1 Bedeutung
2 Begriff der Anschaffungskosten
2.1 Anschaffungskosten lt. Handelsrecht
2.1.1 Kosten des Erwerbs
2.1.2 Kosten der Betriebsbereitschaft
2.2 Anschaffungskosten lt. Steuerrecht – allgemein
2.2.1 Einzelkosten/Gemeinkosten
2.2.2 Gesamtkaufpreis für mehrere Wirtschaftsgüter
2.2.3 Übernahme von Verbindlichkeiten
2.2.4 Anschaffung in Fremdwährung
2.2.5 Umsatzsteuer (Vorsteuer)
2.2.6 Garantierückbehalt
2.2.7 Zuschüsse zur Anschaffung oder Herstellung von Anlagegütern
2.2.8 Nachträgliche Minderung der Anschaffungskosten
2.2.9 Anschaffungskosten bei zinsloser Stundung des Kaufpreises
3 Sonderfälle der Anschaffungskosten-Ermittlung
3.1 Gebäudeabbruch im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks
3.2 Anschaffungskosten bei Vorratsvermögen
3.2.1 Die Durchschnittsbewertung
3.2.1.1 Handelsrechtliche Regelung
3.2.1.2 Steuerrechtliche Regelung
3.2.2 Verbrauchsfolgeverfahren
3.2.2.1 Handelsrechtliche Regelung
3.2.2.2 Steuerrechtliche Regelung
3.2.2.3 Unterschied Handelsrecht/Steuerrecht
3.2.2.4 Vorratsbewertung nach der Lifo-Methode
3.2.3 Festwert
3.2.3.1 Handelsrechtliche Regelung
3.2.3.2 Steuerrechtliche Regelung
3.3 Verdeckte Gewinnausschüttung (vGA)
3.4 Tausch
3.5 »Fiktive« Anschaffungskosten in Fällen des unentgeltlichen Erwerbs
3.6 Unentgeltlicher Erwerb im Privatvermögen und Einlage in das Betriebsvermögen
3.7 Anschaffungskosten eines unverzinslichen Darlehens
3.8 Verschiedenes
4 Literaturhinweise
5 Verwandte Lexikonartikel
Ermittlung und Begriff der Anschaffungskosten (AK) haben eine zentrale Bedeutung für das Ertragsteuerrecht.
Zusammen mit den → Herstellungskosten (HK) ergeben sie die Grundlage für die Bilanzierung und Bewertung der im → Betriebsvermögen eingesetzten Wirtschaftsgüter.
Für beide Einkunftsarten – für die betrieblichen Gewinneinkünfte ebenso wie für die privaten Überschusseinkünfte – bilden die AK die → Bemessungsgrundlage für die → Abschreibung. Sie definieren – zusammen mit den HK – für alle abnutzbaren Vermögensgegenstände das Volumen der Absetzung für Abnutzung (AfA), soweit nicht nachträglich wertverändernde Maßnahmen durchgeführt werden.
Den AK kommt jedoch auch im Bereich der Überschusseinkünfte eine besondere Bedeutung zu:
Zum einen sind sie im Geltungsbereich der → Werbungskosten die → Bemessungsgrundlage für die → Arbeitsmittel.
Zum anderen bilden sie neben dem Veräußerungspreis (und den Veräußerungskosten) die maßgebliche Größe für die Ermittlung des privaten Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG (→ Private Veräußerungsgeschäfte) ebenso wie bei § 17 EStG (§ 17 Abs. 2a EStG ab 1.8.2019).
Die Definition der AK ergibt sich aus § 255 Abs. 1 HGB. Danach sind AK die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den AK gehören auch die Nebenkosten und die nachträglichen AK. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen. Nach der gesetzlichen Definition der AK gehören zum Anschaffungsvorgang
der Erwerb und
die Versetzung des angeschafften Vermögensgegenstands in den Zustand der Betriebsbereitschaft.
Unter Erwerb versteht man die Überführung eines Vermögensgegenstands aus einem fremden in den eigenen Verfügungsbereich. Maßgebend für den Zeitpunkt der Anschaffung ist die Erlangung der Verfügungsmacht.
Der Zeitpunkt der Betriebsbereitschaft ist bei Gegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens unterschiedlich zu beurteilen. Bei Anlagegegenständen kommt es auf den Zeitpunkt der Nutzbarkeit an, während bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens die Verbrauchbarkeit, Verwertbarkeit oder Veräußerbarkeit das entscheidende Merkmal ist.
Gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB sind auch nachträgliche AK zu berücksichtigen, s.a. → Nachträgliche Anschaffungskosten. Damit wird sichergestellt, dass nachträgliche Erhöhungen des Kaufpreises und der Nebenkosten in die AK einbezogen werden. Auch die Aufwendungen für eine spätere Änderung der Betriebsbereitschaft fallen unter die nachträglichen AK. Nachträglich eingetretene Minderungen sind folgerichtig von den AK abzusetzen (§ 255 Abs. 1 Satz 3 HGB).
Im Steuerrecht fehlt es an einer gesetzlichen Definition der AK. Die Finanzverwaltung bedient sich infolgedessen der handelsrechtlichen Begriffsbestimmung (H 6.2 [Anschaffungskosten] EStH). Ergänzende Regelungen zu den AK ergeben sich aus der Rspr. und einschlägigen Verwaltungsanweisungen.
