Grunderwerbsteuer

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Falls Sie ein neues Grundstück oder einen Anteil eines Grundstücks erwerben, müssen Sie die Grunderwerbssteuer aufbringen.
  • Die Grunderwerbssteuer ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich hoch (der Höchstsatz beträgt 6,5%, der niedrigste Wert liegt bei 3,5%).
  • Sie wird dann berechnet, sobald der Notarvertrag fertiggestellt ist und die Zahlungshöhe bzw. der Kaufpreis vorliegt.
  • Handelt es sich etwa bei Ihrem Grundstück um eine Schenkung oder ein Erbe, entfällt der Steuersatz

Inhaltsverzeichnis

1 Verkehrsteuer
2 Grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge
3 Grundsätzliches zur Ermittlung der Grunderwerbsteuer
4 Befreiungen von der Grunderwerbsteuer
4.1 Überblick zu Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG
4.2 Ausnahmen von der Besteuerung gem. § 4 GrEStG
4.3 Nichterhebung von GrEStG nach §§ 5–6a GrEStG
5 Berechnung der Grunderwerbsteuer – Einzelheiten zur Bemessungsgrundlage
5.1 Grundsätze
5.2 Erschließungskosten
5.3 Herstellungskosten des Gebäudes
5.3.1 Hintergrund
5.3.2 Zivilrechtliche Verknüpfung mehrerer Verträge
5.3.3 Tatsächliche Verknüpfung mehrerer Verträge
5.3.4 Rechtsprechung zum Einheitlichen Erwerbsgegenstand
5.4 Maklergebühr
5.5 Übernahme von Erwerbsnebenkosten durch den Veräußerer
5.6 Grundstücksveräußerungen mit Solar- und Photovoltaikanlagen
5.7 Umsatzsteuer als Teil der Bemessungsgrundlage
5.8 Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer
5.9 Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage
5.10 Hinzuerwerb von Flächen nach dem AusglLeistG
5.11 Mieterdienstbarkeit als Teil der Bemessungsgrundlage
5.12 Bemessungsgrundlage bei Erwerb von Wohnungs- bzw. Teileigentum aufgrund eines Auseinandersetzungs- bzw. Teilungsvertrages
5.13 Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG
5.14 Änderungen im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG)
6 Ertragshoheit und Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes
7 Steuerschuldner
8 Auswirkung der Grunderwerbsteuer auf das Entgelt für steuerpflichtige Grundstückslieferungen bei der Umsatzsteuer
9 Verfahrensfragen
9.1 Festsetzung der Grunderwerbsteuer und Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung
9.2 Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Steuerbescheid
9.3 Nachträgliche Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden
9.4 Erbengemeinschaft als selbstständiger Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel

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Die Änderungen des GrEStG zu den sogen. Share-Deals sind mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft getreten (Zustimmung BR am 7.5.2021; LEXinform 0450095). Die Änderungen betreffen insbesondere:

  • Änderung der 95 % Grenze auf 90 % (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3 Abs. 3a GrEStG),

  • innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren anstelle von fünf (§ 1 Abs. 2a GrEStG),

  • neuer Ergänzungstatbestand § 1 Abs. 2b GrEStG erfasst der Gesellschafterwechsel an KapGes (vergleichbar mit § 1 Abs. 2a GrEStG für PersGes),

  • Anpassung der Fristen in § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG von bisher fünf auf zehn Jahre,

  • weitere Änderungen: Einführung Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG, § 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG für Grundstückskäufe im Rückwirkungszeitraum von Umwandlungsfällen.

Die Finanzverwaltung hat mit gleich lautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen Stellung genommen (z.B. FinMin BW, FM3 – S-4430 – 1/29 vom 29.6.2021, LEXinform 7012837). Weitere Erlasse vom 10.5.2022 enthalten neue Verwaltungsauffassungen zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (z.B. zu § 1 Abs. 2a: FinMin BW, FM3-S 4501-2/82 sowie zu § 1 Abs. 2b: FinMin BW, FM3-S 4430-1/30). Der Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG ersetzt die bisherigen Ländererlasse vom 12.11.2018.

1. Verkehrsteuer

Die Grunderwerbsteuer knüpft an den Erwerb eines Grundstücks oder der Verwertungsmöglichkeit eines Grundstücks an und gilt daher als Verkehrsteuer.

2. Grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge

Der Grunderwerbsteuer unterliegen insbes. Kaufverträge und sonstige Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Bei der GrESt wird bereits der Anspruch auf einen Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück besteuert. Anknüpfungspunkt ist daher weder der Übergang des zivilrechtlichen noch des wirtschaftlichen Eigentums. Somit ist der Erwerbsvorgang bereits steuerbar und steuerpflichtig, obwohl noch kein Eigentumsübergang erfolgte. Wird im Ausnahmefall der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, d.h. die Übertragung des Eigentums am Grundstück erfolgt nicht, wird die GrESt auf Antrag nicht festgesetzt bzw. eine bereits erfolgte Festsetzung aufgehoben, vgl. § 16 Abs. 1 GrEStG (beispielsweise bei Nichterfüllung von Vertragsbedingungen).

Ein Anspruch auf Übertragung besteht z.B. auch bei einer Schenkung, d.h. Grundstücksschenkungen unterliegen den steuerbaren Erwerbsvorgängen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der unentgeltliche Teil einer (ggf. gemischten) Grundstücksschenkung ist aber steuerfrei gem. § 3 Nr. 2 GrEStG.

Erwirbt ein Gesellschafter von der Gesellschaft ein Grundstück auf Grund eines Kaufvertrags, liegt ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang vor. Die GrESt bemisst sich in diesen Fällen nach dem vereinbarten Kaufpreis (BFH vom 20.2.2019, II R 28/15, LEXinform 0950301).

Neben den Rechtsgeschäften mit Anspruch auf Übereignung an einem Grundstück werden außerdem noch zahlreiche andere Rechtsvorgänge erfasst, wie z.B. der Eigentumsübergang im Enteignungsverfahren oder das Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 2–7 GrEStG). Der GrESt unterliegen auch Eigentumsübertragungen, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG. Unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG fällt beispielsweise eine Ausführungsanordnung zum Flurbereinigungsplan(BFH vom 12.10.2022, LEXinform 0952920). Der maßgebende Steuersatz richtet sich in diesen Fällen nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ausführungsanordnung. Unerheblich ist, ob eine Bindung der Beteiligten vorgelagert ist, sei es durch eine wirksame Planvereinbarung, sei es durch eine etwaige Unwiderruflichkeit der Zustimmung zur Übernahme von Land.

Ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbstatbestand wird auch in bestimmten Fällen von Änderungen im Gesellschafterbestand von Gesellschaften fingiert (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG; → Grunderwerbsteuer durch Änderung des Gesellschafterbestandes). Umwandlungen (→ Umwandlung) unterliegen mit Ausnahme des Formwechsels nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der GrESt, soweit das Eigentum an Grundstücken aus dem Vermögen des übertragenden Rechtsträgers auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht. Formwechsel nach §§ 1 Abs. 1, 191 Abs. 1 UmwG unterliegen nicht der GrESt (keine Übertragung von Vermögen auf einen anderen Rechtsträger). Im Rahmen der GrESt sind nur Formwechsel i.S.d. UmwG von der Steuer ausgenommen. So hat der BFH klargestellt, dass ein Formwechsel eines Einzelunternehmens in eine GmbH nach § 191 Abs. 1 UmwG nicht möglich sei und daher auch nicht von der GrESt ausgenommen wird, vgl. BFH Beschluss vom 22.11.2018 (II B 8/18, LEXinform 5021675). Die Eintragung ins Handelsregister ist für die Beurteilung ohne Bedeutung, allein entscheidend ist das zugrunde liegende schuldrechtliche Rechtsgeschäft.

Der Grunderwerbsteuer unterliegen gem. § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Der Erwerb einer solchen Verwertungsbefugnis wird einem Grundstückserwerb gleichgestellt. Die Vorschrift erfasst Sachverhalte, in denen ohne Rechtsträgerwechsel der Eigentümer einem anderen so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann (vgl. BFH vom 22.10.2014, II R 41/13). Erwirbt ein Treuhänder von einem Dritten für den Treugeber ein Grundstück (Erwerbstreuhand), ist sowohl der Grundstückserwerb durch den Treuhänder als auch der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch den Treugeber grunderwerbsteuerpflichtig. Für Grund und Umfang von Steuerbefreiungen sind grundsätzlich beide Erwerbsvorgänge getrennt zu betrachten. Erwirbt ein Treuhänder im Auftrag des Treugebers von einem Dritten ein Grundstück, wird durch die Treuhandabrede eine Verwertungsbefugnis des Treugebers begründet. Durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB, der sich auf den Erwerb eines Grundstücks durch den Verpflichteten im eigenen Namen richtet, erlangt der Geschäftsherr die Rechtsmacht, von dem Beauftragten die Auflassung des Grundstücks (§ 925 BGB) zu verlangen (§ 667 BGB i.V.m. § 675 BGB) oder es bei entsprechender Ausgestaltung des Vertrags durch andere Maßnahmen der Substanz nach auf eigene Rechnung zu verwerten. Diese Rechtsmacht begründet eine Verwertungsbefugnis i.S.v.n § 1 Abs. 2 GrEStG. Für den unentgeltlichen Auftragserwerb gilt dasselbe. Eine Treuhandvereinbarung in Gestalt der sog. Erwerbstreuhand ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag in diesem Sinne (BFH vom 23.2.2021, II R 22/19, LEXinform 0952820.

Der Grundstücksbegriff i.S.d. GrEStG wird in § 2 GrEStG definiert und erfasst Grundstücke i.S.d. BGB (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Den Grundstücken stehen Erbbaurechte (→ Erbbaurecht) und → Gebäude auf fremdem Grund und Boden gleich (§ 2 Abs. 2 GrEStG). Nicht erfasst werden insbes. die Betriebsvorrichtungen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG). Durch die Anknüpfung an Grundstücke i.S.d. bürgerlichen Rechts in § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG wird auch das Zubehör nicht erfasst, dies gilt insbes. für Möbel (auch Einbaumöbel, sofern kein Gebäudebestandteil). Insofern unterscheidet sich der Umfang im grunderwerbsteuerlichen Sinne vom Umfang des Grundvermögens im Bewertungsrecht (§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG).

3. Grundsätzliches zur Ermittlung der Grunderwerbsteuer

Der Grunderwerbsteuer unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Die Steuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Gem. § 8 Abs. 2 GrEStG wird die Steuer nach den Grundbesitzwerten i.S.d. § 157 Abs. 1–3 BewG bemessen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist.

Was als Gegenleistung gilt, regelt § 9 GrEStG. Als Gegenleistung gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb von Grundstücken gewährt oder die der Veräußerer von Grundstücken empfängt (BFH Urteil vom 6.12.1989, II R 95/86, BStBl II 1990, 186).

Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Der Kaufpreis muss nicht zwingend in einer Geldleistung erbracht werden, möglich ist z.B. auch die Übernahme von Dienstleistungen oder die Hingabe eines Gegenstandes an Erfüllungsstatt. Zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehören alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Dabei müssen Leistung und Gegenleistung nicht ausgewogen sein.

Wird neben dem Verkauf des Grundstücks auch Zubehör übertragen, ist die Gegenleistung entsprechend aufzuteilen. Die Übertragung von Zubehör unterliegt nicht der GrESt. Gleiches gilt bei der Mitübertragung von Betriebsvorrichtungen, auch hier muss die Gegenleistung entsprechend aufgeteilt werden. Einzelheiten zur Bemessungsgrundlage siehe unter 5.1.

Bei einem Kaufvertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bemisst sich die GrESt nach dem Wert der Gegenleistung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) und nicht nach dem Grundbesitzwert (§ 8 Abs. 2 GrEStG). Ein Fall des § 8 Abs. 2 GrEStG ist dann nicht gegeben, wenn sich durch den Erwerbsvorgang keine Änderung der Gesellschafterstellung ergibt (BFH vom 20.2.2019, II R 28/15, LEXinform 0950301).

Nach der Entscheidung des BFH vom 12.7.2006 (II R 65/04, BFH/NV 2006, 2128, LEXinform 5902737) ist auch ein zwischen den Vertragsparteien vereinbarter Kaufpreis von 1 DM eine Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG. Ein Grundstückskaufpreis von 1 DM ist Gegenleistung i.S.d. § 8 Abs. 1 GrEStG, wenn er ernsthaft vereinbart worden ist. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Parteien des Grundstücksgeschäfts angesichts ihrer gemeinsamen Vorstellung vom Wert des Grundstücks anstelle eines Kaufpreises von 1 DM auch 0 DM hätten vereinbaren können.

Beispiel 1:

Anton verkauft Berta ein in Mainz gelegenes Mietwohngrundstück. Im Kaufvertrag (notariell beurkundet am 7.12.2018) wurde ein Kaufpreis in Höhe von 400 000 € vereinbart. Zusätzlich zu diesem sofort fälligen Betrag hat sich Berta verpflichtet eine Verbindlichkeit von Anton zu übernehmen. Vereinbart wurde die Ablösung der Schuld zum 1.1.2019 i.H.v. 200 000 €. Weiterhin wurde vereinbart, dass Berta die GrESt zu tragen hat.

Lösung 1:

Durch den Kaufvertrag vom 7.12.2018 erwirbt Anton einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks, der Vorgang ist daher grunderwerbsteuerbar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Sofern keine Steuerbefreiung einschlägig ist (insbes. § 3 GrEStG), ist der Erwerbsvorgang auch stpfl. Bemessungsgrundlage ist gem. § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Als Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zählt der sofort fällig Betrag von 400 000 € und die Schuldübernahme i.H.v. 300 000 €. Der Steuersatz ist gem. § 11 Abs. 1 GrEStG grds. 3,5 %, in Rheinland-Pfalz ist der Steuersatz ab dem 1.3.2012 auf 5 % angehoben worden, die Steuer beträgt somit 35 000 €. Die GrESt entsteht mit Wirksamwerden des Kaufvertrages (7.12.2018), § 38 AO. Steuerschuldner sind grds. Käufer und Verkäufer als Gesamtschuldner (§ 13 Nr. 1 GrEStG). Im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wird das Finanzamt zunächst nur Berta zur GrESt heranziehen. Die Fälligkeit tritt gem. § 15 Satz 1 GrEStG einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides ein. Ist die GrESt entrichtet, hat das FA die für die Änderung des Grundbuchs erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, § 23 Abs. 2 Satz 1 i.Vm. Abs. 1 GrEStG.

