1 Finanzierungskosten
2 Behandlung bei Bilanzierenden
2.1 Allgemeines
2.2 Lineare Auflösung des RAP bei Fälligkeitsdarlehen
2.3 Digitale Auflösung des RAP bei Tilgungsdarlehen
3 Behandlung bei den Überschusseinkünften bzw. bei der Einnahmen-Überschussrechnung
4 Behandlung bei Wechsel von Überschusseinkünften zu Gewinneinkünften
5 Behandlung bei der Gewerbesteuer
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Ein Damnum oder Disagio wird häufig in Form eines Darlehensabgeldes vereinbart. Es handelt sich somit um einen Abschlag vom Nennwert, der bei Auszahlung eines Kredits oder Ausgabe eines Wertpapiers oder von Devisen vereinbart werden kann.
Das Damnum/Disagio gehört zu den Finanzierungskosten und nicht zu den → Anschaffungskosten oder den → Herstellungskosten für ein WG.
Bei Bilanzierenden ist das Damnum/Disagio nicht sofort als → Betriebseinnahmen (beim Darlehensgeber) bzw. als → Betriebsausgaben (beim Darlehensnehmer) zu erfassen. Stellt der Aufwand ein Entgelt dar und reicht die Laufzeit des Darlehens zumindest über einen Bilanzstichtag hinaus, liegt in der »Zahlung« eine Ausgabe vor, die Aufwand auch für eine (bestimmte) Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellt. Somit ist nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) zu bilden und damit der Aufwand auf die (voraussichtliche) Laufzeit des Darlehens zu verteilen (vgl. H 6.10 [Damnum] EStH). So ist z.B. für ein bei der Ausgabe einer verbrieften festverzinslichen Schuldverschreibung mit bestimmter Laufzeit vereinbartes Disagio in der Steuerbilanz ein Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren (BFH Urteil vom 29.11.2006, I R 46/05, BStBl II 2009, 955).
Handelsrechtlich darf nach § 250 Abs. 3 HGB ein aktiver RAP gebildet werden. Wegen der besonderen steuerlichen Regelung in § 5 Abs. 5 EStG ist die handelsrechtliche Situation steuerrechtlich ohne Bedeutung.
Die Ausgabe i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG kann sich ergeben:
bei einem Damnum (Disagio) durch den Ansatz der Gesamtverbindlichkeit bei geringerem Auszahlungsbetrag;
Beispiel: Darlehenssumme 100; Auszahlung 97; es sind 100 zu tilgen;
bei einem Agio durch die Verpflichtung zur Zahlung eines zusätzlichen Betrages bei Auszahlung des Darlehens selbst zu 100 %
sofortige Zahlung bei Darlehensgewährung
Beispiel: Darlehenssumme 100; Auszahlung 100; sofort werden 3 an die Bank entrichtet;
Erhöhung des zu tilgenden Betrages
Beispiel: Darlehenssumme 100; Auszahlung 100; es sind aber 103 zu tilgen;
Eingehen einer zusätzlichen, eigenständig zu tilgenden Verbindlichkeit
Beispiel: Darlehenssumme 100; Auszahlung 100; zusätzlich sind nach einem eigenen Zahlungsplan 3 zu entrichten;
In allen o.g. Beispielsfällen ist ein aktiver RAP zu bilden (im Zeitpunkt der Darlehensauszahlung jeweils mit »3«).
Der Aufwand ist abhängig von der Art des Darlehens auf die Laufzeit zu verteilen:
Fälligkeitsdarlehen |
Tilgungsdarlehen (in gleichbleibenden Raten) |
linear (da bis zur Tilgung in einem Betrag immer gleich hohe Darlehenssumme) |
»digital« (arithmetisch-degressiv) (da durch die permanent geleisteten Tilgungsraten die Schuld sukzessive abnimmt) |
Abb.: Fälligkeits- vs. Tilgungsdarlehen
Der Sachverhalt soll durch folgendes Beispiel veranschaulicht werden:
Beispiel 1:
Eine GmbH & Co KG nimmt Anfang Januar 01 ein Darlehen i.H.v. 200 000 € auf. Der jährliche Zinssatz beträgt 5 %. Die Auszahlung beträgt – nach Abzug eines Damnums i.H.v. 12 000 € – 188 000 €. Das Darlehen ist in einer Summe am 31.12.04 fällig. Zinsen werden jährlich i.H.v. 10 000 € gezahlt.
Lösung 1:
Das Damnum beträgt 12 000 €. Da ein Fälligkeitsdarlehen vorliegt, ist der in dem Damnum liegende Zinsaufwand durch einen aktiven RAP (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) auf die Laufzeit von vier Jahren gleichmäßig (linear) zu verteilen (Jahresbetrag 3 000 €). Da die Laufzeit des Darlehens exakt mit den Wirtschaftsjahren 01–04 übereinstimmt, entspricht die rechnerische Verteilung über einen aktiven RAP jeweils dem Aufwandsbetrag für die einzelnen Wirtschaftsjahre.
