1 Einkunftsartendiskussion bei Lehrtätigkeiten
1.1 Überblick
1.2 Einkunftsartendiskussion im engeren Sinne
1.2.1 Nichtselbstständige Lehrer
1.2.2 Selbstständige Lehrtätigkeit
1.2.3 Gewerbliche Lehrtätigkeiten
1.3 Hauptunterschied
1.4 Typischer Erwerbsaufwand von Lehrern
2 Haupt-/Nebenberuf oder Sonstiges?
3 Lehrtätigkeit und DBA-Recht
4 Umsatzsteuerrechtliche Behandlung
4.1 Selbstständigkeit
4.2 Umsatzart und Ort der Leistung
4.2.1 Allgemeine Grundsätze
4.2.2 Seminarleistungen
4.3 Die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 21 und 22 UStG im Überblick
4.4 Die Steuerbefreiung bestimmter Schulformen sowie berufsbildender Einrichtungen
4.5 Steuerbefreite Leistungen selbstständiger Lehrer
4.5.1 Selbstständige Lehrer als Träger einer Bildungseinrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG
4.5.1.1 Grundsätzliches zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG
4.5.1.2 Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen
4.5.1.3 Träger der Bildungseinrichtung
4.5.1.4 Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitungsmaßnahmen
4.5.1.5 Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL
4.5.2 Selbstständige Lehrer als freie Mitarbeiter
4.5.2.1 Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL
4.5.2.2 Unterrichtleistungen i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG
4.5.2.3 Erstellung von Lehrbriefen
4.5.2.4 Erwachsenenbildung selbstständiger Privatlehrer
4.5.2.5 Nachweise für die Steuerbefreiung
4.5.3 Fortbildungsseminare der Bundessteuerberaterkammer durch selbstständige Referenten
4.5.4 Zusammenfassung
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel
Lehrtätigkeiten können verschiedenen Einkunftsarten zuzuordnen sein. Dabei kann auch dieselbe Lehrperson Einkünfte in verschiedenen Einkunftsarten erzielen, wobei sich die Form der Steuerpflicht und die Einkunftsermittlung je nach Einkunftsart unterscheiden können.
In der Zuordnungsfrage kommen bei hauptberuflich tätigen Lehrkräften drei Einkunftsarten in Betracht:
→ Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG),
→ Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) und
→ Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG).
Eine Eingruppierung nach § 19 EStG setzt voraus, dass es sich um einen ArbN handelt. § 1 Abs. 1 Satz 1 LStDV umschreibt den Begriff des ArbN, ohne Kriterien für die Unterscheidung zur selbstständigen Tätigkeit zu liefern. Die Rspr. des BFH hat in dieser Frage weitgehend die Merkmale aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts übernommen. Danach ergibt sich aus einer Fülle von Einzelmerkmalen die Zuordnung zum ArbN. Als solche werden genannt:
Eingliederung in den Organismus (betrieblichen Ablauf) des ArbG,
Vorliegen eines Direktionsrechtes,
die Arbeit (als Zeiteinheit) und nicht der Erfolg wird geschuldet,
feste Bezahlung mit Abgeltung von Fehlzeiten (Urlaub/Krankheit),
Beschäftigung bei einem ArbG,
höchstpersönliche Leistungsverpflichtung (keine Delegation).
Bei der Umkehrung der o.g. Merkmale wird die Eigenschaft als ArbN abgelehnt. Bei der Beurteilung bemüht der BFH immer wieder die »besonderen Umstände des Einzelfalles« sowie das gesamte Erscheinungsbild. Nach neueren Erkenntnissen sind diejenigen Faktoren aus dem Indizienstrauß als besonders wichtig anzusehen, die auf das (Nicht)-Vorliegen des unternehmerischen Risikos schließen lassen, wobei insb. die automatische Fortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall angesprochen ist.
Von entscheidender Bedeutung ist die eindeutige steuerliche Abgrenzung: Entweder ist ein Steuerpflichtiger ArbN und damit lohnsteuerpflichtig oder er unterliegt als Selbstständiger der USt und – soweit die weiteren Voraussetzungen für eine gewerbliche Tätigkeit hinzukommen – ggf. der GewSt. Somit schließen sich Lohnsteuerpflicht und Umsatzsteuerpflicht (einer Person für eine Tätigkeit) gegenseitig aus.
Bei Scheinselbstständigen und freien Mitarbeitern trifft das Steuerrecht eigene Wertentscheidungen. Bei freien Mitarbeitern (Praktikanten, Referendaren) liegen unabhängig von der arbeitsrechtlichen Einordnung bei einer – meistens vorliegenden – Eingliederung in den Betrieb (Schule, Fernsehanstalt etc.) nichtselbstständige Einkünfte vor. Umgekehrt wurde die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der »Scheinselbstständigen« nicht in das Steuerrecht übernommen.
Immer dann, wenn der Schulträger Unterrichtsgegenstand, Zeit und Ort der Tätigkeit bestimmt, wird die pädagogische Tätigkeit im Arbeitnehmer-Status erbracht. Dies trifft auf alle verbeamteten und angestellten Lehrer und Hochschullehrer in ihrem Hauptamt (Lehre) zu. Bei einer nebenberuflichen Lehrtätigkeit an einer Schule oder einem Lehrgang mit einem allgemein feststehenden und nicht nur von Fall zu Fall aufgestellten Lehrplan sind die nebenberuflich tätigen Lehrkräfte in der Regel ArbN, es sei denn, dass sie in den Schul- oder Lehrgangsbetrieb nicht fest eingegliedert sind. Hat die Lehrtätigkeit nur einen geringen Umfang, kann das ein Anhaltspunkt dafür sein, dass eine feste Eingliederung in den Schul- oder Lehrgangsbetrieb nicht vorliegt. Ein geringer Umfang in diesem Sinne kann stets angenommen werden, wenn die nebenberuflich tätige Lehrkraft bei der einzelnen Schule oder dem einzelnen Lehrgang in der Woche durchschnittlich nicht mehr als sechs Unterrichtsstunden erteilt (s. R 19.2 Abs. 1 Satz 1 – 3 LStR).
Gemeinsames Kennzeichen aller in § 18 EStG genannten (bzw. durch die Rspr. einbezogenen) Personen und Berufsgruppen ist der Verzicht auf die Buchführungspflicht (bei vorhandener Möglichkeit) und auf die Gewerbesteuer. Die Erfassung als selbstständige Einkünfte gem. § 18 EStG setzt – konform mit den gewerblichen Einkünften – die Selbstständigkeit, die Nachhaltigkeit, die Marktteilnahme, die Gewinnerzielungsabsicht und negativ das Fehlen gewerblicher bzw. land- und forstwirtschaftlicher Betätigung voraus.
Aus dem Anwendungsbereich des § 18 EStG ragt die erste Gruppe der selbstständigen Arbeit, nämlich die freiberufliche Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei Weitem heraus. Der Gesetzgeber hat den einheitlichen Block freiberuflicher Tätigkeit durch zwei Norminhalte präzisiert:
im ersten Bereich erfüllen spezielle Tätigkeitsbereiche den Terminus,
im zweiten Bereich genügt bereits eine typische Berufstätigkeit (Katalogberufe).
Nachdem der Lehrberuf nicht zu den Katalogberufen zählt, kann er nur nach der ersten Kategorie zu selbstständigen Einkünften führen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 1. Tatbestand EStG). Beide dort genannten Adjektivbeschreibungen (unterrichtende bzw. erzieherische Tätigkeiten) können im Einzelfall vorliegen.
Während bei der unterrichtenden Tätigkeit die Person des Unterrichtenden im Vordergrund steht, orientiert sich der Begriff der erzieherischen Tätigkeit stärker an den Adressaten der Schulungsmaßnahme. Mit erzieherischen Aktivitäten soll primär die Charakterbildung junger Menschen erreicht werden, während bei unterrichtender Tätigkeit eine eigenverantwortliche Lehrpersönlichkeit Auslöser für die Zuordnung ist. Bei der unterrichtenden Tätigkeit steht häufig einer Einordnung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Eingliederung der betreffenden Person in einen Lehrapparat (Lehrplan/Curriculum) im Wege, da die Tätigkeit neben den Qualitätsanforderungen auch selbstständig ausgeübt sein muss.
Während der BFH bei Fahrlehrern, Tanzlehrern, Repetitoren, Lehranalytikern, Moderatoren und Bergführern grundsätzlich keine Probleme sieht, gehen ihm bloße Geräteeinweisungen trotz vereinzelter Trainingsüberwachung nicht weit genug, um eine unterrichtende Tätigkeit anzunehmen.
Bei der erzieherischen »Qualitätsprüfung« verneint der BFH dann die Anwendung des § 18 EStG, wenn sich eine Beratungstätigkeit nur auf einzelne zwischenmenschliche Bereiche und nicht auf die ganze Persönlichkeit erstreckt.
Eine klassische selbstständige Lehrtätigkeit übt der freiberufliche Repetitor aus.
Wegen eines zu engen Aktionsradius hat der BFH den Betreibern von Fitnesscentern und Bodybuildingstudios das Qualifikationsmerkmal der »unterrichtenden Tätigkeit« nach § 18 EStG versagt und sie demnach als gewerblich eingestuft (BFH Urteil vom 13.1.1994, IV R 79/92, BStBl II 1994, 362 und BFH Urteil vom 18.4.1996, IV R 35/95, BStBl II 1996, 573).
Ebenso verneinte der BFH die »erzieherische« Qualifikation bei sog. Managementtrainern (BFH Urteil vom 11.6.1997, XI R 2/95, BStBl II 1997, 687) mit der Folge der Einordnung als gewerbliche Tätigkeit.
Beispiel 1:
Der Gymnasiallehrer G nutzt seinen PC (Anschaffungskosten: 2 000 €) beruflich als ArbN. Der selbstständige Repetitor R nutzt seinen PC (ebenfalls Anschaffungskosten: 2 000 €) als Freiberufler. Nach drei Jahren (Ablauf der betriebsgewöhnlichen ND) erhalten G und R aus dem Verkauf des PC je 500 €.
Dieses Beispiel dokumentiert den Dualismusgrundsatz des deutschen Einkommensteuerrechts. Danach sind nur die in den Gewinneinkunftsarten des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG eingesetzten WG steuerverstrickt, während die Wertveränderungen der im Privatvermögen gehaltenen WG vorbehaltlich §§ 22, 23 EStG nicht der Einkommensteuer unterliegen.
Lösung 1:
Nach § 8 Abs. 2 EStG liegen bei G Einnahmen i.R.d. nichtselbstständigen Arbeit vor, während R Betriebseinnahmen nach § 8 Abs. 2 EStG i.V.m. § 4 Abs. 4 EStG analog (betriebliche Veranlassung) i.R.v. § 18 EStG erzielt.
Der Unterschied liegt darin, dass der Veräußerungsgewinn der beruflich eingesetzten WG bei den Überschusseinkünften nicht einkommensteuerbar ist, während der in Sachwerten erzielte Veräußerungserlös bei R zu einen steuerpflichtigen Gewinn i.H.v. 500 € (Erlös 500 € ./. Buchwert 0 €) führt.
Zu dem Standard-Repertoire des Erwerbsaufwands (i.d.R. Werbungskosten) von Lehrern zählen, neben dem Arbeitszimmer (→ Häusliches Arbeitszimmer) Aufwendungen für den PC (→ Arbeitsmittel) und Studienreisen (→ Fachtagung), soweit nicht § 9a EStG (Werbungskostenpauschale) einschlägig ist.
Die Frage der Neben- bzw. Zweittätigkeit oder des Nebenerwerbs hat weitere steuerliche Konsequenzen.
