1 Überblick
2 Körperschaftsteuerminderung nach dem SEStEG (= ab dem 1.1.2007)
3 Körperschaftsteuerminderungen bis zum 31.12.2006
3.1 Offene Gewinnausschüttungen als Auslöser
3.2 Zeitpunkt der Körperschaftsteuerminderung
3.3 Auswirkungen auf das Körperschaftsteuerguthaben
3.4 Gesetzliche Einschränkungen
3.4.1 Moratorium
3.4.2 Höchstbetragsbegrenzung
3.4.3 Nachversteuerung
4 Literaturhinweise
5 Verwandte Lexikonartikel
Während eines 18-jährigen Übergangszeitraums vom Anrechnungs- zum → Halbeinkünfteverfahren (d.h. bis einschließlich VZ 2019) sollte es bei einer Kapitalgesellschaft zu einer Minderung der → Körperschaftsteuer kommen. Voraussetzung dafür war, dass bei der Kapitalgesellschaft ein → Körperschaftsteuerguthaben i.S.v. § 37 KStG festgestellt wurde. Die Körperschaftsteuerminderung liegt darin begründet, dass unter dem Anrechnungsverfahren angefallene Körperschaftsteuerbelastungen ansonsten endgültig geworden wären, da das → Halbeinkünfteverfahren (nunmehr: Teileinkünfteverfahren) keine Änderung der Steuerbelastung bei Ausschüttung vorsieht. Damit die Reduzierung der Vorbelastung erfolgen konnte, war mit dem Systemwechsel zunächst zum 1.1.2001 – zuletzt geändert durch das JStG 2010 (BStBl I 2010, 1394) – ein Körperschaftsteuerguthaben i.H.v. 15/55 des Endbestands des mit einer Körperschaftsteuer von 45 % belasteten Teilbetrags zuzüglich 1/6 des Endbestandes an mit 40 %iger Körperschaftsteuer belastetem → Eigenkapital festzustellen. Durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.2006 (BGBl I 2006, 2782) wurde das bisherige System der Körperschaftsteuerminderung durch eine ausschüttungsunabhängige ratierliche Auszahlung des am 31.12.2006 noch vorhandenen Körperschaftsteuerguthabens ersetzt. Wann eine Körperschaftsteuerminderung eintrat, regelt insbes. § 37 KStG.
Hinweis:
In die Berechnung des Körperschaftsteuerguthabens war nach den Änderungen durch das JStG 2010 (BStBl I 2010, 1394) ein zusätzlicher Betrag einzubeziehen (15/55 des Endbestandes des mit einer Körperschaftsteuer von 45 % belasteten Teilbetrags). War allerdings der Bescheid über die Feststellung der Endbestände bereits vor Inkrafttreten des JStG 2010 bestandskräftig geworden, schied die Erhöhung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß der neuen Fassung der §§ 36, 37 Abs. 1 KStG aus (BFH Urteil vom 11.11.2014, I R 46/13, BFH/NV 2015, 353; BFH Urteil vom 29.1.2015, I R 84/12, BFH/NV 2015, 1007).
Das letztmalig zum 31.12.2006 festgestellte → Körperschaftsteuerguthaben wurde in zehn gleichen Jahresbeträgen im Auszahlungszeitraum 2008 bis 2017 an die Kapitalgesellschaft ausgezahlt (§ 37 Abs. 5 Satz 1 KStG). Eine gesonderte Antragstellung war hierfür nicht erforderlich. Betrug der Auszahlungsanspruch nicht mehr als 1 000 €, war er aus Billigkeitsgründen in einer Summe auszuzahlen (BMF vom 21.7.2008, IV C 7-S 2861/07/10001, BStBl I 2008, 741).
Eine ratierliche Auszahlung in zehn Jahresbeträgen wurde auch im Fall der Insolvenz der Körperschaft vorgenommen. Eine nach dem 31.12.2006 zur Insolvenztabelle angemeldete Steuerforderung – auch Umsatzsteuerforderung – konnte mit dem Körperschaftsteuerguthaben aufgerechnet werden (FG München vom 30.9.2014, 6 K 2816/12, EFG 2015, 67; FG Hessen vom 31.10.2018, 4 K 758/18, BeckRS 2018, 37230), wenn das Insolvenzverfahren nach der Entstehung des Körperschaftsteuerguthabens eröffnet wurde. Bereits mit Ablauf des 31.12.2006 entstand gemäß § 37 Abs. 5 KStG ein unbedingter Anspruch auf die ratierliche Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens und damit die erforderliche Aufrechnungslage gemäß § 94 InsO. Praktische Schwierigkeiten im Insolvenzverfahren begründen dabei keine Verfassungswidrigkeit des § 37 Abs. 5 Satz 1 KStG (FG Schleswig-Holstein vom 7.6.2012, 1 K 69/12, EFG 2013, 153). Das FG Nürnberg hat die Regelung des § 37 Abs. 5 KStG als verfassungsgemäß anerkannt (FG Nürnberg vom 24.5.2011, 1 K 443/10, DStRE 2012, 1192).