Es ergibt sich folgender Verlauf:
Zugang aktiver RAP
bei Darlehensauszahlung Anfang 01 |
12 000 € |
Aufwand 01 |
3 000 € |
aktiver RAP 31.12.01 |
9 000 € |
Aufwand 02 |
3 000 € |
aktiver RAP 31.12.02 |
6 000 € |
Aufwand 03 |
3 000 € |
aktiver RAP 31.12.03 |
3 000 € |
Aufwand 04 |
3 000 € |
aktiver RAP 31.12.04 |
0 € |
Diese Methode, auch arithmetisch-degressive Methode genannt, führt zunächst zu höheren Aufwandsbeträgen (entsprechend der zunächst höheren Darlehensschuld). Die Abstände zwischen den einzelnen Aufwandsbeträgen bleiben bei dieser Methode jeweils konstant (anders als bei der geometrisch-degressiven Methode – z.B. AfA nach § 7 Abs. 2 EStG –, bei der Differenzen ständig geringer werden). Eine jeweils gleich bleibende Differenz zwischen den jeweiligen Aufwandsbeträgen erfordert zunächst eine Aufteilung des Gesamtbetrages (= des Damnums usw.). Hierzu ist die Summe der Zahlen zu bestimmen, die sich auf die Anzahl der einzelnen Raten beziehen. Mathematisch ist dies die Formel zur Bestimmung der Summe der Glieder einer (bestimmten) Reihe natürlicher Zahlen (z.B. 1, 2, 3, …, 9, 10; aber ggf. auch 24, 25, 26, …, 29, 30). Diese Formel lautet im Worten:
Summe = Hälfte der Summe aus dem ersten Glied der Reihe und dem letzten Glied der Reihe, vervielfältigt mit der Anzahl der Glieder
Summe = Anzahl der Glieder × |
erstes Glied + letztes Glied |
2 |
Für die ersten natürlichen Zahlen lautet die Formel folglich:
Summe = n × |
1 + n |
2 |
Der aktiv abzugrenzende Betrag (das Damnum) ist auf die so gefundene Summe zu verteilen (wobei bei der ratenweisen Tilgung immer eine erste Rate vorhanden ist, d.h. Ermittlung der Summe immer beginnend mit einer »1«).
Beispiel 2:
Tilgung in 10 Raten; Summe der ersten 10 natürlichen Zahlen = »55«; d.h. Aufteilung des Damnums durch »55«.
Lösung 2:
Die Raten sind nunmehr zu gewichten, und zwar entfällt auf jede Rate ein Vielfaches des gefundenen Anteils. Der Faktor nimmt aber ab. Auf die erste Rate entfällt ein Anteil, der der Anzahl der Raten entspricht (entspricht dem letzten Glied = der höchsten Zahl der Reihe); auf die zweite Rate ein Anteil, der der um eine Rate reduzierten Anzahl der Raten entspricht (»zweithöchste Zahl«), usw., bis zur letzten Rate, für die das erste Glied der Reihe (hier: »1«) gilt.
Beispiel 3:
Wie Beispiel 2: Tilgung in 10 Raten; Summe der ersten 10 natürlichen Zahlen = »55«; d.h. Aufteilung des Damnums durch »55«.
Lösung 3:
Auf die erste (von zehn) zu leistenden Raten entfallen somit zehn Teile des Damnums, auf die zweite neun usw., d.h., auf die letzte (zehnte) Rate entfällt ein Teil.
Rate/Zeitraum |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
|||||||||
darauf entfallender Anteil |
10 |
9 |
8 |
7 |
6 |
5 |
4 |
3 |
2 |
1 |
|||||||||
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
55 |
In der Summe (10/55 + 9/55 + … + 1/55) ergeben sich 55/55 = 1 (= 100 %); damit ist genau der Aufwand des Damnums auf die einzelnen Raten verteilt. Die Differenz zwischen den einzelnen Raten beträgt immer 1/55 und ist damit konstant. Damit liegt eine arithmetisch-degressive = sog. digitale Verteilung vor.
Unerheblich bleibt damit auch, wie das Damnum usw. tatsächlich getilgt wird (als Damnum mit den einzelnen Tilgungsraten; ggf. als gesondert zu tilgendes Agio). Hier wird lediglich der Aufwand rechnerisch auf die einzelnen Tilgungszeiträume verteilt.
Beispiel 4:
Darlehenssumme 50 000 €, Auszahlungskurs 96 %; Tilgung in 5 gleich bleibenden Raten. Bis zum ersten Bilanzstichtag sind zwei Raten zu leisten.
