1 Gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen
2 Steuerentstehung und Steuerschuldnerschaft
2.1 Steuerentstehung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG
2.2 Steuerschuldnerschaft
3 Unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG
3.1 Allgemeine Tatbestände
3.2 Fallgruppen des § 14c Abs. 1 UStG
3.3 Rechtsfolgen
3.4 Rechnungsberichtigung
3.5 Rechnungserteilung i.S.d. § 14c UStG an Nichtunternehmer
3.6 Zu niedriger Steuerausweis
3.7 Gefährdung des Steueraufkommens
3.8 Festsetzung von Nachzahlungszinsen
3.9 Rückwirkung der Rechnungsberichtigung i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG
4 Unberechtigter Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG
4.1 Allgemeine Tatbestände
4.2 Abrechnung mittels Gutschrift
4.2.1 Gutschrift als Rechnung i.S.d. § 14c UStG
4.2.2 Gutschrifterteilung an Nichtunternehmer
4.2.3 Gutschrifterteilung an Unternehmer
4.3 Mindestangaben einer Rechnung i.S.d. § 14c UStG
4.4 Fallgruppen des § 14c Abs. 2 UStG
4.5 Mitwirkung bei der Rechnungserteilung
4.6 Rechnungsberichtigung
4.6.1 Gefährdung des Steueraufkommens
4.6.1.1 Überblick über die Rechtsprechung
4.6.1.2 Gesetzliche Regelung
4.6.2 Das Berichtigungsverfahren
4.6.2.1 Rechnungsberichtigung
4.6.2.2 Berichtigungsantrag
4.6.2.3 Berichtigungszustimmung
4.6.2.4 Berichtigungshandlung sowie deren Wirkung
4.6.3 Umsatzsteuer nach § 14c UStG im Insolvenzverfahren
5 Zusammenfassung
6 Bilanzierung von Steuernachforderungen bei mehrfachem Umsatzsteuerausweis i.S.v. § 14c UStG
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
§ 14c UStG beruht auf den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art. 203 MwStSystRL. Danach wird die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
Mit Urteil vom 18.3.2021 (C-48/20, LEXinform 5217304) musste der EuGH zu der Frage Stellung nehmen, ob bei verkannter Steuerpflicht eine Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellter USt zulässig ist.
Der EuGH hat klargestellt, dass die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer vom Aussteller dieser Rechnung nach Art. 203 MwStSystRL geschuldet wird, auch wenn jeder tatsächlich stpfl. Umsatz fehlt. Diese Bestimmung soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug nach dieser Richtlinie ergeben kann.
Was insbes. die Erstattung von fälschlich in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer angeht, hat der EuGH entschieden, dass die MwStSystRL keine Bestimmung über die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter MwSt durch den Aussteller der Rechnung enthält und dass es unter diesen Umständen grds. Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte MwSt berichtigt werden kann (EuGH vom 2.7.2020, C-835/18, UR 2020, 685, LEXinform 0651659, Rz. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, zur Gewährleistung der Neutralität der Mehrwertsteuer in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung die Möglichkeit vorzusehen, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist (EuGH C-835/18, Rz. 27).
Mit Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21, LEXinform 0953009) hat der EuGH entschieden, dass Art. 203 MwStSystRL (§ 14c UStG) nicht zur Anwendung kommt und der Rechnungsaussteller die in der Rechnung zu hoch ausgewiesene MwSt nicht schuldet, wenn er die Rechnungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ausgestellt hat (s.u. den Gliederungspunkt »Rechnungserteilung i.S.d. § 14c UStG an Nichtunternehmer«).
Hinweis:
Die Rechnungsberichtigung gem. § 14c Abs. 2 UStG eines unberechtigten Steuerausweises ist nach nationaler Rechtsauffassung nur zulässig, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wurde. Auf den guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung kommt es (dann) nicht an (Abschn. 14c.2. Abs. 3 Satz 1 und 4 UStAE). Aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 15.10.1998 (V R 38/97, V R 61/97, BFH/NV 1999, 576, LEXinform 0550258) hat der EuGH mit Urteil vom 19.9.2000 (C-454/98, LEXinform 0163635, Rz. 60) diese nationale Vorgehensweise bestätigt (s.a. Nachfolgeentscheidung des BFH vom 22.2.2001, V R 5/99, BStBl II 2004, 143).
