nicht vorgesehen. Insoweit gilt nach wie vor die Fünfjahresfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB.
Mit einer Ergänzung in § 376 Abs. 1 AO wird gesetzlich klargestellt, dass auch bei der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen und der dort vorgesehenen 10-jährigen Verjährungsfrist die Ruhensregelung des § 78b Abs. 4 StGB anwendbar ist (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz). Nach § 376 Abs. 3 AO soll die absolute Verjährungsfrist für Fälle des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO auf das Zweieinhalbfache (bisher: das Zweifache) der gesetzlichen Verjährungsfrist verlängert werden. Beide Neuregelungen (Abs. 1 und Abs. 3) sind auf alle Fälle anwendbar, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes eine Verjährung noch nicht eingetreten ist.
Bei einer zu niedrigen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gegenüber dem Gesellschafter durch den Erlass eines zu geringen Gewerbesteuermessbescheides gegenüber der Gesellschaft ist von ungerechtfertigten steuerlichen Vorteilen auszugehen, wobei in einem solchen Fall der Hinterziehungserfolg und Tatvollendung bereits eingetreten sind. Eine Beendigung der Taten tritt indes erst mit Bekanntgabe der entsprechenden Folgebescheide ein, also des Einkommensteuerbescheides gegenüber dem Gesellschafter und des Gewerbesteuerbescheides gegenüber der Gesellschaft (BGH Beschluss vom 11.7.2019, 1 StR 154/19, wistra 2020, 211). Mit der Bekanntgabe eines auf Null lautenden Gewerbesteuermessbescheides ist bereits Tatbeendigung eingetreten.
Die Hinterziehung der Umsatzsteuer ist bei Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuer-Jahreserklärung beendet, wenn die Erklärung beim FA eingeht, in Erstattungsfällen jedoch erst dann, wenn von Seiten des FA die entsprechende Zustimmung erteilt wurde.
Für das Strafverfahren wegen Steuerstraftaten gelten, soweit die §§ 386 ff. AO nichts anderes bestimmen, die allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die Strafprozessordnung, das Gerichtsverfassungsgesetz, das Gerichtskostengesetz und das Jugendgerichtsgesetz (§ 385 AO).
Bei dem Verdacht einer Steuerstraftat ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt. Dazu gehören die Hauptzollämter, die Finanzämter, das Bundeszentralamt für Steuern sowie die Familienkassen (§ 386 Abs. 1 AO). Die Rechte und Pflichten der Stpfl. und der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren richten sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO). Werden die Besteuerungsgrundlagen im Rahmen des Strafverfahrens ermittelt, so richten sich die Rechte und Pflichten grundsätzlich nach den strafprozessualen Vorschriften.
Vor Einleitung eines Strafverfahrens sind im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel unzulässig, sofern der Stpfl. dadurch gezwungen würde, sich wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten (§ 393 Abs. 1 Satz 2 AO). Nach Einleitung des Strafverfahrens bleibt der Stpfl. zwar zur Mitwirkung verpflichtet, soweit für Zwecke der Besteuerung ermittelt wird; seine Mitwirkung darf aber nicht mehr mit Hilfe von Zwangsmitteln (§ 328 AO) durchgesetzt werden (§ 393 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AO). Ist gegen einen Stpfl. wegen der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen ein Steuerstrafverfahren anhängig, rechtfertigt das Zwangsmittelverbot für nachfolgende Besteuerungszeiträume weder die Nichtabgabe zutreffender noch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen.
Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass in o.a. Fällen die Anwendung von Zwangsmitteln unzulässig sein könnte, ist der Stpfl. über die Rechtslage zu belehren (§ 393 Abs. 1 Satz 4 AO). Die Belehrung hat spätestens zu erfolgen, wenn der Stpfl. zur Mitwirkung aufgefordert wird oder, wenn er schon zur Mitwirkung aufgefordert worden war, seine Mitwirkung fortsetzt. Eine Verletzung der Belehrungspflicht gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO führt im Besteuerungsverfahren zu keinem Verwertungsverbot (vgl. BFH Urteil vom 23.1.2002, BStBl II 2002, 328).