Der in § 17 Abs. 2 EStG verwendete Begriff der Anschaffungskosten ist in § 17 Abs. 2a Satz 1 EStG definiert (ausführliche Erläuterungen hierzu im BMF-Schreiben vom 7.6.2022, IV C 6-S 2244/20/10001:001, BStBl I 2022, 897) und ist inhaltlich an § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB angelehnt und entspricht dieser Vorschrift im Wesentlichen. Lt. BFH sind Anschaffungskosten u.a. Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in den betriebsbereiten Zustand zu versetzen (BFH vom 14.1.2020, IX R 5/18, BStBl II 2021, 335).
Im Rahmen der AK sind nur die bei der Anschaffung angefallenen Einzelkosten anzusetzen, nicht dagegen die Gemeinkosten. Die Aufwendungen müssen dem Wirtschaftsgut direkt zugeordnet werden können. Das gilt grundsätzlich auch bei der Herstellung der Betriebsbereitschaft. Gelegentlich wird befürwortet, ausnahmsweise auch Gemeinkosten anzusetzen, wenn für die Betriebsbereitschaft umfangreiche Installationen erforderlich sind, deren Erstellung unter HK-Gesichtspunkten zu beurteilen ist. In diesem Fall wäre die Installation mit den HK zu bewerten, was dann zum Ansatz von Gemeinkosten führen würde.
Die herrschende Meinung begnügt sich aber damit, dass auch bei betriebsinternen Nebenkosten nur die angefallenen Einzelkosten zu berücksichtigen sind.
Der Gesamtkaufpreis ist aufzuteilen im Verhältnis der objektiven Werte (BFH Urteil vom 10.10.2000, BStBl II 2001, 183; BFH Urteil vom 31.7.2001, BFH/NV 2002, 324; BFH Urteil vom 27.7.2004, BStBl II 2006, 9).
Zur Aufteilung des Gesamtkaufpreises bei Erwerb eines bebauten Grundstücks s. die Arbeitshilfe des BMF (www.bundesfinanzministerium.de unter »Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein unbebautes Grundstück«, Stand März 2020). Lt. Urteil des BFH vom 21.7.2020 (IX R 26/19, BStBl II 2021, 372; LEXinform 0952504) weist die Arbeitshilfe des BMF einen systemischen Fehler auf, der zu einer tendenziell zu hohen Bewertung des Grund und Bodens führt (Hinweis: Das BMF hat bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung des BFH-Urteils zur Arbeitshilfe des BMF seine Arbeitshilfe im Internet überarbeitet; Stand Mai 2021). Daher darf das FG eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des BMF ermittelte Aufteilung ersetzen. Es ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist; die Wahl der Ermittlungsmethode entzieht sich einer Verallgemeinerung und kann jedenfalls nicht auf ein Wertermittlungsverfahren beschränkt werden. S. hierzu auch BFH vom 20.9.2022 (IX R 12/21, BFH/NV 2023, 186 und → Gebäudeabschreibung).
Eine vertraglich geregelte Kaufpreisaufteilung eines Grundstücks auf Boden und Gebäude ist nur dann beachtlich, wenn eine Gesamtwürdigung der Umstände nicht zu dem Ergebnis kommt, dass die realen Wertverhältnisse nicht in grundsätzlicher Weise verfehlt werden und diese keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt (BFH vom 16.9.2015, IX R 12/14, BStBl II 2016, 397 und BFH vom 29.10.2019, IX R 38/17, BStBl II 2021, 202; LEXinform 0951703).
Beispiel 1:
Der → Unternehmer A erwirbt ein bebautes Grundstück. Der Kaufpreis für das Gesamtgrundstück beträgt 700 000 €. Ein Sachverständiger schätzt den Verkehrswert des Grund und Bodens auf 500 000 € und den des Gebäudes auf 300 000 €.
Lösung 1:
Der Gesamtkaufpreis i.H.v. 700 T€ ist auf den Grund und Boden sowie das Gebäude nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufzuteilen:
Grund und Boden |
||
500 000 € × 100 |
= |
62,5 % |
800 000 € |
Gebäude |
||
300 000 € × 100 |
= |
37,5 % |
800 000 € |
Grund und Boden |
62,5 % des Gesamtkaufpreises |
437 500 € |
Gebäude |
37,5 % des Gesamtkaufpreises |
262 500 € |
gesamt |
700 000 € |
Bei Anschaffung durch Übernahme von Verbindlichkeiten hat die spätere Veränderung der Verbindlichkeiten (z.B. Fortfall einer Rentenverpflichtung) keine Auswirkungen auf die Höhe der AK.
Ist der Kaufpreis (ebenso: Nebenkosten) in ausländischer Währung zu entrichten, ist für die Höhe der AK der Kurs der Fremdwährung im Zeitpunkt der Anschaffung maßgebend (vgl. auch § 244 HGB). Wird die Kaufpreisschuld in ausländischer Währung nicht sofort entrichtet (d.h. zunächst Verbindlichkeit), sind diese sowie das angeschaffte Wirtschaftsgut als zwei getrennte Bilanzposten mit voneinander unabhängiger Entwicklung anzusehen (vgl. Grundsatz der Einzelbewertung).
Spätere Kursänderungen bei der Fremdwährung verändern nicht die entstandenen AK des angeschafften Wirtschaftsguts (vgl. H 6.2 »Ausländische Währung« EStH, erster Strich).
Die umsatzsteuerrechtlich abziehbare Vorsteuer ist gem. § 9b Abs. 1 EStG nicht Teil der (ertragsteuerlichen) AK. Die umsatzsteuerrechtlich nicht abziehbare Vorsteuer gehört hingegen zu den AK.