Beispiel 2:

Ottilie verkauft ihrem Sohn Dankmar einen Bauplatz in der Nähe von Frankfurt zu einem Kaufpreis von 100 000 €. Der Verkehrswert des Bauplatzes beträgt 300 000 €. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Sohn zumindest teilweise bereichert werden soll. Das FA hat einen Grundbesitzwert (§ 157 BewG) i.H.v. 280 000 € festgestellt. Die notarielle Beurkundung erfolgte am 10.12.2018, der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums wurde zum 1.1.2019 vereinbart.

Lösung 2:

Dankmar erwirbt einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks. Sowohl der entgeltliche als auch der unentgeltliche Teil des Vorgangs führen zu einem grunderwerbsteuerbaren Vorgang, § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.Vm. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Soweit der Grundstückserwerb als Schenkung unter Lebenden stpfl. ist, wird insoweit der Erwerbsvorgang von der GrESt ausgenommen. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Somit unterliegt lediglich der entgeltliche Teil der GrESt. Die Bemessungsgrundlage beträgt 100 000 €, § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Steuersatz gem. § 11 Abs. 1 GrEStG grds. 3,5 %, in Hessen ist der Steuersatz ab dem 1.8.2014 auf 6 % angehoben worden. Die GrESt beträgt 6 000 €. Sofern nichts anderes vereinbart wurde, sind gem. § 13 Nr. 1 GrEStG sowohl Ottilie als auch Dankmar Steuerschuldner. Die GrEStG entsteht mit Wirksamwerden des Kaufvertrages (10.12.2018), § 38 AO.

Beispiel 3:

Claus erwirbt im September 2018 von Daria ein unbebautes Grundstück in Heidelberg. Das Grundstück ist im Kaufvertrag als Bauplatz bezeichnet, als Kaufpreis wurde ein Betrag von 320 000 € vereinbart. Im Dezember 2018 schließt Claus mit dem Bauunternehmer Mauer einen Vertrag über die Errichtung eines Einfamilienhauses auf diesem Grundstück.

Lösung 3:

Der Erwerbsvorgang richtet sich auf die Übereignung eines unbebauten Grundstücks. Teil der Bemessungsgrundlage ist daher grds. nur der auf diese Leistung gerichtete Kaufpreis. Maßgebend ist der Zustand des Grundstücks im Zeitpunkt des Erwerbs. Sofern nicht weitere Leistungen, wie z.B. die Bebauung, vereinbart worden sind, beträgt die GrESt 16 000 € (5 % von 320 000 €). In besonderen Fällen kann auch bei getrennten Verträgen von einem einheitlichen Leistungsgegenstand (bebautes Grundstück) auszugehen sein. In diesem Fällen wären die Herstellungskosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, vgl. hierzu die nachfolgenden Ausführungen sowie nachfolgend unter 5.2.

Bei der Beurteilung, in welchem Umfang eine Gegenleistung für die Übertragung des konkreten Grundstücks vorliegt, ist auf den tatsächlichen Zustand des Grundstücks zum Erwerbsvorgang abzustellen. Der maßgebende Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Der Kaufvertrag kann beispielsweise neben dem Anspruch auf Übereignung des Grundstücks auch Vereinbarungen zur Übertragung von Inventar bzw. Zubehör (z.B. Einbauküche) oder auch Betriebsvorrichtungen (z.B. Photovoltaikanlage) enthalten. Vereinbarte Kaufpreise zu diesen Punkten sind bei der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Beim Erwerb eines zunächst noch unbebauten Grundstücks (z.B. Bauplatz) ist zu beurteilen, ob sich der Erwerbsvorgang nur auf das unbebaute Grundstück bezieht oder ob Gegenstand des Erwerbs ein bebautes Grundstück sein soll. Ergibt sich aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Leistungsgegenstand. In diesem Fall sind die HK des Gebäudes Teil der Bemessungsgrundlage (erneut bestätigt durch BFH vom 10.12.2019, II B 20/19 in einem AdV-Verfahren). Der sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Vereinbarungen bzw. Verträgen ist u.a. gegeben, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags in seiner Entscheidung über das »ob« und »wie« der Baumaßnahme gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten würde. Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zu Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot unverändert oder mit nur geringen Abweichungen annimmt.

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf und hat der Eigentümer dem Bauunternehmer das Grundstück »an die Hand« gegeben, steht es dem Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands »bebautes Grundstück« nicht entgegen, wenn sich der Eigentümer im Übrigen passiv verhält und nur an der Veräußerung des Grundstücks interessiert ist. Für das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands »bebautes Grundstück« genügt es, wenn die Einbindung des Eigentümers über einen von ihm als Mittelsperson eingeschalteten Dritten herbeigeführt wird, vgl. hierzu BFH Urteil vom 26.2.2014, II R 54/12 (BFH/NV 2014, 1403).

Einzelheiten zur Einbeziehung der Herstellungskosten des Gebäudes in die Bemessungsgrundlage vgl. unter 5.2.

4. Befreiungen von der Grunderwerbsteuer

4.1. Überblick zu Steuerbefreiungen nach § 3 GrEStG

Bestimmte Erwerbsvorgänge sind von der Steuer befreit. Das GrEStG unterscheidet zwischen den allgemeinen Ausnahmen von der Besteuerung (§ 3 GrEStG) und den besonderen Ausnahmen von der Besteuerung (§ 4 GrEStG). Weitere Besonderheiten bei der Erhebung der GrESt sind insbes. in den §§ 5–6a GrEStG geregelt.

Unter § 3 GrEStG fallen u.a.

  • der Erwerb eines geringwertigen Grundstücks (Freigrenze von 2 500 €, § 3 Nr. 1 GrEStG),

  • der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden (§ 3 Nr. 2 GrEStG),

  • der Erwerb eines zum Nachlass gehörigen Grundstücks durch Miterben zur Teilung des Nachlasses (§ 3 Nr. 3 GrEStG, → Erbrecht),

  • der Grundstückserwerb durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Veräußerers (§ 3 Nr. 4 GrEStG),

  • der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten oder Lebenspartner des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung bzw. Aufhebung der Lebenspartnerschaft (§ 3 Nr. 5 und 5a GrEStG). Überträgt ein geschiedener Ehegatte seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück auf seinen ehemaligen Ehepartner, fällt nur dann keine Grunderwerbsteuer an, wenn Anlass für die Vermögensübertragung die Scheidung und nicht andere Gründe waren (FG Hessen vom 10.5.2012, 5 K 2338/08, EFG 2012, 1874). Nach § 3 Nr. 5 GrEStG ist zwar der Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung ohne zeitliche Beschränkung von der Besteuerung ausgenommen. Jedoch muss die Scheidung für die Vermögensauseinandersetzung ursächlich sein. Im Urteilsfall war der Anlass für die Vermögensübertragung der Tod der Mutter gewesen, die neben dem früheren Ehemann eine der beiden Wohnungen des im gemeinsamen Eigentum der geschiedenen Ehegatten stehenden Hauses mit Grundstück bewohnte. Die verschobene Vermögensauseinandersetzung, um der Mutter der früheren Ehefrau die dauerhafte Grundstücksnutzung zu ermöglichten, betrifft nach Auffassung des Hessischen FG nicht die eigentlichen ehelichen Beziehungen der früheren Eheleute und damit auch nicht den Begünstigungszweck der gesetzlichen Steuervergünstigung des § 3 Nr. 5 GrEStG.

  • der Erwerb eines Grundstücks durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt sind (einschließlich Stiefkindern sowie deren Ehegatten oder deren Lebenspartner, § 3 Nr. 6 GrEStG).

Beispiel 4:

Eduard schenkt seiner Nichte Natalie ein Mietwohngrundstück in Nürnberg (Grundbesitzwert 800 000 €, gleichzeitig behält er sich ein Nießbrauchsrecht an insgesamt vier der acht Wohnungen vor. Der Kapitalwert des Nießbrauchs beträgt 200 000 €.

Lösung 4:

Es handelt sich um eine Schenkung unter Auflage. Durch die Schenkung erwirbt die Nichte einen Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks, § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Der Erwerbsvorgang ist grunderwerbsteuerbar. Gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG wird der Erwerbsvorgang von der Besteuerung ausgenommen, soweit dieser als freigebige Zuwendung unter Lebenden unter das ErbStG fällt. Sofern jedoch Auflagen bei der Berechnung der schenkungsteuerlichen Bereicherung abzugsfähig sind, tritt insoweit eine Grunderwerbsteuerpflicht ein, § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Da der Kapitalwert des Nießbrauchs i.H.v. 200 000 € die Bereicherung der Nichte mindert (vgl. hierzu R E 7.4 Abs. 1 ErbStR), ist in dieser Höhe der Erwerbsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig.

Beispiel 5:

Wie Beispiel 4. Die Schenkung erfolgt jedoch nicht an die Nichte, sondern an die Tochter von Eduard.

Lösung 5:

Es handelt sich unverändert um eine Schenkung unter Auflage. Der Kapitalwert der Auflage ist bei der Schenkungsteuer abzugsfähig. In Höhe des Kapitalwertes greift § 3 Nr. 2 GrEStG nicht, insoweit greift nunmehr die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 6 GrEStG (Verwandte in gerader Linie). Der Erwerbsvorgang unterliegt insgesamt nicht der GrESt.

Beispiel 6:

Zum Nachlass des im August 2018 verstorbenen Viktor gehört u.a. ein Geschäftsgrundstück in Hannover (Grundbesitzwert 800 000 €) und ein Wertpapierdepot (Kurswert 800 000 €). Erben sind die beiden Kinder (Sohn, Tochter) zu gleichen Teilen. Im Rahmen einer im Dezember 2018 vereinbarten Erbauseinandersetzung übernimmt der Sohn das Wertpapierdepot und die Tochter das Geschäftsgrundstück.

Lösung 6:

In einem ersten Schritt geht das Grundstück im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB auf die Erbengemeinschaft über. Die Übertragung ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG grunderwerbsteuerbar und gem. § 3 Nr. 2 ErbStG steuerfrei. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung wird in einem zweiten Schritt das Grundstück aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in das Alleineigentum der Tochter übertragen. Hier liegt eine Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, der Erwerb ist aber gem. § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei.

Zur Grundstücksübertragung unter Geschwistern hat der BFH mit Urteil vom 7.11.2018 (II R 38/15, LEXinform 0950389) entschieden. Im Urteilsfall wurde ein Miteigentumsanteil in Erfüllung einer von der Mutter angeordneten Auflage übertragen. Der BFH führt aus, dass weder § 3 Nr. 2 GrEStG noch § 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG für die Übertragung unter Geschwistern einschlägig sei. Die Übertragung erfolge weder freigebig (Erfüllung einer Auflage) noch unter Verwandten gerader Linie (Geschwister). Allerdings könne die Steuerbefreiung aber aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über ihren Gesetzeswortlaut hinaus dann gewährt werden, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären (vgl. Rn. 19 in der Urteilsbegründung). Die Steuerfreiheit des Grundstückserwerbs kann sich aus der mehrfachen Anwendung derselben grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschrift für die unterbliebenen Zwischenerwerbe ergeben. Insoweit erfolgt eine Abweichung von der Aussage des Senates in einem AdV-Verfahren (vgl. BFH Beschluss vom 11.8.2014, II B 131/13). An der in diesem Verfahren geäußerten Auffassung hält der Senat nicht mehr fest (vgl. Rn. 28 in der Urteilsbegründung vom 7.11.2018).

Geht ein Grundstück im Rahmen eines Vermächtnisses vom Erben auf den Vermächtnisnehmer über, greift die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Die Erfüllung des Vermächtnisses durch den Erben ist zunächst ein steuerbarer Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), dieser unterliegt beim Vermächtnisnehmer zugleich auch der ErbSt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. ErbStG). Daher greift bei einem (Sach-)Vermächtnis die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Bei einem sog. Kaufrechtsvermächtnis ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob durch das Testament ein Anspruch auf Übertragung des Grundstücks eingeräumt wird oder nur das Recht auf den Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks. Der BFH hat klargestellt, dass bei einem Kaufrechtsvermächtnis die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG grds. nicht anwendbar ist (BFH vom 16.1.2019, II R 7/16, LEXinform 0950753). Dem Urteilsfall lag die folgende Formulierung im Testament zugrunde: »Ich vermache meinem Sohn das Ankaufsrecht an der ETW (…). Der Ankaufspreis entspricht dem Verkehrswert der ETW im Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts.« Hierzu hat der BFH ausgeführt, dass das Testament (noch) nicht den Anspruch auf Übertragung des Grundstücks begründet. Erst der tatsächlich zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer abgeschlossene Kaufvertrag begründet das Recht auf Übereignung. Aus diesem Grund fällt in diesem Fall GrESt an, die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG greift nicht. Im Entscheidungsfall waren Erbe und Vermächtnisnehmer Geschwister, daher hat der BFH in der weiteren Urteilsbegründung auch die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG abgegrenzt. Erblasser war zwar ein Elternteil, da der Kaufvertrag aber zwischen den Geschwistern abgeschlossen wurde, war § 3 Nr. 6 GrEStG nicht einschlägig. Eine andere Lösung würde sich ergeben, wenn das Testament kein Kaufrechtsvermächtnis, sondern ein Sachvermächtnis beinhaltete (z.B. »Ich vermache meinem Sohn die ETW (…), als Ausgleichszahlung hat er einen Preis in Höhe von 100 000 € an die Erben zu entrichten.«). In diesem Fall erwirbt der Sohn den Anspruch auf Übereignung unmittelbar durch das Testament.