Für die Anordnung einer Außenprüfung ist es unerheblich, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht (BFH Beschluss vom 14.4.2020, VI R 32/17, BStBl II 2020, 487; Anschluss an BFH Urteil vom 15.6.2016, III R 8/15, BStBl II 2017, 25, Rz 20). Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Verstöße gegen § 10 BpO, insbesondere gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, führen nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung.
Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat vor, besteht der Verdacht einer verfolgbaren Steuerstraftat. Nach dem Legalitätsprinzip ist dann ein Strafverfahren einzuleiten (§ 152 Abs. 2 StPO).
Die bloße Möglichkeit einer schuldhaften Steuerverkürzung rechtfertigt mangels Verdacht noch keine Einleitung eines Strafverfahrens.
Die Einleitung des Strafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er aufgefordert wird, Auskünfte zu geben oder Unterlagen vorzulegen, die mit der Straftat zusammenhängen, auf die sich der Verdacht erstreckt (§ 397 Abs. 3 AO). Erfordert es der Untersuchungszweck, vor der Vernehmung des Beschuldigten zunächst andere Ermittlungen vorzunehmen, z.B. Vernehmungen von Zeugen, so braucht ihm die Einleitung erst bekannt gegeben zu werden, wenn er um Mitwirkung gebeten wird. Bei der Bekanntgabe der Einleitung ist der Beschuldigte nach § 136 Abs. 1 StPO zu belehren. Es ist ihm nach Möglichkeit
Steuerart,
Steuerjahr,
die Handlung sowie
der Zeitpunkt
der Steuerstraftat unter Angabe der gesetzlichen Bestimmungen mitzuteilen.
Die Belehrung des Stpfl. gem. § 393 Abs. 1 Satz 4 AO hat spätestens mit der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens zu erfolgen.
Der Beschuldigte kann sich des Beistandes eines Verteidigers bedienen (§ 137 Abs. 1 StPO). Dabei kommen, solange die Finanzbehörde auf Grund des § 386 Abs. 2 AO das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, außer
Rechtsanwälten und Rechtslehrern (§ 138 Abs. 1 StPO) auch
Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte,
Wirtschaftsprüfer und
vereidigte Buchprüfer
in Betracht (§ 392 Abs. 1 AO). Andere Personen bedürfen als Verteidiger der Genehmigung durch das Gericht (§ 138 Abs. 2 StPO).
Der gewählte Verteidiger hat sich auf Verlangen durch schriftliche Vollmacht auszuweisen, sofern der Beschuldigte die Bevollmächtigung nicht angezeigt hat oder er nicht zusammen mit dem Verteidiger erscheint. Die Bevollmächtigung endet vor Abschluss des Verfahrens der Finanzbehörde nur mit der Anzeige des Beschuldigten über die Beendigung oder mit der Niederlegung des Mandats durch den Verteidiger.
Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch die Steuerfahndung hat der Verteidiger, im Gegensatz zur Vernehmung durch die Buß- und Strafsachenstelle, kein Anwesenheitsrecht (§ 163a Abs. 3 Satz 2 und § 168c Abs. 1 StPO i.U.). Allerdings ist eine Gestattung der Anwesenheit durch die Steuerfahndung möglich.
Vor Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) ist dem Verteidiger auf Antrag Einsicht in die Niederschriften über Vernehmungen des Beschuldigten, über gerichtliche Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger anwesend sein darf, sowie in Sachverständigengutachten zu gewähren (§ 147 Abs. 3 StPO). Die Einsichtnahme in die übrigen Vorgänge sowie die Besichtigung von Beweisstücken kann verwehrt werden, wenn dies den Untersuchungszweck gefährden könnte (§ 147 Abs. 2 StPO). Dies ist z.B. anzunehmen, wenn Untersuchungshandlungen vorbereitet sind, deren vorzeitiges Bekanntwerden verhindert werden soll. Befindet sich der Beschuldigte allerdings in Untersuchungshaft, sind dem Verteidiger diejenigen Informationen zugänglich zu machen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung wesentlich sind; in der Regel ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren (§ 147 Abs. 2 Satz 2 – neu – StPO).