Bei Berichtigung der Vorsteuer in einem späteren → Wirtschaftsjahr stellen der Mehrbetrag und bei betrieblicher Veranlassung auch der Minderbetrag → Betriebseinnahmen bzw. → Betriebsausgaben dar (§ 9b Abs. 2 Satz 1 EStG). Die AK oder HK hingegen bleiben hiervon unberührt (§ 9b Abs. 2 Satz 2 EStG).
Beispiel 2:
Der → Unternehmer U erwirbt eine Maschine für 10 000 € + 1 900 € USt. Wie hoch sind die AK der Maschine, wenn der Unternehmer
zu 100 % zum → Vorsteuerabzug berechtigt ist,
gar nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist,
zu 70 % zum Vorsteuerabzug berechtigt ist?
Lösung 2:
Die AK betragen im Fall
10 000 €,
11 900 €,
10 570 €.
Die Minderung der AK tritt nur im Fall der endgültigen Einbehaltung der Garantiesumme (ohne eigene oder fremde Nachbesserung) ein.
Wird für die Anschaffung oder Herstellung ein Zuschuss gewährt, hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, den Zuschuss als Betriebseinnahme (→ Betriebseinnahmen) oder Minderung der AK zu erfassen (R 6.5 EStR); s.a. → Zuschüsse. Bei der Gewährung eines Zuschusses in einem späteren → Wirtschaftsjahr (Wj.) besteht das Wahlrecht zwischen der Buchung als Betriebseinnahme oder Minderung der ursprünglichen AfA-Bemessungsgrundlage bzw. des Buchwerts (R 6.5 Abs. 3 EStR).
Wird der Zuschuss in einem Wj. vor der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsgutes (WG) gewährt, so hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht zwischen der Erfassung als Betriebseinnahme oder der Bildung einer steuerfreien → Rücklage (Zuschussrücklage gem. R 6.5 Abs. 4 EStR).
Rabatte und Boni mindern die AK im Zeitpunkt der Entstehung der Ansprüche. Bei Skonti tritt die Minderung der AK erst im Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises ein (BFH Urteil vom 27.2.1991, BStBl II 1991, 456). Wird ein WG, das im Zeitpunkt der Anschaffung nicht unter die GWG-Regelung des § 6 Abs. 2 EStG fällt, erst im folgenden Wirtschaftsjahr unter Abzug eines Skontos bezahlt und fallen dadurch die AK unter die GWG-Grenze, kann kein Sofortabzug in Anspruch genommen werden. Maßgebend sind die AK im Wirtschaftsjahr der Anschaffung.
Das erworbene Wirtschaftsgut sowie die durch den Erwerb ausgelöste Schuld sind als eigenständige Wirtschaftsgüter getrennt zu betrachten (vgl. wie bei Erwerb in Fremdwährung). Werden im angemessenen Rahmen Zinsen berechnet, bestimmt der Kaufpreis (zugleich der zu verzinsende Betrag) die Anschaffungskosten. Bei Anschaffung eines WG und zinsloser Stundung des Kaufpreises ermitteln sich dessen AK durch Abzinsung der unverzinslichen Verbindlichkeit, abzüglich der abzugsfähigen Vorsteuer. Zur Abzinsung vgl. BMF vom 26.5.2005, BStBl I 2005, 699.
Wird mit dem Abbruch eines Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb begonnen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Erwerber das Gebäude in der Absicht erworben hat, es abzureißen (BFH Urteil vom 6.2.1979, BStBl II 1979, 509). Nach BFH-Urteil vom 13.11.1979, BStBl II 1980, 69 erfolgt die Unterscheidung somit danach, ob das Gebäude in Abbruchsabsicht oder ohne Abbruchsabsicht erworben wurde.
Nachfolgend ist davon auszugehen, dass ein bebautes Grundstück mit der Absicht des Abbruchs des aufstehenden Gebäudes erworben wurde. Dabei gibt es folgende Alternativen:
Abb.: Schema Gebäudeabbruch
Die vorstehenden Ausführungen sind sinngemäß auch auf Teilabbrüche anzuwenden. Der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudeteils ist ggf. im Wege der → Schätzung zu ermitteln (BFH Urteil vom 20.4.1993, BStBl II 1993, 504).
Wenn der Steuerpflichtige das Gebäude (→ Gebäude, Begriff) selbst erbaut oder mehr als drei Jahre vor dem Abbruch erworben hat, ist der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes durch Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG abzuschreiben und sind die Abbruchkosten laufende → Betriebsausgaben (BFH Urteil vom 28.3.1973, BStBl II 1973, 678). Diese Regelung gilt sowohl dann, wenn der Gebäudeabbruch zum Zweck des anschließenden Neubaus eines Gebäudes erfolgt als auch dann, wenn er zwecks Freimachung des Grund und Bodens vorgenommen wird.
In einer wichtigen Entscheidung vom 16.4.2002 (BFH Urteil vom 16.4.2002, IX R 50/00, BStBl II 2002, 805) zum Fall von Abbruchkosten eines selbstgenutzten Gebäudes weicht der IX. Senat in den Voraussetzungen und Rechtsfolgen von den o.g. Grundsätzen ab. Wenn – wie im Fall der Selbstnutzung – das Gebäude vorher nicht zur Erzielung von Einkünften genutzt wurde, dann stehen die Abbruchkosten dieses Gebäudes im Zusammenhang mit der Errichtung des Neubaus und bilden HK des neuen Gebäudes (vgl. auch BFH Urteil vom 22.1.2003, BStBl II 2003, 464, zu Vorkosten gem. § 10e Abs. 6 EStG, wenn das Gebäude nicht in Abbruchabsicht erworben wurde).
Abweichend von dem Grundsatz der Einzelbewertung der WG gibt es für das Vorratsvermögen (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Waren) vereinfachte Verfahren zur Bewertung, die die Einzel-AK ersetzen.