Zur Grunderwerbsteuerbefreiung im Zusammenhang mit einer Schenkungsauflage hat der BFH mit Urteil vom 25.8.2020 (II R 30/18, LEXinform 0952027) entschieden. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist im Falle eine solchen Schenkung unter Auflage zugunsten eines Dritten hinsichtlich des Gegenstandes der Auflage nicht anwendbar. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG setzt voraus, dass sich der Grundstückserwerb zwischen Schenker und Bedachtem vollzieht. Das ist bei der Vollziehung einer Schenkungsauflage ausgeschlossen. Der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerb vollzieht sich zwischen dem Erstbeschenkten und dem Zweitbeschenkten. Der Erstbeschenkte und der ursprüngliche Schenker sind definitionsgemäß nie identisch (BFH vom 25.8.2020, II R 30/18, Rz. 18). Wenn die Leistungsbeziehung in der Grunderwerbsteuer für sich genommen keinen Befreiungstatbestand erfüllt, so kann gleichwohl die Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften oder die mehrfache Anwendung derselben Befreiungsvorschrift eine Steuerbefreiung im Wege der Zusammenschau eröffnen, die im Wortlaut der Einzelvorschriften, je für sich allein betrachtet, nicht zum Ausdruck kommt. Diese Zusammenschau darf nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt anknüpfen. Sie darf auch nicht zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Befreiungsvorschrift über ihren Zweck hinaus führen. Fälle des Gestaltungsmissbrauchs i.S.d. § 42 AO sind ausgeschlossen (BFH vom 28.4.1970, II 109/65 und 16.12.2015, II R 49/14 Rz 9, m.w.N. sowie vom 7.11.2018, II R 38/15, Rz 19).

Nicht unter die Ausnahmeregelung des § 3 GrEStG, aber dennoch von der Grunderwerbsteuer befreit, fällt der Erwerb von Grundeigentum anlässlich einer amtlichen Umlegung nach den §§ 45 BauGB ff. Hingegen ist der Erwerb von Grundeigentum anlässlich einer freiwilligen Baulandumlegung weiterhin grunderwerbsteuerbar. Das hierzu angerufene BVerfG hat in seinem Beschluss vom 24.3.2015 (BVerfG, Beschluss vom 24.3.2015, 1 BvR 2880/11) entschieden, dass diese Ungleichbehandlung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG verstoße. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die amtliche Umlegung verpflichtend sei, während die Teilnahme an freiwilligen Umlegungen auch vermieden werden könnte. Dies rechtfertige im Ergebnis die Ungleichbehandlung zwischen amtlicher und freiwilliger Baulandumlegung.

4.2. Ausnahmen von der Besteuerung gem. § 4 GrEStG

Unter § 4 GrEStG fallen u.a.

  • der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlass des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben oder aus Anlass von Grenzänderungen von der einen auf die andere juristische Person übergeht und nicht überwiegend einem Betrieb gewerblicher Art dient (§ 4 Nr. 1 GrEStG). Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll der Wechsel eines Trägers einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe von Grunderwerbsteuer freigehalten werden, sofern mit dem Trägerwechsel auch ein (rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher) Übergang des Eigentums an Grundstücken verbunden ist. Diese Voraussetzungen sind dann nicht erfüllt, wenn eine Religionsgemeinschaft ein Kirchengrundstück an eine andere konfessionsverschiedene Religionsgemeinschaft verkauft, die die sakrale Nutzung des Grundstücks fortsetzt. Ein »Übergang« von Aufgaben liegt nur vor, wenn die übernehmende juristische Person des öffentlichen Rechts eben die Funktionen wahrnimmt, welche bisher die übergebende juristische Person wahrgenommen hat. Kein Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben liegt daher vor, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts ihre Tätigkeiten aufeinander abstimmen, aber nach wie vor dieselben Aufgaben haben (BFH Urteil vom 1.9.2011, II R 16/10).

  • der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Staat, wenn das Grundstück für die Zwecke von Botschaften, Gesandtschaften oder Konsulaten dieses Staates bestimmt ist und Gegenseitigkeit gewährt wird (§ 4 Nr. 2 GrEStG),

  • der Erwerb eines Grundstücks durch einen ausländischen Staat oder eine ausländische kulturelle Einrichtung, wenn das Grundstück für kulturelle Zwecke bestimmt ist und Gegenseitigkeit gewährleistet wird (§ 4 Nr. 3 GrEStG),

  • der Erwerb eines Grundstücks von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sowie der Rückerwerb des Grundstücks durch die juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch i.S.d. § 3 Abs. 2 des Grundsteuergesetzes benutzt wird und zwischen dem Erwerber und der juristischen Person des öffentlichen Rechts die Rückübertragung des Grundstücks am Ende des Vertragszeitraums vereinbart worden ist (§ 4 Nr. 5 GrEStG). Die Ausnahme von der Besteuerung entfällt mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts auf die Rückübertragung des Grundstücks verzichtet oder das Grundstück nicht mehr für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt wird.

    Der BFH hat entschieden, dass § 4 Nr. 9 GrEStG a.F. (jetzt § 4 Nr. 5 GrEStG) auf Rückerwerbsfälle anwendbar ist, in denen ein Grundstück vor Inkrafttreten dieser Norm im Rahmen einer Öffentlich Privaten Partnerschaft auf den privaten Partner übertragen wurde, die Rückübertragung des Grundstücks aber für einen nach Einführung dieser Norm liegenden Zeitpunkt vereinbart war. Eine Öffentlich Private Partnerschaft nach § 4 Nr. 9 GrEStG a.F. erfordert eine Kooperation zwischen dem privaten und dem öffentlich-rechtlichen Partner i.S. einer Beteiligung des privaten Partners an der Erbringung öffentlicher Aufgaben. Die nach § 4 Nr. 9 GrEStG a.F. erforderliche Vereinbarung, dass das Grundstück am Ende des Vertragszeitraums einer Öffentlich Privaten Partnerschaft auf die juristische Person des öffentlichen Rechts zurückübertragen wird, muss klar und eindeutig sein (BFH vom 10.4.2019, II R 16/17, LEXinform 0951370).

4.3. Nichterhebung von GrEStG nach §§ 5–6a GrEStG

§ 5 GrEStG regelt die Erhebung der GrESt in Fällen des Übergangs eines Grundstücks auf eine Gesamthand. Geht beispielsweise ein Grundstück aus dem Alleineigentum eines Gesellschafters auf das Gesamthandseigentum der Gesellschaft über an der er beteiligt ist, wird die GrESt in Höhe seines Anteils an der Gesellschaft nicht erhoben (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Vermindert sich innerhalb von zehn Jahren (bisher fünf Jahre) nach dem Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand der Anteil des einbringenden Gesellschafters, so ist insoweit GrEStG zu erheben, vgl. § 5 Abs. 3 GrEStG. Aus diesem Grund enthält § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG eine Anzeigepflicht für Beteiligte. Der BFH hat nun entschieden, dass diese Anzeigepflicht auch dann einschlägig ist, wenn sich zwar der Vermögensanteil des einbringenden Gesellschafters vermindert, der personelle Gesellschafterbestand aber unverändert bleibt (BFH vom 15.1.2019, II R 39/16, LEXinform 0951180). Der BFH hat in der weiteren Urteilsbegründung ausgeführt, dass die Frage, ob bei einer Steuervergünstigung (§ 5 Abs. 1 GrEStG) auch eine bloße Vermögensminderung bei gleichbleibendem Gesellschafterbestand anzeigepflichtig ist, bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt war. In der Literatur wurde bisher eine Anzeigepflicht verneint (vgl. Rn. 38 der Urteilsbegründung mit weiteren Literaturnachweisen).

Beispiel 7:

Kira und Sissy sind je zur Hälfte am Vermögen der KS-OHG beteiligt. Kira bringt zum 1.1.2022 ein ihr allein gehörendes Grundstück in die OHG ein. Zum 1.1.2023 verschiebt sich die Vermögensbeteiligung zwischen K und S, S ist nunmehr zu 80 % und K zu 20 % am Vermögen der KS-OHG beteiligt.

Lösung 7:

Gem. § 5 Abs. 2 GrEStG wird die durch die Einbringung zum 1.1.2022 entstehende GrESt zur Hälfte nicht erhoben (Anteil der einbringenden K). § 5 Abs. 2 GrEStG ist jedoch insoweit nicht anzuwenden, als sich der Anteil von K innerhalb von zehn Jahren nach der Einbringung vermindert (§ 5 Abs. 3 GrEStG). D.h. die Vermögensverminderung von 50 % auf 20 % löst GrESt aus. Nach dem o.g. Urteil des BFH vom 15.1.2019 ist die Vermögensverminderung von K gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG anzuzeigen.

Vergleichbar regelt § 6 GrEStG die Fälle, in denen ein Grundstück von einer Gesamthand z.B. in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person übergehen. Auch hier wird die GrESt anteilig nicht erhoben (§ 6 Abs. 2 GrEStG). Ein Anteil am Vermögen der Gesamthand i.S.d. § 6 GrEStG kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden, dies hat der BFH in seinem Urteil vom 12.1.2022 (II R 16/20, LEXinform 0952928) klargestellt.

Beispiel 8:

Antonia und Benedikt sind zu je 50 % am Kapital der A & B OHG beteiligt. Zum Gesamthandsvermögen der OHG gehört u.a. ein Geschäftsgrundstück in München. Benedikt scheidet zum 1.1.2022 gegen Barabfindung aus der OHG aus. Antonia führt das Unternehmen alleine als Einzelunternehmen fort.

Lösung 8:

Durch das Ausscheiden von B aus der OHG geht das Grundstück von der Gesamthand auf A über. Das Anwachsen i.S.d. § 738 BGB ist grunderwerbsteuerbar gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. In Höhe der bisherigen Beteiligung von A wird die GrESt aber gem. § 6 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben (vgl. auch Pahlke, GrEStG § 6 Rn. 23).

Die Grunderwerbsteuerbegünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ausgeschlossen, soweit die Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Anteile innerhalb von zehn Jahren vor dem Erwerbsvorgang durch Umwandlung einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in die Personengesellschaft erhalten haben (BFH Beschluss vom 5.6.2019, II B 21/18).

§ 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG bezweckt die Abwehr missbräuchlicher Gestaltungen durch Verbindung des grundsätzlich steuerfreien Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand mit der steuerfreien Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen. Die Vorschrift ist teleologisch zu reduzieren, soweit abstrakt keine Steuer zu vermeiden war. Auf einen konkreten Missbrauch im Einzelfall kommt es nicht an. Abstraktes Missbrauchspotenzial fehlt, wenn der Wechsel im Gesellschafterbestand ausnahmsweise grunderwerbsteuerbar war. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist insoweit nicht anzuwenden (BFH vom 25.8.2020, II R 23/18, LEXinform 0951954).

Zur Anwendung der §§ 5, 6 GrEStG vgl. gleich lautender Ländererlass v. 12.11.2018 (BStBl I 2018, 1334).

Mit § 6a GrEStG ist eine Konzernklausel eingefügt worden. Bestimmte Grundstücksübertragungen anlässlich einer Umstrukturierung nach dem UmwG (Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung) sind danach befreit. Voraussetzung ist dabei, dass an dem Umwandlungsvorgang

  1. ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und

  2. eine oder mehrere abhängige Gesellschaften (> 95 %ige Beteiligung des herrschenden Unternehmens während fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang) beteiligt sind.

Zur Anwendung des § 6a GrEStG vgl. gleich lautender Ländererlass vom 19.6.2012 (BStBl I 2012, 662). Welches Unternehmen »herrschendes Unternehmen« und welche Gesellschaft »abhängige Gesellschaft« i.S.d. § 6a GrEStG ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist (BFH vom 28.9.2022, II R 13/20).

Auf nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgänge findet die Steuervergünstigung des § 6a Satz 1 GrEStG keine Anwendung (BFH Beschluss vom 22.11.2018, II B 8/18, LEXinform 5021675). Im Entscheidungsfall wurde die formwechselnde Umwandlung eines Einzelunternehmens in eine GmbH ins Handelsregister eingetragen. Der BFH hat klargestellt, dass ein Formwechsel eines Einzelunternehmens in eine GmbH gem. § 190 Abs. 1 UmwG nicht möglich ist und daher ein Rechtsträgerwechsel nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegt. Da § 6a Satz 1 GrESt auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Bezug nimmt und nicht auf Übertragungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, ist § 6a GrEStG nicht einschlägig.

Der BFH hatte Bedenken, dass § 6a GrEStG eine nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verbotene Beihilfe darstellt und den EuGH um Vorabentscheidung ersucht:

»Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen, dass eine nach dieser Vorschrift verbotene Beihilfe vorliegt, wenn nach der Regelung eines Mitgliedstaats Grunderwerbsteuer für einen steuerbaren Erwerb aufgrund einer Umwandlung (Verschmelzung) nicht erhoben wird, falls am Umwandlungsvorgang bestimmte Rechtsträger (herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft) beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von 100 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang besteht.« (BFH, EuGH-Vorlage vom 30.5.2017, II R 62/14). Der EuGH hat mit Urteil vom 19.12.2018 (C-374/17, LEXinform 0651551) entschieden, dass es sich bei § 6a GrEStG nicht um eine verbotene staatliche Beihilfe handelt. Der BFH hat daraufhin in einigen Entscheidungen zu Umstrukturierungen in einem Konzern Stellung genommen und dabei § 6a GrEStG weit ausgelegt. So ist auch der Fall begünstigt, dass eine abhängige Gesellschaft auf ein herrschendes Unternehmen verschmolzen wird (BFH vom 22.8.2019, II R 18/19, veröffentlicht am 13.2.2020). Im Entscheidungsfall war die Klägerin seit mehr als fünf Jahren Alleingesellschafterin einer Tochtergesellschaft, die auf die Klägerin verschmolzen wurde. Hierdurch gingen die Grundstücke der Tochtergesellschaft auf die Klägerin über. Der BFH hat nun die Auffassung des FG bestätigt, dass die Verschmelzung von § 6a GrEStG erfasst werde. Gem. § 6a GrEStG werde für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Voraussetzung sei u.a., dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt seien und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft i.H.v. mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang bestehe. Wie der EuGH entschieden habe, stelle die von § 6a GrEStG gewährte Steuerbegünstigung keine unionsrechtlich verbotene Beihilfe dar. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist, so der BFH, auch die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Klägerin begünstigt. Unschädlich sei, dass die Klägerin nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen keine Beteiligung an der Tochtergesellschaft mehr halten konnte und folglich der »Verbund« zwischen der Klägerin als herrschendem Unternehmen und der grundbesitzenden Tochtergesellschaft als abhängiger Gesellschaft durch die Verschmelzung beendet worden sei. Anders als das BMF legte der BFH auch in fünf weiteren Verfahren (II R 15/19, II R 16/19, II R 19/19, II R 20/19 und II R 21/19) die Steuerbegünstigung zugunsten der Stpfl. weit aus. Das gilt sowohl für den in der Norm verwendeten Begriff des herrschenden Unternehmens als auch für die Frage, welche Umwandlungsvorgänge von der Steuerbegünstigung erfasst werden. In einem Verfahren (II R 17/19) sah der BFH die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nicht als erfüllt an (BFH Pressemitteilung vom 13.02.2020).