Mit Abschluss der Ermittlungen ist dem Verteidiger uneingeschränkt Akteneinsicht zu gewähren und die Besichtigung von Beweisstücken zu gestatten (§ 147 Abs. 1, 2 StPO). Dies gilt auch für Steuerakten, die für das Strafverfahren herangezogen werden.
Das Recht zur Akteneinsicht umfasst auch das Recht, Abschriften oder Ablichtungen zu fertigen.
Auf Ladung der Bußgeld- und Strafsachenstelle sind der Beschuldigte sowie Zeugen verpflichtet, vor dieser zu erscheinen (§ 163a Abs. 3 Satz 1 StPO bzw. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Beschuldigte sowie Zeugen sind nicht verpflichtet, vor der Steuerfahndung zur Vernehmung zu erscheinen.
Eine Verpflichtung zur Aussage zur Sache besteht wegen des Aussageverweigerungsrechts für den Beschuldigten nicht.
Zeugen sind zur Verweigerung insbesondere dann berechtigt, wenn sie
nahe Angehörige sind (= Verlobte, Ehegatten und die in § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO bezeichneten Verwandten und Verschwägerten nach §§ 1589, 1590 BGB sowie die in § 52 Abs. 1 Nr. 2a StPO bezeichneten Lebenspartner) oder
Angehörige bestimmter Berufsgruppen einschließlich ihrer Berufshelfer (§§ 52 bis 53a, 56 StPO).
Fragen, mit deren Beantwortung der Zeuge sich selbst oder nahe Angehörige der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussetzen würden, brauchen nicht beantwortet zu werden (§§ 55, 56 StPO). Der Zeuge ist über sein Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren, wenn Anhaltspunkte für ein solches Recht erkennbar sind (§ 52 Abs. 3 StPO), obwohl davon ausgegangen werden kann, dass jeder die mit seinem Beruf zusammenhängenden Rechte und Pflichten kennt, soll auch auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53, 53a StPO hingewiesen werden. Eine Belehrung nach § 55 Abs. 2 StPO muss spätestens erfolgen, sobald Anhaltspunkte dafür erkennbar werden, dass der Zeuge durch seine Aussage sich selbst oder einen nahen Angehörigen in die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bringen würde.
Wurde ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hinzuweisen (»qualifizierte« Belehrung).
Zu Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird, bei Vernehmung durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle auch, welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Weiterhin ist der Beschuldigte darüber zu belehren, dass es ihm freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, und dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann (§ 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 StPO).
Die Vernehmung zur Sache soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, sich gegen den strafrechtlichen Vorwurf zu verteidigen (§ 136 Abs. 2 StPO). Hierzu sind ihm die Verdachtsgründe mitzuteilen, soweit es für seine Verteidigung angezeigt erscheint.
Den Willen beeinträchtigende Vernehmungsmethoden und -mittel, wie z.B. Ermüdung und Täuschung, sind unzulässig (§ 136a StPO) und haben ein Verwertungsverbot zur Folge.
Der Zeuge kann sich bei seiner Vernehmung eines anwaltlichen Beistandes bedienen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 StPO) oder mit einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe (Nr. 31 Abs. 1) als Beistand erscheinen.
Über die Vernehmung soll eine Niederschrift aufgenommen werden, soweit dies ohne erhebliche Verzögerung der Ermittlungen geschehen kann. Andernfalls ist das Ergebnis der Vernehmung auf andere Weise aktenkundig zu machen (§ 168b StPO). Die Niederschrift ist dem Vernommenen zur Genehmigung vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. Berichtigungen, die den Sinn der Vernehmung berühren, soll der Vernommene mit seinem Handzeichen versehen. Der Vernommene unterschreibt die Niederschrift mit seinem Vor- und Zunamen unter der Genehmigungsformel »Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben« oder »Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben« oder »nach Diktat genehmigt«. Verzichtet der Vernommene auf das Vorlesen oder die Vorlage zur Durchsicht, so ist dies in der Niederschrift zu vermerken. Der Vernehmende und ein etwaiger Protokollführer unterzeichnen sodann mit Namen und Dienstbezeichnung.