Die Umgliederung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in ein Körperschaftsteuerguthaben ist auch in der Fassung des JStG 2010 verfassungsgemäß (BFH vom 20.4.2011, I R 65/05, BStBl II 2011, 983; BFH vom 25.2.2015, I R 86/12, BStBl II 2016, 243).
Die ausgezahlten Beträge gehörten nicht zu den stpfl. Einkünften i.S.d. EStG (§ 37 Abs. 7 KStG). Eine Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG entfiel. Ebenfalls zu den nicht stpfl. Erträgen gehörte die Aufzinsung des Körperschaftsteuerguthabens. Dies galt auch nach einer Umwandlung der Körperschaft in eine Personengesellschaft (BFH Urteil vom 28.11.2018, I R 56/16, BStBl II 2020, 104). Hinsichtlich des auf dem Körperschaftsteuerguthaben lastenden Solidaritätszuschlags stellte sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt, dass die Auszahlung des Solidaritätszuschlags gesetzlich nicht vorgesehen sei und dagegen gerichtete Einsprüche daher als unzulässig zu verwerfen sind (OFD Münster vom 26.10.2008, DStR 2008, 2369). Das FG Köln hat am 9.3.2010 (13 K 64/09, EFG 2010, 1353; vgl. hierzu auch OFD Niedersachsen vom 29.7.2010, S 2861-8-St 241, DStR 2010, 2578) der Finanzverwaltung folgend entschieden, dass ein Anspruch auf Erstattung des Solidaritätszuschlags, der auf das nach § 37 Abs. 5 KStG ratenweise auszuzahlende Körperschaftsteuerguthaben entfiel, nicht besteht, da weder das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 noch die Regelung des § 37 KStG selbst einen derartigen Anspruch vorsehen. I.R.d. Revisionsverfahrens holte der BFH mit Beschluss vom 10.8.2011 (I R 39/10, BStBl II 2012, 603) die Entscheidung des BVerfG zu dieser Frage ein. Dieses hat die Vorlage des BFH für unzulässig erklärt, BVerfG vom 27.10.2021, 2 BvL 12/11, DStRE 2022, 58.
Hinweis:
Die Auszahlung der Jahresbeträge erfolgte jeweils am 30.9. eines Jahres, davon abweichend wurde der erste Jahresbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Festsetzungsbescheids ausgezahlt. Für das Jahr 2007 war weder eine Auszahlung nach neuem Recht noch eine Körperschaftsteuerminderung nach bisherigem Recht vorgesehen, sodass die erste ausschüttungsunabhängige Auszahlung im Jahr 2008 erfolgte.
Gem. § 37 Abs. 4 KStG wurde das Körperschaftsteuerguthaben – auch bei Gesellschaften mit abweichendem → Wirtschaftsjahr – letztmalig auf den 31.12.2006 ermittelt (aber nicht mehr gesondert festgestellt). Zu diesem Zeitpunkt entstand auch der (unverzinsliche) Auszahlungsanspruch, der für den gesamten Auszahlungszeitraum festgesetzt wurde. Der Auszahlungsanspruch war in der Handels- und in der Steuerbilanz (→ Bilanz) zum 31.12.2006 mit seinem Barwert zu aktivieren. Es war eine Abzinsung auf Basis des Marktzinses (z.B. Zinssatz von Bundesanleihen) vorzunehmen. Der dadurch entstehende Bilanzgewinn war außerbilanziell zu neutralisieren. Einkommenserhöhungen und -minderungen aus der Ab- und Aufzinsung der Körperschaftsteuerforderung in den Folgejahren waren ebenfalls außerbilanziell zu korrigieren (vgl. BFH vom 15.7.2008, I B 16/08, BStBl II 2008, 886). Letzteres galt jedoch nicht für z.B. entgeltlich erworbene Auszahlungsansprüche (vgl. zu Zweifelsfragen BMF vom 14.1.2008, IV B 7-S 2861/07/0001, BStBl I 2008, 280).