Beispiel 2:
Ein wegen seiner Vielseitigkeit geschätzter Wirtschaftsprüfer ist bei einer der »Big Four« in Hamburg angestellt und prüft hauptsächlich Mineralölkonzerne. Das erworbene Know-how ist bei Lehrveranstaltungen sehr gefragt. So unterrichtet er in »Indoor«-Veranstaltungen seines ArbG bundesweit und ist am Wochenende bei einem Steuerrepetitorium beschäftigt (Einsatzgebiet: Konzernbesteuerung). Um wie viele Lohnsteuerkarten (→ Lohnsteuerkarte) (welche Lohnsteuerklassen) hat sich WP zu bemühen?
Rein begrifflich wurden früher die Nebentätigkeiten von den Hilfstätigkeiten unterschieden. Damit war zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei den echten Nebentätigkeiten um solche im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses handelt, während die Hilfstätigkeit nur als Ausfluss (Nebenpflicht) des Hauptamtes (des ersten Arbeitsvertrages) angesehen wurde. An der Rechtsfolge (ein oder zwei Arbeitsverhältnisse) hat sich auch bei der neuen Betrachtungsweise nichts geändert, wonach jede einzelne Tätigkeit gesondert nach den Merkmalen des § 19 EStG geprüft wird. Jedoch gehört immer dann, wenn die zweite Tätigkeit bei dem identischen ArbG im Rahmen seines Organisationsapparates stattfindet, das Entgelt zum Arbeitslohn (BFH Urteil vom 20.12.2000, XI R 32/00, BStBl II 2001, 496). Ausnahmsweise können Einkünfte nach § 18 EStG vorliegen.
Bei Mehrfacharbeitsverhältnissen ist beim zweiten ArbG die Steuerklasse VI maßgeblich (vgl. § 38b Satz 2 Nr. 6 EStG).
Lösung 2:
Die WP-Tätigkeit wird im Angestelltenverhältnis ausgeübt; der WP erzielt Einkünfte nach § 19 EStG.
Die Vortragstätigkeit im »eigenen Haus« führt zu nichtselbstständigen Einkünften, wenn sie auch zeitlich anstelle der Prüfertätigkeit, bzw. mit vom ArbG vorbereiteten Skripten, oder während der regulären Arbeitszeiten der Zuhörer stattfindet. Insoweit liegt nur ein zweites Einsatzfeld im Rahmen eines Arbeitsvertrages vor. Zusätzliche Entlohnungen ändern nichts an dieser Beurteilung.
Bei der Wochenendbeschäftigung des WP hängt die steuerliche Beurteilung von den allgemeinen Unterscheidungskriterien zwischen §§ 18, 19 EStG ab.
Je nach dem Organisationsgrad des Repetitoriums (Kriterien: Vorgabe von Lehrmaterial, (kein) Einfluss auf den Ablauf der Veranstaltung etc.) liegt eine selbstständige unterrichtende Tätigkeit (§ 18 EStG) oder eine nichtselbstständige Tätigkeit nach § 19 EStG vor. Im zuletzt genannten Fall kann der WP nur bei Vorlage einer zweiten Lohnsteuerkarte tätig werden. Auf § 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG (Amtsveranlagung) wird hingewiesen.
Vergütungen, die ein in einem Vertragsstaat ansässiger Hochschullehrer oder Lehrer, der sich im anderen Vertragsstaat höchstens zwei Jahre lang zwecks fortgeschrittener Studien oder Forschungsarbeiten oder zwecks Ausübung einer Lehrtätigkeit an einer Universität, Hochschule, Schule oder anderen Lehranstalt aufhält, für diese Tätigkeit bezieht, werden im Tätigkeitsstaat nach Art. 20 OECD-MA freigestellt.
Zu beachten ist dabei allerdings der Kassenstaatsartikel (Art. 19 OECD-MA).
Beispiel 3:
Das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Bezüge eines französischen Beamten, der die französische Staatsangehörigkeit besitzt und in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, für seine in Neukaledonien ausgeübte Tätigkeit (Lehrtätigkeit), die von einem französischen Ministerium bezahlt wird, steht nach dem Kassenstaatsartikel in Art. 14 DBA-Frankreich der Republik Frankreich zu. Es ist unbeachtlich, dass die Bezüge aufgrund eines DBA zwischen Frankreich und Neukaledonien in Frankreich nicht besteuert werden. In Deutschland sind die Einnahmen, soweit sie nicht steuerbefreit sind (vgl. § 3 EStG), im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen (s. FG Baden-Württemberg Urteil vom 20.1.2011, 3 K 2312/08, EFG 2011, 1629, rkr.).
Die Frage der Selbstständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatz-, die Einkommen- und die Gewerbesteuer grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (vgl. § 1 Abs. 3 LStDV und Abschn. 2.2 Abs. 2 UStAE). Mit Urteil vom 25.6.2009 (V R 37/08, BStBl II 2009, 873) nimmt der BFH zur Selbstständigkeit bzw. zur Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG Stellung. Dabei stellt der BFH u.a. die Kriterien der Selbstständigkeit und der Nichtselbstständigkeit gegenüber. Zur Selbstständigkeit natürlicher Personen s. → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Selbstständigkeit natürlicher Personen«.
Die Erteilung von Unterricht durch selbstständige Lehrer stellt eine sonstige Leistung (Dienstleistung) i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG dar (Abschn. 3.1 Abs. 4 UStAE; → Sonstige Leistung).
Der → Ort der sonstigen Leistung richtet sich bei Dienstleistungen nach dem Status des Empfängers dieser Leistung:
Dienstleistungen, die ein Unternehmer für ein anderes Unternehmen erbringt, werden dort besteuert, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängersitzprinzip, § 3a Abs. 2 UStG; Abschn. 3a.2 Abs. 3 UStAE);
Dienstleistungen an private Verbraucher (Nichtunternehmer) werden grundsätzlich an dem Ort besteuert, an dem der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Unternehmersitzprinzip, § 3a Abs. 1 UStG; Abschn. 3a.1 UStAE).
Unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG bestimmt sich der Leistungsort u.a. bei unterrichtenden Leistungen nach dem Ort, an dem die sonstige Leistung tatsächlich bewirkt wird (Abschn. 3a.6 Abs. 1 UStAE; → Ort der sonstigen Leistung unter dem Gliederungspunkt »Leistungsort i.S.d. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG«). Diese Ausnahmeregelung gilt nur für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer (s.a. Abschn. 3a.6 Abs. 2 UStAE).
Die Durchführung von Fachseminaren fällt grundsätzlich unter die Sonderregelung des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG, weil es sich dabei um die Erbringung wissenschaftlicher bzw. unterrichtender Leistungen handelt. Abzugrenzen sind die Fachseminare allerdings von der beratenden Tätigkeit (Lösung konkreter Probleme).
Steuerfachseminare werden im Allgemeinen einem interessierten Fachpublikum angeboten. Mit der Entrichtung der Teilnehmergebühr ist z.B. der Steuerberater berechtigt, an der Veranstaltung teilzunehmen, erhält die Tagungsunterlagen, hat eventuell die Hotelübernachtung gebucht und kann dort die Verpflegung einnehmen. Teilnehmer eines solchen Fachseminars sind in der Regel keine Privatpersonen, sondern Unternehmer. Dabei gilt es zu beachten, dass die Ortsvorschrift des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG nur anzuwenden ist, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer oder Unternehmer ist, der die Leistung nicht für sein Unternehmen empfängt bzw. der als juristische Person keine USt-IdNr. erteilt wurde. Lediglich in diesen Fällen ist der Tätigkeitsort (Seminarort) maßgeblich.
Bei B2B-Seminarleistungen bestimmt sich der Leistungsort grundsätzlich nach der Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG und befindet sich dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (Empfängersitzprinzip).
Nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG werden Eintrittsberechtigungen zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen, wenn diese an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte nicht unternehmerisch tätige juristische Personen, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist, erbracht werden, an dem Ort besteuert, an dem die Veranstaltung tatsächlich stattfindet. Die Regelung entspricht Art. 53 MwStSystRL und ist auf Umsätze anwendbar, die nach dem 31.12.2010 ausgeführt werden (JStG 2010 vom 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768).
Zur Einstufung von Kursen/Seminaren/Konferenzen als Veranstaltung und somit zur Abgrenzung zu Unterrichtsleistungen s. → Ort der sonstigen Leistung unter dem Gliederungspunkt »Einräumung von Eintrittsberechtigungen (B2B-Leistungen)«. Der MwSt-Ausschuss hat Leitlinien zu Fragen im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil vom 13.3.2019 (C-647/17, UR 2019, 344, LEXinform 0651641) veröffentlicht (EU-Kommission vom 2.12.2019, ta-xud.c.1(2020)2254683 – 986, SIS 20 03 58; s.a. Grambeck, NWB 23/2019, 1665).
Beispiel 4:
Ein deutscher Unternehmer U mit Sitz in München veranstaltet ein Steuerseminar am Tegernsee. Der Zugang zu dem Seminar ist nicht begrenzt und steht der Allgemeinheit offen. Nach Entrichtung der Seminargebühr i.H.v. 1 000 € nehmen Unternehmer aus Deutschland, dem übrigen Gemeinschaftsgebiet und aus dem Drittland (Schweiz) teil. Als Referent ist Steuerberater S mit Sitz in Nürnberg tätig.
Lösung 4:
Hinsichtlich der Ortsbestimmung ist zu unterscheiden nach der Leistung des U als Veranstalter des Seminars und nach der Leistung des S als Unterrichtender.
Die Durchführung des Seminars durch U stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nach dem Tätigkeitsort und befindet sich am Tegernsee in Deutschland. Zu den Eintrittsberechtigungen gehört insbesondere das Recht auf Zugang zu den der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare (Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE und dort die Beispiele 1 und 2). Die B2B-Seminarleistung ist steuerbar. Zur möglichen Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG s.u. Beispiel 11. Die in Rechnung gesondert ausgewiesene deutsche USt kann von den deutschen Teilnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer berücksichtigt werden. Für die im Ausland ansässigen Unternehmer kann die Vorsteuer eventuell im → Vorsteuervergütungsverfahren erstattet werden.
Die Unterrichtsleistung des S stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Empfänger dieser Dienstleistung ist der deutsche Unternehmer U aus München. Der Ort dieser B2B-Dienstleistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG und befindet sich am Sitzort des Unternehmers U in München. Die Leistung ist steuerbar. Zur möglichen Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG s.u. Beispiel 11.
Beispiel 5:
Ein deutscher Unternehmer U mit Sitz in München veranstaltet für das Wirtschaftsprüfungsunternehmen W mit Sitz in Frankfurt ein Steuerseminar am Gardasee. An dem Seminar können nur Mitarbeiter der W teilnehmen. Als Referent ist Steuerberater S mit Sitz in Nürnberg tätig.
Lösung 5:
Zu den Eintrittsberechtigungen i.S.d. § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG gehört u.a. das Recht auf Zugang zu den der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare (Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE). Da das Seminar nicht für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist, fällt der Umsatz des U nicht unter die Eintrittsberechtigungen nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG. Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG am Sitzort des W in Frankfurt (s.a. Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3, Beispiel 2 UStAE).
Zu der Unterrichtsleistung des S s.o. zu Lösung 6.
Beispiel 6:
Ein deutscher Unternehmer U mit Sitz in München veranstaltet ein Steuerseminar am Gardasee. Der Zugang zu dem Seminar ist nicht begrenzt und steht der Allgemeinheit offen. Nach Entrichtung der Seminargebühr i.H.v. 1 000 € nehmen Unternehmer aus Deutschland, dem übrigen Gemeinschaftsgebiet und aus dem Drittland (Schweiz) teil. Als Referent ist Steuerberater S mit Sitz in Nürnberg tätig.
Lösung 6:
Hinsichtlich der Ortsbestimmung ist zu unterscheiden nach der Leistung des U als Veranstalter des Seminars und nach der Leistung des S als Unterrichtender.