5. Berechnung der Grunderwerbsteuer – Einzelheiten zur Bemessungsgrundlage

5.1. Grundsätze

Die Grunderwerbsteuer wird in der Regel von der Gegenleistung berechnet (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Zur Gegenleistung gehört jede Leistung, die der Erwerber dem Veräußerer oder einer anderen Person für den Erwerb des Grundstücks gewährt (§ 9 Abs. 1 GrEStG). Als Gegenleistung gilt insbes. nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Der Kaufpreis ist grds. mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG) anzusetzen. In besonderen Fällen kann eine abweichende Bewertung in Betracht kommen, insbes. bei einer unverzinslichen Stundung des Kaufpreises über mehr als ein Jahr (§ 12 Abs. 3 BewG). Typisierend ist anhand des Bewertungsrechts abzuzinsen und der Gegenwartswert als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Sofern als Gegenleistung die Zahlung einer lebenslänglichen Rente vereinbart wurde, ist als Kaufpreis der Kapitalwert (§ 14 BewG) anzusetzen.

Beispiel 9:

Victoria (68 Jahre) überträgt ein bebautes Grundstück. Als Gegenleistung ist eine Sofortzahlung von 200 000 € sowie zusätzlich eine lebenslängliche monatliche Rente i.H.v. 1 000 € vereinbart.

Lösung 9:

Bemessungsgrundlage ist die Gegenleistung, § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Als Gegenleistung ist die vereinbarte Sofortzahlung mit dem Nennwert anzusetzen (200 000 €) und die lebenslängliche Rente mit ihrem Kapitalwert. Unterstellt der Bewertungsstichtag ist im Jahr 2021, beträgt der Kapitalwert 141 504 € (12 000 x 11,792). Die Bemessungsgrundlage beträgt insgesamt 341 504 €.

Der auf den Miterwerb von Zubehör entfallende Teil des Kaufpreises gehört nicht zur Gegenleistung bei der Grunderwerbsteuer; der Kaufpreis ist deshalb aufzuteilen. Die Finanzverwaltung wendet für die grunderwerbsteuerliche Behandlung die zum Ertragsteuerrecht ergangenen Urteile des BFH an (u.a. BFH vom 1.12.1970, VI R 358/69, BStBl II 1971, 162 und vom 29.10.1976, VI R 127/73, BStBl II 1977, 152), vgl. hierzu auch den Erlass des Sächsischen Staatsministerium der Finanzen vom 11.10.1993, 34-S 4521-17-50943). Für die Beurteilung, ob Gegenstände Zubehör darstellen, ist die zivilrechtliche Rspr. maßgebend, dies hat der BFH in einem Beschwerdeverfahren bestätigt (BFH Beschluss vom 3.6.2020, II B 54/19, LEXinform 5023085). Die Gegenstände müssen dazu bestimmt sein, dauerhaft dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks zu dienen.

Der Kaufpreis für wesentliche Bestandteile ist hingegen einzubeziehen. Einbaumöbel sind nur dann wesentliche Bestandteile i.S.d. § 93 BGB, wenn sie nicht voneinander getrennt werden können, ohne sie zu zerstören oder in ihrem Wesen zu verändern. Danach ist eine Einbauküche dann kein wesentlicher Bestandteil, wenn diese an anderer Stelle – ggf. in veränderter Kombination – aufgebaut werden kann. Der Anschluss von Wasser und Herd ist hierbei nicht entscheidend. In aller Regel ist daher der auf die Einbauküche entfallende Teil des Kaufpreises aus der Bemessungsgrundlage für die GrESt auszuscheiden.

Etwas anderes gilt für die Instandhaltungsrücklage beim Erwerb von Wohnungs- bzw. Teileigentum. Im Unterschied zum Zubehör kann diese nicht für sich allein Gegenstand einer gesonderten Veräußerung sein. Der BFH hat daher entschieden, dass der Kaufpreis nicht um die anteilige Instandhaltungsrückstellung zu mindern sei (BFH vom 16.9.2020, II R 49/17, LEXinform 0951727). Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist grds. der Kaufpreis als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Eine Aufteilung des Kaufpreises entsprechend den Grundsätzen zur Aufteilung einer Gesamtgegenleistung ist nur dann geboten, wenn der Kaufvertrag Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Leistungen des Erwerbers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden aus der Gegenleistung i.S.d. §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aus (BFH vom 6.12.2017, II R 55/15, BStBl II 2018, 406, Rz 12, m.w.N.). Die anteilige Instandhaltungsrückstellung ist Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 Abs. 7 Satz 1 WEG; Merle in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Aufl., § 21, Rz 146) und damit nicht Vermögen des Wohnungseigentümers, sondern Vermögen eines anderen Rechtssubjekts (BFH vom 2.3.2016, BStBl II 2016, 619, Rz 13).

Zur Bemessungsgrundlage gehört auch der Wert von Nutzungen, die dem Verkäufer vorbehalten bleiben (BFH vom 5.12.2019, II R 37/18, LEXinform 0952062). Im Entscheidungsfall räumte der Käufer vertraglich dem Verkäufer das Recht ein, seine bisherige Nutzung an einzelnen Gebäuden zunächst für 30 Jahre unentgeltlich fortzusetzen. Der BFH sah hierin eine Gegenleistung. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen sind gem. § 100 BGB u.a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt. Sie gebühren nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Wird die Norm vertraglich abbedungen, belässt der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer über diesen Zeitpunkt hinaus, liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt. Dies rechtfertigt die Einbeziehung der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung, so der BFH in der Urteilsbegründung.

Gegenleistungen für Scheinbestandteile sind nicht in die Bemessungsgrundlage der GrESt einzubeziehen. Im Streitfall erwarb der Kläger Grundbesitz mit angepflanzten Weihnachtsbäumen, die zu gegebener Zeit gefällt werden sollten. Die Gegenleistung für den Aufwuchs war im Vertrag gesondert ausgewiesen. Das FA setzte für den gesamten Kaufpreis GrESt fest. Die Klage hatte Erfolg. Das FG hielt die Bäume für sog. Scheinbestandteile und bezog den entsprechenden Kaufpreisanteil nicht in die Bemessungsgrundlage der GrESt ein. Der BFH hat das Urteil des FG bestätigt. Zwar gehören alle Leistungen des Erwerbers für das »Grundstück« zur Bemessungsgrundlage. Der Grundstücksbegriff umfasst auch dessen wesentliche Bestandteile, nämlich die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Dazu zählen grundsätzlich auch aufstehende Gehölze. Nicht jedoch die sog. Scheinbestandteile, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und von Anfang an dazu bestimmt sind, wieder von dem Grundstück entfernt zu werden. Bei Gehölzen kommt es auf die Zweckbestimmung bei Aussaat oder Pflanzung an. Unschädlich ist es, wenn eine lange Verweildauer zu erwarten ist oder das Gehölz bei Entfernung als lebender Organismus zerstört wird (BFH Pressemitteilung Nr. 32/22 vom 11.8.2022, BFH vom 23.2.2022, II R 45/19 LEXinform 0952604 sowie BFH vom 25.1.2022, II R 36/19, LEXinform 0952488 ebenfalls zu Gehölzen als Scheinbestandteile).

In einigen Sonderfällen, z.B. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist, bei Umwandlungen (→ Umwandlung) oder Einbringungen (→ Einbringung), wird die Steuer vom Grundbesitzwert (§ 157 Abs. 1 bis 3 BewG) berechnet (§ 8 Abs. 2 GrEStG).

Die Steuer beträgt grundsätzlich 3,5 % der Bemessungsgrundlage (§ 11 Abs. 1 GrEStG). Die Länder können einen abweichenden Steuersatz festsetzen. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen haben alle Bundesländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, vgl. unter 6.

5.2. Erschließungskosten

Nach dem BFH-Urteil vom 15.3.2001 (II R 39/99, BStBl II 2002, 93) ist die Verpflichtung zur Übernahme künftiger Erschließungskosten kein Entgelt für den Grundstückserwerb. Diese Auffassung hat der BFH erneut in zwei inhaltsgleichen Entscheidungen bestätigt (BFH vom 28.9.2022, II R 31/20 und II R 32/20, LEXinform 0953239). Die Bemessungsgrundlage richtet sich nach der Gegenleistung für den Erwerbsgegenstand. Dieser wird durch das erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt (BFH vom 8.3.2017, II R 38/14, Rz. 27). Für den Umfang der Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist entscheidend, in welchem Zustand die Vertragsbeteiligten das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht haben. Diese Grundsätze gelten auch für den Erschließungszustand des Grundstücks, so der BFH in der Entscheidung vom 28.9.2022. Ist eine nach öffentlichem Recht erschließungspflichtige Gemeinde selbst der Veräußerer und übernimmt der Erwerber die Verpflichtung, für die zukünftige Erschließung des Grundstücks einen bestimmten Betrag zu zahlen, ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs regelmäßig nur das unerschlossene Grundstück. Das gilt nicht nur, wenn der Erwerber die Erschließungskosten mittels gesonderten Vertrags übernimmt, sondern ebenso, wenn eine solche Vereinbarung in den Kaufvertrag über das Grundstück integriert ist. Sie enthält regelmäßig einen von dem Kaufvertrag über den Erwerb des Grundstücks zu trennenden öffentlich-rechtlichen Vertrag, führt der BFH in der Urteilsbegründung aus.

Zur Behandlung von Erschließungs- und Folgekostenbeiträgen vgl. gleich lautender Ländererlass vom 19.9.2015 (BStBl II 2015, 823).

5.3. Herstellungskosten des Gebäudes

5.3.1. Hintergrund

Wird ein unbebautes Grundstück erworben und anschließend hierauf ein Gebäude errichtet, stellt sich die Frage, ob die Grunderwerbsteuer nur auf den Grund und Boden als Bemessungsgrundlage oder vom Gesamtpreis für das fertige Objekt erhoben wird.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist die zwischen Veräußerer und Erwerber geschlossene Vereinbarung. Ist das bebaute Gesamtwerk Gegenstand des Erwerbsvorgangs, unterliegen sämtliche Aufwendungen der Grunderwerbsteuer, maßgebend ist nicht der tatsächliche Grundstückszustand, sondern der vereinbare künftige Grundstückszustand. Das gilt neben den Baukosten dann auch für Maklergebühren, Erschließungsbeiträge und Sonderwünsche des Bauherren. Soll hingegen nur das Grundstück gekauft werden, stellt dies die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer dar. Maßgebend ist dann nur der tatsächliche Grundstückszustand.

Um eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu verhindern, wurde in der Vergangenheit die eigene Einflussnahme auf die Baupläne geltend gemacht, um zwei getrennte Erwerbsvorgänge argumentieren zu können. Ziel war es, die Grunderwerbsteuer nur auf den Erwerb von Grund und Boden, nicht aber auf das bebaute Grundstück zu zahlen.

Dieser Gestaltung hat der BFH ein Ende gesetzt (BFH vom 21.9.2005, II R 49/04, BStBl II 2006, 269). Hiernach liegt bereits dann ein einheitlicher Kaufvorgang vor, wenn der Erwerber konkret in die Gestaltung des Wunschobjekts eingreift und hierzu einen eigenen Architekten einschaltet. Damit wird der Vorgang genauso behandelt, als wenn das Angebot des Verkäufers unverändert übernommen wird. Die Herstellungskosten sind Teil der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage, wenn bereits aus den zivilrechtlichen Vereinbarungen deutlich wird, dass das Grundstück in seinem bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbs sein soll. In diesem Fall sind der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück und die Herstellungskosten des Gebäudes zusammen Teil der Bemessungsgrundlage (vgl. BFH vom 10.12.2019, II B 20/19).

Zur Auffassung der Finanzverwaltung vgl. auch gleichlautende Ländererlasse vom 20.9.2017 (BStBl I 2017, 1328) zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs (Einheitliches Vertragswerk/Einheitlicher Erwerbsgegenstand).

Wird ein gemeinsamer Vertrag über Grundstückskauf und Gebäudebau abgeschlossen, liegt auch bei Mitspracherechten des Neubesitzers ein einheitliches Geschäft vor, das komplett mit Grunderwerbsteuer belegt wird.

Bei mehreren Verträgen ist zu unterscheiden, ob bei den unterschiedlichen Verträgen

  • ein rechtlicher Zusammenhang oder

  • ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang

besteht. In beiden Fällen ist von einem einheitlichen Vertragswerk bzw. Erwerbsgegenstand auszugehen und der künftige Grundstückszustand für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage entscheidend. Nur wenn beide Punkte vereint werden können, ist der tatsächliche Grundstückszustand maßgebend und die HK bleiben bei der Bemessungsgrundlage außer Ansatz.

Erwirbt jedoch eine zur Veräußererseite gehörende Person das zu bebauende Grundstück und hat diese Person bestimmenden Einfluss auf das »Ob« und »Wie« der Bebauung, zählen die Bauerrichtungskosten nicht zur Bemessungsgrundlage (BFH Urteil vom 25.4.2018, II R 50/15, BStBl II 2018, 602).

5.3.2. Zivilrechtliche Verknüpfung mehrerer Verträge

Nach der o.g. Rspr. des BFH (Urteil vom 21.9.2005) kann auch bei mehreren Verträgen ein einheitlicher Erwerbsvorgang unterstellt werden. Auf Basis der bisherigen BFH-Rspr. hat die Finanzverwaltung im o.g. gleichlautenden Ländererlass vom 20.9.2017 die Voraussetzungen für einen rechtlichen Zusammenhang verschiedener Verträge aus ihrer Sicht zusammengefasst. Indizien für eine rechtliche Verknüpfung sind danach:

  • die Verknüpfung im Vertragstext,

  • die Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer Urkunde oder

  • ein Gesamtpreis.

Mehrere Verträge sind als einheitliches Vertragswerk zu werten, wenn die unterschiedlichen Verträge ausdrücklich voneinander abhängig sind. Eine konkrete Verknüpfung in den Verträgen ist dann nicht erforderlich, wenn die getroffenen Vereinbarungen derart voneinander abhängig sind, dass diese miteinander »stehen und fallen«. Der Wille für ein einheitliches Vertragswerk muss dabei nicht zwingend von beiden Vertragsparteien ausgehen. Es reicht nach der Rspr. bereits aus, dass eine Partei den Einheitswillen anerkennt oder zumindest hinnimmt. Für ein einheitliches Vertragswerk sprechen beispielsweise:

  • ein Baubeginn vor Vertragsabschluss,

  • eine Veräußerung des Grundstücks nur an Erwerber, die vorher eine Treuhandvollmacht zum Abschluss der übrigen Verträge erteilt haben.