Zur Entstehung der Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (Art. 203 MwStSystRL), hat der EuGH mit Urteil vom 18.6.2009 (C-566/07 – Stadeco BV, UR 2009, 647, LEXinform 0589170) entschieden, dass jede Person die auf einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon schuldet, ob sie aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes verpflichtet ist, diese zu entrichten. Anders als in den Fällen, in denen die Steuerschuld möglicherweise aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes entsteht, ist demzufolge der Ort der in Rechnung gestellten Dienstleistung für die Entstehung der Steuerschuld nach Art. 203 MwStSystRL, die ausschließlich geschuldet wird, weil die Mehrwertsteuer in dieser Rechnung ausgewiesen ist, unerheblich. Art. 203 MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass nach dieser Bestimmung die Mehrwertsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, dessen Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausgewiesen ist, selbst wenn der fragliche Umsatz in diesem Mitgliedstaat nicht stpfl. war. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände ist zu prüfen, der Mehrwertsteuer welchen Mitgliedstaats die in der fraglichen Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer entspricht. Insoweit können u.a. der ausgewiesene Mehrwertsteuersatz, die Währung des angegebenen Rechnungsbetrags, die Sprache, in der die Rechnung ausgestellt ist, der Inhalt und der Kontext der fraglichen Rechnung, die Orte, an denen der Aussteller der Rechnung und der Empfänger der Dienstleistung niedergelassen sind, sowie deren Verhalten maßgeblich sein.
In den Fällen des § 14c UStG entsteht die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
Mit Urteil vom 8.9.2011 (V R 5/10, BStBl II 2012, 620) hat der BFH entschieden, dass die Steuerschuld aufgrund eines Steuerausweises in der Rechnung erst mit der Ausgabe der Rechnung entsteht. Im entschiedenen Fall hatte der Unternehmer für im Inland nicht steuerbare Leistungen Rechnungen mit gesondert ausgewiesener USt ausgegeben.
Für die Steuerentstehung ist nicht zu unterscheiden, ob
Fall 1 |
für eine stpfl. Leistung ein höherer Steuerbetrag ausgewiesen wird, |
Fall 2 |
über eine nicht steuerbare oder steuerfreie Leistung die USt gesondert ausgewiesen wird oder |
Fall 3 |
z.B. über eine nicht ausgeführte Leistung abgerechnet wird. |
In Fall 1 entsteht der nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geschuldete Mehrbetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in dem Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung. Aus Vereinfachungsgründen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer den Mehrbetrag für den Voranmeldungszeitraum anmeldet, mit dessen Ablauf die Steuer für die zugrunde liegende Leistung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder b UStG entsteht (Abschn. 13.7. Satz 2 UStAE).
Beispiel 1:
Unternehmer U verkauft im Voranmeldungszeitraum Januar 01 einen Rollstuhl (Position 8713 des Zolltarifs) für insgesamt 238 € und weist in der am 2.2.01 ausgegebenen Rechnung unter Anwendung des Steuersatzes von 19 % eine darin enthaltene USt i.H.v. 38 € gesondert aus.
Lösung 1:
S.a. das Beispiel in Abschn. 13.7. UStAE.
Die gesetzlich geschuldete Steuer i.H.v. 7 % entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Januar 01. Der nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geschuldete Mehrbetrag entsteht im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung im Februar 01. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer die in der Rechnung ausgewiesene Steuer in voller Höhe für den Voranmeldungszeitraum Januar 01 anmeldet.
Weist der leistende Unternehmer in einer berichtigten Rechnung über eine stpfl. Leistung (Nachberechnung) einen höheren Steuerbetrag aus, als er nach dem Gesetz schuldet, entsteht die nach § 14 c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist (Abschn. 13.7. Satz 1 und 2 UStAE; BFH Urteil vom 5.6.2014 (XI R 44/12, BStBl II 2016, 187). Aus Vereinfachungsgründen wird es jedoch nicht beanstandet, wenn der Unternehmer den Mehrbetrag für den Voranmeldungszeitraum anmeldet, mit dessen Ablauf die Steuer für die zugrunde liegende Leistung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder b UStG entsteht.
In Fall 2 entsteht die Steuer ebenfalls nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung (BFH Urteil vom 8.9.2011, V R 5/10, BStBl II 2012, 620).
Beispiel 2:
Im Rahmen einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) veräußert Unternehmer U am 15.12.01 sein Unternehmen an einen anderen Unternehmer. Am 2.2.02 gibt U eine Rechnung aus, in der er irrtümlich USt gesondert ausweist.
Lösung 2:
Die nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geschuldete Steuer entsteht mit Ausgabe der Rechnung am 2.2.02.
Mit Urteil vom 27.5.2020 (3 K 654/18, EFG 2020, 1451, LEXinform 5023134, rkr.) hat das FG München entschieden, dass ein Unternehmer die deutsche USt nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet, wenn er für Umsätze im Versandhandel nach Österreich in den Rechnungen deutsche USt ausgewiesen und an den deutschen Fiskus abgeführt hat, obwohl die Lieferschwelle nach § 3c UStG überschritten war und die Umsätze deswegen in Österreich umsatzsteuerbar und -pflichtig waren (→ Ort der Lieferung). Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei den österreichischen Leistungsempfängern um Unternehmer oder Nichtunternehmer handelt.