Die Durchführung des Seminars durch U stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nach dem Tätigkeitsort und befindet sich am Gardasee in Italien. Zu den Eintrittsberechtigungen gehört insbesondere das Recht auf Zugang zu den der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare (Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE und dort die Beispiele 1 und 2). Die B2B-Seminarleistung ist in Deutschland nicht steuerbar. U stellt eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener italienischer USt aus. Die italienischen Teilnehmer (Unternehmer) erhalten eine Rechnung ohne USt-Ausweis, aber mit dem Hinweis »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« (§ 14a Abs. 1 UStG). Die – aus italienischer Sicht – ausländischen Teilnehmer können die Vorsteuer im italienischen Vergütungsverfahren beantragen.
Die Unterrichtsleistung des S stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Empfänger dieser Dienstleistung ist der deutsche Unternehmer U aus München. Der Ort dieser B2B-Dienstleistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG und befindet sich am Sitzort des Unternehmers U in München. Die Leistung ist steuerbar. Zur möglichen Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG s.u. Beispiel 12.
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL) befreit bestimmte Umsätze bestimmter Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. Doppelbuchst. aa und bb UStG (Abschn. 4.21.2, 4.21.4 und 4.21.5 UStAE).
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG gilt für Personen, die als freie Mitarbeiter (Privatlehrer) an Schulen, Hochschulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (Abschn. 4.21.3 UStAE).
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, m und n, Art. 133 und 134 MwStSystRL) befreit bestimmte Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art.
Unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG fallen
Ersatzschulen (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG; Abschn. 4.21.1 UStAE),
Ergänzungsschulen und
andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG; Abschn. 4.21.2 UStAE).
Zur Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG s. die Erläuterungen unter → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung. Die Umsatzsteuerbefreiung selbstständiger Lehrer i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist u.a. davon abhängig, dass die Einrichtungen, an denen der Lehrer tätig ist, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen.
Steuerfrei sind
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
insbesondere dann, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass diese auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten (§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG).
Für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG ist ausreichend, dass die darin bezeichneten Leistungen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der Berufsfortbildung dienen (Abschn. 4.21.4 Abs. 1 Satz 2 UStAE). Entscheidend sind die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Bildungsleistung (s.a. Abschn. 4.21.4 Abs. 1 Satz 7 UStAE; → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung).
Träger einer Bildungseinrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG kann auch eine natürliche Person sein (s.a. Abschn. 4.21.2 Abs. 1 Satz 6 UStAE).
Der Lehrer ist Träger einer Bildungseinrichtung, wenn er selbst entgeltliche Unterrichtsleistungen gegenüber seinen Vertragspartnern (z.B. Schüler, Studenten, Berufstätige oder Arbeitgeber) anbietet. Dies erfordert
ein festliegendes Lehrprogramm und Lehrpläne zur Vermittlung eines Unterrichtsstoffs für die Erreichung eines bestimmten Lehrgangsziels,
geeignete Unterrichtsräume oder -vorrichtungen,
auf eine gewisse Dauer angelegter Betrieb der Bildungseinrichtung,
nicht, dass die Einrichtung im Rahmen ihres Lehrprogramms eigenen Lehrstoff anbietet. Daher reicht es aus, wenn sich die Leistung auf eine Unterstützung des Schul- oder Hochschulangebots bzw. auf die Verarbeitung oder Repetition des von der Schule angebotenen Stoffs beschränkt. Die Veranstaltung einzelner Vorträge oder einer Vortragsreihe erfüllt dagegen nicht die Voraussetzungen einer Unterrichtsleistung. Unschädlich ist jedoch die Einbindung von Vorträgen in ein Lehrprogramm für die Befreiung der Unterrichtsleistungen des Trägers der Bildungseinrichtung (Abschn. 4.21.2 Abs. 2 UStAE; OFD Frankfurt vom 25.7.2011, S 7179 A – 7 – St 112, DB 2011, 2633, LEXinform 5233480).
Als Träger der Bildungseinrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG benötigt der selbstständige Lehrer eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass seine Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (Abschn. 4.21.5 UStAE). Mit Urteil vom 3.12.1976 (7 C 73/75, BStBl II 1977, 334; s.a. Abschn. 4.21.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE) stellt das BVerwG fest, dass nach dem Gesetzeswortlaut die Bescheinigung allein dem Nachweis dient, dass auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet wird. Ob der Unternehmer eine Privatschule oder eine andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung unterhält, ist nicht Gegenstand der Bescheinigung, wie auch der BFH bereits entschieden hat (BFH Urteil vom 14.3.1974, V R 54/73, BStBl II 1974, 527). Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist von den Finanzbehörden gesondert zu prüfen und unterliegt auch der vollen Nachprüfbarkeit durch die Steuergerichte.
Die Vorbereitung auf einen Beruf umfasst
die berufliche Ausbildung,
die berufliche Fortbildung und
die berufliche Umschulung.
Die Dauer der jeweiligen Maßnahme ist unerheblich (Abschn. 4.21.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE). S. dazu die ausführlichen Erläuterungen zu → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Berufs- und Prüfungsvorbereitung«.
Die Mitgliedstaaten befreien danach insbesondere den »Schul- und Hochschulunterricht … durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder [durch] andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung«.
Nach der bisherigen Rspr. des BFH kann sich eine natürliche Person als »andere Einrichtung« unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen (BFH vom 10.8.2016, V R 38/15, BFH/NV 2016, 1864, LEXinform 0950671).
Zur Steuerbefreiung eines Dozenten, der für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages tätig wird, hat der BFH mit Urteil vom 10.8.2016 (V R 38/15, BFH/NV 2016, 1864, LEXinform 0950671) Stellung genommen. Nach nationalem Recht sind die Leistungen nicht steuerfrei, da die Voraussetzungen der Befreiungstatbestände nach § 4 Nr. 21 UStG nicht vorliegen. Die zuständige Landesbehörde hatte weder dem Bundestag noch dem Dozent bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
Der EuGH definiert in seinem Urteil vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546 – Fahrschulurteil) den Begriff »Schul- und Hochschulunterricht« (s.a. Hartmann, NWB 22/2019, 1586) i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL. Siehe dazu die Erläuterungen unter dem Stichwort → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Unionsrechtliche Befreiung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL« und dort zu »Definition des Schul- und Hochschulunterrichts«.
Anmerkung:
Nach den Grundsätzen der EuGH-Entscheidung vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546) kann die BFH-Rechtsprechung vom 10.8.2016 (V R 38/15, BFH/NV 2016, 1864, LEXinform 0950671) zur Steuerbefreiung eines Dozenten, der für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages tätig wird, keinen Bestand haben (s.a. Hartmann, NWB 22/2019, 1586 unter III.1.d).
Nach der EuGH-Rechtsprechung können Tätigkeiten, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben, vom Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts erfasst werden, sofern die Unterweisung in Schulen oder Hochschulen erfolgt (EuGH C-449/17, Rz. 23; s.a. Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, Anmerkung vom 14.3.2019, LEXinform 0401996).
Für die Zwecke der Mehrwertsteuerregelung verweist der Begriff des »Schul- und Hochschulunterrichts« allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen. Es darf sich nicht um einen spezialisierten Unterricht handeln, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt.
Die Leistungen des Dozenten sind aber auf einen solchen »spezialisierten« Bereich beschränkt (Informationen zur Tätigkeit des Bundestages) und werden darüber hinaus auch nicht in Schulen und Hochschulen erteilt.
Nach Auffassung des BFH kann ein besonders hohes Gemeinwohlinteresse wie es z.B. an der Erlernung der Fähigkeit, schwimmen zu können, bestehen, das die Annahme einer steuerfreien Unterrichtsleistung rechtfertigt (s. BFH V R 38/15, Rz. 20 ff.).
Nach der bisherigen – durch die EuGH-Rechtsprechung revidierten – Auffassung des BFH gehörte u.a. auch die Ausbildung von Fahrschülern zu sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmern zum Gemeinwohlinteresse und wäre daher nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei (vgl. BFH Vorlagebeschluss vom 16.3.2017, V R 38/16, BStBl II 2017, 1017). Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546 – Fahrschulurteil) zwar bestätigt, dass Art. 132 MwStSystRL Steuerbefreiungen vorsieht, mit denen, wie die Überschrift des Kapitels zeigt, zu dem dieser Artikel gehört, die Förderung bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten bezweckt wird. Diese Befreiungen betreffen jedoch nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind (s. → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Ballett- und Tanzschulen« und dort unter »Gemeinwohlinteresse«).
In der Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil C-449/17 hat der BFH sich mit Urteil vom 23.5.2019 (V R 7/19, BFH/NV 2019, 1210, LEXinform 0952203) der Rechtsauffassung des EuGH angeschlossen und dargestellt, dass sich der Schul- und Hochschulunterricht i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL durch die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen kennzeichne (BFH V R 7/19, Rz. 20).
Das Niedersächsische FG schließt sich mit Urteil vom 20.2.2020 (11 K 170/19, EFG 2020, 620, LEXinform 5022860, rkr) der EuGH- und BFH-Rechtsprechung an und hat entschieden, dass für die Umsätze einer Kampfsportschule grundsätzlich weder eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL noch nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG in Betracht kommt. Eine Steuerbefreiung scheidet in diesem Fall selbst dann aus, wenn der Unternehmer über eine entsprechende Bescheinigung der Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG verfügt.
Ein selbstständiger Dozent kann sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (BFH vom 27.9.2007, V R 75/03, BStBl II 2008, 323 als Nachfolgeentscheidung zum EuGH vom 14.6.2007, C-445/05, UR 2007, 592, LEXinform 5210495). Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL können »von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht« von der Steuer befreit sein (s.a. Thüringer FG vom 9.6.2016, 2 K 75/16, EFG 2017, 160, LEXinform 5019297, rkr.).
Zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL hat sich der EuGH mit Urteil vom 28.1.2010 (C-473/08, Eulitz, BFH/NV 2010, 583, LEXinform 0589213) befasst. Dabei stellt der EuGH zunächst fest, dass die deutsche Fassung sich vom Wortlaut aller anderen Sprachfassungen unterscheidet. Nach dem Inhalt der anderen Fassungen befreit die Norm die »Unterrichtseinheiten, die sich auf den Schul- oder Hochschulunterricht beziehen« (EuGH vom 28.1.2010, C-473/08, BFH/NV 2010, 583, LEXinform 0589213, Rz. 21–23; BFH Beschluss vom 25.10.2018, XI B 57/18, BFH/NV 2019, 130, LEXinform 5908782, Rz. 12; s.a. Philipowski, UR 2010, 161).
Für die bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL maßgebliche Abgrenzung ist auch die zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ergangene Rspr. zu berücksichtigen (BFH vom 24.1.2019, V R 66/17, BFH/NV 2019, 593, LEXinform 0951687, Rz. 11).
Schul- und Hochschulunterricht beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (EuGH vom 14.6.2007 »Haderer«, C-445/05, UR 2007, 592, LEXinform 5210495; Rz. 26 sowie BFH Beschluss vom 25.10.2018, XI B 57/18, BFH/NV 2019, 130, LEXinform 5908782, Rz. 13).
Insbes. in Bezug auf den Begriff »Unterricht« hat der EuGH im Wesentlichen entschieden, dass die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Studierende zwar ein besonders wichtiger Bestandteil der Unterrichtstätigkeit i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL ist, diese Tätigkeit aber aus einer Gesamtheit von Elementen besteht, zu denen neben denjenigen, die die zwischen den Unterrichtenden und den Studierenden zustande kommenden Beziehungen betreffen, gleichzeitig auch diejenigen gehören, die den organisatorischen Rahmen der Einrichtung ausmachen, in der der Unterricht erteilt wird.