Unschädlich ist

  • wenn die Vereinbarung in unterschiedlichen Urkunden niedergelegt werden oder

  • der Verkäufer des Grundstücks und das Bauunternehmen nicht identisch sind (mehrere Personen auf der Veräußererseite).

5.3.3. Tatsächliche Verknüpfung mehrerer Verträge

Unabhängig von einer zivilrechtlichen Verknüpfung der Verträge kann ein einheitliches Vertragswerk auch durch einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang begründet werden. Die tatsächliche Verknüpfung spricht dann für einen einheitlichen Erwerbsgegenstand. In diesem Fall wird für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage auf den vereinbarten künftigen Grundstückszustand abgestellt (z.B. anstelle »unbebautes Grundstück« – »fertig gestellter Neubau«). Ein derartiger sachlicher Zusammenhang wird unterstellt, wenn der Erwerber bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das »Ob« und »Wie« der Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei ist. Anhaltspunkte sind hierbei:

  • die zeitliche Abfolge der Verträge,

  • ein faktischer Zwang oder

  • die Hinnahme eines vorbereiteten Geschehensablaufs.

Eine zeitliche Abfolge liegt insbes. vor, wenn sich der Erwerber bereits vor Abschluss des Kaufvertrages oder aber zeitgleich an die Bebauung des Grundstücks durch die Veräußererseite gebunden hat. In besonderen Fällen kann aber auch ein längerer Zeitraum zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag vorliegen (vgl. BFH vom 28.3.2012, II R 57/10, BStBl II 2012, 920).

Unabhängig von der zeitlichen Abfolge wird auch bei einem faktischen Zwang ein einheitliches Vertragswerk unterstellt. Aus Sicht der Finanzverwaltung sprechen beispielsweise die folgenden Fallkonstellationen für einen faktischen Zwang:

  • eine Eigentumswohnung kann auf einem unbebauten Grundstück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gesamtgebäudes hergestellt werden;

  • bei Reihenhäusern und Doppelhaushälften kann die einzelne Einheit nicht bautechnisch unabhängig von den benachbarten Einheiten errichtet werden;

  • der Erwerber erleidet nennenswerte wirtschaftliche Nachteile bei Nichtabschluss des Bauvertrages, z.B. wenn der Veräußerer das Grundstück zu einem überhöhten Preis anbietet und so die Errichtung des Gebäudes sehr günstig anbieten kann.

Auch die Hinnahme eines vorbereiteten Geschehensablaufes spricht für ein einheitliches Vertragswerk. Ein vorbereiteter Geschehensablauf liegt insbes. vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber auf Basis umfangreicher Vorplanungen bestimmte Bauleistungen zu einem feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot nur einheitlich annehmen kann. Hierbei ist unerheblich, wenn der Erwerber Einfluss auf die Vorplanung nehmen konnte. Auch geringfügige Abweichungen gegenüber dem Angebot sprechen nicht gegen einen vorbereiteten Geschehensablauf.

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf (Grundstückseigentümer, Bauunternehmen, Makler), muss ein Zusammenwirken dieser Personen hinzukommen:

  • enge personelle, wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verbindungen,

  • eine Zusammenarbeit aufgrund von Abreden bei der Veräußerung oder

  • ein abgestimmtes Verhalten.

Hierbei genügt ein tatsächliches Zusammenwirken:

  • gemeinsame Werbung (z.B. Prospekte, Internetauftritt),

  • die verkauften Bauplätze eines Baugebietes werden einheitlich von einem (verbundenen) Bauunternehmen bebaut.

Beispiel 10:

Die Bau GmbH & Co. KG ist Eigentümer eines unbebauten Grundstücks. Das Grundstück soll bebaut und verkauft werden. Zunächst lässt die KG das Grundstück in zehn Bauplätze mit je 500 qm Fläche teilen. Danach beginnt die KG mit den Vorplanungen und erstellt für das kleine Baugebiet Baupläne mit Reihenhäusern. Die KG bewirbt die Bauplätze zum Verkauf, die Werbung beinhaltet bereits Skizzen mit den Reihenhäusern. Grundstückspreis und HK werden in der Anzeige getrennt ausgewiesen. Vorgesehen sind getrennte Verträge für die Bauplätze und die Werklieferungen. Interessenten können sich für ein Reihenendhaus oder Reihenmittelhaus entscheiden. Außerdem können die Bodenbeläge und die Ausstattung der Bäder mitgestaltet werden. Tapezierarbeiten sind generell durch die Erwerber vorzunehmen. Alle weiteren Baumaßnahmen sind in den vorgefassten Plänen festgelegt und können nicht verändert werden. Nimmt der Interessent das Angebot an, wird zunächst der Vertrag über die Grundstücksveräußerung abgeschlossen und danach der Werkvertrag. Die jeweiligen Verträge enthalten keinerlei Bezug aufeinander.

Lösung 10:

Es handelt sich um verschiedene Verträge, die zu einem einheitlichen Vertragswerk zusammengefasst werden. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage ist somit der einheitliche Erwerbsgegenstand (bebautes Grundstück) maßgebend. Es liegt ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang vor. Auch wenn keine zivilrechtliche Verknüpfung vorliegt, ist von einem faktischen Zwang auszugehen. Die Planung und Errichtung von Reihenhäusern spricht für einen faktischen Zwang. Selbst wenn dieser vereint werden könnte, läge zumindest ein vorbereiteter Geschehensablauf vor. Die Interessenten konnten keinen wesentlichen Einfluss nehmen und waren im Wesentlichen an die Planungen der Bau KG gebunden.

Beispiel 11:

Wie Beispiel 10, jedoch sind Grundstückseigentümer und Bau KG getrennte Firmen. Der Grundstückseigentümer wirbt im Einvernehmen mit der Bau KG für die Grundstücke. In den Prospekten wird sowohl der Grundstückseigentümer als auch die Bau KG ausgewiesen.

Lösung 11:

Auch wenn auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten, liegt ein einheitliches Vertragswerk vor, da die beteiligten Personen bei der Veräußerung und Bebauung zusammenwirken. Wichtige Indizien für das Zusammenwirken ist die gemeinsame Werbung sowie die ausschließliche Bebauung durch die Bau-KG. Auch hier muss von einem einheitlichen Erwerbsgegenstand »bebautes Grundstück« ausgegangen werden. Die HK fließen in die Bemessungsgrundlage der GrESt ein. Umsatzsteuerlich liegen zwei unterschiedliche Leistungen vor. Während die Grundstückslieferung steuerfrei ist (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG), fällt für die Werklieferung Umsatzsteuer an. Eine Steuerbefreiung greift hier nicht, daher liegt hinsichtlich der HK eine Doppelbelastung mit GrESt und USt vor. Die Umsatzsteuer ist Teil der geschuldeten Gegenleistung. Sowohl vom BVerfG als auch vom EuGH wurde kein Verstoß gegen Verfassungsrecht gesehen (vgl. BVerfG Beschluss vom 27.12.1991, 2 BvR 72/90 sowie EuGH vom 27.11.2008 C-156/08 und EuGH Urteil vom 20.3.2014 C-139712).

Zu einem einheitlichen Erwerbsgegenstand bei einem einheitlichen Vermarktungsprospekt vgl. auch Urteil des FG Hamburg vom 22.11.2018 (3 K 282/17, UVR 2019, 71; NZB anhängig unter BFH II B 107/18). Das FG Hamburg hat einen einheitlichen Erwerbsgegenstand bei einem gemeinsamen Vermarktungsprospekt bejaht. Danach kann ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vorliegen, wenn der Grundstückseigentümer eine Gesellschaft mit der Vermarktung des Grundstücks beauftragt und diese Gesellschaft gemeinsam u.a. mit der Baufirma bzw. einem mit ihr verbundenen Unternehmen einen Vermarktungsprospekt mit gestalterischen Vorgaben erstellt, in dem der vom Erwerber später ausgewählte Haustyp unter Nennung der Baufirma bzw. des verbundenen Unternehmens beschrieben wird.

5.3.4. Rechtsprechung zum Einheitlichen Erwerbsgegenstand

BFH vom 21.9.2005, II R 49/04,

BStBl II 2006, 269

Einheitlicher Leistungsgegenstand bei Beteiligung mehrerer Personen auf der Veräußererseite

EuGH vom 27.11.2008,

C-156/08, LEXinform 0589183

Einbeziehung künftiger, umsatzsteuerpflichtiger Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, wenn der Erwerbsvorgang sowohl die Verschaffung des Baugrundstücks als auch die zuvor genannten Leistungen umfasst

BFH vom 27.9.2012, II R 7/12,

BStBl II 2013, 86

Einheitlicher Erwerbsgegenstand

BFH vom 3.3.2015, II R 9/14,

BStBl II 2015, 660

Einheitlicher Erwerbsgegenstand

BFH vom 25.1.2017, II R 19/15, LEXinform 0446308

Einheitlicher Erwerbsgegenstand

BFH vom 8.3.2017, II R 38/14

kein einheitlicher Erwerbsgegenstand bei wesentlicher Änderung des Angebots der Veräußererseite

BFH vom 30.8.2017, II R 48/15, LEXinform 0950485

Steuerschuld bei einheitlichem Erwerbsgegenstand

BFH vom 25.4.2018, II R 50/15,

BStBl II 2018, 602

Grundstückserwerb durch eine zur Veräußererseite gehörende Person

5.4. Maklergebühr

Die Vfg. der OFD Hannover vom 10.9.2008 (S 4521 – 98 – StO 262, LEXinform 5231686) nimmt zu der Maklergebühr als Gegenleistung für die Ermittlung der Grunderwerbsteuer Stellung. Beauftragt ein Grundstückseigentümer einen Makler mit der Vermittlung des Grundstücksverkaufs, so schuldet der Verkäufer, falls nicht abweichende Vereinbarungen getroffen werden, dem Makler beim Zustandekommen des Kaufvertrags eine Vergütung. Entsprechend der Lage auf dem Grundstücksmarkt wird jedoch in den Verträgen zwischen den Maklern und den Grundstückseigentümern in aller Regel vereinbart, dass diese von der Zahlung einer Maklergebühr frei bleiben und dass die Gebühr allein vom Käufer getragen werden soll. Hat der Makler einen Kaufinteressenten gefunden, so kommt zwischen dem Makler und dem Käufer ebenfalls ein Maklervertrag zustande. Die darin vereinbarte, vom Käufer zu tragende Maklergebühr stellt eine eigene Schuld des Erwerbers dar, die nicht zur Gegenleistung gehört (BFH Urteil vom 14.10.1981, II R 23/80, BStBl II 1982, 138). Das gilt auch dann, wenn die vom Erwerber zu entrichtende Gebühr wirtschaftlich ganz oder z.T. die Vergütung mit umfasst, die bei einer anderen Marktlage vom Verkäufer an den Makler zu zahlen gewesen wäre. Unerheblich ist, welche Partei die Dienste des Maklers als erste in Anspruch genommen hat.

Die Maklergebühr kann demnach nur dann zur Gegenleistung gerechnet werden, wenn im Grundstückskaufvertrag der Erwerber ausdrücklich die Schuld des Verkäufers übernimmt.

Fehlt ein derartiger ausdrücklicher Hinweis oder ist im Kaufvertrag lediglich der Hinweis aufgenommen worden, dass der Erwerber die Maklerkosten, in welcher Höhe auch immer, zu zahlen hat, ist hierin allein kein Hinweis darauf zu sehen, dass der Erwerber eine Schuld des Verkäufers übernommen hat. Es kann in diesem Hinweis grundsätzlich nur eine Bestätigung der originären Gebührenschuld des Erwerbers gesehen werden.

5.5. Übernahme von Erwerbsnebenkosten durch den Veräußerer

Hat sich der Verkäufer eines Grundstücks im notariellen Kaufvertrag – abweichend von der üblichen Verkehrssitte und der gesetzlichen Vorschrift des § 448 BGB – dazu verpflichtet, dem Erwerber die Erwerbsnebenkosten zu erstatten, mindert der (erworbene) Erstattungsanspruch die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (BFH Urteil vom 17.4.2013, II R 1/12, DB 2013, 1588).

Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist der Wert der Gegenleistung. Hat wie üblich der Erwerber die Erwerbsnebenkosten zu tragen, erhöhen sie nicht die Gegenleistung, denn der Erwerber schuldet diese Beträge nicht dem Veräußerer und auch nicht für die Übertragung des Eigentums. Nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, wenn der Verkäufer diese Kosten zu tragen hat. In diesem Fall wendet der Erwerber einen Teil des Kaufpreises dafür auf, um einen Kostenerstattungsanspruch zu erwerben. Gegenleistung ist aber nur der für den Grunderwerb aufgewendete Teil des Kaufpreises. Der vereinbarte Kaufpreis ist deshalb um den Wert des erworbenen Erstattungsanspruchs zu mindern. Der Anspruch kann mit dem Nominalwert bemessen und direkt vom Kaufpreis abgezogen werden. Das gilt allerdings nicht, soweit der Verkäufer dem Erwerber auch die Grunderwerbsteuer erstattet, denn die Grunderwerbsteuer beeinflusst ihre eigene Bemessungsgrundlage nicht (§ 9 Abs. 3 GrEStG). Es wäre in diesem Fall steuerlich günstiger, wenn der Käufer die Grunderwerbsteuer selbst trägt und ein um die Grunderwerbsteuer geminderter Kaufpreis vereinbart wird.

5.6. Grundstücksveräußerungen mit Solar- und Photovoltaikanlagen

Der Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom 8.7.2008 (53 – S 4521 – 009/06, LEXinform 5231629) nimmt zum Umfang der Gegenleistung bei Grundstücksveräußerungen mit Solar- bzw. Photovoltaikanlagen Stellung.

Danach ist der auf thermische Solaranlagen/Solarkraftwerke entfallende Teil des Kaufpreises in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen und unterliegt der GrESt.