Hinweis:
Bei Vorliegen einer Organschaft war die Forderung auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens bei der Organgesellschaft zu bilanzieren und das dadurch erhöhte handelsrechtliche Ergebnis an den Organträger abzuführen (BMF vom 14.1.2008, IV B 7-S 2861/07/0001, BStBl I 2008, 280). Zum Vorgehen bei falscher Bilanzierung des Körperschaftsteuerguthabens in Organschaftsfällen vgl. OFD Hannover vom 5.11.2008, S 2861-3-StO 241, DB 2009, 483.
Anträge auf Verrechnungsstundung, die die Verrechnung fälliger Zahlungen (z.B. → Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer) mit den Auszahlungsbeträgen des KSt-Guthabens begehren, wurden von der Finanzverwaltung grds. abgelehnt (vgl. OFD Münster vom 20.4.2007, DB 2007, 1001; OFD Koblenz vom 7.12.2007, DStR 2008, 354). Eine Verrechnungsstundung kam nur in Betracht, wenn die Rate »in Kürze«, d.h. innerhalb eines Monats, fällig wurde. Ebenso war eine Aufrechnung des Finanzamts gegen den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens während eines vor dem 31.12.2006 eröffneten Insolvenzverfahrens nicht zulässig (BFH vom 23.2.2011, I R 20/10, BStBl II 2011, 822; FG Hessen vom 31.10.2018, 4 K 758/18, BeckRS 2018, 37230).
Hinweis:
Durch Umwandlung oder Liquidation einer Körperschaft konnte es nicht mehr zur sofortigen Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens kommen. Der Auszahlungsanspruch konnte aber z.B. abgetreten werden, sodass auch vor Ablauf des Zehn-Jahreszeitraums eine Liquidation abgeschlossen werden konnte (vgl. OFD Hannover vom 12.12.2007, S 2861-7 StO 242, DStR 2008, 302).
Der Feststellungsbescheid über die Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG zum 31.12.2000 und die Feststellungsbescheide gem. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG sind als Grundlagenbescheide für die Ermittlung des KSt-Guthabens bindend (FG Münster vom 14.11.2012, 10 K 3207/11 F, EFG 2013, 326). Eine Korrektur der bestandskräftig festgestellten Grundlagenbescheide ist auch auf der Grundlage des § 181 Abs. 5 Satz 1 AO nicht möglich (BFH vom 11.11.2014, I R 46/13, BFH/NV 2015, 353).
Die erweiterte Berechnung des Körperschaftsteuerguthabens auf Grundlage des JStG 2010 durch die zusätzliche Einbeziehung von 15/55 des Endbestands des mit einer Körperschaftsteuer von 45 % belasteten Teilbetrags fand dann keine Anwendung, wenn der Bescheid über die Feststellung der Endtatbestände bereits vor Inkrafttreten des JStG 2010 bestandskräftig geworden ist (BFH vom 30.7.2014, I R 56/13, BStBl II 2014, 940).
Verfügte eine Kapitalgesellschaft über ein → Körperschaftsteuerguthaben i.S.v. § 37 KStG, minderte sich ihre Körperschaftsteuerschuld um 1/6 der Gewinnausschüttungen, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhten (§ 37 Abs. 2 Satz 3 KStG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG). Eine Körperschaftsteuerminderung kam damit ausschließlich aufgrund offener Gewinnausschüttungen oder ordnungsgemäßer Vorabausschüttungen in Betracht. Andere → Ausschüttungen, also insbes. vGA (→ Verdeckte Gewinnausschüttung), konnten keine Körperschaftsteuerminderung herbeiführen.
Beispiel 1:
Für die A-GmbH wurde zum 31.12.2001 ein Körperschaftsteuerguthaben i.H.v. 20 000 € festgestellt. In 2002 beschließt die A-GmbH eine Gewinnausschüttung für 2001 i.H.v. 90 000 € und zahlt diesen Betrag an ihre Anteilseigner aus.
Lösung 1:
Für die offene Gewinnausschüttung erhält die A-GmbH eine Körperschaftsteuerminderung i.H.v. 15 000 € (1/6 von 90 000 €) gutgeschrieben. Zum 31.12.2002 ist ein Körperschaftsteuerguthaben i.H.v. 5 000 € gesondert festzustellen.