Für die Zwecke der Mehrwertsteuer ist nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden, der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben. Das Gleiche gilt für die Unterrichtseinheiten, die sich auf diesen Unterricht beziehen (s.a. der BFH mit Urteil vom 20.3.2014, V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, LEXinform 0929458 unter Änderung seiner bisherigen Rspr.).
Der EuGH definiert in seinem Urteil vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546) den Begriff »Schul- und Hochschulunterricht« (s.a. Hartmann, NWB 22/2019, 1586) i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL. Siehe dazu die Erläuterungen unter dem Stichwort → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Unionsrechtliche Befreiung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL«. S.a. die Erläuterungen unter dem vorherigen Gliederungspunkt.
Anmerkung:
Zum Begriff des »Privatlehrers« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL hat der BFH mit Beschluss vom 18.11.2015 (XI B 61/15, BFH/NV 2016, 435, LEXinform 5908269) Stellung genommen. Danach muss ein «Privatlehrer« eine befreite Unterrichtstätigkeit privat ausführen.
Im Urteilsfall betrieb die Klägerin ein Lernstudio. Sie vermittelt Kindern im Alter von vier bis zwölf Jahren Kenntnisse der englischen Sprache. Hierzu erteilte sie Gruppenunterricht in verschiedenen Kindertagesstätten sowie an einer Grundschule. Ziel des Englischunterrichts war es, den Kindern einen nahtlosen Übergang zum Sprachunterricht an weiterführenden Schulen zu ermöglichen. Die Englischkurse waren im Hinblick auf ihren Inhalt entsprechend dem Wissensstand und Reifegrad der Kinder gegliedert. Die Lerninhalte wurden schrittweise eingeführt. Die Teilnahme der Kinder an den Englischkursen in den Kindertagesstätten und der Grundschule war freiwillig und konnte jeweils monatlich beendet werden. Das Entgelt für die Kurse wurde von den Eltern der Kinder, in Einzelfällen auch anteilig über den Schulverein bzw. vollständig über den Bildungsfonds der Stadt A entrichtet.
Das FG und der BFH haben die Kurse der Klägerin als »Schulunterricht« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL eingeordnet.
Eigene Stellungnahme:
M.E. dürfte nach der EuGH-Rspr. vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546) der Englischunterricht nicht (mehr) unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL fallen. Es fehlt die Einordnung in ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen dieses System bildenden Stufen. Es handelt sich vielmehr um einen spezialisierten Unterricht, der für sich allein nicht der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt.
Siehe dazu die Erläuterungen unter dem Stichwort → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Unionsrechtliche Befreiung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL« (s.a. Bünnemann, UR 10/2019, 368, 373).
In der Fahrschulentscheidung des EuGH C-449/17 nahm der zuständige Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 3.10.2018 (LEXinform 5216037) u.a. auch zur Definition des Privatlehrers Stellung. Dabei hatte der Generalanwalt u.a. zu prüfen (Rz. 47 ff. des Schlussantrags), ob Fahrschulunterricht als von Privatlehrern erteilter Schul- bzw. Hochschulunterricht i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL gilt.
Zur Auslegung der Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL macht der Generalanwalt deutlich, dass die Vorschrift eine Ergänzung der Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs.1 Buchst. i derselben Richtlinie darstellt. Der Schul- und Hochschulunterricht wird grundsätzlich von hierzu berufenen Einrichtungen erteilt; das sind im Allgemeinen Schulen und Hochschulen. Es kommt jedoch vor, dass bestimmter ergänzender Unterricht, obwohl er den gleichen Inhalt betrifft, als Einzelunterricht von bestimmten Lehrern für bestimmte Schüler außerhalb des regelmäßigen Ausbildungsprogramms der jeweiligen Schule erteilt wird. Zudem kann es vorkommen, dass einige Schüler aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen ihre Ausbildung nicht im Regelbetrieb, d.h. in der Schule, absolvieren, sondern individuell – oft zu Hause. Solcher Unterricht wäre nicht gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerbefreit, da er nicht durch entsprechende Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder sonstige Einrichtungen erteilt wird. Diese Lücke wird durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der erörterten Richtlinie geschlossen. Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie ist genauso auszulegen wie der gleiche Begriff in Buchst. i desselben Absatzes.
Eigene Anmerkung:
Die vom Generalanwalt vertretene strenge Auslegung führt dazu, dass nur Dozenten an allgemeinbildenden Schulen steuerfreien Unterricht erteilen können (s.a. Trinks u.a., NWB 14/2019, 943 unter IV.4 und 7).
Der EuGH selbst hat aber bereits mit der Entscheidung »Eulitz« vom 28.1.2010 (C-473/08, DStR 2010, 219, LEXinform 0589213) zum Ausdruck gebracht, dass er nicht die strenge Auslegung bevorzugt.
Sachverhalt der Entscheidung »Eulitz«:
Die Eulitz GbR, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betreibt ein Ingenieurbüro in Dresden.
Der Gesellschafter der Eulitz GbR, Herr Eulitz, ist Diplom-Ingenieur für vorbeugenden Brandschutz. Er hielt am Europäischen Institut für postgraduale Bildung an der Technischen Universität Dresden (EIPOS e.V., im Folgenden: EIPOS), einem privatrechtlichen Verein, Vorlesungen und nahm im Rahmen von Prüfungskommissionen Prüfungen ab.
Neben seiner Lehr- und Prüfungstätigkeit hatte Herr Eulitz innerhalb dieses Vereins bei einigen der Lehrgänge die fachliche und organisatorische Gesamtleitung inne. Er hatte also die Absprachen mit den anderen Dozenten über Zeitpunkte und Inhalte ihrer Kurse zu leisten und war der zentrale Ansprechpartner für die Teilnehmer in den Fragen, die diese Lehrgänge insgesamt betrafen.
Herr Eulitz übte seine Tätigkeit in verschiedenen Lehrgängen aus, die alle dem Brandschutz galten. Zulassungsvoraussetzung für die Teilnehmer an allen diesen Lehrgängen war mindestens ein Abschluss als Architekt bzw. Ingenieur an einer Universität oder Fachhochschule oder eine mindestens zweijährige berufspraktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Brandschutzplanung oder gegebenenfalls im Baubereich. Das Bestehen des Sachverständigenlehrgangs führte auf Antrag zur Bestellung der Absolventen zu Sachverständigen für vorbeugenden Brandschutz durch die Industrie- und Handelskammer.
Entscheidung des EuGH im Urteil »Eulitz«:
Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass Lehrleistungen, die ein Diplom-Ingenieur an einem als privatrechtlicher Verein verfassten Bildungsinstitut für die Teilnehmer von Fortbildungslehrgängen erbringt, die bereits mindestens einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss als Architekt bzw. Ingenieur oder eine gleichwertige Bildung besitzen, wobei die Kurse mit einer Prüfung abgeschlossen werden, »Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen«, i.S. dieser Bestimmung sein können. Auch andere Tätigkeiten als die Lehrtätigkeit im eigentlichen Sinne können solche Unterrichtseinheiten sein, sofern diese Tätigkeiten im Wesentlichen im Rahmen der sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehenden Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende ausgeübt werden.
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL genügt im Übrigen nicht, dass es sich bei dem Unterricht um Schul- oder Hochschulunterricht handelt; er muss außerdem »von Privatlehrern erteilt« werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht schädlich, dass der Unterricht mehreren Personen gleichzeitig erteilt wird. Außerdem setzt das Erfordernis, dass der Unterricht privat erteilt wird, nicht unbedingt das Bestehen einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen den Teilnehmern und dem Unterrichtenden voraus. Eine solche Vertragsbeziehung besteht nämlich oft mit anderen Personen als den Teilnehmern, etwa mit den Eltern der Schüler oder Hochschüler.
»Privat ausüben« bedeutet, dass der Dozent seine Tätigkeiten für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt. Der Unterrichtende muss lediglich bestimmte Mindestqualifikationen vorweisen; hierfür ist es nicht erforderlich, dass er ein Hochschulstudium absolviert oder die Befähigung zum Lehramt erworben hat (FG Hamburg vom 16.6.2011, 6 K 165/10, EFG 2012, 560; Niedersächsisches FG vom 19.12.2011, 5 K 370/11, EFG 2012, 882; Thüringer FG vom 9.6.2016, 2 K 75/16, EFG 2017, 160, LEXinform 5019297, rkr.).
Nach den Ausführungen des Niedersächsischen FG in seinem Urteil vom 14.12.2016 (5 K 35/15, EFG 2017, 953, LEXinform 5020092, rkr.) scheidet eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL dann aus, wenn der Dozent seine Unterrichtsleistungen ausschließlich im Rahmen der von seinen Auftraggebern angebotenen Lehrveranstaltungen erbracht hat und damit nicht »Privatlehrer« i.S.d. Steuerbefreiungsvorschrift ist. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG sind Unterrichtleistungen steuerfrei, wenn sie von einem selbstständigen Lehrer persönlich und nicht durch von diesem beauftragte selbstständige Dozenten erbracht werden.
Zweifelhaft ist, ob die Rechtsform des Lehrenden der Annahme des Merkmals »Privatlehrer« i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL entgegensteht. Der BFH hat mit Beschluss vom 27.3.2019 (V R 32/18, BStBl II 2019, 457) dem EuGH (Az. EuGH: C-373/19, LEXinform 0651673) mehrere Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Der BFH möchte wissen, ob
der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL auch die Erteilung von Schwimmunterricht umfasst;
sich die Anerkennung einer Einrichtung i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit den Aufgaben der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, des Schul- und Hochschulunterrichts, der Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung betraut sind, daraus ergeben kann, dass es sich bei dem von dieser Einrichtung erteilten Unterricht um die Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit (hier: Schwimmen) handelt und
bei Verneinung der zweiten Frage die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass der Stpfl. Einzelunternehmer ist?
Die Klägerin, eine von X und Y gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betreibt eine Schwimmschule. Die GbR führte im Wesentlichen Kurse für Kinder (»Goldfisch«, »Seepferdchen« und »Kaulquappe«) durch, die von den Kursteilnehmern oder ihren Eltern vergütet wurden. Beim Schwimmkurs »Kaulquappe« wurden Kindern ab vier Jahren die Grundlagen der Brust- und Rückenschwimmlage vermittelt. Bei den beiden weiterführenden Kursen »Seepferdchen« und »Goldfisch« wurden die erlernten Grundlagen und Techniken des Schwimmens vertieft. Die Klägerin sah ihre Leistungen als umsatzsteuerfrei an.
Die Umsätze, die ein selbstständiger Schwimmlehrer (Einzelunternehmer) aus dem Betrieb einer privaten Schwimmschule erzielt, sind nach der bisherigen BFH-Rspr. gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei (BFH Urteil vom 5.6.2014, V R 19/13, BFH/NV 2014, 1687). Soweit Befreiungen nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sind, kann sich der Stpfl. unmittelbar auf die gemeinschaftsrechtliche Steuerbefreiung beziehen. Für die Annahme eines »Schul- oder Hochschulunterrichts« i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL ist entscheidend, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden (FG Köln Beschluss vom 31.5.2010, 4 V 312/10, EFG 2010, 1461, LEXinform 5010521, rkr.). Der von der Klägerin erteilte Unterricht dient der Erlernung einer elementaren Grundfähigkeit, über die jeder Mensch – insbes. zur Bewältigung von Notsituationen beim Kontakt mit Gewässern – verfügen sollte. Es handelt sich nicht um eine Bildungsmaßnahme mit Freizeitcharakter (BFH Beschluss vom 27.3.2019, V R 32/18, BStBl II 2019, 457, Rz. 17).
Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG sind nicht erfüllt, da keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegt. Auch eine Befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG nicht erfüllt sind. Auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG liegen nicht vor, da es sich bei dem Schwimmlehrer nicht um ein in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genanntes Unternehmen handelt (→ Sportliche Veranstaltungen unter dem Gliederungspunkt »Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG«).