In Fall 3 entsteht die Steuer ebenfalls nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
Beispiel 3:
Unternehmer U weist in der am 2.2.01 ausgegebenen Rechnung »Malerarbeiten in Büroräumen« aus, während die Mahlerarbeiten tatsächlich in der Wohnung des Leistungsempfängers ausgeführt worden sind.
Lösung 3:
Der Unternehmer weist einen Steuerbetrag für eine Leistung aus, die er nicht erbracht hat (Abschn. 14c.2 Abs. 2 Nr. 3 Beispiel d; § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG schuldet U den unberechtigt ausgewiesen Steuerbetrag gem. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG. Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung.
Sind die Angaben über den Liefergegenstand oder über Art und Umfang der ausgeführten sonstigen Leistung in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG) unrichtig oder ungenau, ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich ausgeschlossen (Abschn. 15.11. Abs. 3 Satz 5 UStAE; vgl. wegen der Einzelheiten Abschn. 15.2a. Abs. 5 Nr. 1 UStAE).
Steuerschuldner ist in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG der Unternehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Steuerschuldner ist in den Fällen des § 14c Abs. 2 UStG der Aussteller der Rechnung (§ 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG).
Bei Umsätzen zwischen Betriebsabteilungen desselben Unternehmens oder innerhalb eines Organkreises handelt es sich nicht um steuerbare Lieferungen oder sonstige Leistungen, sondern um innerbetriebliche Vorgänge (sog. Innenumsätze). Werden für sie Belege mit gesondertem Steuerausweis erteilt, sind diese Belege nicht als Rechnungen i.S.d. § 14c UStG, sondern als unternehmensinterne Buchungsbelege zu beurteilen. Die darin ausgewiesene Steuer wird nicht nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet (BFH Urteil vom 28.10.2010, V R 7/10, BStBl II 2011, 391, Abschn. 14.1. Abs. 4 und 14c.2. Abs. 2a UStAE).
Die Tatbestandsmerkmale des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG sind:
Unternehmer,
Rechnung,
Ausführung einer Lieferung oder sonstigen Leistung,
gesonderter Ausweis eines höheren als des geschuldeten Steuerbetrages (unrichtiger Steuerausweis).
Danach wird deutlich, dass § 14c Abs. 1 UStG nur Unternehmer betrifft, die auch persönlich zum gesonderten Ausweis der USt in einer Rechnung berechtigt sind (→ Rechnung). Der gesondert in der Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag ist höher als der Betrag, der normalerweise für den Umsatz geschuldet wird. Der gesondert ausgewiesene Betrag ist falsch (unrichtig).
Weist allerdings eine Person, die nicht zur Ausstellung von Rechnungen befugt ist, in einer Rechnung USt gesondert aus, liegt ein Fall des § 14c Abs. 2 UStG (unberechtigter Steuerausweis) vor. Die Rechtsfolgen treten unabhängig davon ein, ob die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 und § 14a UStG aufgeführten Angaben enthält, die abstrakte Gefahr einer Vorsteuerinanspruchnahme ist ausreichend (Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 2 UStAE; BFH Urteil vom 17.2.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, 734; s.a. Streit u.a., UR 2021, 689). Die abstrakte Gefahr einer Vorsteuerinanspruchnahme ist dann gegeben, wenn die Rechnung
den Rechnungsaussteller,
den Leistungsempfänger,
eine Leistungsbeschreibung sowie
das Entgelt und
die gesondert ausgewiesene USt
enthält (Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 3 UStAE; s.a. Abschn. 15.2a. Abs. 1 Satz 3 UStAE; → Rechnung unter Gliederungspunkt »Rechnungsberichtigung«). Als Angabe zum Entgelt genügt es bereits, wenn durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt ohne Weiteres errechnet werden kann (Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 4 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 20.12.2022, BStBl I 2022, 1694).