Verfassungsrechtlich ist nicht zu beanstanden, dass die Realisation des Körperschaftsteuerguthabens ausschüttungsabhängig ausgestaltet war (BFH Urteil vom 2.2.2016, I R 21/14, BStBl II 2017, 794).
Für den Zeitpunkt der Berücksichtigung der Körperschaftsteuerminderung war entscheidend, wann die offene Gewinnausschüttung erfolgte, d.h. wann sie tatsächlich abfloss (vgl. BFH vom 19.12.2007, I R 52/07, BStBl II 2008, 431; BMF vom 6.11.2003, IV A 2-S 1910-156/03, BStBl I 2003, 575, Rn. 7 und 30). Die → Körperschaftsteuer wurde nämlich erst in dem VZ gemindert, in dem das Wirtschaftsjahrende des Abflusses lag. Für welches → Wirtschaftsjahr die offene Gewinnausschüttung beschlossen wurde, war – anders als unter dem Anrechnungsverfahren – völlig irrelevant. Eine Realisierung von Körperschaftsteuerguthaben war nur durch Gewinnausschüttungen möglich, die zeitlich nach dem Stichtag für die erstmalige Ermittlung des Guthabens erfolgten (vgl. BFH vom 19.12.2007, I R 52/07, BStBl II 2008, 431; BMF vom 6.11.2003, IV A 2-S 1910-156/03, BStBl I 2003, 575, Rn. 31).
Hinweis:
Überstieg der Körperschaftsteuerminderungsbetrag die aufgrund der regulären Gewinnermittlungsvorschriften errechnete tarifliche Körperschaftsteuer des VZ, war der übersteigende Betrag der Kapitalgesellschaft zu erstatten.
Beispiel 2:
Die X-GmbH (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) beschließt im Wirtschaftsjahr 2003 eine offene Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 2002, die auch 2003 ausgezahlt wird.
Lösung 2:
Die Minderung der Körperschaftsteuer tritt für den VZ 2003 ein.
Beispiel 3:
Die Y-GmbH (abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.7.–30.6.) beschließt im Oktober 2002 eine offene Gewinnausschüttung für das → Wirtschaftsjahr 2001/2002, die sofort ausgezahlt wird.
Lösung 3:
Die Minderung der → Körperschaftsteuer tritt für den VZ 2003 ein, da das → Wirtschaftsjahr 2002/2003, in dem die Gewinnausschüttung abfließt, im Kalenderjahr = VZ 2003 endet.
Hinweis:
Hat die Liquidation einer GmbH bereits am 1.1.1998 begonnen und kehrte die GmbH im Jahr 2001 Liquidationsraten an ihre Gesellschafter aus, konnte dies zu einer Minderung der für 2001 festzusetzenden Körperschaftsteuer führen (BFH vom 22.2.2006, I R 67/05, BStBl II 2008, 312, vgl. hierzu Nichtanwendungserlass des BMF vom 4.4.2008, IV B 7-S 2760/0, BStBl I 2008, 542).
In der gleichen Höhe, in der eine Körperschaftsteuerminderung gewährt wurde, reduzierte sich der Bestand des Körperschaftsteuerguthabens, der auf den Schluss des jeweils vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelt und festgestellt wurde (§ 37 Abs. 2 Satz 1 KStG). Das nach Verbrauch durch offene Gewinnausschüttungen oder Vorabausschüttungen verbleibende → Körperschaftsteuerguthaben war auf den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres (letztmalig auf den 31.12.2006) gesondert festzustellen (→ Gesonderte Feststellung; § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG).