Im Rahmen der vereinfachten Bewertung kommen zwei Verfahren zur Anwendung:
die Durchschnittsbewertung und
das Verbrauchsfolgeverfahren.
Gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sowie andere gleichartige oder annähernd gleichwertige bewegliche Vermögensgegenstände und Schulden können jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden (§ 240 Abs. 4 HGB).
Enthält das Vorratsvermögen am Bilanzstichtag WG, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden (vertretbare WG) und bei denen die Anschaffungs- oder → Herstellungskosten wegen Schwankungen der Einstandspreise im Lauf des Wj. im Einzelnen nicht mehr einwandfrei festzustellen sind, so ist der Wert dieser WG zu schätzen. In diesen Fällen stellt die Durchschnittsbewertung (Bewertung nach dem gewogenen Mittel der im Laufe des Wj. erworbenen und ggf. zu Beginn des Wj. vorhandenen WG) ein zweckmäßiges Bewertungsverfahren dar (R 6.8 Abs. 3 EStR).
Beispiel 3:
Zum Vorratsvermögen eines Unternehmers (→ Unternehmer) gehören WG gleicher Art, die im Verlauf des Wj. zu unterschiedlichen AK erworben wurden. Der Endbestand besteht aus zwei Einheiten.
Datum |
Einheiten |
Preis/Einheit |
Gesamtpreis |
|
Anfangsbestand |
1.1. |
4 |
300 € |
1 200 € |
Einkäufe |
5.3. |
4 |
400 € |
1 600 € |
2.7. |
3 |
500 € |
1 500 € |
|
9.9. |
3 |
567 € |
1 701 € |
|
gesamt |
14 |
6 001 € |
||
Verkäufe |
4.4. |
2 |
||
16.8. |
7 |
|||
8.11. |
3 |
Lösung 3:
Bewertung mit dem gewogenen Mittel:
6 001 € |
= |
428,65 €/Einheit |
14 Einheiten |
Bewertung des Endbestands:
2 Einheiten i.H.v. 428,65 €/Einheit = 857,30 €.
Permanente Durchschnittsbewertung (Staffelmethode):
Menge |
Preis/Einheit |
Gesamtpreis |
Durchschnittswert |
|
Bestand 1.1. |
4 |
300,00 € |
1 200,00 € |
|
Zugang 5.3. |
4 |
400,00 € |
1 600,00 € |
|
8 |
2 800,00 € |
× 1/8 = 350,00 € |
||
Abgang 4.4. |
2 |
350,00 € |
700,00 € |
|
6 |
(350,00 €) |
2 100,00 € |
||
Zugang 2.7. |
3 |
500,00 € |
1 500,00 € |
|
9 |
3 600,00 € |
× 1/9 = 400,00 € |
||
Abgang 16.8. |
7 |
400,00 € |
2 800,00 € |
|
2 |
(400,00 €) |
800,00 € |
||
Zugang 9.9. |
3 |
567,00 € |
1 701,00 € |
|
5 |
2 501,00 € |
× 1/5 = 500,20 € |
||
Abgang 08.11. |
3 |
500,20 € |
1 500,60 € |
|
Bestand 31.12. |
2 |
500,20 € |
1 000,40 € |
Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind (§ 256 Abs. 1 Satz 1 HGB).
Personen, die ihren Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, können für den Wertansatz gleichartiger WG des Vorratsvermögens unterstellen, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten WG zuerst verbraucht oder veräußert worden sind, soweit dies den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (§ 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG; Lifo-Verfahren).
Während im Handelsrecht die Verbrauchsfolgeunterstellung nach verschiedenen Methoden (Lifo und Fifo) zulässig ist, beschränkt sich diese Bewertungsvereinfachung im Steuerrecht ausschließlich auf die Lifo-Methode (einschränkend hierzu BFH Urteil vom 20.6.2000, BStBl II 2001, 636: kein Lifo-Verfahren bei Gebrauchtwagen).
Gem. R 6.9 Abs. 4 EStR kann die Bewertung durch das »permanente Lifo-Verfahren« oder durch das »Perioden-Lifo-Verfahren« durchgeführt werden.
Das permanente Lifo-Verfahren setzt eine laufende mengen- und wertmäßige Erfassung aller Zu- und Abgänge voraus. Beim Perioden-Lifo-Verfahren wird der Bestand nur zum Ende des Wj. bewertet.
Für das Perioden-Lifo-Verfahren sind drei Fälle zu unterscheiden:
der Endbestand entspricht mengenmäßig dem Bestand am Anfang des Jahres,
der Endbestand ist mengenmäßig kleiner als der Bestand am Anfang des Jahres,
der Endbestand ist mengenmäßig größer als der Bestand am Anfang des Jahres.
Wenn der Endbestand dem Anfangsbestand entspricht oder mengenmäßig kleiner ist als der Anfangsbestand, dann wird der Stückpreis des Vorjahresbestandes übernommen. Das bedeutet, dass die Abgänge des laufenden Jahres mit den Einstandspreisen der Zugänge des laufenden Jahres verrechnet werden.
Beispiel 4: Perioden-Lifo-Verfahren (gleichbleibender Bestand)
Anfangsbestand |
2 000 kg à 25 €/kg |
= 50 000 € |
Zugänge |
4 000 kg |
|
Abgänge |
4 000 kg |
Lösung 4:
Endbestand |
2 000 kg à 25 € / kg |
= 50 000 € |
Bei Bestandserhöhungen gibt es zwei Möglichkeiten der Bewertung:
Der Mehrbestand wird mit dem Altbestand verschmolzen und es wird ein neuer, gewogener Durchschnittswert des Gesamtbestands ermittelt (Durchschnittsmethode);
der Mehrbestand wird als sog. Layer (= Ableger für Mehrbestand des Wirtschaftsjahres) selbstständig fortgeführt; dadurch entsteht ein zweiter Bestandsposten, der abweichend vom Anfangsbestand bewertet wird.