Bei Dauerschuldverhältnissen kann sich eine Rechnung auch aus verschiedenen Elementen zusammensetzen (Miet- oder Pachtvertrag und monatliche Kontoauszüge oder andere Zahlungsbelege), wobei sich ein Teil der Rechnungsbestandteile wie Leistungsgegenstand, leistender Unternehmer und Leistungsempfänger und monatliches Entgelt, Steuerbetrag und Steuersatz aus dem Vertrag ergeben und der konkrete Leistungszeitraum aus dem jeweiligen Kontoauszug ersichtlich ist.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 11.4.2022 (7 K 7031/19, LEXinform 5024864; Rev. eingelegt, Az. beim BFH: V R 16/22, LEXinform 0954366) zu den Anforderungen an Rechnungen i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG beim Wechsel des Eigentums an einer vom bisherigen Eigentümer teilweise unberechtigt unter Umsatzsteuerausweis vermieteten Immobilie Folgendes entschieden:
Erwirbt der Unternehmer eine vom bisherigen Eigentümer teilweise unberechtigt unter Umsatzsteuerausweis vermietete Immobilie, ist den betroffenen Mietern durch den Erwerber oder in ihm zuzurechnender Weise mitgeteilt worden, dass nach dem Übergang des Eigentums am Grundstück nunmehr der neue Eigentümer der Vermieter ist, und gehen die Mieten nunmehr auf dem Bankkonto des Erwerbers ein, so muss der neue Eigentümer sich die nicht von ihm selbst abgeschlossenen, unberechtigt USt ausweisenden Mietverträge zusammen mit den weiteren Unterlagen (z.B. seinen Kontoauszügen) in der Weise zurechnen lassen, dass ihm zuzurechnende Rechnungen vorliegen, die ihn als Leistenden bezeichnen und die er i.S.v. § 14c Abs. 1 UStG ausgestellt hat.
Durch die von den Mietern vorgenommene Bezeichnung des neuen Eigentümers als Zahlungsempfänger in seinem Einverständnis stellt der jeweilige Zahlungsbeleg gleichzeitig eine Änderung der Bezeichnung des Leistenden aus dem Mietvertrag und eine Änderung des Rechnungsausstellers dar. Denn die Mieter haben – wie bei einer Gutschrift – im Einverständnis mit dem neuen Eigentümer den auf diesen jeweils lautenden Zahlungsbeleg erzeugt und so konkludent auch den jeweiligen Mietvertrag insoweit geändert, dass der neue Erwerber nunmehr bezeichnet ist.
Ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, wird nicht i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet (BFH vom 26.6.2019, XI R 5/18, BStBl II 2023, 521). Ist der ausgewiesene Betrag (negativ und damit) zu niedrig, ist er kein »Mehrbetrag« i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG (vgl. Abschn. 14c.1. Abs. 9 UStAE, s.u. den Gliederungspunkt »Zu niedriger Steuerausweis«).
Zu den Folgen aus dem BFH-Urteil vom 26.6.2019 (XI R 5/18, BStBl II 2023, 521) nimmt das BMF mit Schreiben vom 18.4.2023 (BStBl I 2023, 776) Stellung und fügt in Abschn. 14c.1. UStAE Abs. 4a und in Abschn. 14c.2. UStAE Abs. 2b neu ein.
In dem entschiedenen Fall des BFH-Urteils XI R 5/18 waren die ausgewiesenen Beträge jeweils hinter dem Eurozeichen mit einem Bindestrich versehen, der vom BFH als Minuszeichen gewertet wurde. Vom Aussteller des Dokuments wurde mit diesen negativen Beträgen aber nicht (unberechtigt) über von ihm angeblich erbrachte Leistungen abgerechnet, sondern über einen sich aus einer Jahreskonditionsvereinbarung ergebenden »Bonus«. Dieser »Bonus« (Rückvergütungen, Rabatte u.Ä.) war als Entgeltminderung für die ursprünglichen Leistungen des Empfängers des Dokuments an den Aussteller des Dokuments vereinbart worden und vom Empfänger des Dokuments zu zahlen.
Außerdem hat der BFH mit o.a. Urteil entschieden, dass bei der Prüfung, ob in einem Dokument über eine Leistung abgerechnet wird, der Inhalt weiterer Dokumente jedenfalls dann ergänzend heranzuziehen ist, wenn in der Abrechnung auf diese Dokumente verwiesen wird.
Soweit der Aussteller eines Dokuments mit diesem nicht (unberechtigt) über eine von ihm (angeblich) erbrachte Leistung, sondern über eine Entgeltminderung abrechnet und dies zusätzlich durch ein Minuszeichen bei dem offen ausgewiesenen Betrag zum Ausdruck bringt, wird dieser negative Betrag nach der Entscheidung XI R 5/18, Rz. 37 ff. nicht nach § 14c UStG geschuldet (s.a. Abschn. 14c.1. Abs. 4a UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 18.4.2023, BStBl I 2023, 776).
Ein negativer Betrag ist auch kein »ausgewiesener Betrag« i.S.d. § 14c Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG oder eine »Mehrwertsteuer« i.S.d. Art. 203 MwStSystRL, der bzw. die vom Rechnungsaussteller »geschuldet« werden kann. Ein nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG, Art. 203 MwStSystRL vom Rechnungsaussteller »geschuldeter« Betrag muss positiv sein. § 14c UStG begründet eine Steuerschuld, wenn ein Umsatz mit einem höheren Steuerbetrag abgerechnet wird, als das UStG für den Umsatz fordert (s.a. Anmerkung vom 30.10.2019, LEXinform 0881914).