Da aufgrund der attraktiven Möglichkeit, die eigene Körperschaftsteuerschuld durch → Ausschüttungen erheblich zu mindern, das Körperschaftsteueraufkommen in den Jahren nach dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren erheblich zurückging, wurden durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16.5.2003 (BGBl 2003, 660) folgende Beschränkungen zur Realisierung von Körperschaftsteuerminderungen eingeführt:
Zunächst wurde die Gewährung einer Körperschaftsteuerminderung für einen befristeten Zeitraum komplett eingestellt (§ 37 Abs. 2a Nr. 1 KStG). Dieses sog. Körperschaftsteuer-Moratorium galt für alle Gewinnausschüttungen, die nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 abflossen. Während dieser Zeit wurde das vorhandene → Körperschaftsteuerguthaben insgesamt eingefroren. Wurde der Gewinnausschüttungsbeschluss jedoch vor dem 21.11.2002 gefasst, ohne dass es bereits zu einem Abfluss der Gewinnausschüttung kam, wurde auch dann eine Körperschaftsteuerminderung nach den aufgezeigten Regelungen (d.h. i.H.v. 1/6 des Ausschüttungsbetrags) gewährt, wenn der Abfluss während des Moratoriums erfolgte (BMF vom 6.11.2003, IV A 2-S 1910-156/03, BStBl I 2003, 575). Zwischenzeitlich wurde entschieden, dass das Körperschaftsteuer-Moratorium verfassungskonform war (BFH vom 8.11.2006, I R 69/05, I R 70/05, BStBl II 2007, 662; OFD Münster vom 17.12.2007, DStR 2008, 202). Mit Beschluss vom 17.11.2009 (1 BvR 2192/05, DStR 2010, 434) hat das BVerfG jedoch die Unvereinbarkeit der Übergangsregelung vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nach § 36 Abs. 3 und 4 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt und den Gesetzgeber zur Neuregelung bis zum 1.1.2011 für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle verpflichtet. Anders als die Fachgerichte ist das BVerfG der Ansicht, dass die Umgliederung nach § 36 Abs. 3 und 4 KStG bei einzelnen Unternehmen zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotential führe, der bei einer anderen Ausgestaltung des Übergangs ohne Abstriche an den gesetzgeberischen Zielen vermieden werden könnte. Die Neuregelung wurde durch das → Jahressteuergesetz 2010 (BGBl I 2010, 1768) durch Streichung des § 36 Abs. 3 KStG und Einfügung des neuen § 36 Abs. 6a KStG für alle noch offenen Fälle umgesetzt (vgl. hierzu auch OFD Niedersachsen vom 15.4.2011, S 2860-3-St 242, DStR 2011, 1228). Zwischenzeitlich hat der BFH entschieden, dass die Neuregelung im JStG 2010 mit dem GG vereinbar ist (BFH Urteil vom 20.4.2011, I R 65/05, BStBl II 2011, 983). Zur Behandlung von Einsprüchen wegen behaupteter weiterhin bestehender Verfassungswidrigkeit vgl. OFD Rheinland vom 4.10.2011, KSt 45/2010.
Für Gewinnausschüttungen, die nach Ablauf des Moratoriums (also nach dem 31.12.2005 und vor dem 31.12.2006) abflossen, wurde die Körperschaftsteuerminderung auf einen jährlichen Höchstbetrag begrenzt (§ 37 Abs. 2a Nr. 2 KStG). Eine Körperschaftsteuerminderung wurde höchstens in der Höhe gewährt, die sich bei gleichmäßiger Verteilung des auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten Körperschaftsteuerguthabens auf die restlichen Jahre des Übergangszeitraums ergab. Für den Fall, dass 1/6 des Ausschüttungsbetrags den errechneten Höchstbetrag überstiegen, war somit höchstens eine Körperschaftsteuerminderung i.H.d. Höchstbetrags zu erreichen.
Beispiel 4:
Die B-GmbH (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) verfügt zum 31.12.2005 über ein Körperschaftsteuerguthaben i.H.v. 1 400 000 €. Im Jahr 2006 wird eine offene Gewinnausschüttung i.H.v. 900 000 € beschlossen und an die Anteilseigner ausgezahlt.
Lösung 4:
Grundsätzlich ist eine Körperschaftsteuerminderung i.H.v. 150 000 € (1/6 von 900 000 €) zu gewähren (§ 37 Abs. 2 Satz 3 KStG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG). Die Körperschaftsteuerminderung ist jedoch gem. § 37 Abs. 2a Nr. 2 KStG auf 100 000 € (1/14 von 1 400 000 €) begrenzt. Das Körperschaftsteuerguthaben der B-GmbH ist letztmalig auf den 31.12.2006 zu ermitteln und beträgt 1 300 000 €.