Beispiel 5: Perioden-Lifo-Verfahren (erhöhter Endbestand)
Anfangsbestand |
2 000 kg à 25 €/kg |
= 50 000 € |
Zugang I |
1 500 kg à 40 €/kg |
= 60 000 € |
Zugang II |
1 500 kg à 30 €/kg |
= 45 000 € |
Abgänge |
2 000 kg |
|
Endbestand |
3 000 kg |
Marktpreis am Bilanzstichtag: 45 € pro kg
Lösung 5:
1. Durchschnittsmethode
2 000 kg à 25 € |
50 000 € |
+ 1 000 kg à 40 € |
+ 40 000 € |
Summe |
90 000 € |
2. Layer-Methode
Layer I = Anfangsbestand |
2 000 kg à 25 € |
50 000 € |
+ Layer II |
1 000 kg à 40 € |
40 000 € |
Summe |
90 000 € |
Die Fortentwicklung sieht wie folgt aus:
Beispiel 6: Fortentwicklung im Folgejahr (Layer-Methode)
Anfangsbestand |
Layer I |
2 000 kg |
50 000 € |
Layer II |
1 000 kg |
40 000 € |
|
Summe |
90 000 € |
||
Zugänge |
à 35 € |
4 000 kg |
140 000 € |
Abgänge |
4 500 kg |
||
Endbestand |
2 500 kg |
Vermögensgegenstände des Sachanlagevermögens sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe können, wenn sie regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist, mit einer gleich bleibenden Menge und einem gleich bleibenden Wert angesetzt werden, sofern ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt. Jedoch ist in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen (§ 240 Abs. 3 HGB).
Für das Steuerrecht gilt die gleiche Regelung wie im Handelsrecht (vgl. H 6.8 [Festwert] EStH). Zur nachrangigen Bedeutung des Gesamtwertes hat die Finanzverwaltung (BMF vom 8.3.1993, BStBl I 1993, 276) wie folgt Stellung genommen: Der Gesamtwert, der für einen einzelnen → Festwert infrage kommenden WG ist für das Unternehmen grundsätzlich von nachrangiger Bedeutung, wenn er im Durchschnitt der dem Bilanzstichtag vorangegangenen fünf Bilanzstichtagen 10 % der Bilanzsumme nicht übersteigt.
In der Regel ist alle drei Jahre, spätestens nach fünf Jahren, eine körperliche Bestandsaufnahme durchzuführen (R 5.4 Abs. 3 EStR). Dann erfolgt ein Vergleich zwischen Inventurwert und Festwert/Anhaltewert.
Für den festgestellten Wert gilt das Folgende (H 6.8 [Festwert] EStH mit Hinweis auf R 5.4 Abs. 3 Satz 2–5 EStR):
Übersteigt der Inventurwert den bisherigen → Festwert um mehr als 10 %, so ist der ermittelte Wert als neuer Festwert maßgebend. Der bisherige Festwert ist so lange um die AK oder HK der im Festwert erfassten und nach dem Bilanzstichtag des vorangegangenen Wj. angeschafften oder hergestellten WG aufzustocken, bis der neue Festwert erreicht ist.
Übersteigt der bei der → Inventur ermittelte Wert den Festwert um nicht mehr als 10 %, so kann der bisherige Festwert beibehalten werden.
Ist der Inventurwert niedriger als der bisherige Festwert, so kann der ermittelte Wert nach R 5.4 Abs. 3 Satz 4 EStR als neuer Festwert angesetzt werden. Das gilt uneingeschränkt nur, wenn der Bestand mengenmäßig geringer geworden ist. In Fällen eines nur wertmäßig niedrigeren Inventurwerts ist eine Teilwertabschreibung nur zulässig, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Bei Unternehmern (→ Unternehmer), die ihren Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, ist das Niederstwertprinzip gem. § 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB zu beachten.
Beispiel 7:
In einem Unternehmen ergab die Bestandsaufnahme bei einer Gruppe des Vorratsvermögens auf den 31.12.01 einen Festwertansatz von 100 000 €. Die Bilanzansätze auf den 31.12.01 bis 03 beliefen sich zutreffenderweise auf 100 000 €; die Zukäufe 02 und 03 wurden in voller Höhe als Aufwand gebucht. In den folgenden Jahren lagen an Zukäufen vor:
04 |
10 000 € |
05 |
5 000 € |
06 |
20 000 € |
Die Bestandsaufnahme auf den 31.12.04 ergibt – alternativ – folgende Werte:
110 000 €,
90 000 € und
120 000 €.
Lösung 7:
Die Werterhöhung beträgt nicht mehr als 10 %; der bisherige → Festwert kann beibehalten werden (R 5.4 Abs. 3 Satz 5 EStR).
Der Inventurwert ist niedriger als der Festwert; der niedrigere Inventurwert muss in der Handelsbilanz angesetzt werden (Niederstwertprinzip nach § 253 Abs. 3 HGB). Steuerlich darf der niedrigere Inventurwert nur angesetzt werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG; R 5.4 Abs. 3 Satz 4 EStR).