Photovoltaikanlagen sind wie folgt zu behandeln:

Abb.: Grundstücksveräußerungen mit Photovoltaikanlagen

5.7. Umsatzsteuer als Teil der Bemessungsgrundlage

§ 13b UStG hat zur Folge, dass bei allen Umsätzen, die unter das GrEStG fallen und bei denen nach § 9 UStG auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichtet worden ist, nicht der Veräußerer, sondern nach § 13b Abs. 2 UStG der Erwerber Schuldner der USt ist, sofern er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.

Diese Erweiterung der → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf alle umsatzsteuerpflichtigen Umsätze, die unter das GrEStG fallen, ist mit Wirkung ab 1.4.2004 in Kraft getreten und grundsätzlich auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.3.2004 bewirkt werden. Zu den Auswirkungen der Änderung des § 13b UStG auf die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage gilt Folgendes:

In Optionsfällen wird die USt zwingend vom Erwerber geschuldet; sie ist damit nicht mehr Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (FinMin Baden-Württemberg vom 22.6.2004, 3 – S 4521/24, DB 2004, 1464, LEXinform 0578426).

Beispiel 12:

Unternehmer A veräußert im Kj. 07 an Unternehmer B (beide zum Vorsteuerabzug berechtigt) ein Geschäftsgrundstück zu einem Kaufpreis von 1 Mio. €. A verzichtet gem. § 9 Abs. 1 und 3 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung. B verpflichtet sich, die GrESt allein zu tragen.

Lösung 12:

Die GrESt wird wie folgt ermittelt (§ 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG):

Kaufpreis und steuerpflichtige Gegenleistung:

1 000 000 €

GrESt (3,5 %)

35 000 €

Die USt wird wie folgt ermittelt:

Entgelt = Kaufpreis

1 000 000 €

Bemessungsgrundlage ist der in der Rechnung ausgewiesene Betrag ohne USt. Die GrESt gehört nicht zur Bemessungsgrundlage zur Berechnung der USt. Die USt ist von diesem Betrag vom Leistungsempfänger zu berechnen.

umsatzsteuerpflichtiges Entgelt

1 000 000 €

USt (19 %)

190 000 €

Der Leistende ist zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG), in denen die Steuer nicht gesondert ausgewiesen ist (§ 14a Abs. 5 Satz 2 UStG). Neben den übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ist in den Rechnungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen (§ 14a Abs. 5 Satz 1 UStG). Weist der leistende Unternehmer die Steuer in der Rechnung gesondert aus, wird diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.

5.8. Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer

Bei dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerpflichtigen Erwerb eines Grundstücks durch Abgabe des Meistgebots im Zwangsversteigerungsverfahren gehört gem. § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG auch der Betrag zur Bemessungsgrundlage, in dessen Höhe ein anderer als der Ersteher des Grundstücks aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114a Satz 1 ZVG seine schuldrechtliche Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner verliert (BFH Urteil vom 19.6.2013, II R 5/11, BStBl II 2013, 926). Vgl. hierzu (Meistgebot als Bemessungsgrundlage) BFH Urteil vom 2.3.2016, II R 27/14, BStBl II 2016, 619 LEXinform 0934732.

Die Rechtsfolgen von § 114a Satz 1 ZVG treten auch ein, wenn der Inhaber der Forderung gegen den Zwangsvollstreckungsschuldner zwar nicht Gläubiger, aber Treugeber der Grundschuld ist und ein von ihm abhängiges Unternehmen im Zwangsversteigerungsverfahren das Meistgebot unterhalb der 7/10-Grenze abgibt und daraufhin den Zuschlag erhält (BFH Urteil vom 19.6.2013, II R 5/11, BStBl II 2013, 926).

5.9. Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage

Bei dem Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung einer Windkraftanlage gehört eine Entschädigungszahlung, die der Käufer an den Verkäufer für An- und Durchschneidungen und ggf. notwendige Baulasten und Dienstbarkeiten auf anderen Grundstücken des Verkäufers zahlt, nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Ein im Kaufvertrag angesprochenes Recht zur Errichtung einer Windkraftanlage auf dem gekauften Grundstück hat als solches keinen darüber hinausgehenden, eigenständigen Wert, der die Einbeziehung des gesamten Entschädigungswerts, der anteilig auch auf die benachbarten Grundstücke entfällt, rechtfertigt (BFH Urteil vom 10.5.2017, II R 16/14, LEXinform 0934631). In dem Entscheidungsfall hatten die Kläger neben dem Kaufpreis für das Grundstück an das Land als Verkäufer auch einen »Entschädigungswert für das Recht zur Errichtung von einer Windkraftanlage incl. des Entschädigungswerts für An- und Durchschneidung und ggf. notwendiger Baulasten und Dienstbarkeiten« i.H.v. insgesamt 454 500 € zu zahlen. Das Land verpflichtete sich, auf den ihm weiterhin gehörenden Grundstücken in der Umgebung des verkauften Grundstücks die zum Betrieb der Windkraftanlage erforderlichen Baulasten und Dienstbarkeiten zu bestellen. Bei der Berechnung der GrESt berücksichtigte das FA sowohl den Kaufpreis als auch die Entschädigungszahlung. Dem hat der BFH in seiner o.g. Entscheidung widersprochen.

5.10. Hinzuerwerb von Flächen nach dem AusglLeistG

Urteilsfall:

Der Steuerpflichtige erwarb am 5.9.2006 durch notariell beurkundeten Vertrag nach § 3 Abs. 5 AusglLeistG mehrere Grundstücksflächen (Grundstücke 1) zu einem Kaufpreis von 271 600 €. Der Kaufpreis wurde vollständig entrichtet. Das FA setzte für diesen Erwerb ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 271 600 € bestandskräftig Grunderwerbsteuer fest.

Nachdem durch eine gesetzliche Neuregelung (vgl. § 3 Abs. 7b Satz 2 i.V.m. Abs. 7a AusglLeistG) die Möglichkeit eröffnet worden war, den Verkehrswert der Grundstücke 1 nach den Verhältnissen im Jahr 2004 zu ermitteln und nach Maßgabe der Wertdifferenz zum gezahlten Kaufpreis weitere Flächen zu erwerben, erwarb der Kläger mit notariell beurkundeter Nachtragsvereinbarung vom 13.3.2012 zusätzliche Grundstücksflächen (Grundstücke 2). Hierfür war ein Kaufpreisaufschlag (§ 3 Abs. 7a Satz 3 AusglLeistG n.F.) i.H.v. 10 008 € zu zahlen. In der Nachtragsvereinbarung wurde der Kaufpreis von 271 600 € i.H.v. 58 290 € den Grundstücken 2 zugeordnet.

Bei der Berechnung der GrESt für den Hinzuerwerb berücksichtigte das FA als BMG den auf die Grundstücke 2 anteilig entfallenden Kaufpreis von 58 290 € sowie den Kaufpreisaufschlag von 10 008 €.

Die Entscheidung des BFH:

Nach Auffassung des BFH ist der in der Nachtragsvereinbarung (nachträglich) ermittelte anteilige Kaufpreis für die Grundstücke 2 nicht in die BMG für den Hinzuerwerb einzubeziehen. Es handele sich hierbei nicht um eine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG für den Erwerb der Grundstücke 2. Kaufvertrag und Nachtragsvereinbarung bilden eine Einheit, für die Grundstücke 1 und 2 sei ein einheitlicher Kaufpreis vereinbart worden. Der nachträglich den Grundstücken 2 zugeordnete Kaufpreis sei vom Käufer nicht zusätzlich zu entrichten gewesen. Als Gegenleistung für die Grundstücke 2 ist somit nur der später vereinbarte Kaufpreiszuschlag von 10 008 € anzusehen. Der BFH hat in seiner Urteilsbegründung klargestellt, dass durch die Zuordnung des ursprünglichen Kaufpreises auf die Grundstücke 1 und 2 nur dokumentiert würde, dass mit der Übereignung der Grundstücke der Anspruch des Klägers auf den Hinzuerwerb erfüllt sei (BFH Urteil vom 17.5.2017, II R 7/15, LEXinform 0950169; Parallelentscheidung II R 8/15).

5.11. Mieterdienstbarkeit als Teil der Bemessungsgrundlage

Neben dem Kaufpreis sind auch die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen Teil der Gegenleistung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und somit Teil der Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG. Gemeint sind Verpflichtungen des Käufers, die zwischen den Vertragsparteien als Entgelt (Gegenleistung) für die Übertragung des Grundstücks angesetzt werden (vgl. auch BFH Urteil vom 10.5.2017, II R 16/14, BStBl II 2017, 964).

Eine sonstige Leistung in diesem Sinne als Teil der Gegenleistung kann auch bei einer sog. Mieterdienstbarkeit vorliegen. Nach der Rechtsprechung des BFH muss aber eine Kausalität zwischen Grundstückserwerb und sonstiger Leistung gegeben sein. Dies ist insbes. dann gegeben, wenn bei der sonstigen Leistung eine Unausgewogenheit erkennbar ist und der Käufer eine höherwertige Leistung erbringt als der Verkäufer (BFH Urteil vom 23.2.1977, II R 159/72, BStBl II 1977, 486).

Leistungen des Käufers, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbes. also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, scheiden demgegenüber aus der Gegenleistung aus. Verpflichtet sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i.S.v. § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (BFH Urteil vom 6.12.2017, II R 55/15, BStBl II 2018, 406).

5.12. Bemessungsgrundlage bei Erwerb von Wohnungs- bzw. Teileigentum aufgrund eines Auseinandersetzungs- bzw. Teilungsvertrages

Erwirbt nach dem Beginn der Auseinandersetzung einer grundbesitzenden GbR ein Gesellschafter/Miteigentümer oder ein Dritter alle Anteile an einer beteiligten Gesellschafter-GbR, der bereits Wohnungs- oder Teileigentum im Rahmen der Auseinandersetzung der grundbesitzenden GbR zugewiesen war, und erhält der Erwerber aufgrund einer geänderten oder neuen Auseinandersetzungs- und Teilungserklärung das der Gesellschafter-GbR zugewiesene Wohnungs- oder Teileigentum, ist grunderwerbsteuerbarer Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der geänderte oder neue Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrag. Bei einem steuerpflichtigen Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum aufgrund eines geänderten oder neuen Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrags, der die Vereinbarung über den Erwerb aller Anteile an einer Gesellschafter-GbR umsetzt, bemisst sich die Grunderwerbsteuer gem. § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung für den Erwerb der Anteile (BFH vom 22.5.2019, II R 20/17, LEXinform 0951395).

In dem Entscheidungsfall waren der Kläger, die GmbH 1 und die GmbH 2 Gesellschafter der GbR 1. Dieser GbR gehörte ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück. Im Rahmen eines Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrages sollte der Kläger u.a. eine Wohnung im Sondereigentum erhalten. Eine weitere Wohnung (Nr. 4) sollte die GbR 2 erhalten. An dieser waren die GmbH 1 und die GmbH 2 beteiligt. Im Rahmen einer Änderung wurde abweichend vom ursprünglichen Teilungsvertrag vereinbart, dass der Kläger sämtliche Anteil an der GbR 2 erwirbt und damit auch das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 4 erhält. Der Kaufpreis für die Anteile der GbR 2 betrug 181 450 €. Das Finanzamt setzte auf Basis dieses Kaufpreises GrESt für den Erwerb der Wohnung Nr. 4 gegenüber dem Kläger fest. Die Klage blieb erfolglos. Der BFH hat klargestellt, dass der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als anderes Rechtsgeschäft steuerbar sei. Bei der Auseinandersetzung einer grundbesitzenden GbR zum Zweck der Bildung von Wohnungs- oder Teileigentum für die einzelnen Gesellschafter unterliege der Erwerb des Wohnungs- oder Teileigentums aufgrund des Auseinandersetzungs- und Teilungsvertrags nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer (vgl. hierzu BFH vom 23.11.2011, II R 64/09, BStBl II 2012, 355). Der Erwerbsvorgang könne nach § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG von der Steuer befreit sein, soweit das den Gesellschaftern übertragene Wohnungs- oder Teileigentum rechnerisch deren Anteil am Gesamthandsvermögen entspricht und sofern die Gesellschafter mehr als fünf Jahre an der grundbesitzenden GbR beteiligt waren (vgl. § 6 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 GrEStG). Der BFH schließt die Anwendung des § 8 Abs. 2 GrEStG für solche Erwerbsvorgänge aus, wenn die Grundlage für den Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum bei einer grundbesitzenden GbR nicht im Gesellschaftsverhältnis liegt. Ist Anlass eine gesonderte Vereinbarung über den Erwerb aller Anteile an einer beteiligten Gesellschafter-GbR, ist Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Erwerb die für den Anteilserwerb an der Gesellschafter-GbR entrichtete Gegenleistung. Damit hatte das FA zu Recht den Kaufpreis für die Anteile an der GbR 2 als Bemessungsgrundlage herangezogen.

5.13. Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG

In den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 2 GrEStG, zu denen u.a. die in der Praxis wichtigen Grundstücksübergänge aufgrund von Umwandlungen sowie Anteilsvereinigungen und -übertragungen gehören (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 GrEStG), ist der Bedarfswert i.S.d. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG anzusetzen. Diese Regelung ist gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG anzuwenden. Der im Bedarfsfall festzustellende Wert i.S.d. § 157 Abs. 1 bis Abs. 3 BewG ist jeweils unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt und der Wertverhältnisse zum Zeitpunkt der Steuerentstehung der GrEStG festzustellen, vgl. § 157 Abs.1 Satz 1 BewG.

Erstreckt sich der Erwerbsvorgang auf ein noch zu errichtendes Gebäude oder beruht die Änderung des Gesellschafterbestandes i.S.d. § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG auf einem vorgefassten Plan zur Bebauung eines Grundstücks, ist der Wert des Grundstücks abweichend von § 157 Abs. 1 Satz 1 BewG nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend (§ 8 Abs. 2 Satz 2 GrEStG).

§ 8 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 GrEStG verlangt eine kausale Verknüpfung der Änderung des Gesellschafterbestands mit einem Plan zur Bebauung. Zum einen muss es einen vorgefassten Plan geben, mit dem sich die Gesellschaft über einen Gesellschafterwechsel hinaus in wesentlichen Punkten so auf die Bebauung eines Grundstücks festgelegt hat, dass sie sich im Regelfall nur noch unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder Einbußen davon lösen könnte. Zum anderen müssen die Neugesellschafter die Gesellschaftsanteile wegen des Plans erworben haben. Der Plan muss nur die Bebauung, nicht auch die Änderung des Gesellschafterbestands zum Gegenstand haben. Es reicht aus, wenn der Gesellschafterwechsel wegen des Plans stattfindet. Es ist nicht erforderlich, dass der Gesellschafterwechsel wegen des Plans notwendig ist, vgl. hierzu BFH vom 16.9.2020 (II R 12/18, LEXinform 0951778).