Höhe des aktiven RAP am ersten Bilanzstichtag?
Lösung 4:
Damnum = 2 000 €; digitale Verteilung, da Tilgungsdarlehen;
Summe = 5 × |
1 + 5 |
= 15 |
2 |
Rate 1 = |
5/15 × 2 000 € = |
666,66 € |
Rate 2 = |
4/15 × 2 000 €= |
533,33 € |
Summe = |
1 200,00 € |
Buchungssatz bei Aufnahme des Darlehens:
Bank |
48 000 € |
an |
Darlehen |
50 000 € |
ARAP |
2 000 € |
Buchungssatz 1. Tilgungsrate 01:
Darlehen |
10 000 € |
an |
Bank |
10 000 € |
und |
||||
Damnum Aufwand |
666,66 € |
an |
ARAP |
666,66 € |
Buchungssatz 2. Tilgungsrate 01:
Darlehen |
10 000 € |
an |
Bank |
10 000 € |
und |
||||
Damnum Aufwand |
533,33 € |
an |
ARAP |
533,33 € |
Wert ARAP 31.12.01: Zugang ARAP = 2 000 € ./. 1 200 € = 800 €.
Bei den Überschusseinkunftsarten bzw. bei der → Einnahmen-Überschussrechnung ist das Damnum/Disagio bei Auszahlung eines Tilgungsdarlehens im Zeitpunkt der Kapitalauszahlung als abgeflossen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG) zu behandeln (H 11 [Damnum] EStH). Das Damnum/Disagio führt daher in voller Höhe zu → Betriebsausgaben bzw. zu → Werbungskosten, soweit kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vorliegt. Bei einem marktüblichen Damnum/Disagio greift § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG. Es kann von der Marktüblichkeit eines Damnums ausgegangen werden, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Damnum i.H.v. 5 % vereinbart worden ist (BMF vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546; OFD Berlin vom 19.1.2004, DStR 2004, 356).
Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 EStG nicht auf ein Damnum anzuwenden, soweit dieses marktüblich ist. § 42 AO bleibt unberührt. Ein Damnum ist im VZ seiner Leistung daher als WK abziehbar, es sei denn, dass die Vorauszahlung des Damnums von keinen sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird (BFH vom 3.2.1987, BStBl II 1987, 492).
Durch die Klarstellung im Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) wird die geltende Verwaltungsregelung aus dem BMF-Schreiben vom 20.10.2003 (a.a.O.) in das Gesetz übernommen. Die Aufwendungen für ein Damnum oder Disagio sind danach wie bisher i.H.d. vom jeweiligen Darlehensnehmer an das Kreditinstitut gezahlten Betrages als Werbungskosten abziehbar, soweit unter Berücksichtigung der jährlichen Zinsbelastung die marktüblichen Beträge nicht überschritten werden. Zur Marktüblichkeit vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1265/13, EFG 2015, 115 und nachfolgend BFH Urteil vom 8.3.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646; so auch BFH vom 16.3.2023, VIII R 10/19, BStBl II 2023, 817, Tz. 45). Der über die marktüblichen Beträge hinausgehende Teil ist auf den Zinsfestschreibungszeitraum oder bei dessen Fehlen auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen.
Ein vor Darlehensauszahlung geleistetes Damnum ist im Jahr der Leistung als WK/BA abziehbar, wenn die Vorauszahlung von sinnvollen wirtschaftlichen Erwägungen getragen wird (BFH Urteil vom 3.2.1987, BStBl II 1987, 492). Davon ist bei einer Vorauszahlung von nicht mehr als drei Monaten vor Darlehensauszahlung auszugehen (BMF vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546).
Damnumvereinbarungen mit Geschäftsbanken sind regelmäßig als marktüblich anzusehen (BFH vom 8.3.2016, IX R 38/14, BStBl II 2016, 646).
Durch die Einlage eines WG vom Privat- in das Betriebsvermögen wird auch das Darlehen, mit dem das WG finanziert wurde, eingelegt (R 4.2 Abs. 15 EStR). Aus der Privatschuld wird eine Betriebsschuld (Koppelungseffekt). Hatte bei Aufnahme des Darlehens das Damnum zu Werbungskosten geführt, so darf mit Einlage des Darlehens (Privatentnahme an Darlehen) kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG gebildet und in der Folge über Aufwand aufgelöst werden, da das Damnum schon im Jahr der Aufnahme des Darlehens in voller Höhe zu Werbungskosten geführt hat.
Das Damnum/Disagio gehört zu den Entgelten, die nach § 8 Nr. 1 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden (→ Dauerschuld). Die Hinzurechnung erfolgt i.H.v. 1/4 der Summe der Entgelte, soweit diese Summe den Betrag von 100 T€ übersteigt.
→ Verbindlichkeit im Betriebsvermögen
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