Mit Urteil vom 21.10.2021 (C-373/19, LEXinform 0651673) hat der EuGH die Vorlagefrage des BFH vom 27.3.2019 (V R 32/18, BStBl II 2019, 457) beantwortet und entschieden, dass der Begriff Schul- und Hochschulunterricht i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst (s. → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Schwimmunterricht«). Auch in seinem Urteil vom 21.10.2021 (C-373/19, LEXinform 0651673 – Schwimmschule) hat der EuGH die Frage nach der Definition des Privatlehrers nicht beantwortet, da der von einer Schwimmschule erteilte Schwimmunterricht nicht unter den Begriff »Schul- und Hochschulunterricht« des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL zu subsumieren ist.
Beachte:
Nach den Entscheidungen des EuGH zum Fahrschul-, Surf- und Segel- sowie Schwimmunterricht (EuGH Urteile vom 14.3.2019 (C-449/17), vom 7.10.2019 (C-47/19) und vom 21.10.2021 (C-373/19) sind auch die Umsätze der Yogaschulen nicht steuerbefreit (s. Niedersächsisches FG vom 20.2.2020, 11 K 170/19, EFG 2020, 620, LEXinform 5022860, rkr. Beachte auch die Nachfolgeentscheidung des BFH vom 23.5.2019 (V R 7/19, BFH/NV 2019, 1210, LEXinform 0952203) zum EuGH-Urteil C-449/17 (Fahrschule).
Unter Berücksichtigung der o.g. Entscheidung des EuGH dürften die bisher nach der FG- und BFH-Rspr. – unter Berufung auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL – steuerfreien Leistungen nicht mehr unter die Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL zu subsumieren sein.
Von der EuGH-Entscheidung C-449/17 betroffen sind u.a. folgende FG- und BFH-Entscheidungen:
Der von einer selbstständigen Lehrerin erteilte Nachhilfeunterricht war nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei (FG Hamburg vom 16.6.2011, 6 K 165/10, EFG 2012, 560, LEXinform 5012522, rkr.; FG München Beschluss vom 6.12.2012, 14 V 3038/12, LEXinform 5014752, rkr.).
Die Inhaberin eines privaten Lernstudios konnte sich für den an Vorschul- und Grundschulkinder erteilten Englischunterricht unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen. Die Stpfl. war auch als Privatlehrerin anzusehen, da sie als Franchisenehmerin die Inhalte ihres Unterrichts anhand des von ihr selbst entwickelten Lehrplans selbstständig und eigenverantwortlich festgelegt hat. Die für die Steuerbefreiung des Englischunterrichts erforderliche Mindestqualifikation im pädagogischen Bereich konnte sich bei Fehlen einer entsprechenden Ausbildung auch durch die vorherige langjährige Tätigkeit als Englischlehrerin ergeben (FG Schleswig-Holstein vom 15.6.2015, 4 K 19/15, EFG 2015, 1576, LEXinform 5017994, rkr.; FG Schleswig-Holstein Mitteilung vom 1.10.2015, LEXinform 0443641).
Eine im Rahmen einer Franchisingvereinbarung als Einzelunternehmerin eine Musikschule betreibende Erzieherin konnte sich für die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Umsätze auf die für Privatlehrer geltende Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26.3.2013, 7 V 7361/12, EFG 2013, 1074, LEXinform 5014929, rkr.).
Erteilt ein Musiker (Cellist) Schülern in deren Wohnung privat Musikunterricht, konnte er sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (FG München vom 16.7.2015, 14 K 2293/13, EFG 2015, 2001, LEXinform 5018198, rkr.).
Supervisionen konnten als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei sein (BFH vom 20.3.2014, V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175 und FG Köln vom 23.9.2015, 9 K 1649/14, EFG 2016, 145, LEXinform 5018567, rkr.).
Die Steuerfreiheit war in diesen Fällen davon abhängig, ob sich der Unternehmer auf die MwStSystRL berief. Sofern dies unterlassen wurde, blieb es bei der Anwendung des UStG. Damit bestand in vergleichbaren Fällen faktisch ein Wahlrecht, ob die Leistungen stpfl. oder steuerfrei behandelt wurden (s.a. Anmerkung vom 27.6.2013, LEXinform 0943932).
Nach dem Fahrschulurteil des EuGH vom 14.3.2019 (C-449/17, UR 2019, 294, LEXinform 0651546) ist dieses Wahlrecht entfallen, da die betreffenden Leistungen weder nach § 4 Nr. 21 Buchst. a und b UStG noch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL steuerfrei sind. Siehe dazu die Erläuterungen unter dem Stichwort → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Unionsrechtliche Befreiung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL«.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG gilt für Personen, die als freie Mitarbeiter an Schulen, Hochschulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen) Unterricht erteilen. Auf die Rechtsform des Unternehmers kommt es nicht an. Daher ist die Vorschrift auch anzuwenden, wenn Personenzusammenschlüsse oder juristische Personen beauftragt werden, an anderen Bildungseinrichtungen Unterricht zu erteilen (Abschn. 4.21.3 Abs. 1 UStAE).
Wie bereits ober erläutert, hat der BFH hat mit Beschluss vom 27.3.2019 (V R 32/18, BStBl II 2019, 457) dem EuGH (Az. EuGH: C-373/19, LEXinform 0651673) mehrere Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Der BFH möchte dabei u.a. wissen, ob die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass der Stpfl. Einzelunternehmer ist (s.o. Frage 3).
Lt. BFH sind die Vorlagefragen deshalb entscheidungserheblich, weil der BFH nicht entscheiden kann, welche Anforderungen an das Merkmal des Privatlehrers als unternehmerbezogener Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL zu stellen sind. Bei Anwendung dieser Bestimmung ging es bislang um Stpfl., die Einzelunternehmer waren (vgl. EuGH Urteile Haderer vom 14.6.2007, C-445/05, UR 2007, 592, LEXinform 5210495; Eulitz vom 28.1.2010, C-473/08, DStR 2010, 219, LEXinform 0589213; BFH Urteile vom 27.9.2007, V R 75/03, BStBl II 2008, 323; vom 20.3.2014, V R 3/13, BFHNV 2014, 1687 zur Erteilung von Schwimmunterricht; s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 26/2019 vom 8.5.2019, LEXinform 0449736).
Sprachlich legt der Begriff des »Lehrers« nahe, dass es sich um eine natürliche Person handelt. Allerdings könnte es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbieten, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, bei der Steuererhebung unterschiedlich behandelt werden.
Nach Maßgabe des Neutralitätsgrundsatzes ist keine sachliche Rechtfertigung ersichtlich, weshalb X und Y, falls sie selbst als Einzelunternehmer Schwimmunterricht erteilen, steuerfreie Leistungen erbringen, während die gleichen Leistungen bei einer gemeinsamen Unterrichtstätigkeit in der Rechtsform einer Personengesellschaft (hier: GbR) stpfl. sein sollten.
Eigene Anmerkung:
In der Fahrschulentscheidung des EuGH C-449/17 nahm der zuständige Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 3.10.2018 (LEXinform 5216037) Stellung. Dabei hatte der Generalanwalt u.a. zu prüfen, ob der Begriff des »Privatlehrers« ausschließlich für eine natürliche Person verwendet werden kann. Nach Auffassung des Generalanwalts schließt die grammatische Auslegung die Anwendung auf juristische Personen aus.
Es wird argumentiert, dass der Grundsatz der Steuerneutralität dadurch in Frage gestellt wird. Danach steht dieser Grundsatz der unterschiedlichen Behandlung von Stpfl. aufgrund ihrer Rechtsform entgegen, sofern sie die gleiche Tätigkeit ausüben.
Nach den Ausführungen des Generalanwalts stellt Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie lediglich eine Ergänzung der Steuerbefreiung nach Buchst. i desselben Absatzes dar und darf nicht von diesem losgelöst ausgelegt werden. Buchst. i sieht indes eine Steuerbefreiung für den von Personen des öffentlichen Rechts und von sonstigen Einrichtungen erteilten Schul- und Hochschulunterricht vor. Der semantische Gehalt des Begriffs der sonstigen Einrichtungen ist zweifellos weit genug, um jede juristische Person zu umfassen, die die oben genannte Tätigkeit ausübt. Wenn also der Schul- bzw. Hochschulunterricht von einer juristischen Person erteilt wird, ist dieser Unterricht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i steuerbefreit. Wird der Unterricht jedoch als Einzelunterricht durch einen Lehrer als natürliche Person erteilt, beruht die Steuerbefreiung auf Buchst. j desselben Absatzes. Der Grundsatz der Steuerneutralität ist daher in keiner Weise gefährdet (Schlussantrag C-449/17 vom 3.10.2018, LEXinform 5216037, Rz. 53 und 54).
Es reicht nicht aus, dass der Unterricht auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erteilt wird. Es sind noch weitere Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Vorschrift zu erfüllen, darunter der Lehrerstatus, der indes lediglich natürlichen Personen zustehen kann.
In Rz. 56 seines Schlussantrags hebt der Generalanwalt hervor, dass eine Dienstleistung, die zwar von einer natürlichen Person, jedoch auf Vermittlung einer dritten Einrichtung erbracht wird, nicht nach dieser Vorschrift steuerbefreit sein kann.
Da der Fahrschulunterricht kein Schul- oder Hochschulunterricht i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL darstellt, musste der EuGH die Frage nach der Definition des Privatlehrers in Buchst. j der Vorschrift nicht beantworten.
Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH die mit BFH-Beschluss vom 27.3.2019 (V R 32/18, BStBl II 2019, 457) dem EuGH (Az. EuGH: C-373/19, LEXinform 0651673) vorgelegte Frage zur Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL beantwortet (s.o. Frage 3).
Auch in seinem Urteil vom 21.10.2021 (C-373/19, LEXinform 0651673 – Schwimmschule) hat der EuGH die Frage nach der Definition des Privatlehrers nicht beantwortet, da der von einer Schwimmschule erteilte Schwimmunterricht nicht unter den Begriff »Schul- und Hochschulunterricht« des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL zu subsumieren ist.
Eine Unterrichtstätigkeit liegt vor, wenn Kenntnisse im Rahmen festliegender Lehrprogramme und Lehrpläne vermittelt werden. Die Tätigkeit muss regelmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt werden.
Die Unterrichtstätigkeit dient Schul- und Bildungszwecken unmittelbar, wenn sie den Schülern und Studenten tatsächlich zugutekommt. Auf die Frage, wer Vertragspartner der den Unterricht erteilenden Personen und damit Leistungsempfänger im Rechtssinne ist, kommt es hierbei nicht an. Einzelne Vorträge fallen nicht unter die Steuerbefreiung (Abschn. 4.21.3 Abs. 2 UStAE).
Werden die Unterrichtleistungen an
Hochschulen i.S.d. §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes,
öffentliche allgemein- und berufsbildende Schulen, z.B. Gymnasien, Realschulen, Berufsschulen,
als Ersatzschulen nach Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigte oder nach Landesrecht erlaubte Schulen
erbracht, muss der Unternehmer in geeigneter Weise nachweisen, dass er an einer solchen Einrichtung tätig ist (Abschn. 4.21.3 Abs. 3 Satz 1 und 4 UStAE). Die jeweilige Schule hat zu bescheinigen, dass für den Unternehmer (freier Mitarbeiter) die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG erfüllt sind (Abschn. 4.21.3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 UStAE).
Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass u.a. auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereitet wird. Bei der Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO, der sowohl die Finanzbehörden als auch die FG bindet (→ Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung).
Wurde eine derartige Bescheinigung einer privaten Schule oder einer anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtung ausgestellt, für welche der Unternehmer z.B. als Studienleiter/in tätig ist, gilt diese nicht auch mittelbar für den Unternehmer, da dieser nicht selbst die Schule oder die Einrichtung darstellt, sondern lediglich ein vertraglich gebundener Teil der Organisation der Schule oder der Einrichtung ist (s.u. den Gliederungspunkt »Nachweise für die Steuerbefreiung«).