Der bisherige Bezug auf § 138 BewG wurde im Rahmen des StÄndG 2015 ersetzt durch die Anwendung der erbschaftsteuerlichen Grundbesitzwerte. Die Änderung gilt rückwirkend zum 1.1.2009, § 23 Abs. 14 GrEStG. Da die erbschaftsteuerlichen Grundbesitzwerte i.S.d. § 157 BewG regelmäßig zu einer höheren Bemessungsgrundlage führen, ist § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO zu beachten. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/6094, 91) enthält folgende Aussagen zur Rückwirkung:

Einer rückwirkenden Anwendung der neuen materiell-rechtlichen Regelungen zur Ersatzbemessungsgrundlage steht allerdings verfahrensrechtlich regelmäßig § 176 Abs. 1 Nr. 1 AO entgegen. Dies gilt auch für nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO vorläufig durchgeführte Grunderwerbsteuerfestsetzungen. Nur in folgenden Fällen ist eine rückwirkende Anwendung der neuen materiell-rechtlichen Regelungen möglich, weil § 176 AO nicht anwendbar ist:

  • für einen Besteuerungsfall liegt noch überhaupt keine Steuerfestsetzung vor;

  • der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erstmalige Steuerfestsetzung außergerichtlich mit dem Einspruch angefochten und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann der Einspruchsführer aber durch eine Rücknahme seines Einspruchs eine Verböserung der angefochtenen Steuerfestsetzung verhindern;

  • der Steuerpflichtige hat eine bereits vorgenommene erstmalige Steuerfestsetzung gerichtlich angefochten und es ist noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten. In diesem Fall kann das Finanzgericht die Steuerfestsetzung zwar nicht verbösern, es kann aber einer anderweitig begründeten Klage die rückwirkende Neuregelung saldierend gegenüberstellen.

5.14. Änderungen im Gesellschafterbestand (§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG)

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand, sodass mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein Rechtsgeschäft, das auf die Übereignung des Grundstücks gerichtet ist (→ Grunderwerbsteuer durch Änderung des Gesellschafterbestandes). Seit 1.7.2021 gilt die Grenze von 90 % und ein Beobachtungszeitraum von zehn Jahren. Die Finanzverwaltung hat mit gleich lautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen Stellung genommen (z.B. FinMin BW, FM3 – S-4430 – 1 / 29 vom 29.6.2021, LEXinform 7012837). Zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. gleich lautende Erlasse der Länder vom 10.5.2022.

Zivilrechtlich ist ein Gesellschafter neu, wenn er erstmals ein Mitgliedschaftsrecht an der PersGes erwirbt (BFH vom 17.5.2017, II R 35/15, LEXinform 0630424, m.w.N.).

Ein Gesellschafter ist neu i.S.d. § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, unabhängig von der Rechtsform, wer mit dem Erwerb der Gesellschafterstellung in die Mitberechtigung am Grundstück der PersGes

  • durch Beitritt,

  • infolge (Teil-)Abtretung eines Anteils am Gesellschaftsvermögen oder

  • aufgrund von Umwandlungsvorgängen mit Ausnahme der identitätswahrenden formwechselnden Umwandlungen

einrückt. In diesen Fällen besteht eine unmittelbare Beteiligung. Auch mittelbare Beteiligungen sind zu berücksichtigen. Mittelbar an der grundbesitzenden PersGes beteiligter Neugesellschafter ist unabhängig von seiner Rechtsform, wer durch

  • Eintritt,

  • Abtretung eines Mitgliedschaftsrechts oder

  • einen Vorgang nach dem Umwandlungsgesetz

einer PersGes beitritt, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes am Vermögen der grundbesitzenden PersGes beteiligt ist, und dadurch in die Mitberechtigung am Grundstück einrückt, vgl. zur Abgrenzung zwischen Alt- und Neugesellschafter auch gleich lautende Ländererlasse vom 10.5.2022 unter Abschnitt 5.2.

Zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG genügt auch eine mittelbare Änderung, die sich aus schuldrechtlichen Bindungen ergibt. S. hierzu BFH vom 9.7.2014, II-R-49/12 (LEXinform 0929368). Zivilrechtlich führt eine mittelbare Änderung nicht zu einer Änderung des Gesellschafterbestandes, daher kann § 1 Abs. 2a GrEStG in diesen Fällen nicht an das Zivilrecht anknüpfen. Maßgeblich ist in solchen Fällen vielmehr, wer hinter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter steht. Nach dem gleich lautenden Ländererlass vom 10.5.2022 liegt eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes in folgenden Fällen vor (vgl. Abschnitt 5.1.2 des Erlasses):

  • ein Mitgliedschaftsrecht an einer PersGes, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes an der grundbesitzenden PersGes beteiligt ist, zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied übergeht,

  • eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere PersGes an der grundbesitzenden PersGes beteiligte KapGes nach § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG fiktiv neue Gesellschafterin der grundbesitzenden PersGes wird oder

  • sie sich aus schuldrechtlichen Bindungen der an der PersGes unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergibt (z.B. Kaufoption; BFH vom 9.7.2014, II R 49/12), Vereinbarungstreuhand (BFH vom 25.11.2015, II R 18/14).

Zur Abgrenzung einer mittelbaren Anteilsvereinigung bei einer GmbH & Co. KG nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 zum mittelbaren Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a GrEStG vgl. BFH vom 12.3.2014 (II-R-51/12 (LEXinform 0929489). Verkauft ein Kommanditist einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG seine Gesellschaftsbeteiligung an den einzigen anderen Kommanditisten und ist die KG die einzige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH, ist – vorbehaltlich einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG – der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.

Eine ähnliche Thematik, die zur GrESt-Pflicht führt, wird bei der Änderung des Gesellschafterbestands einer grundstücksbesitzenden PersGes nach vorausgegangenem Grundstückserwerb vom Gesellschafter ausgelöst, vgl. BFH vom 17.12.2014, II R 2/3 (LEXinform 0929492).

Für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015 hat der BFH entschieden, dass eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur erreicht werden kann, wenn auf allen Beteiligungsebenen durch KapGes und PersGes gleichermaßen durchgeschaut und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen werden (BFH vom 24.3.2013, II R 17/10, BStBl II 2013, 833, Rz 18). Der Auffassung der Finanzverwaltung, die danach unterscheidet, ob an einer grundstücksbesitzenden PersGes wiederum eine PersGes oder eine KapGes beteiligt ist, folgte der BFH ausdrücklich nicht (Rz 19 im Urteil vom 24.3.2013). Der BFH hält an dieser Rechtsauffassung für Erwerbszeiträume, die vor der gesetzlichen Neuregelung des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das StÄndG 2015 verwirklicht wurden, fest. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung können daher auch Gesellschafter einer KapGes, die an einer grundbesitzenden PersGes unmittelbar beteiligt sind, mittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden PersGes sein. Die Höhe der Beteiligung ist durch alle Gesellschaftsformen durchzurechnen (BFH vom 17.6.2020, II R 18/17, LEXinform 0951371).

In den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG wird der Grundbesitzwert i.S.d. § 157 Abs. 1–3 BewG als Bemessungsgrundlage herangezogen (s.o. unter 5.8). Die durch § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöste GrESt schuldet die Personengesellschaft (§ 13 Nr. 6 GrEStG). Die Steuer stellt keine AK des Grundstücks dar, sondern sofort abzugsfähige Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten (BFH Urteil vom 2.9.2014, IX R 50/13, BStBl II 2015, 260).

Mit dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.5.2021 wurde für KapGes eine vergleichbare Regelung eingeführt (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die Änderungen treten mit Wirkung zum 1.7.2021 in Kraft. Gehört zum Vermögen einer KapGes ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue KapGes gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Finanzverwaltung hat mit gleich lautenden Ländererlassen zu den Übergangsregelungen Stellung genommen (z.B. FinMin BW, FM3 – S-4430 – 1 / 29 vom 29.6.2021, LEXinform 7012837). Zum Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2b GrEStG vgl. gleich lautende Ländererlasse vom 10.5.2022.

Beispiel 13:

Zum Gesellschaftsvermögen der V-GmbH zählt auch in Stuttgart belegenes Grundstück. Am Stammkapital der V-GmbH sind V mit 70 % und T mit 30 % beteiligt. V überträgt seine Anteile zum 1.8.2021 auf A und T übertragt seine Anteile zum 1.1.2022 auf B.

Lösung 13:

Die Übertragung der Anteile von T allein löst zunächst noch einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand aus (nur 70 %). Die weitere Übertragung von 30 % von T auf B führen zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG. Innerhalb von zehn Jahren sind mindestens 90 % der Anteile an der GmbH (V = 70 % und T = 30 %) auf neue Gesellschafter übergegangen. Bemessungsgrundlage ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG der Grundbesitzwert (§ 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG).

Variante zum Beispiel 13:

V überträgt seine Anteile zum 1.6.2021 auf A. T überträgt seine Anteile unverändert am 1.1.2022 auf B.

Lösung zur Variante:

Innerhalb von zehn Jahren sind 100 % der Anteile an der GmbH übertragen worden. § 1 Abs. 2b GrEStG ist trotzdem nicht anwendbar. Da die Übertragung von V auf A vor dem 1.7.2021 erfolgte, gilt A im Zeitpunkt der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG als Altgesellschafter. Somit sind innerhalb von zehn Jahren nur 30 % und nicht mind. 90 % der Anteile auf Neugesellschafter übergegangen.

6. Ertragshoheit und Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes

Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer steht den Ländern zu. Die Länder können das Steueraufkommen ganz oder teilweise den Gemeinden und Gemeindeverbänden überlassen.

Nach Art. 105 Abs. 2a GG haben seit 1.9.2006 die Länder die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006, BGBl I 2006, 2034). Solange davon kein Gebrauch gemacht wird, gilt der Steuersatz von 3,5 % nach § 11 Abs. 1 GrEStG.

Während der Satz für die Grunderwerbsteuer in den meisten Bundesländern lange Zeit bei 3,5 % des Kaufpreises lag, wurde er in einigen Bundesländern erhöht, in anderen Bundesländern wurde die Erhöhung später beschlossen.

Bundesland

Steuersatz (%)

Erhöhung ab

Baden-Württemberg

5,0

5.11.2011

Bayern

3,5

Berlin

6,0

1.1.2014

Brandenburg

6,5

1.7.2015

Bremen

5,0

1.1.2014

Hamburg

4,5

1.1.2009

Hessen

6,0

1.8.2014

Mecklenburg-Vorpommern

6,0

1.7.2019

Niedersachsen

5,0

1.1.2014

Nordrhein-Westfalen

6,5

1.1.2015

Rheinland-Pfalz

5,0

1.3.2012

Saarland

6,5

1.1.2015

Sachsen

3,5

Sachsen-Anhalt

5,0

1.3.2012

Schleswig-Holstein

6,5

1.1.2014

Thüringen

6,5

1.1.2017

Abb.: Übersicht über die geänderten Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer

Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer (in 2019: 15,8 Mrd. €) steht den Ländern zu und ist insbes. durch die Anhebung der Steuersätze deutlich gestiegen.

7. Steuerschuldner

Steuerschuldner sind nach § 13 Nr. 1 GrEStG regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Bei Änderung des Gesellschafterbestandes ist die Personengesellschaft Schuldner der GrESt, § 13 Nr. 6 GrEStG.

Zur Anzahl der Steuerschuldner vgl. auch Erlass FinMin Baden-Württemberg vom 18.12.2012.

Bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb eines inländischen Grundstücks (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) sind regelmäßig der Käufer und Verkäufer Steuerschuldner. Bei mehreren Steuerschuldnern sind diese gem. § 44 AO Gesamtschuldner. Die Auswahl eines der Gesamtschuldner steht dann im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Hierbei wird grds. derjenige herangezogen, der sich im Innenverhältnis zur Übernahme der GrESt verpflichtet hat (i.d.R. im Kaufvertrag). Dies schließt allerdings eine spätere Festsetzung gegenüber dem anderen Steuerschuldner nicht aus.

8. Auswirkung der Grunderwerbsteuer auf das Entgelt für steuerpflichtige Grundstückslieferungen bei der Umsatzsteuer

Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für an Grundstückserwerber verkaufte Grundstücke ergibt sich aus § 10 Abs. 1 UStG. Danach wird der Umsatz bei Lieferungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der USt. Demnach ist beim Kauf einer Sache das Entgelt für die Lieferung regelmäßig der Kaufpreis. Dies gilt auch für den Grundstückskauf. Nur der Kaufpreis bildet den Wert der Gegenleistung für das Grundstück; die Kosten der Beurkundung des Kaufvertrages und der Auflassung, der Eintragung ins Grundbuch und der zu Eintragungen erforderlichen Erklärungen, die der Käufer zu tragen hat (§ 448 Abs. 2 BGB) und die GrESt, die der Käufer vereinbarungsgemäß zahlt, erhöhen das Entgelt für die Grundstückslieferung nicht. Grundstücksveräußerer und Grundstückserwerber sind zwar regelmäßig Gesamtschuldner der GrESt; sie sind deshalb im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 BGB); dies besagt aber nicht, dass der Grundstückserwerber, wenn er vereinbarungsgemäß die GrESt übernimmt, mit der Zahlung der GrESt zur Hälfte die GrESt-Schuld des Veräußerers tilgt. Der Grundstückserwerber, der die Zahlung der GrESt vertraglich übernommen hat, tilgt mit der Zahlung der GrESt seine eigene Steuerschuld; die GrESt zählt zu den Kosten des Grunderwerbs, ohne in das dem Veräußerer zustehende Entgelt einzugehen (BFH Urteil vom 20.12.2005, V R 14/04, BFH/NV 206, 1233).

Das BMF hat sich mit Schreiben vom 25.9.2007 (BStBl I 2007, 716) zur GrESt als Bemessungsgrundlage für die USt bei Grundstückskaufverträgen geäußert. Das BFH-Urteil vom 9.11.2006 (V R 9/04, BStBl II 2007, 285) ist danach in allen offenen Fällen anzuwenden (s.a. Abschn. 10.1 Abs. 7 Satz 6 und 7 UStAE).