Der Inventurwert übersteigt den Festwert um mehr als 10 %. Der Inventurwert ist als neuer Festwert maßgebend. Der bisherige Festwert ist aus den AK der im Festwert erfassten WG aufzustocken, bis der neue Festwert erreicht ist (R 5.4 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStR):
Festwert 1.1.04 |
100 000 € |
Zukäufe 04 |
10 000 € |
Festwert 31.12.04 |
110 000 € |
Zukäufe 05 |
5 000 € |
Festwert 31.12.05 |
115 000 € |
aus den Zukäufen 06 |
5 000 € |
Festwert 31.12.06 |
120 000 € |
Bei unangemessener Kaufpreisvereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter sind die AK zu korrigieren.
Beispiel 8:
Der Steuerpflichtige E ist Bauunternehmer (Einzelunternehmer) und außerdem als Alleingesellschafter an der Schöner-Bauen-GmbH beteiligt. E ist → Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH. Im Februar 02 verkaufte E der GmbH gebrauchte Büromaschinen und Büromöbel aus seinem Einzelunternehmen zu einem Preis von 20 000 € zuzüglich 19 % USt. Der Buchwert der veräußerten Wirtschaftsgüter betrug am 31.12.01 5 000 €; der gemeine Wert abzgl. USt ist mit 10 000 € anzunehmen.
Bei der Lösung wird von folgenden Fallalternativen ausgegangen:
Die Beteiligung gehört zum → Betriebsvermögen des E.
Die Beteiligung gehört zum Privatvermögen des E.
Lösung 8:
I.H.d. Differenz zwischen dem gemeinen Wert (abzgl. USt) der Anlagegüter und dem gezahlten Preis liegt eine vGA i.S.v. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor.
a)
Im Einzelunternehmen E |
|
Erlös aus der Veräußerung von Anlagegütern |
10 000 € |
Erträge aus Beteiligungen |
10 000 € |
steuerbefreit i.H.v. 40 % gem. § 3 Nr. 40 EStG |
Bei der GmbH |
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AK für Anlagegüter |
10 000 € |
VGA |
10 000 € |
zunächst Aufwand; aber Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung |
b)
Im Einzelunternehmen E |
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Erlös aus der Veräußerung von Anlagegütern |
10 000 € |
Einlage |
10 000 € |
Beim Steuerpflichtigen E |
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Einnahmen aus Kapitalvermögen |
10 000 € |
steuerbefreit i.H.v. 40 % gem. § 3 Nr. 40 EStG |
Bei der GmbH |
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AK für Anlagegüter |
10 000 € |
vGA |
10 000 € |
zunächst Aufwand; aber Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung |
Bei Anschaffung eines einzelnen WG bemessen sich die AK gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG nach dem gemeinen Wert des hingegebenen WG (abzüglich der darin enthaltenen USt), beim Tausch (→ Tausch und tauschähnlicher Umsatz: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer) zuzüglich geleisteter Ausgleichszahlung bzw. abzüglich empfangener Ausgleichszahlung.
Beispiel 9:
A und B schließen ein Tauschgeschäft ab. B liefert an A einen neuen Lkw (Gemeiner Wert abzgl. USt: 300 000 €) und erhält von A ein gebrauchtes Fahrzeug (gemeiner Wert abzgl. USt: 200 000 €)). A zahlt zusätzlich an B einen Betrag von 119 000 € (einschließlich USt). B erteilt dem A folgende Rechnung:
Lieferung eines LKW |
300 000 € |
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+ 19 % Umsatzsteuer |
+ 57 000 € |
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Summe |
357 000 € |
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Inzahlungnahme eines Altfahrzeugs |
200 000 € |
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+ 19 % Umsatzsteuer |
38 000 € |
./. 238 000 € |
noch zu entrichten |
119 000 € |
Lösung 9:
AK bei A:
gemeiner Wert des hingegebenen Altfahrzeugs |
200 000 € |
+ geleistete Zahlung |
+ 100 000 € |
gesamt |
300 000 € |
AK bei B:
gemeiner Wert des hingegebenen Neufahrzeugs |
300 000 € |
./. erhaltene Zahlung |
./. 100 000 € |
gesamt |
200 000 € |
Der unentgeltliche Erwerb eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmer-Anteils wird mit den Buchwerten des Rechtsvorgängers (§ 6 Abs. 3 EStG) bewertet. Diese Behandlung schließt es aus, im Übergang der Verbindlichkeiten des übertragenen Betriebs ein Entgelt zu sehen (BFH Beschluss vom 5.7.1990, BStBl II 1990, 847).
Bei unentgeltlichem Erwerb eines einzelnen WG (→ Unentgeltlicher Erwerb; → Unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern) aus betrieblichem Anlass aus einem anderen → Betriebsvermögen erfolgt die Bewertung mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 4 EStG).
Beispiel 10:
Ein Großhändler veranstaltet für seine Kunden (Einzelhändler) einen Verkaufswettbewerb mit Campingartikeln. Der Gewinner des Wettbewerbs erhält nach Beendigung der Aktion kostenlos ein Hauszelt übereignet. Das Zelt hat im Zeitpunkt der Übereignung einen gemeinen Wert von 1 190 €. Als Kaufpreis hat der Großhändler für das Zelt 1 000 € + 19 % USt entrichtet.
Lösung 10:
Bei dem Großhändler liegt Werbeaufwand vor. Das Zelt stellt kein Geschenk i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG dar, weil der Hingabe des Gegenstands eine Gegenleistung (Durchführung der Verkaufsaktion) gegenübersteht. Aus diesem Grund ist der Vorgang bei dem Großhändler auch umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig.