Bei dem negativen Betrag handelt sich weder um einen »Mehrbetrag« i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG noch um einen »ausgewiesenen Betrag« i.S.d. § 14c Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG (BMF vom 18.4.2023, BStBl I 2023, 776, Rz. 6 und 7; s.a. Abschn. 14c.2. Abs. 2b UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 18.4.2023).
Beachte:
Soweit der Aussteller des Dokuments mit diesem hingegen (unberechtigt) eine von ihm (angeblich) erbrachte Leistung abrechnet und der insoweit offen ausgewiesene Betrag ein Minuszeichen enthält, das aber bspw. nur eine Zahlungsverpflichtung des Leistungsempfängers an den Leistenden ausdrücken soll, ist § 14c UStG bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen anwendbar, da in diesem Fall kein »negativer Betrag« i.S.d. Entscheidung XI R 5/18 vorliegt, BMF vom 18.4.2023, Rz. 8).
Ob in Fällen der Gutschrift i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG etwas anderes gelten könnte, wenn mit dem Minuszeichen zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer die Zahlung des genannten Umsatzsteuerbetrages schuldet, sodass insoweit vom leistenden Unternehmer ein positiver Betrag offen ausgewiesen sein könnte, musste im Streitfall XI R 5/18 nicht entschieden werden. Denn daraus könnte sich allenfalls eine Steuerschuldnerschaft des (ihr nicht widersprechenden) Empfängers der Gutschrift ergeben.
In Rz. 11 seines Schreibens nimmt das BMF zur Abrechnung mittels Gutschrift Stellung. Für Fälle der Gutschrift i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG, in denen mit einem Minuszeichen zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer die Zahlung des genannten Umsatzsteuerbetrages schuldet, ist die Entscheidung XI R 5/18 nicht anwendbar, wenn in diesen Fällen (unberechtigt) über eine (angeblich) erbrachte Leistung abgerechnet werden soll. Dabei kann sich eine Steuerschuldnerschaft des Empfängers der Gutschrift ergeben (vgl. Abschn. 14c.1. Abs. 3 UStAE und BMF vom 19.8.2021, BStBl I 2021, 1087; s.u. den Gliederungspunkt »Unberechtigter Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG « und dort »Abrechnung mittels Gutschrift«).
§ 14c Abs. 1 UStG begründet eine Steuerschuld des Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, wenn ein Umsatz mit einem höheren Steuerbetrag abgerechnet wird, als das UStG für den Umsatz fordert. Von § 14c Abs. 1 UStG werden folgende Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis erfasst (Abschn. 14c.1. Abs. 1 UStAE):
Rechnungen für
stpfl. Leistungen, wenn eine höhere als die dafür geschuldete Steuer ausgewiesen wurde,
stpfl. Leistungen in den Fällen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (s.a. Abschn. 13b.14. Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Weist der leistende Unternehmer in einer Rechnung USt offen aus, obwohl der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, schuldet der leistende Unternehmer diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG (BFH vom 12.10.2016, XI R 43/14, BStBl II 2022, 566 und vom 31.5.2017, V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202, LEXinform 5908591),
steuerfreie Leistungen,
nicht steuerbare Leistungen (unentgeltliche Leistungen, Leistungen im Ausland und Geschäftsveräußerungen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG),
nicht versteuerte stpfl. Leistungen, wenn die Steuer für die Leistung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) nicht mehr erhoben werden kann;
weist ein Unternehmer in einer Rechnung USt gesondert erst zu einem Zeitpunkt aus, in dem die ursprünglich entstandene Steuer für seine Leistung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr erhoben werden kann, so schuldet er die ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG (BFH Urteil vom 13.11.2003, V R 79/01, BStBl II 2004, 375),
Kleinbeträge, wenn ein zu hoher Steuersatz angegeben ist,
Fahrausweise, wenn ein zu hoher Steuersatz angegeben ist.
Die Angabe einer falschen Beförderungsstrecke nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG führt für sich allein noch nicht zu einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG, da diese nicht zu den Mindestangaben nach § 34 Abs. 1 UStDV gehört (Abschn. 14c.1. Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Beachte:
Mit Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2886) wird der Umsatzsteuersatz für die Beförderung von Personen im inländischen Schienenbahnverkehr ermäßigt besteuert (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG n.F.).
Mit Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2886) wird § 34 Abs. 1 Satz 2 UStDV aufgehoben. Die Angabe der Tarifentfernung auf Fahrausweisen der Eisenbahnen ist nicht mehr notwendig. Sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr ist immer der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, daher ist in beiden Fällen bereits § 34 Abs. 1 Nr. 4 UStDV erfüllt.