Zu den einzelnen Anweisungen bezüglich der Durchsuchungen der Wohnungen und anderer Räume, der Beschlagnahme sowie der Maßnahmen zur Sicherung des Steueranspruchs vgl. Teil 3 Abschn. 8 der AStBV 2023 vom 4.1.2023 (BStBl I 2023, 103; mit Wirkung vom 1.2.2023).
Mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz wurde § 375a AO eingeführt. Er regelt, dass in Fällen der Steuerhinterziehung rechtswidrig erlangte Taterträge trotz Erlöschens des Steueranspruchs nach § 47 AO, nach § 73 StGB die Einziehung dieser Erträge angeordnet werden kann. Die Regelung umfasst nicht nur die hinterzogenen Steuern, sondern auch die Zinsen, soweit diese auf die hinterzogenen Steuern entfallen. Dies gilt für alle am Tag nach der Verkündung noch nicht verjährten Steueransprüche.
Für Steuerordnungswidrigkeiten gelten die Vorschriften des Ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, soweit die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen. Bei Ordnungswidrigkeiten nach dem Steuerberatungsgesetz ist § 164 StBerG zu beachten.
In Abweichung vom Strafverfahren braucht der Betroffene vor Abschluss der Ermittlungen nicht vernommen zu werden. Es genügt, wenn ihm Gelegenheit gegeben wird, sich zu der Beschuldigung zu äußern (§ 55 Abs. 1 OWiG). Darüber hinaus braucht der Betroffene auf sein Recht, auch schon vor seiner Vernehmung einen Verteidiger zu befragen oder einzelne Beweiserhebungen zu beantragen, nicht hingewiesen zu werden (§ 55 Abs. 2 OWiG). Bei schwieriger Sach- und/oder Rechtslage sollte von der Bußgeld- und Strafsachenstelle ein entsprechender Hinweis gegeben werden.
Soll gegen einen Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, die er nicht in eigenen Steuerangelegenheiten, sondern in Ausübung seines Berufes bei der Steuerberatung begangen hat, ein Bußgeldbescheid erlassen werden und ist deshalb zuvor der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 411 AO), so sind dieser die Bußgeldakten zur Einsicht vorzulegen. Dies gilt auch für die Teile der Akten, die den Stpfl. oder einen sonst Beteiligten betreffen, wenn sie für die Beurteilung des Falles von Bedeutung sind.
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle hat die Stellungnahme bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen; sie ist jedoch an sie nicht gebunden. Gibt die Kammer keine Stellungnahme ab, so hindert dies den Erlass des Bußgeldbescheids nicht. Auf die Anhörung der zuständigen Kammer kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Betroffene dies beantragt.
Hält die Bußgeld- und Strafsachenstelle nach Abschluss der Ermittlungen die Ordnungswidrigkeit für erwiesen und die Ahndung mit einer Geldbuße für geboten, vermerkt sie den Abschluss der Ermittlungen in den Akten (§ 61 OWiG) und erlässt einen Bußgeldbescheid (§§ 65, 66 OWiG). Anderenfalls erfolgt eine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 1 OWiG.
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 € geahndet werden. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße gem. § 17 Abs. 3 OWiG sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht. Die Geldbuße soll ferner gem. § 17 Abs. 4 OWiG den wirtschaftlichen Vorteil des Täters aus der Ordnungswidrigkeit übersteigen. Wirtschaftlicher Vorteil ist nicht der verkürzte Steuerbetrag, sondern der Zinsvorteil im Verkürzungszeitraum. Als Zinssatz soll mindestens von 0,5 % pro vollem Monat ausgegangen werden (BVerfG Beschluss vom 23.1.1990, BStBl II 1990, 483).
Dem Betroffenen ist eine unterzeichnete und mit Dienstsiegel versehene Ausfertigung des Bußgeldbescheids zuzustellen (§ 412 Abs. 1 AO, § 51 Abs. 2 OWiG). Die Zustellung erfolgt i.d.R. durch die Post mit Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG).
Gegen den Bußgeldbescheid ist das Rechtsmittel des Einspruchs (→ Einspruchsverfahren) gegeben.