9. Verfahrensfragen

9.1. Festsetzung der Grunderwerbsteuer und Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung

Alle Vorgänge, die der Grunderwerbsteuer unterliegen, müssen dem zuständigen FA angezeigt werden (§ 18 Abs. 1 und § 19 Abs. 1 GrEStG). Der Inhalt der Anzeigen wird im Einzelnen durch § 20 GrEStG geregelt. Durch das JStG 2010 wurde die Anzeigepflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 GrEStG für Grundstückserwerbe ab dem Tag nach der Verkündung des JStG 2010, also ab dem 14.12.2010, um die steuerliche Identifikationsnummer (§ 139b AO) oder die Wirtschafts-Identifikationsnummer (§ 139c AO) erweitert. Damit erhält die Finanzverwaltung einen eindeutigen Anknüpfungspunkt, um die für die Beteiligten zuständigen (Ertrag- und Umsatzsteuer-)Finanzämter verwaltungsökonomisch zu ermitteln.

Das Finanzamt setzt die Steuer durch schriftlichen Steuerbescheid fest. Die Steuer wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig (§ 15 GrEStG). Wenn die Steuer gezahlt ist, erteilt das FA eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, ohne die der Erwerber eines Grundstücks nicht in das Grundbuch eingetragen werden darf (§ 22 GrEStG).

Zuständig ist das FA, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§ 17 Abs. 1 GrEStG). In besonderen Fällen kommt eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in Betracht (§ 17 Abs. 2 und Abs. 3 GrEStG). Eine gesonderte Feststellung kommt in Betracht, wenn sich der Erwerbsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht, die in unterschiedlichen Bezirken liegen.

Beispiel 14:

Ein Kaufvertrag beinhaltet die Übereignung eines Grundstücks in Mainz und in Wiesbaden. Auf das Grundstück in Mainz entfällt ein Kaufpreis i.H.v. 600 000 € und auf das Grundstück in Wiesbaden ein Kaufpreis i.H.v. 550 000 €.

Lösung 14:

Der Erwerbsvorgang bezieht sich auf mehrere Grundstücke, die in unterschiedlichen Finanzamtsbezirken belegen sind. Gem. § 17 Abs. 2 GrEStG ist eine gesonderte Feststellung durchzuführen. Das FA, in dessen Bezirk das wertvollste Grundstück liegt, stellt die Besteuerungsgrundlagen gesondert fest (= FA Mainz).

Eine gesonderte Feststellung kommt auch in Betracht, wenn in den Fällen des § 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG der Sitz der Gesellschaft im Bezirk eines anderen Finanzamtes liegt, § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Zu den Besteuerungsgrundlagen, die gesondert festgestellt werden müssen, zählt auch das genaue Datum der Steuerentstehung (BFH vom 4.3.2020, II R 35/17, LEXinform 0951466). Fehlt das genaue Datum, ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig. Zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören beispielsweise

  • die Entscheidung über die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs,

  • die in Betracht kommenden Steuerschuldner,

  • die für die Steuerfestsetzung in Betracht kommenden Finanzämter,

  • die Angabe der betroffenen Grundstücke sowie

  • das genaue Datum der Steuerentstehung (wichtig für den Bewertungsstichtag der betroffenen Grundstücke).

Die gesonderte Feststellung umfasst aber nicht die Feststellung des Grundbesitzwertes (§ 17 Abs. 3a GrEStG). Die Bewertung der betroffenen Grundstücke erfolgt durch das Lagefinanzamt (Grundbesitzbewertung, § 152 Nr. 1 BewG).

Beispiel 15:

Zum Gesellschaftsvermögen einer OHG mit Sitz der Geschäftsleitung in Mainz gehört ein Grundstück in Mainz. Der Gesellschafterbestand der OHG ändert sich zu mind. 95 %. Auf Basis des § 1 Abs. 2a GrEStG ist für das zum Gesellschaftsvermögen gehörende Grundstück GrESt zu erheben.

Lösung 15:

Zuständig ist gem. § 17 Abs. 1 GrEStG das Finanzamt, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (Mainz). Eine gesonderte Feststellung i.S.d. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG kommt nicht in Betracht, da auch die Geschäftsleitung der OHG im Bezirk des Finanzamtes Mainz liegt.

Beispiel 16:

Zum Gesellschaftsvermögen einer OHG mit Geschäftsleitung in Mainz gehört ein Grundstück in Wiesbaden.

Lösung 16:

Das für das Grundstück zuständige FA weicht vom Geschäftsleitungsfinanzamt ab. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG sieht für diesen Fall eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt vor. Die Feststellung des Grundbesitzwertes ist allerdings nicht Teil der gesonderten Feststellung (§ 17 Abs. 3a GrEStG), hierfür ist das Lagefinanzamt zuständig (§ 152 Nr. 1 BewG).

9.2. Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Steuerbescheid

Ist das FA bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für mehrere freigebige Zuwendungen erkennbar davon ausgegangen, es liege eine einheitliche Zuwendung vor, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheids. In einem solchen Fall ist der Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. § 119 Abs. 1 AO. Wie § 157 Abs. 1 Satz 2 AO vorschreibt, ist in einem derartigen Steuerbescheid die Steuer nach Art und Betrag bezeichnet und der Steuerschuldner angegeben (BFH Urteil vom 20.1.2010, II R 54/07, BStBl II 2010, 463).

Davon zu unterscheiden sind dagegen die Fälle der unaufgegliederten Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid. Hier nimmt die Rspr. ggf. die Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit an (vgl. z.B. BFH Urteil vom 9.12.1998, II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091; BFH Urteil vom 22.9.2004, II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; BFH Urteil vom 15.3.2007, II R 5/04, BStBl II 2007, 472; BFH Urteil vom 6.6.2007, II R 17/06, BStBl II 2008, 46). In diesen Fällen lässt sich aus der unaufgegliederten Steuerfestsetzung nicht ersehen, welche Steuerbeträge für die einzelnen Steuerfälle festgesetzt sein sollen.

Nur ausnahmsweise kann auf die gesonderte Ermittlung der Steuer für die einzelnen Steuerfälle verzichtet werden (s. dazu BFH Urteil vom 22.11.1995, II R 26/92, BStBl II 1996, 162; BFH Urteil vom 13.12.2007, II R 28/07, BStBl II 2008, 487).

9.3. Nachträgliche Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden

Für die nachträgliche Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden sind verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden. Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, wird nach § 16 Abs. 3 GrEStG auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet. Dies setzt voraus, dass die Herabsetzung der Gegenleistung nachträglich, also nach der Entstehung der Steuer, vereinbart wird. Diese Voraussetzung hat der BFH z.B. für die Vereinbarung der Übernahme von Erwerbsnebenkosten durch den Verkäufer im Grundstückskaufvertrag verneint (s. BFH Urteil vom 17.4.2013, II R 1/12, DB 2013, 1588). Weitere Fälle sind der Rückerwerb des Grundstücks durch den ursprünglichen Veräußerer (§ 16 Abs. 2 GrEStG) oder die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs bevor das Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist (§ 16 Abs. 1 GrEStG). In diesen Fällen wird die Steuer nicht festgesetzt oder eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GrEStG wieder aufgehoben. »Rückgängig gemacht« i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang, wenn über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (BFH Urteil vom 5.9.2013, II R 9/12). § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist daher ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber im Rahmen der Rückgängigmachung Einfluss auf die Weiterveräußerung nehmen kann. Gleiches gilt, wenn die Veräußerin eine Gesellschaft ist, der Kaufvertrag rückgängig gemacht wird und in derselben Urkunde die Anteile an der Gesellschaft auf den Ersterwerber oder einen bzw. mehrere von diesem bestimmte Dritte übertragen werden (BFH Urteil vom 19.9.2018, II R 10/16, LEXinform 0950785).

Liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG vor, wird eine ggf. bereits festgesetzte Steuer erstattet (Steuerfestsetzung wird aufgehoben). Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gem. § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam (BFH Beschluss vom 21.12.2021, VII R 5/19, LEXinform 0952292).

Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i.S.d. § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die – unwiderrufliche – Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen; denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liegt noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor, so der BFH in seinem Beschluss vom 21.12.2021 (VII R 5/19, LEXinform 0952292).

Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG wird die GrESt auf Antrag nicht festgesetzt bzw. die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer zurückerwirbt. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG betrifft beide Erwerbsvorgänge, die ursprüngliche GrESt auf die zunächst erfolgte Übertragung und die GrESt auf die spätere Rückübertragung. Kein Fall des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG liegt vor, wenn ein Treuhänder Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, die er zunächst für den Treugeber gehalten hatte, nach Auflösung der Treuhand zivilrechtlich zurückerwirbt (vgl. FG Köln Urteil vom 13.6.2017, 5 K 2924/13 und nachfolgender Beschluss des BFH zur Nichtzulassungsbeschwerde, BFH Beschluss vom 22.1.2019, II B 98/17, NV).

Der Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG für einen vor Insolvenzeröffnung geschlossenen Kaufvertrag entsteht im Fall der Ablehnung der Erfüllung gem. § 103 Abs. 2 InsO erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. BFH Urteil vom 15.1.2019, VII R 23/17, LEXinform 0951496).

Zur Aufhebung der GrESt und zum Anspruch auf Rückgängigmachung bei Wohnflächendifferenzen hat der BFH mit Urteil vom 19.2.2020 entschieden (BFH vom 19.2.2020, II R 4/18, LEXinform 0951774). Wird nach abgeschlossenem und durchgeführtem Kauf- oder Werkvertrag über eine Wohnimmobilie die Nichtfestsetzung, Aufhebung oder Änderung der Grunderwerbsteuer auf Grundlage des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG beantragt, so muss die Nichterfüllung von Vertragsbedingungen zivilrechtlich einen gesetzlichen oder vertraglichen Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäfts vermitteln, der einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten erzwungen werden kann (Anschluss an das BFH-Urteil vom 8.6.1988, II R 90/86, BFH/NV 1989, 728). Ob ein solcher Rechtsanspruch besteht, richtet sich nach zivilrechtlichen Grundsätzen und ist im Besteuerungsverfahren in vollem Umfang zu prüfen. In Betracht kommen insbesondere die Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln des Vertragsgegenstandes. Eine Abweichung zwischen der vertraglich geschuldeten und der tatsächlichen Wohnfläche des Vertragsobjekts zu Lasten des Erwerbers kann einen Mangel begründen. Der Rechtsanspruch kann nach Ablauf von zwei Jahren nicht durch einen mit Rücksicht auf wirkliche oder vermeintliche Leistungsstörungen abgeschlossenen Vergleichsvertrag ersetzt oder geschaffen werden. Ein in einer Wohnflächendifferenz liegender Mangel ist erst dann ein »schwerer Mangel«, wenn die Differenz die Schwelle von 10 % überschreitet, so der BFH in der o.g. Entscheidung vom 19.2.2020.

Gem. § 16 Abs. 5 GrEStG gelten § 16 Abs. 1 bis Abs. 4 GrEStG nicht, wenn einer der in § 1 Abs. 2 bis 3a GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge rückgängig gemacht wird, der nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt (§§ 18 bis 20 GrEStG) war. Wird ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG zwar innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht, war dieser Erwerbsvorgang aber nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, schließt § 16 Abs. 5 GrEStG den Anspruch auf Nichtfestsetzung der Steuer oder Aufhebung der Steuerfestsetzung aus (BFH vom 22.5.2019, II R 24/16, LEXinform 0950949).

Wurde ein Grundstück unter einer auflösenden Bedingung erworben und tritt diese ein, kann die geänderte Steuerfestsetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BewG erfolgen.

Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist zulässig, wenn ein Bauerrichtungsvertrag zeitlich nach dem Abschluss des Kaufvertrages über ein unbebautes Grundstück abgeschlossen wird. In diesem Fall kann sich der Erwerbsvorgang – nachträglich – auf ein bebautes Grundstück beziehen. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ändert sich rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entstehung (§ 14 Nr. 2 GrEStG) und die Baukosten sind nachträglich in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (BFH Urteil vom 25.1.2017, II R 19/15, veröffentlicht am 12.4.2017, LEXinform 0446308).

Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S.d. § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht keine Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (BFH vom 22.7.2020, II R 15/18). Gem. § 16 Abs. 3 wird auf Antrag die GrESt niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn

  • die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet;

  • die Herabsetzung (Minderung) auf Grund des § 437 BGB vollzogen wird.

Tritt ein Ereignis ein, das nach den Absätzen 1 bis 3 die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses, § 16 Abs. 4 GrEStG. Fälle des § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG schließen die Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aus (BFH vom 22.7.2020, II R 15/18). Der Antrag nach § 16 Abs. 3 GrEStG ist innerhalb der Festsetzungsfrist zu stellen.

Im Übrigen sind ggf. die allgemeinen Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO, insbes. § 173 AO zu prüfen.

9.4. Erbengemeinschaft als selbstständiger Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht

Gehen mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft an eine Erbengemeinschaft über, ist der Vorgang grunderwerbsteuerrechtlich so zu behandeln, als habe die Erbengemeinschaft das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Sind die Anteile bereits aus einem vorhergegangenen Rechtsgeschäft in einer Hand vereinigt, ist der Erwerb der restlichen Anteile nicht steuerpflichtig. Erfüllt der im Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Sachverhalt nicht die Voraussetzungen einer Steuerpflicht gemäß GrEStG, ist der Bescheid rechtswidrig (BFH Urteil vom 12.2.2014, II R 46/12, BStBl II 2014, 536).

Zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von zeitlich gestreckten und teilweise entgeltlichen bzw. unentgeltlichen Übertragungen von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft bei Änderungen des Grundstückbestandes und Werterhöhungen der Grundstücke hat der BFH in seinem Urteil vom 15.10.2014 (BFH Urteil vom 15.10.2014, II R 14/14, BStBl II 2015, 405) entschieden, dass mehrere Grundstücke im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 1 GrEStG zusammengefasst werden können.

10. Literaturhinweise

Eisele, Die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen. Neuer Abgrenzungserlass, NWB 2013, 2473; Söhl, Abgrenzungsfragen bei der Aufteilung von einheitlichen Grundstückskaufpreisen, Möglichkeiten der Vertragsgestaltung und Grenzen, NWB 2013, 2467; Melzer, Skript Grunderwerbsteuer – Bannas – (2016).

11. Verwandte Lexikonartikel

Erbbaurecht

Grunderwerbsteuer durch Änderung des Gesellschafterbestandes

Herstellungskosten

Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG

Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers

Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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