§ 14c Abs. 1 UStG gilt auch
für Gutschriften i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG, soweit der Gutschriftempfänger einem zu hohen Steuerbetrag nicht widerspricht (Abschn. 14c.1. Abs. 3 UStAE);
wenn der Steuerbetrag von einem zu hohen Entgelt berechnet wurde oder
wenn für ein und dieselbe Leistung mehrere Rechnungen ausgestellt worden sind (Abschn. 14c.1. Abs. 4 UStAE; → Rechnung unter Gliederungspunkt »Mehrere Rechnungen über dieselbe Leistung«). Die OFD Frankfurt weist mit Vfg. vom 3.12.2012 (S 7300 A – 131 – St 128, DStR 2013, 1190) auf typische Abrechnungsfehler hin. Mehrfachabrechnungen erfolgen dabei häufig bei Gesamtabrechnungen sowie bei der Abrechnung von Fahrausweisen.
Die zu hoch ausgewiesene Steuer wird vom Unternehmer geschuldet, obwohl der Leistungsempfänger diese Steuer nicht als Vorsteuer abziehen kann (Abschn. 14c.1. Abs. 1 Satz 6 UStAE; Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 1 und 2 UStAE; → Vorsteuerabzug). Nach dem Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kommt ein Vorsteuerabzug nur insoweit in Betracht, als die USt für die Leistung gesetzlich geschuldet wird.
Hat der Leistungsempfänger entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG einen höheren Betrag als die für die Lieferung oder sonstige Leistung gesetzlich geschuldete Steuer als Vorsteuer geltend gemacht, hat er den Mehrbetrag an das FA zurückzuzahlen. Die Rückzahlung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, für den der Mehrbetrag als Vorsteuer abgezogen wurde (Abschn. 14c.1. Abs. 10 UStAE).
Zusätzlich zu der gesetzlichen USt schuldet der Unternehmer auch den Mehrbetrag, und zwar auch dann, wenn der Empfänger lediglich einen pauschalen Vorsteuerabzug hat (→ Land- und Forstwirtschaft) oder gar nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (→ Kleinunternehmer).
Beachte:
Mit Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21, LEXinform 0953009) hat der EuGH entschieden, dass Art. 203 MwStSystRL (§ 14c UStG) nicht zur Anwendung kommt und der Rechnungsaussteller die in der Rechnung zu hoch ausgewiesene MwSt nicht schuldet, wenn er die Rechnungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ausgestellt hat (s.u. den Gliederungspunkt »Rechnungserteilung i.S.d. § 14c UStG an Nichtunternehmer«).
Hat der leistende Unternehmer in einer Endrechnung die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge nicht nach § 14 Abs. 5 Satz 2 UStG abgesetzt, ist die zu hoch ausgewiesene USt nicht als Vorsteuer abziehbar (BFH Urteil vom 11.4.2002, V R 26/01, BStBl II 2004, 317; Abschn. 15.2a. Abs. 8 UStAE).
Ein teilweiser Vorsteuerabzug ist möglich, wenn eine Steuer für den Umsatz geschuldet, jedoch eine höhere als die geschuldete Steuer ausgewiesen wird, z.B. wegen Irrtums beim Steuersatz oder weil von einer zu hohen Bemessungsgrundlage ausgegangen wurde (vgl. Abschn. 14c. Abs. 1 Nr. 1 UStAE).
Beispiel 4:
Ein Unternehmer erteilt nachstehende Abrechnung über einen Umsatz, der dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG unterliegt:
Entgelt |
1 000 € |
+ 19 % USt |
190 € |
Rechnungsbetrag |
1 190 € |
Lösung 4:
Der Unternehmer schuldet für den Umsatz 7/107 von 1 190 € = 77,85 €; nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet er auch den Differenzbetrag von 112,15 €.
Der Leistungsempfänger hat i.H.v. 77,85 € einen Vorsteuerabzug. Nach Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet.
Beispiel 5:
Getränkehändler G beliefert im September 2020 den Hotelier H mit Getränken. Die Rechnung des G vom 9.9.2020 lautet: Getränke 3 500 € + 19 % USt i.H.v. 665 €, insgesamt 4 165 €. H zahlt die Rechnung i.H.v. 4 165 € am 5.10.2020. G und H sind jeweils Sollversteuerer, der Voranmeldungszeitraum ist der Kalendermonat.
Lösung 5:
Mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums September 2020 entsteht eine USt i.H.v. (4 165 € : 116 × 16 =) 574,48 € (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG), die die gesetzlich geschuldete USt gem. § 12 Abs. 1 UStG i.V.m. § 28 Abs. 1 UStG 16 % beträgt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der leistende Unternehmer G vom Leistungsempfänger H für die Leistung erhält (4 165 €) abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten USt (4 165 € ./. 574, 48 €) = 3 590,52 €. Neben der gesetzlich geschuldeten USt von 574,48 € schuldet G auch die in der Rechnung zu hoch ausgewiesene USt i.H.v. 90,52 € gem. § 14c Abs. 1 UStG. H darf lediglich die gesetzlich geschuldete USt i.H.v. 574,48 € gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG als Vorsteuer abziehen (s.a. Grebe u.a., UStB 2020, 366).