Beim Einzelhändler ist ein unentgeltlicher Erwerb (→ Unentgeltlicher Erwerb) i.S.v. § 6 Abs. 4 EStG gegeben. Das Zelt ist mit dem gemeinen Wert abzüglich USt als Wareneingang zu erfassen. Die in dem gemeinen Wert enthaltene USt stellt abzugsfähige Vorsteuer dar. Die Gegenbuchung (gemeiner Wert einschließlich USt) ist auf dem Konto »sonstige betriebliche Erträge« zu erfassen.
Bei unentgeltlichem Erwerb von Privatvermögen bemisst sich die AfA grundsätzlich nach den AK bzw. HK des Rechtsvorgängers (§ 11d Abs. 1 EStDV). Entgegen der langjährigen, durch ein BMF-Schreiben vom 13.1.1993 (BStBl I 1993, 80, geändert durch BMF vom 26.2.2007, BStBl I 2007, 269) geregelten Rechtspraxis sind nach dem Urteil des BFH vom 9.7.2013 (IX R 43/11, BStBl II 2014, 878) auch etwaige Anschaffungsnebenkosten des Rechtsnachfolgers (Erbauseinandersetzungskosten, Notargebühren usw.) im Wege der AfA zu berücksichtigen, soweit sie der Überführung von der fremden in die eigene Verfügungsmacht dienen und demgemäß zur alleinigen Verwirklichung des Tatbestands der Einkünfteerzielung beitragen. § 11d Abs. 1 EStDV steht dem nicht entgegen, da diese Vorschrift lediglich die AK bzw. HK des Rechtsvorgängers, nicht jedoch eigene Anschaffungskosten des Rechtsnachfolgers regelt.
Der unentgeltliche Erwerb hat in der Regel private Gründe. Unentgeltlich erworbene WG gelangen infolgedessen durch eine → Einlage aus dem Privatvermögen in das → Betriebsvermögen. Die Frage des entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerbs im Bereich des Privatvermögens hat insofern nur Bedeutung im Hinblick auf die Bewertung der Einlage. Die Einlage von unentgeltlich erworbenen WG ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert zu bewerten (Ausnahme: wesentliche Kapitalbeteiligungen i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG). Bei der → Einlage von entgeltlich oder teilentgeltlich erworbenen WG gilt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG eine Beschränkung des Einlagewerts auf die (fortgeschriebenen) AK, wenn die Einlage innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung oder Herstellung erfolgt oder (unabhängig vom Einlagezeitpunkt) wenn ein Kapitalgesellschaftsanteil i.S.d. § 17 EStG eingelegt wird. Die Einlage einer von § 17 EStG erfassten Beteiligung, deren Teilwert unterhalb der Anschaffungskosten liegt, ist nach den Grundsätzen der BFH-Rspr. mit den hier höheren AK zu bewerten, weil die gesetzliche Regelung insoweit eine planwidrige und deshalb ausfüllungsbedürftige Lücke enthält (BFH vom 25.7.1995, VIII R 25/94, BFHE 178, 418, BStBl II 1996, 684, unter II.2., und vom 2.9.2008, X R 48/02, BFHE 223, 22, BStBl II 2010, 162, unter II.1; BFH vom 30.6.2022, IV R 19/18, BStBl II 2023, 136).
Die Schenkung unter Auflage stellt einen unentgeltlichen Erwerb dar (BFH Urteil vom 26.11.1985, BStBl II 1986, 161). Unter Auflage unentgeltlich erworbene Gegenstände sind deshalb stets mit dem Teilwert einzulegen.
Die gemischte Schenkung ist als teilentgeltlicher Erwerb zu behandeln (BFH Urteil vom 26.11.1985, a.a.O.). Bei Gegenständen, die der Steuerpflichtige durch eine gemischte Schenkung erworben hat, gilt deshalb die Einschränkung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG, sodass im Falle des Erwerbs innerhalb von drei Jahren vor dem Einlagetag die anteiligen (fortgeschriebenen) AK für die Bewertung der → Einlage maßgebend sind.
Beispiel 11:
Der pensionierte Hochschullehrer V schenkt seiner Tochter T ein unbebautes Grundstück. Da er sich seinen lange gehegten Wunsch einer Weltreise erfüllen möchte, lässt er sich von seiner Tochter einen Teil des Grundstückswerts in bar vergüten. Der Zeitwert (Teilwert) des Grundstücks beträgt nach einem Sachverständigengutachten 100 000 €. Die Zahlung der Tochter beläuft sich auf 10 000 €.
T legt das Grundstück 2 1/2 Jahre nach der Schenkung in das → Betriebsvermögen ihres Einzelunternehmens ein. Das Grundstück hat zu diesem Zeitpunkt einen Zeitwert (Teilwert) von 120 000 €.
Lösung 11:
Es handelt sich um eine gemischte Schenkung im Privatvermögen. Zwecks Ermittlung des Einlagewerts bei T ist die Schenkung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen:
Gesamtwert des Grundstücks |
100 000 € |
Zahlung von T (= 10 % des Gesamtwerts) |
10 000 € |
Ermittlung des Einlagewertes: |
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90 % des Teilwerts |
108 000 € |
+ AK von T |
+ 10 000 € |
Einlagewert gesamt |
118 000 € |
Unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land- und Forstwirt gewährt, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist (vgl. BFH vom 13.7.2017, VI R 62/15, BStBl II 2018, 15; Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BVerfG: 2 BvR 2706/17). Aufgrund der Neufassung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2022 (BGBl I 2022, 911) ist das Abzinsungsgebot ab Wj., die nach dem 31.12.2022 enden, weggefallen; s. auch LfSt Niedersachsen Vfg. vom 5.4.2023, S 2175-St 221/St 222; LEXinform 7013573).