Das BayLfSt hat mit Vfg. vom 19.2.2016 (S 7179 1.1 – 15/1 St 33, UR 2016, 250, LEXinform 5235863) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von selbstständigen Studienleitern Stellung genommen (s.u. Beispiel 7 sowie den Gliederungspunkt »Nachweis für die Steuerbefreiung«). Danach fällt die bloße Unterstützung der Dozententätigkeit (Anwesenheit während der Seminare, Seminarplanung, Betreuung der Schüler/innen während und nach den Seminaren, Information über notwendige Lehrmittel usw.) auch nicht unter diese Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG.
Beispiel 7:
Frau D, Diplom-Pädagogin, ist Inhaberin eines privaten Bildungsinstituts I. D ist auch selbst im Bereich der Erwachsenenbildung tätig. Weder D selbst noch ihr Institut I verfügen über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.
D erbringt im Kj. 25 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (nicht im Namen ihres eigenen Bildungsinstituts) an die X-Akademie und an eine Berufsakademie (B) Unterrichtsleistungen. Beide Akademien verfügen über Bescheinigungen i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Soweit Frau D nicht selbst unterrichtet, beauftragt sie selbstständig tätige Dozenten mit der Ausführung des Unterrichts. Frau D vereinnahmt das mit den Akademien vereinbarte Entgelt und reicht danach das ihr von den Dozenten in Rechnung gestellt Honorar an diese weiter.
Lösung 7:
Zu Sachverhalt und Lösung s. das BFH-Urteil vom 23.8.2007 (V R 10/05, BFH/NV 2007, 2217, LEXinform 0586408) sowie das EuGH-Urteil vom 28.1.2010 (C-473/08, Eulitz, BFH/NV 2010, 583, LEXinform 0589213).
zu 1. Eigene Unterrichtsleistungen der Frau D an fremde Akademien
Es handelt sich um eine Unterrichtstätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG. Die Unterrichtstätigkeit dient auch den Bildungszwecken unmittelbar, da sie den Teilnehmer tatsächlich zugutekommt. Auf die Tatsache, dass Vertragspartner der Frau D und somit Leistungsempfänger im Rechtssinne nicht die Teilnehmer, sondern die Akademien sind, kommt es hier nicht an (Abschn. 4.21.3 Abs. 2 Satz 3 und 4 UStAE). Die Unterrichtsleistungen der Frau D sind auch steuerfrei, da sie die Nachweise des Abschn. 4.21.3 Abs. 3 UStAE erbringen kann. Insbes. erfüllen die Bildungseinrichtungen (Akademien) die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Die Bescheinigungen der zuständigen Landesbehörde wurden den Bildungseinrichtungen erteilt.
Ist ein Unternehmer für eine Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unterrichtend tätig, muss er dies durch eine Bestätigung der Bildungseinrichtung nachweisen (vgl. Abschn. 4.21.3 Abs. 3 f. UStAE).
zu 2. Eigene Unterrichtsleistungen der Frau D durch die eigene Bildungseinrichtung im Bereich der Erwachsenenbildung
Es handelt sich um eine eigene Bildungseinrichtung der Frau D i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Die Leistungen des Bildungsinstituts der Frau D sind nicht steuerfrei, da lt. Sachverhalt keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ausgestellt wurde.
zu 3. Unterrichtsleistungen der Frau D durch fremde Dozenten für fremde Akademien
Frau D – und nicht ihr Institut – hat durch den mit Hilfe der selbstständigen Dozenten erteilten Unterricht an die Akademien steuerbare sonstige Leistungen erbracht. Diese Leistungen der Frau D gegenüber den Akademien sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, da Frau D die Leistungen nicht unmittelbar an die Akademien, d.h. nicht selbst bewirkt, sondern durch von ihr beauftragte Dozenten ausgeführt hat. Von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG werden nur die von selbstständigen Lehrern persönlich – und nicht durch von diesen beauftragte selbstständige Dozenten – erbrachten Unterrichtsleistungen an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen von dieser Vorschrift erfasst.
zu 4. Eigene Unterrichtsleitungen der Dozenten an Frau D für fremde Akademien
Die Dozenten, deren sich Frau D zur Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber den Akademien bedient, sind selbstständige Lehrer. Die Tätigkeiten dieser Dozenten dienen dem Schul- und Bildungszweck unmittelbar, da sie den Teilnehmern tatsächlich zugutekommen. Auf die Frage, wer Vertragspartner der den Unterricht erteilenden Personen und damit Leistungsempfänger im Rechtssinne ist (hier Frau D), kommt es hierbei nicht an. Die Dozenten haben ihre Leistungen aber nicht – wie von § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG verlangt – an private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen erbracht, sondern gegenüber Frau D.
Das Landesamt für Steuern und Finanzen (LFS) Sachsen nimmt mit Vfg. vom 12.8.2016 (213 – S 7191/3/1 – 2016/15517, UR 3/2017, 127) zur Steuerbefreiung für die Umsätze aus der Erstellung von Lehrbriefen Stellung.
Beispiel 8:
Ein Unternehmer erstellt für eine private Fernuniversität Lehrbriefe (Lehrmaterialien mit Vorschlägen für Einsendeaufgaben und Lösungsskizzen). Der Fernuniversität lag für ihre Umsätze aus Bildungsleistungen eine Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG der zuständigen Landesbehörde vor. Diese Landesbehörde sah die Tätigkeit eines Autors von Lehrheften für Fernlehrgänge als Unterrichtstätigkeit an und bescheinigte deshalb gleichzeitig, dass für den Unternehmer (freier Mitarbeiter) die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG vorliegen.
Die Aufgabe des Unternehmers bestand jedoch nicht in der Erteilung von Unterricht oder der Korrektur von Hausaufgaben, sondern erschöpfte sich in der Erstellung der Unterrichtsmaterialien in Form der Lehrbriefe. Er war nicht in die Betreuung der Schüler oder Studenten der Fernuniversität eingebunden.
Lösung 8:
Nach Abschn. 4.21.3 Abs. 2 UStAE liegt eine Unterrichtstätigkeit vor, wenn Kenntnisse im Rahmen festliegender Lehrprogramme und Lehrpläne vermittelt werden. Die Umsatzsteuerbefreiung bezieht sich auf die reine Unterrichtstätigkeit. So fällt z.B. auch die bloße Unterstützung der Dozententätigkeit durch Seminarplanung, Erstellung des Lehrplans, Betreuung der Schüler/innen während und nach den Seminaren etc. nicht unter diese Steuerbefreiung. Auch die entgeltliche Ausarbeitung von Prüfungsarbeiten für andere Einrichtungen dient nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck. Selbst die (hier nicht vorliegende) Lieferung von Lehr- und Lernmaterial dient nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck und ist nur insoweit steuerfrei, als es sich um Nebenleistungen zur eigentlichen Unterrichtsleistung handelt, also u.a. inhaltlich den Unterricht ergänzt.
Mit der Erstellung der Lehrbriefe wird der Unterricht nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar erfüllt. Das Tatbestandsmerkmal »unmittelbar« bezieht sich nicht auf den Inhalt der Leistungen, sondern beschreibt die Art und Weise, in der die Leistungen bei der Erfüllung des Schul- und Bildungszwecks der Einrichtung eingesetzt werden müssen, d.h. es dienen solche Leistungen unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck, die ihn nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken.
Die Fernuniversität gibt für das Studium und dessen Abschluss einen zeitlichen Rahmen vor, in dem die Lehrer der Fernhochschule den Studierenden zur Seite stehen. Zudem müssen (Haus-)Arbeiten korrigiert werden und Möglichkeiten angeboten werden, Kontakt zu Tutoren, Dozenten und Kommilitonen aufzunehmen. In diesem Rahmen erbringt der Unternehmer seine Leistung nicht. Sie ist mit der Erstellung der Lehrbriefe bereits vorher vollständig erbracht.
Die Behandlung reiner Autorenleistung zur Erstellung von Lehrbriefen als umsatzsteuerpflichtig ist vergleichbar mit der Umsatzsteuerpflicht der Autorenleistung von »normalen« Lehrbüchern. Auch diese Autorenleistungen dienen mittelbar dem Schulunterricht, sind aber als Vorleistungen, die nicht unmittelbar den Unterricht bewirken, ebenfalls umsatzsteuerpflichtig.
Im Gegensatz dazu können Autorenleistungen selbstständiger Lehrer gegenüber einer Schule dann gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei sein, wenn der Lehrer zu den Fernschülern Kontakt hat, z.B. auch die Hausaufgabenbetreuung im Rahmen eines Fernlehrgangs übernimmt oder bei Rückfragen der Studierenden zur Verfügung steht (FinMin Schleswig-Holstein vom 16.10.2017, VI 358 – S 7179 – 129, UR 2018, 222).
Zur Vermeidung steuerlicher Härten wird es für Leistungen der Autoren von Lehrbriefen, die bis zum 31.12.2017 an Bildungseinrichtungen i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. aa oder bb UStG erbracht werden, nicht beanstandet, wenn die bloße Erstellung von Lehrbriefen als umsatzsteuerfrei behandelt wird (s.a. Zugmaier u.a., NWB 51/2017, 3933).
Die folgende Übersicht stellt die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der Umsätze aus der Tätigkeit selbstständiger Lehrer für die Bildungseinrichtungen i.S.d. § 4 Nr. 21 bzw. Nr. 22 UStG gegenüber.
Der BFH hat mehrfach entschieden, dass § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG ausschließlich die im Gesetz genannten Unternehmer befreit und deshalb Leistungen natürlicher Personen an diese Unternehmer nicht steuerbefreit sind (BFH Urteile vom 17.6.1998, XI R 68/97, BFH/NV 1999, 81 unter II.1.; vom 27.8.1998, V R 73/97, BStBl II 1999, 376 unter II.5; BFH Beschluss vom 12.5.2005, V B 146/03, BStBl II 2005, 714).
Die von Privatlehrern an Volkshochschulen erteilten Unterrichtsleistungen können nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerbefreit sein, wenn die in Abschn. 4.21.3 Abs. 2 UStAE genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Lehrer muss für eine Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG tätig sein und hat dies auch in geeigneter Form nachzuweisen (s.a. Vfg. der OFD Koblenz vom 17.6.2008, S 7179 A – St 44 2, UR 2008, 710). Voraussetzung ist u.a., dass der Volkshochschule für die bestimmte Tätigkeit eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegt.
Beachte:
Der EuGH hat in den Rs. »Haderer« (Urteil vom 14.6.2007, C-445/05, UR 2007, 592, LEXinform 5210495) und »Eulitz« (Urteil vom 28.1.2010, C-473/08, DStR 2010, 219, LEXinform 0589213) entschieden, dass ein Lehrer, der einer dritten Einrichtung, die ihn für die Erbringung von Dienstleistungen für das von dieser Einrichtung verwaltete Bildungssystem bezahlt, als Lehrer zur Verfügung steht, nicht als »Privatlehrer« gehandelt hat.
Eigener Hinweis:
Auch einer Volkshochschule kann die Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erteilt werden. Danach sind die Umsätze der Volkshochschule nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, sondern nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG von der USt befreit. Dies hat Auswirkung auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Umsätze des selbstständigen Lehrers. Danach sind die Umsätze eines selbstständigen Lehrers unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG ebenfalls steuerfrei. Ohne die Bescheinigung wären lediglich die Umsätze der Volkshochschule nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei (s.a. OFD Koblenz Vfg.vom 17.6.2008, S 7179 A – St 44 2, UR 2008, 710).
Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass u.a. auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereitet wird. Bei der Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO, der die Finanzbehörden als auch die FG bindet (s.a. → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung).