Die Rechtsfolge des § 14c Abs. 1 UStG kann auch im Rahmen der → Land- und Forstwirtschaft eintreten. In der Rechnung eines Land- und Forstwirts ist außer dem Steuerbetrag der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittsatz anzugeben (Abschn. 24.9. UStAE). Weist der Land- und Forstwirt einen höheren Steuerbetrag aus, als er im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung gesondert in Rechnung stellen darf, schuldet er nach § 14c Abs. 1 UStG diesen Mehrbetrag; er hat diesen Betrag an das FA abzuführen (Abschn. 24.9. Satz 3 UStAE).
Die Folgen des § 14c Abs. 1 UStG treten nicht ein, wenn in »Rechnungen« für nicht stpfl. Lieferungen lediglich der Gesamtpreis einschließlich USt in einem Betrag angegeben wird (Abschn. 14c.1. Abs. 4 Satz 2 UStAE). In diesen Fällen handelt es sich bei den Abrechnungen nicht um Rechnungen i.S.d. § 14 und § 14c UStG (→ Rechnung).
Der Rechnungsaussteller kann die zu hoch ausgewiesene Steuer gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG). Hierbei ist § 17 Abs. 1 UStG (→ Änderung der Bemessungsgrundlage) entsprechend anzuwenden (Abschn. 14c.1. Abs. 5 UStAE). Die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags ist folglich für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in welchem dem Leistungsempfänger die berichtigte Rechnung erteilt wurde; die Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde (vgl. BFH vom 12.10.2016, XI R 43/14, BStBl II 2022, 566; Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 20.12.2022, BStBl I 2022, 1694). Zur Rechnungsberichtigung s.a. Abschn. 14.11. UStAE.
Zur Anwendung des BFH-Urteils vom 18.9.2008 (V R 56/06, BStBl II 2009, 250) hat das BMF mit Schreiben vom 7.10.2015 (BStBl I 2015, 782) Stellung genommen (s.a. Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 4 UStAE; Pfefferle u.a. NWB 47/2015, 3456). Wurde ein zu hoch ausgewiesener Rechnungsbetrag bereits vereinnahmt und steht dem Leistungsempfänger aus der Rechnungsberichtigung ein Rückforderungsanspruch zu, ist die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags erst nach einer entsprechenden Rückzahlung an den Leistungsempfänger zulässig.
Nach dem BFH-Urteil vom 12.10.2016 (XI R 43/14, BStBl II 2022, 566) ist eine in einer Abtretungsanzeige an das FA enthaltene Abtretungserklärung des leistenden Unternehmers als Berichtigung des Steuerbetrags i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG anzusehen, wenn diese dem Leistungsempfänger zugegangene Abtretungserklärung spezifisch und eindeutig auf eine (oder mehrere) ursprüngliche Rechnung(en) bezogen ist und aus ihr klar hervorgeht, dass der leistende Unternehmer über seine Leistungen – statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags – nunmehr nur noch ohne USt abrechnen will (Anmerkung vom 7.2.2017, LEXinform 0653097).
Im Urteilsfall XI R 43/14 hatte der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Leistungserbringer in seiner Rechnung an den Leistungsempfänger die USt gesondert ausgewiesen, obwohl dieser die Steuer nach § 13b Abs. 1 UStG schuldete. Nach § 14c Abs. 1 Satz 1 schuldet der Leistende die zu Unrecht ausgewiesene USt.
In einer berichtigen Rechnung hatte der Leistungserbringer keine USt mehr ausgewiesen. Der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger hatten sich im Wege des abgekürzten Zahlungsweges darauf geeinigt, das sich aus der Rechnungsberichtigung ergebende Guthaben des leistenden Unternehmers mit den Steuerverbindlichkeiten des Leistungsempfängers zu verrechnen (s.a. Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 20.12.2022, BStBl I 2022, 1694).
Beachte:
Die Beseitigung der Folgen einer »§ 14c Abs. 1 UStG-Rechnung« erfolgt durch Korrektur des unrichtigen Steuerbetrages. Nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG »berichtigt der Unternehmer den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger …«.
Nach Rz. 26 ff. des BFH-Urteils XI R 43/14 muss die Berichtigung des Steuerbetrags durch den Leistenden gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Die Rückgabe der ursprünglichen Rechnung ist nicht erforderlich. Auch muss keine zivilrechtlich richtige Rechnung erteilt, sondern nur der Steuerbetrag berichtigt werden.