Nach der Systematik des Halbeinkünfteverfahrens (→ Halbeinkünfteverfahren) können Gewinnausschüttungen von anderen → Kapitalgesellschaften grundsätzlich steuerfrei vereinnahmt werden (§ 8b Abs. 1 KStG). Eine offene Gewinnausschüttung könnte daher im Konzern zur Realisierung einer Körperschaftsteuerminderung genutzt werden, ohne dass es zu einer Steuerbelastung kommt. Um diesem Konzernprivileg entgegenzuwirken, sieht § 37 Abs. 3 KStG eine sog. Nachversteuerung vor. Danach erhöhte sich bei der empfangenden Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Abflusses der Gewinnausschüttung die → Körperschaftsteuer und das → Körperschaftsteuerguthaben um den anteiligen Betrag der Körperschaftsteuerminderung der ausschüttenden Gesellschaft. Die → Körperschaftsteuererhöhung war unabhängig von der Höhe des zu versteuernden Einkommens der empfangenden Kapitalgesellschaft und trat somit auch bei einem negativen zu versteuernden Einkommen ein. Auch ein Rechtsformwechsel von einer Kapital- in eine Personengesellschaft konnte zur Entstehung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrags nach § 37 Abs. 3 KStG führen (FG Schleswig-Holstein vom 26.9.2012, 1 K 229/09, EFG 2013, 81). Verfahrensrechtlich war die ausschüttende Gesellschaft verpflichtet, eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen, aus der sich u.a. der Körperschaftsteuerminderungsbetrag ergab (BMF vom 20.2.2001, IV A 2-S 2932-3/01, BStBl I 2001, 235).
Hinweis:
Die Finanzverwaltung vertrat die Ansicht, dass das bei der empfangenden Kapitalgesellschaft entstehende Körperschaftsteuerguthaben erst bei → Ausschüttungen in nachfolgenden Wirtschaftsjahren realisiert werden konnte (OFD Hannover vom 28.9.2007, S 2600-15-StO242, DStR 2007, 2214; BMF vom 6.11.2003, IV A 2-S 1910-156/03, BStBl I 2003, 575, Rn. 40). Der BFH hat hingegen entschieden, dass ein durch die sog. Nachsteuerregelung begründetes Körperschaftsteuerguthaben noch im selben Jahr realisiert werden konnte. Hierbei sollte es weder darauf ankommen, ob es sich bei der vorgenommenen Gewinnausschüttung um eine Vorabausschüttung oder eine Ausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr handelt, noch darauf, in welcher zeitlichen Reihenfolge die erhaltene und die vorgenommene Gewinnausschüttung erfolgen (BFH vom 28.11.2007, I R 42/07, BStBl II 2008, 390, vgl. auch BFH Beschluss vom 5.4.2005, I B 221/04, BStBl II 2005, 526).
Die Nachsteuer gem. § 37 Abs. 3 KStG trat auch für den Fall ein, dass die dem Grunde nach empfangende Kapitalgesellschaft den Gewinnanspruch vor der Beschlussfassung über die Ausschüttung abtrat und die ausschüttende Gesellschaft die Gewinnausschüttung unmittelbar an den Erwerber des Gewinnanspruchs auszahlte und die Körperschaftsteuerminderung nach § 37 Abs. 2 KStG in Anspruch nahm. Denn der Anteilseigner erhielt aufgrund der Abtretung des Gewinnanspruchs steuerfreie Bezüge nach § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a EStG (FG München vom 8.3.2013, 6 K 1256/12, EFG 2013, 1009; FG Hessen vom 16.2.2012, 4 K 1130/10, EFG 2012, 1187; LfSt Bayern vom 3.12.2009, S 2861.1.1-6/3 St 31, DB 2010, 366; FinMin Schleswig-Holstein vom 29.10.2012, DStR 2013, 593). Nach Auffassung des BFH (Urteil vom 15.3.2021, I R 80/17, BeckRS 2021, 23395) liege bei Veräußerung/Abtretung eines künftigen Dividendenausschüttungsanspruches vom Aktieninhaber an einen Dritten zwar für eine KapGes ein Bezug i.S.d. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (heute Satz 5) vor, dieser führe aber nicht unmittelbar zu einer Körperschaftsteuerminderung bei der die Dividende leistenden Gesellschaft, sodass es nicht zu einer sog. Nachsteuer i.S.d. § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG komme.