Die Umsätze, die ein selbstständiger Schwimmlehrer aus dem Betrieb einer privaten Schwimmschule erzielt, fallen nicht unter § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, da es sich bei dem Schwimmlehrer nicht um ein in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genanntes Unternehmen handelt (→ Sportliche Veranstaltungen unter dem Gliederungspunkt »Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG«).
Der Unternehmer hat in geeigneter Weise nachzuweisen, dass er an einer Hochschule, Schule oder Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG tätig ist. Dient die Einrichtung verschiedenartigen Bildungszwecken, hat er nachzuweisen, dass er in einem Bereich tätig ist, der eine ordnungsgemäße Berufs- oder Prüfungsvorbereitung gewährleistet (begünstigter Bereich). Der Nachweis ist durch eine Bestätigung der Bildungseinrichtung zu führen, aus der sich ergibt, dass diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt und die Unterrichtsleistung des Unternehmers im begünstigten Bereich der Einrichtung erfolgt. Zum Verzicht auf eine Bestätigung durch die Bildungseinrichtung s. Abschn. 4.21.3 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 bis 3 UStAE. Zum Inhalt einer erforderlichen Bestätigung s. Abschn. 4.21.3 Abs. 4 UStAE.
Die Bildungseinrichtung darf dem bei ihr tätigen Unternehmer nur dann eine Bestätigung erteilen, wenn sie selbst über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde verfügt. Erteilt die Bildungseinrichtung dem Unternehmer eine Bestätigung, obwohl sie selbst keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde besitzt, oder erteilt die Bildungseinrichtung eine Bestätigung für einen Tätigkeitsbereich, für den die ihr erteilte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nicht gilt, ist die Steuerbefreiung für die Unterrichtsleistung des Unternehmers zu versagen (Abschn. 4.21.3 Abs. 5 UStAE).
Hinweis:
Das BayLfSt nimmt mit Vfg. vom 19.2.2016 (S 7179 1.1 – 15/1 St 33, UR 2016, 250, LEXinform 5235863) zur umsatzsteuerlichen Behandlung selbstständiger Studienleiter Stellung.
Ist der selbstständige Studienleiter für eine Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG tätig – und somit nicht selbst Träger der Bildungseinrichtung – und wurde der Bildungseinrichtung eine ordnungsgemäße Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ausgestellt, so gilt diese Bescheinigung nicht auch mittelbar für den Unternehmer, da dieser nicht selbst die Schule oder Einrichtung darstellt, sondern lediglich ein vertraglich gebundener Teil der Organisation der Schule oder Einrichtung ist.
Ist ein Unternehmer für eine Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unterrichtend tätig, muss er dies durch eine Bestätigung der Bildungseinrichtung nachweisen (vgl. Abschn. 4.21.3 Abs. 3 f. UStAE).
Die Befreiung bezieht sich auf die reine Unterrichtstätigkeit. Die bloße Unterstützung der Dozententätigkeit (Anwesenheit während der Seminare, Seminarplanung, Betreuung der Schüler/innen während und nach den Seminaren, Information über notwendige Lehrmittel usw.) fällt nicht unter diese Steuerbefreiung.
Erbringt der Unternehmer sowohl Leistungen als Studienleiter/in als auch Unterrichtsleistungen, sind diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich getrennt voneinander zu betrachten. Die Umsätze aus der Studienleitertätigkeit können im Einzelfall so gering sein, dass die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG erfüllt sind und die hierauf entfallene Steuer nicht erhoben wird, weil der Unternehmer auf die Anwendung dieser Regelung nicht nach § 19 Abs. 2 UStG verzichtet hat. Die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG steuerfreien Unterrichtsleistungen sind aufgrund § 19 Abs. 3 Nr. 1 UStG nicht in den nach § 19 Abs. 1 UStG zu ermittelnden Gesamtumsatz mit einzubeziehen.
Zum Bestätigungsverfahren bei steuerfreien Unterrichtleistungen nimmt der BFH mit Beschluss vom 27.7.2021 (V R 39/20, BFH/NV 2021, 1626, LEXinform 0953301) Stellung.
Bestimmte Landesämter organisieren Qualifizierungslehrgänge zum Kräuterpädagogen.
Die Landesämter unterstehen dem Ministerium des Bundeslandes, das für die Ausstellung der Bescheinigungen nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zuständig ist.
Die Landesämter organisieren die Veranstaltungen. Die Teilnehmer zahlen die für die Lehrgänge geschuldete Vergütung an die Ämter. Diese vergüten den Dozenten. Es besteht keine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Dozenten und den Lehrgangsteilnehmern. Die Lehrgänge dienen dazu, Bäuerinnen die fachliche und auch die methodisch-pädagogische Voraussetzung zu vermitteln, um neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln und anbieten zu können.
Das Ministerium erteilt dem Dozenten eine Bescheinigung, in der diese bestätigt, dass die in Kooperation mit den Ämtern durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen die Voraussetzungen der Umsatzsteuerfreiheit des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllen.
Die Landesämter beauftragen selbstständig tätigen Dozenten A, der unter der Bezeichnung X-Schule als Referent bei Lehrgängen zur »Qualifizierung zum Kräuterpädagogen« tätig wird.
Die Steuerfreiheit des für die Bildungseinrichtung tätigen Lehrers ergibt sich aus § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG.
Nach dem BFH-Beschluss V R 39/20 liegt § 4 Nr. 21 UStG ein zweistufiges Befreiungsmodell zugrunde (Rz. 12), bei dem zwischen der Leistung der Bildungseinrichtung und der des für die Bildungseinrichtung selbstständig tätigen Lehrers zu unterscheiden ist.
Im Urteilsfall V R 39/20 ist davon auszugehen, dass der Dozent nicht selbst eine Bildungseinrichtung betrieben hat, sondern als selbstständiger Lehrer Unterrichtleistungen für eine Bildungseinrichtung erbracht hat.
Die vom Ministerium an den Dozenten erteilte Bescheinigung ist kein Grundlagenbescheid, der nach § 171 Abs. 10 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1AO zu einer Änderung der Steuerfestsetzung berechtigt. Die Annahme eines gegenüber dem Dozenten unmittelbar erteilten Grundlagenbescheids i.S.v. § 171 Abs. 10 AO scheidet aus, da in seiner Person eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht in Betracht kommt.
Es kommt auch nicht in Betracht, in der Bestätigung des Ministeriums an den Dozenten eine Doppelbescheinigung zu sehen, in der das Ministerium zum einen sich selbst in Bezug auf die Ämter für … die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG bescheinigt und zum anderen auf dieser Grundlage eine Nachweisbescheinigung als Bildungseinrichtung i.S.d. Verwaltungsregelung zu § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG erlassen hat.
Die Leistungen des Dozenten sind demnach nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei, da eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG fehlt.
Beispiel 9:
Beispiel s. Beitrag von Hundsdoerfer u.a., Umsatzsteuerliche Behandlung ausländischer Gastwissenschaftler an deutschen Hochschulen; UR 2009, 145.
Ein US-amerikanischer Hochschulprofessor wird zu einem Gastvortrag an eine deutsche Universität eingeladen. Bei einem Vortrag soll es sich um einen Einzelvortrag handeln, welcher nicht im Rahmen des eigentlichen Lehrprogramms durchgeführt, sondern als einmaliger Vortrag für diverse Interessenten gehalten wird. Der Vortrag wird nicht im Rahmen einer Veranstaltung gehalten, die zu einem Betrieb gewerblicher Art gehört. Dem amerikanischen Professor wird ein Honorar i.H.v. 1 000 € zugesagt.
Lösung 9:
Der Professor erbringt als Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) im Inland (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG). Sein Honorar ist somit umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig (s.a. Abschn. 4.21.3 Abs. 2 Satz 5 UStAE). Die deutsche Universität hat als Auftraggeber die USt i.H.v. 190 € als Steuerschuldner an das FA abzuführen (§ 13b Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG).
Abwandlung:
Der Vortrag ist in den Lehrplan integriert und wird zusammen mit weiteren Einzelvorträgen als Vorlesungsbestandteil angeboten.
Lösung Abwandlung:
Die Integration des Einzelvortrags in den üblichen Lehrbetrieb führt zu einer Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Eine Bestätigung der Bildungseinrichtung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist nicht erforderlich, da die Unterrichtsleistung an einer Hochschule erbracht wird (Abschn. 4.21.3 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 UStAE). Der Professor hat in geeigneter Weise nachzuweisen, dass er an einer Hochschule i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG tätig ist.
Mit Urteil vom 17.4.2008 (V R 58/05, BFH/NV 2008, 1418, LEXinform 0586855) hat der BFH zu der bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG entschieden, dass die Durchführung von eintägigen Fortbildungsseminaren der Bundesteuerberaterkammer für Steuerberater durch einen selbstständigen Referenten gegen Entgelt umsatzsteuerpflichtig ist. Gleichzeitig verneinte der BFH unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 14.6.2007, C-445/05, Haderer, UR 2007, 592, LEXinform 5210495) die Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL, weil diese Vorschrift nur den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht, nicht dagegen die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen befreit (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 65/08 vom 2.7.2008, LEXinform 0174331).
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die zuständige Bezirksregierung der Bundessteuerberaterkammer eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG (aktuelle Fassung) erteilte, die wie folgt lautet: »… Ihrer Einrichtung wird zur Vorlage bei dem zuständigen Finanzamt bescheinigt, dass folgende berufliche Bildungsmaßnahme/n im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG durchgeführt wird/werden: …«.
Mit Urteil vom 17.4.2008 (V R 58/05, BFH/NV 2008, 1418, LEXinform 0586855) und auch in seiner neueren Rechtsprechung vom 20.3.2014 (V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, LEXinform 0929458) gelangt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG nicht anzuwenden ist, da es sich nicht um eine ordnungsgemäße Bescheinigung handelt. Es muss sich aus der Bescheinigung ergeben, dass die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird, auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, so dass es nicht ausreicht, dass sich aus der Bescheinigung – wie im Streitfall – nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Weiterhin stellt der BFH in seinen Urteilen fest, dass auch die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL nicht vorliegen. Die von der Bundessteuerberaterkammer erbrachten Leistungen sind schon deshalb nicht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL von der Steuer zu befreien, weil die Kammer mangels Anerkennung nicht als »andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung« anzusehen ist (keine ordnungsgemäße Bescheinigung).
Mit Änderung seiner Rechtsprechung kommt der BFH in seinem Urteil vom 20.3.2014 (V R 3/13, BFH/NV 2014, 1175, LEXinform 0929458) zu dem Ergebnis, dass für den Referenten die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL anzuwenden sein könnte. Der BFH bezieht sich dabei auf das EuGH-Urteil vom 28.1.2010 (C-473/08, Eulitz, BFH/NV 2010, 583, LEXinform 0589213). Danach ist für die Zwecke der Mehrwertsteuer nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden, der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben. Das Gleiche gilt für die Unterrichtseinheiten, die sich auf diesen Unterricht beziehen. Auch andere Tätigkeiten als die Lehrtätigkeit im eigentlichen Sinne können solche Unterrichtseinheiten sein, sofern diese Tätigkeiten im Wesentlichen im Rahmen der sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehenden Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende ausgeübt werden. Die Tätigkeiten dürfen nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Der Begriff »Schul- und Hochschulunterricht« i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL umfasst mithin Tätigkeiten, die sich sowohl wegen ihrer spezifischen Art als auch aufgrund des Rahmens, in dem sie ausgeübt werden, abheben.
Eigene Anmerkung:
Hätte die zuständige Landesbehörde eine ordnungsgemäße Bescheinigung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ausgestellt, dann wären die Umsätze aus der Tätigkeit des Referenten für die Steuerberaterkammer unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei. Die Vorbereitung auf einen Beruf, wie es in § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG gefordert wird, umfasst u.a. auch die berufliche Fortbildung (Abschn. 4.21.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL).