Einzelne praxisbedeutsame Fälle zu den AK werden im Folgenden in alphabetischer Form aufgelistet:
Ausgleichszahlungen, die ein Miterbe im Rahmen der Erbauseinandersetzung für das »Mehr« an Erwerb – verglichen mit seiner Erbquote – an die Miterben entrichtet, stellen für ihn AK für den (vererbten) Mitunternehmeranteil dar (BMF vom 14.3.2006, BStBl I 2006, 253, Rz. 14).
Belieferungsrechte, die entgeltlich erworben sind und die Belieferung mit konkreten WG (z.B. Zeitungen) zum Gegenstand haben, sind als immaterielle Wirtschaftsgüter (→ Immaterielle Wirtschaftsgüter) mit den AK zu erfassen (BFH Urteil vom 9.7.1981, BStBl II 1989, 407).
Nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG: Zur Verlustberücksichtigung aus einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft vor Geltung des § 17 Abs. 2a EStG s. BFH vom 20.6.2023 (IX R 2/22, BFH/NV 2023, 1257). Durch § 17 Abs. 2a EStG (Anwendung ab 1.8.2019 gem. § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG; (ausführliche Erläuterungen hierzu im BMF-Schreiben vom 7.6.2022, IV C 6-S 2244/20/10001:001, BStBl I 2022, 897) definiert der Gesetzgeber den Begriff der Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a Satz 1 EStG) und der nachträglichen Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 bis 3 EStG) neu. Nach § 17 Abs. 2a Satz 3 gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten insbes. (keine abschließende Aufzählung) offene oder verdeckte Einlagen (Nr. 1), Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war (Nr. 2) und Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war (Nr. 3). Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel i.S.d. Nr. 2 oder 3 bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte (§ 17 Abs. 2a Satz 4 EStG). Die Neuregelungen in § 17 Abs. 2a Nr. 2 und 3 EStG sollen an die frühere Rspr. anknüpfen und sicherstellen, dass Darlehensverluste auch nach der Einführung des MoMiG gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten (BFH vom 18.7.2023. IX R 21/21, n.v., DStR 2023, 2483). Insoweit gelten die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG, insbes. hinsichtlich stehen gelassener Darlehen, fort.
Die Gewährung eines krisenbestimmten Darlehens an die AG durch einen Aktionär, der an der Gesellschaft unternehmerisch beteiligt ist, führt zu nachträglichen AK der Beteiligung (BFH Urteil vom 6.12.2016, IX R 12/15, BStBl II 2017, 388).
Setzen sich bei einer Erbauseinandersetzung die Miterben im Fall der zivilrechtlichen Nachlassspaltung unter Einbeziehung aller personengleichen Erbengemeinschaften in einem einheitlichen Vorgang in der Weise auseinander, dass sie sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig vollständig unter sich verteilen, ist auch für die ertragsteuerliche Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den gesamten Nachlass abzustellen (BFH Urteil vom 10.10.2018, IX R 1/17, BStBl II 2019, 170; LEXinform 0951640).
Bei einem → Erbbaurecht berechtigt nur eine Einmalzahlung zur Aktivierung als WG; bei dem regulär vereinbarten laufenden Erbbauzins liegt kein Anschaffungsvorgang vor.
Bei der vorweggenommenen Erbfolge führen Gleichstellungsgelder und übernommene Schulden zu AK, nicht hingegen Versorgungsleistungen (→ Besteuerung von Versorgungsleistungen); (zuletzt BMF vom 26.2.2007, BStBl I 2007, 269);
Bei der → Realteilung gem. § 16 Abs. 3 EStG erfolgt die Zuweisung der einzelnen WG (bzw. der funktionellen Einheiten) grundsätzlich unentgeltlich, soweit dadurch der Auseinandersetzungsanspruch konkretisiert wird (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Die durch den Wechsel im Gesellschafterbestand ausgelösten Grunderwerbsteuern (→ Grunderwerbsteuer) sind keine Anschaffungs(-neben)kosten der erworbenen Kommanditanteile (BFH Urteil vom 2.9.2014, IX R 50/13, BStBl II 2015, 260). Sie stellen sofort abzugsfähige → Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG dar und sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gesondert festzustellen.
Beim Erwerb von Wertpapieren sind immer die Anschaffungsnebenkosten (Courtagen und Spesen) zu berücksichtigen.
Marx, Anschaffungs- und Herstellungskosten, Steuer und Studium 2/2017, 115; Ahrensfeld und Hilbert, Abzinsung von Angehörigendarlehen im Betriebsvermögen – Zugleich Besprechung des BFH-Urteils v. 13.7.2017, VI R 52/15 – NWB 11/2018, 731; Deutschländer, Die Behandlung von Gesellschafterdarlehen und Bürgschaften nach § 17 Abs. 2a EStG, NWB 32/2022, 2288; Deutschländer, Der Verlust von Gesellschafterfinanzierungshilfen im Privatvermögen, NWB 1/2023, 47; Demuth, Verlustberücksichtigung aus einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft vor Geltung des § 17 Abs. 2a EStG, NWB 35/2023, 2398; Demuth, Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten bei in der Krise stehen gelassenen Darlehen nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG, NWB 46/2023, 3112.
→ Gebäude, anschaffungsnahe Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand
→ Nachträgliche Anschaffungskosten
→ Realteilung gem. § 16 Abs. 3 EStG
→ Renten
→ Rücklage
→ Tausch und tauschähnlicher Umsatz: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer
→ Übertragung von Privat- oder Betriebsvermögen
→ Unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
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