Lang, Körperschaftsteuererhöhung und -minderung bei offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen während der fünfzehnjährigen Übergangszeit, DB 2001, 2110; Lornsen-Veit/Möbus, Erhebliche Einschränkungen bei der Nutzung des Körperschaftsteuer-Guthabens durch den neuen § 37 Abs. 2a KStG, BB 2003, 1154; Ortmann-Babel/Bolik, Praxisprobleme des SEStEG bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 KStG n.F., BB 2006, 73; Schnitger, Vernichtung von Körperschaftsteuerguthaben durch die Ausschüttungsfunktion des § 10 UmwStG bei Umwandlung einer Kapital- in eine Personengesellschaft?, DStR 2003, 768; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG, DStR 2006, 1481; Winkeljohann/Fuhrmann, SEStEG: Einlagekonto, Körperschaftsteuer-Guthaben und Nachversteuerung von EK 02-Beträgen auf dem Weg nach Europa, DB 2006, 1862; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Ortmann-Babel/Bolik, Praxisprobleme des SEStEG bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 KStG n.F., BB 2007, 73; Schiffers, Systemänderung bei KSt-Guthaben und steuerlichem Einlagekonto, GmbH-StB 2007, 76; Förster/Felchner, Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens nach dem SEStEG, DStR 2007, 280; Streck/Binnewies, Hat das verfassungsrechtliche Fiskalspiel mit dem Körperschaftsteuerguthaben nunmehr das Schlussdrittel erreicht?, DB 2007, 359; Grube/Chuchra, Steuerliche Behandlung des Zinsanteils und Körperschaftsteuerguthabens i.S.d. § 37 Abs. 5 KStG, BB 2007, 1479; Heinstein, Realisierung des Guthabens aus Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag (!) nach § 37 V KStG, DStR 2008, 381; Sterzinger, Probleme bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens im Insolvenzverfahren, BB 2008, 1480; Ortmann-Babel/Bolik, Keine steuerwirksamen Teilwertabschreibungen auf das Körperschaftsteuerguthaben, DB 2008, 2107; Kiontke, Körperschaftsteuerguthaben nach Änderung durch das SEStEG, NWB 2008, Fach 4, 5403; Ladiges, Der Auszahlungsanspruch nach § 37 Abs. 5 KStG – Probleme bei Aufrechnung und Insolvenz, DStR 2008, 2041; Sedemund/Schreiber, Abtretung des Körperschaftsteuerguthabens: Möglichkeiten, Hindernisse und Auswege, DB 2009, 697; Mentel, Die steuerliche Behandlung des Körperschaftsteuerguthabens in Umwandlungsfällen, SteuK 2010, 90; Drüen, Unternehmensbesteuerung und Verfassung im Lichte der jüngsten Rspr. des BVerfG – Anmerkungen zum Beschluss des BVerfG vom 17.11.2009 zur Verfassungswidrigkeit von Umgliederungsverlusten beim Körperschaftsteuerminderungspotential, DStR 2010, 513; Baumhoff, Vorgezogene Auszahlung von Körperschaftsteuerguthaben, Ubg 2010, 182; Binnewies, Das Ende des Fiskalspiels mit dem Körperschaftsteuer-Guthaben, GmbHR 2010, 408; Hubertus/Fürwentsches, Das Körperschaftsteuerguthaben in der Insolvenz, DStR 2010, 2382; Gundlach/Rautmann, Aufrechnung des Finanzamts mit dem Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 5 KStG in der Insolvenz – Zugleich Anmerkung zum BFH-Urteil vom 23.2.2011, I R 20/10, DStR 2011, 1404; Kasperczyk/Hübner, Wie viel vernichtetes Körperschaftsteuerguthaben kann gerettet werden? – Verfahrensrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Körperschaftsteuerguthaben gemäß JStG 2010, DStR 2011, 1446; Holst/Nitzschke, Vernichtung von Körperschaftsteuerminderungspotenzial trotz der Neuregelung durch das JStG 2010, DStR 2011, 1450; von Craushaar/Holdt, BFH: Keine Aufrechnung gegen Körperschaftsteuerguthaben im Insolvenzverfahren, BB 2011, 1701; Forchhammer, Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Umgliederung des vEK beim Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren, SteuK 2012, 20; Kerst, Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Umgliederung des verwendbaren Eigenkapitals beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren, GWR 2012, 26; Binnewies, Körperschaftsteuer-Guthaben und kein Ende?, GmbHR 2014, 1184; Breindl, Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens im Rahmen einer Liquidation, SteuK 2016, 324; Roth, Verwirklichung des Körperschaftsteuerguthabens bei Liquidation, GWR 2016, 410; Weiss, Behandlung des Körperschaftsteuerguthabens (§ 37 KStG) nach einem Formwechsel, SteuK 2016, 532.
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