Beispiel 10:
S.a. Beispiel 4.
Ein deutscher Unternehmer U mit Sitz in München veranstaltet ein Steuerseminar am Tegernsee. Der Zugang zu dem Seminar ist nicht begrenzt und steht der Allgemeinheit offen. Nach Entrichtung der Seminargebühr i.H.v. 1 000 € nehmen Unternehmer aus Deutschland, dem übrigen Gemeinschaftsgebiet und aus dem Drittland (Schweiz) teil. Als Referent ist Steuerberater S mit Sitz in Nürnberg tätig.
Unternehmer U verfügt nicht über eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.
Lösung 10:
Hinsichtlich der Ortsbestimmung ist zu unterscheiden nach der Leistung des U als Veranstalter des Seminars und nach der Leistung des S als Unterrichtender.
Die Durchführung des Seminars durch U stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nach dem Tätigkeitsort und befindet sich am Tegernsee in Deutschland. Zu den Eintrittsberechtigungen gehört insbesondere das Recht auf Zugang zu den der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare (Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE und dort die Beispiele 1 und 2; s.a. → Ort der sonstigen Leistung unter dem Gliederungspunkt »Einräumung von Eintrittsberechtigungen (B2B-Leistungen)«). Die B2B-Seminarleistung ist steuerbar.
Es handelt sich um eine eigene Bildungseinrichtung des U i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Die Unterrichtsleistungen sind nicht steuerfrei, da lt. Sachverhalt keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ausgestellt wurde. Da keine ordnungsgemäße Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorliegt, kann sich U auch nicht auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Da U nicht selbst unterrichtet, scheidet eine Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL aus. Die Leistungen des U sind steuerpflichtig.
Die in Rechnung gesondert ausgewiesene deutsche USt kann von den deutschen Teilnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG als Vorsteuer berücksichtigt werden. Für die im Ausland ansässigen Unternehmer kann die Vorsteuer eventuell im → Vorsteuervergütungsverfahren erstattet werden.
Die Unterrichtsleistung des S stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Empfänger dieser Dienstleistung ist der deutsche Unternehmer U aus München. Der Ort dieser B2B-Dienstleistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG und befindet sich am Sitzort des Unternehmers U in München. Die Leistung ist steuerbar.
S ist selbstständiger Lehrer. Die Tätigkeit des S dient dem Schul- und Bildungszweck unmittelbar, da sie den Teilnehmern tatsächlich zugutekommt. Auf die Frage, wer Vertragspartner der den Unterricht erteilenden Personen und damit Leistungsempfänger im Rechtssinne ist (hier Unternehmer U), kommt es hierbei nicht an. S kann aber nicht durch eine Bescheinigung nachweisen aus der sich ergibt, dass U die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfüllt (Abschn. 4.21.3 Abs. 3 UStAE).
Beispiel 11:
S.a. Beispiel 5.
Ein deutscher Unternehmer U mit Sitz in München veranstaltet ein Steuerseminar am Gardasee. Der Zugang zu dem Seminar ist nicht begrenzt und steht der Allgemeinheit offen. Nach Entrichtung der Seminargebühr i.H.v. 1 000 € nehmen Unternehmer aus Deutschland, dem übrigen Gemeinschaftsgebiet und aus dem Drittland (Schweiz) teil. Als Referent ist Steuerberater S mit Sitz in Nürnberg tätig.
Lösung 11:
Hinsichtlich der Ortsbestimmung ist zu unterscheiden nach der Leistung des U als Veranstalter des Seminars und nach der Leistung des S als Unterrichtender.
Die Durchführung des Seminars durch U stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nach dem Tätigkeitsort und befindet sich am Gardasee in Italien. Zu den Eintrittsberechtigungen gehört insbesondere das Recht auf Zugang zu den der Allgemeinheit offen stehenden Veranstaltungen auf dem Gebiet des Unterrichts und der Wissenschaft, wie beispielsweise Konferenzen und Seminare (Abschn. 3a.6 Abs. 13 Satz 3 Nr. 3 UStAE und dort die Beispiele 1 und 2). Die B2B-Seminarleistung ist in Deutschland nicht steuerbar. U stellt eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener italienischer USt aus. Die italienischen Teilnehmer (Unternehmer) erhalten eine Rechnung ohne USt-Ausweis, aber mit dem Hinweis »Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers« (§ 14a Abs. 1 UStG). Die – aus italienischer Sicht – ausländischen Teilnehmer können die Vorsteuer im italienischen Vergütungsverfahren beantragen.
Die Unterrichtsleistung des S stellt eine sonstige Leistung gem. § 3 Abs. 9 UStG dar. Empfänger dieser Dienstleistung ist der deutsche Unternehmer U aus München. Der Ort dieser B2B-Dienstleistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG und befindet sich am Sitzort des Unternehmers U in München. Die Leistung ist steuerbar. Zur möglichen Steuerbefreiung s.o. Beispiel 10.
Zur richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs »die dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen« i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG hat das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 5.7.2021 (7 K 7102/20, EFG 2021, 1768, LEXinform 5024097) Stellung genommen. Das FG überprüft dabei in seinem Urteil die Umsätze eines Tennislehrers exemplarisch auf die mögliche Umsatzsteuerbefreiung.
Im Streitfall war der Kläger aufgrund einer jährlich fortgeschriebenen (Grundlagen-)Vereinbarung mit einem eingetragenen Verein – e.V. –, der sich dem Tennissport widmet, als freiberuflicher (Tennis-)Übungsleiter im (vereins-)organisierten Training überwiegend für den Jugend-/Nachwuchsbereich tätig. Der Kläger verfügte über Bescheinigungen zweier Landesregierungen, worin bestätigt wird, dass der von dem Kläger angebotene Tennisunterricht ordnungsgemäß auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite.
Das FG verneint zunächst eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 UStG.
Der Kläger bildet als natürliche Person keine juristische Person oder sonstige Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG. Dies bedeutet zugleich, dass er von vornherein auch nicht zu den durch § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG begünstigten Unternehmern auf dem Gebiet sportlicher Veranstaltungen zählt.
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist nicht gegeben.
Die Vorschrift geht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL zurück (s.o.). Das FG gelangt zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Kläger (Tennislehrer) um eine Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG handelt. Nach der EuGH-Rspr. sind natürliche Personen nicht von dem Begriff »Einrichtung« auszuschließen (s.o. den Gliederungspunkt »Träger der Bildungseinrichtung«).
Eine Steuerbefreiung scheidet jedoch aus, weil es sich bei den Leistungen des Klägers nicht um unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen handelt. Der Begriff »die dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen« ist richtlinienkonform i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL auszulegen. Demnach liegen solche Leistungen dann vor, wenn es sich um Schul- und Hochschulunterricht i.S.d. MwStSystRL handelt. Siehe dazu die Erläuterungen unter dem Stichwort → Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung unter dem Gliederungspunkt »Unionsrechtliche Befreiung i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL« und dort zu »Definition des Schul- und Hochschulunterrichts« sowie oben den Gliederungspunkt »Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL«.
Die Vorschrift ist als Steuerbefreiungstatbestand grundsätzlich eng auszulegen. Kennzeichnend ist dementsprechend, dass die jeweilige Einrichtung Unterricht anbietet, der der für den Schul- und Hochschulunterricht kennzeichnenden Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen gleichkommt. Dies ist beim Tennisunterricht nicht der Fall. Bei den angebotenen Kursen (Einzel- und Gruppentrainings für Kinder, Jugendliche und Erwachsene) handelt es sich vielmehr darum, sich körperlich zu ertüchtigen und spezielle theoretische und praktische Kenntnisse in Bezug auf den Tennissport zu erlernen.
Selbst wenn die jeweiligen Inhalte teilweise zum Inhalt von Schul- oder auch Hochschulunterricht gehören würden und der Kläger gemäß seiner Tätigkeitsbeschreibung Unterricht im Rahmen einer Schul-AG oder eines Tenniskindergartens durchgeführt hätte, blieben sie trotzdem Spezialkenntnisse. Die durch den Kläger angebotenen Leistungen sind hinsichtlich der Vermittlung von Spezialkenntnissen mit den in der Entscheidung des EuGH vom 7.10.2019 (C-47/19, UR 2019, 892, LEXinform 0651663) behandelten Leistungen einer Surf- und Segelschule vergleichbar. Die dortigen Inhalte waren ggf. Teil des Schul- oder Hochschulunterrichts und konnten sich auf die Notenfindung auswirken. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich um Kenntnisse handelt, die nicht die Allgemeinheit als solche betreffen oder deren Vermittlung ein Grundanliegen der Allgemeinheit darstellt. S.a. EuGH vom 21.10.2021 (C-373/19, LEXinform 0651673) zur Schwimmschule. Der Tennisunterricht des Klägers hat nach Auffassung des Gerichts vielmehr Freizeitcharakter.
Beachte:
Die dem Kläger erteilten Bescheinigungen der Regierung sind in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Eine solche Bescheinigung ist Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Diese Bescheinigung ist Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO zur Steuerfestsetzung und der Nachprüfung durch das FG entzogen (BFH vom 20.8.2009, V R 25/08, BStBl II 2010, 15; s.o. den Gliederungspunkt »Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über Berufs- bzw. Prüfungsvorbereitungsmaßnahmen«). Auch nach Erteilung einer solchen Bescheinigung ist vom FG jedoch zu beurteilen, ob die jeweiligen Leistungen unmittelbar dem Schul- oder Bildungszweck dienen und ob es sich um eine allgemeinbildende bzw. berufsbildende Einrichtung handelt (BFH Beschluss vom 8.10.2019, XI B 49/19, BFH/NV 2020, 114, Rz. 21). Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass eine Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, kann lediglich ein Indiz dafür sein, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen (s.a. Abschn. 4.21.5 Abs. 2 UStAE).
Wie oben dargestellt liegen Anhaltspunkte vor, die die Indizwirkung der Bescheinigung der Landesbehörden widerlegen. Folglich sind die vom Kläger angebotenen Leistungen nicht als unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen einzuordnen.
Die Umsätze sind auch nicht gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Umsatzsteuerbefreit sind danach die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer an Hochschulen i.S.d. §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen (§ 4 Nr. 21 Buchst. b) UStG.
Da die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG nicht erfüllt sind, kommt auch eine Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG nicht in Betracht (s.a. FG Berlin-Brandenburg Pressemitteilung vom 11.10.2021, LEXinform 0461268).
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Lehrtätigkeit (Loseblatt); Korn, Die Umsatzsteuerbefreiung selbstständiger Lehrer nach dem EuGH-Urteil »Ingenieurbüro Eulitz GbR«, DStR 14/2010, 688; Grambeck, Wann sind private Bildungsangebote von der Umsatzsteuer befreit?, NWB 11/2016, 760; Trinks u.a., Steuerbefreiung für selbstständige Lehrer und Dozenten, UStB 3/2016, 75; Zugmaier u.a., Umsatzsteuerpflicht für die Erstellung von Lehrbriefen ab 1.1.2018?, NWB 51/2017, 3933; Grambeck, Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen, NWB 52/2017, 3994; Trinks u.a., Fahrschul-Entscheidung des EuGH v. 14.3.2019 – Rs. C-449/17, NWB 14/2019, 940; Hartmann, Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen, NWB 22/2019, 1586; Lange u.a., Steuerbefreiung von Unterrichtsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG – Berufungsmöglichkeit auf das Unionsrecht, NWB 28/2019, 2060; Bünnemann, Sind Fahr- und Surfschulen Schulen? – Zur Umsatzsteuerbefreiung von Schul- und Hochschulunterricht, UR 10/2019, 368.
→ Berufsbildende Einrichtungen, Umsatzsteuerbefreiung
→ Einkünfte aus selbstständiger Arbeit
→ Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
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