Die Rechtsgrundlagen der zwischenstaatlichen Amts- und Rechtshilfe in Steuer- und Steuerstrafsachen ergeben sich aus den §§ 117, 117a, 117b AO, dem Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie multi- und bilateralen Verträgen. Wegen der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen vgl. BMF-Schreiben vom 23.11.2015 (BStBl I 2015, 928) und wegen der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen vgl. BMF-Schreiben vom 16.11.2006 (BStBl I 2006, 698).
Die zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen richtete sich bislang nach § 117 AO, der allerdings den Bereich der Verhütung von Steuerstraftaten nicht erfasst. Mit dem neuen § 117a AO wurde für den Bereich der Verhütung von Steuerstraftaten die Möglichkeit geschaffen, auf ein Ersuchen einer für die Verhütung und Verfolgung von Straftaten zuständigen öffentlichen Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sowie der Schengen-assoziierten Staaten personenbezogene Daten an die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen zu übermitteln, soweit dies auch innerstaatlich zulässig wäre.
Stammen die Daten aus einem Steuerstrafverfahren, bildet § 481 Abs. 1 Satz 2 StPO die innerstaatliche Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung. Über § 481 Abs. 2 StPO ist dabei auch § 30 AO als besondere bundesgesetzliche Verwendungsregelung zu beachten. Die Datenübermittlung zu Zwecken der Verfolgung von Steuerstraftaten richtet sich auch weiterhin nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG, BGBl I 1994, 1537), dessen Datenübermittlungsvorschriften ebenfalls an die Erfordernisse des Rahmenbeschlusses angepasst wurden.
Nach der Rspr. des BGH kommt eine Schätzung im Steuerstrafverfahren dann in Betracht, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, aber ungewiss ist, welches Ausmaß die Besteuerungsgrundlagen haben (vgl. BGH Beschluss vom 29.8.2018, 1 StR 374/18, BGHR AO § 370 Beweiswürdigung 2). Der BGH hat im Beschluss vom 5.9.2019 (1 StR 12/19, StV 2020, 738) klargestellt, dass die Bargeldverkehrsrechnung als grobe Schätzungsmethode nur subsidiär zur Anwendung kommen kann und dass das Strafgericht dies genau begründen muss.
Im Steuerstrafverfahren ist nach dem Urteil des BGH vom 17.9.2019 (1 StR 379/19, NZWiSt 2020, 109) der innere Betriebsvergleich bei einem homogenen Warenangebot (hier Kraftfahrzeughandel) zulässig. Im Steuerstrafverfahren ist die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Stpfl. einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, das Ausmaß der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist.
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Es handelt sich jedoch nicht bei jeder Nichterfüllung einer steuerrechtlichen Angabepflicht zugleich um ein pflichtwidriges Inunkenntnislassen der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen im steuerstrafrechtlichen Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 KraftStDV führt nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, weil die Regelung der steuerlichen Erklärungspflicht allein in § 15 Abs. 1 KraftStDV den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügt (BGH Beschluss vom 15.12.2022, 1 StR 295/22, BGHSt 67, 201).
Beyer, Erste bundesweite Verwaltungsanweisung zur Neuregelung der Selbstanzeige zum 1.1.2015, NWB 41/2015, 3007; Haase, Selbstanzeigen im Zusammenhang mit Unternehmenssachverhalten, NWB 41/15, 2015; Götzenberger, Auslandsvermögen legalisieren, 2. Auflage, Herne 2015; Bilsdorfer, Fallstudie zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO, Steuer und Studium 2/2015, 105; Seer, Das Delikt der Steuerhinterziehung im Kernbereich des Steuerstrafrechts, Steuer und Studium 1/2016, 35; Beyer, Steuerstrafrechtliches Kompensationsverbot – Ausnahmen und Auswirkungen, NWB 11/2016, 773; Beyer, Strafbarkeitsschwellen für Steuerberater bei berufstypischem Handeln, NWB 22/2018, 1625; Gehm, Aktuelle Rechtsprechung aus dem Steuerstrafrecht, SIS Nr. 2020/07; Wienbracke, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO: Strafbarkeitslimitierung qua Parlamentsvorbehalt, NWB 46/2023, 3133; Weber, Praxisrelevante Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht, NWB 44/2023, 2996.
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