Die Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger ist hinreichend bestimmt, wenn aus ihr hervorgeht, dass der leistende Unternehmer über seine Leistung – z.B. statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags – nunmehr nur noch ohne USt abrechnen will. Sollen die Steuerbeträge mehrerer Rechnungen berichtigt werden, so können die Berichtigungen in einer Korrekturmitteilung zusammengefasst werden, sofern sich aus dieser ergibt, welche Steuerbeträge welcher Rechnungen gemeint sind.
Bei der Auslegung der Berichtigungserklärung sind die Bedürfnisse des Geschäftsverkehrs zu beachten. Deshalb genügt z.B. für eine wirksame Berichtigung eine Erklärung des Leistenden, dass der ursprüngliche Steuerausweis nicht mehr wirksam sein soll, oder eine »Korrekturmitteilung« durch Angaben auf einem Überweisungsträger, wenn die Angaben zum Ausdruck bringen, dass der in der Erstrechnung ausgewiesene Steuerbetrag berichtigt wird, und die Überweisung dem Empfänger zugeht.
Zur Korrektur der unzutreffenden Angaben in einer Rechnung s.a. § 31 Abs. 5 Satz 2 UStDV.
Mit Urteil vom 16.5.2018 (XI R 28/16, BStBl II 2022, 570) bestätigt die bisherige Rspr. Und die Verwaltungsregelung in Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 4 UStAE. Die Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 UStG setzt zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung grds. voraus, dass der Rechnungsaussteller die vereinnahmte und abgeführte Steuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat. Ist dies nicht geschehen, ist das FA berechtigt, die Erstattung der zu Unrecht erhobenen USt zu verweigern.
Beispiel 6:
Ein Unternehmer erteilt nachstehende Abrechnung über einen Umsatz, der dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG unterliegt:
Entgelt |
1 000 € |
+ 19 % USt |
190 € |
Rechnungsbetrag |
1 190 € |
Lösung 6:
Wird der Rechnungsbetrag um die zu hoch ausgewiesene Steuer herabgesetzt, ergibt sich folgende berichtigte Rechnung:
Entgelt |
1 000 € |
+ 7 % USt |
70 € |
Rechnungsbetrag |
1 070 € |
Diese berichtigte Rechnung ist für Zwecke der Berichtigung des Steuerbetrags nur anzuerkennen, soweit der leistende Unternehmer vom bereits vereinnahmten Rechnungsbetrag den Differenzbetrag i.H.v. 120 € (= 1 190 € ./. 1 070 €) an den Leistungsempfänger zurückgewährt (BFH vom 16.5.2018, XI R 28/16, BStBl II 2022, 570, Rz. 49 ff.; s.u.).
Ohne die Rückzahlung der USt an den Leistungsempfänger wäre der Leistende bei einer Korrektur seiner USt und durch deren Erstattung durch das FA ungerechtfertigt bereichert (BFH XI R 28/16, Rz. 52). Die Rechnungsberichtigung als formaler Akt gegenüber dem Leistungsempfänger allein reicht für die wirksame Berichtigung eines Steuerbetrags i.S.v. § 14c Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 1 UStG mit der Folge, dass dieser dem Rechnungsaussteller zu erstatten ist, nicht aus (BFH XI R 28/16, Rz. 50). S. aber EuGH vom 8.12.2022 (C-378/21, LEXinform 0953009) unter dem Gliederungspunkt »Rechnungserteilung i.S.d. § 14c UStG an Nichtunternehmer«.
Bleibt der Rechnungsbetrag in der berichtigten Rechnung unverändert, ergibt sich die richtige Steuer durch Herausrechnen aus dem bisherigen Rechnungsbetrag:
Rechnungsbetrag mit Steuer |
1 190,00 € |
darin enthaltene Steuer auf der Grundlage des ermäßigten Steuersatzes von 7 % = 7/107 |
77,85 € |
Rechnungsbetrag ohne Steuer |
1 112,15 € |
Berichtigte Rechnung |
|
Entgelt |
1 112,15 € |
+ 7 % USt |
77,85 € |
Rechnungsbetrag |
1 190,00 € |
Diese Rechnungsberichtigung ist für Zwecke der Berichtigung des Steuerbetrags auch ohne Rückgewähr des Entgelts anzuerkennen.
Entscheidungsbegründung des BFH-Urteils vom 16.5.2018 (XI R 28/16, BStBl II 2022, 570):
Der Wortlaut von § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG setzt zwar nicht voraus, dass der Rechnungsaussteller über die Berichtigung der Rechnung hinaus den berichtigten Steuerbetrag an den Leistungsempfänger zurückzuzahlen hätte. Auch sind Rückzahlungsansprüche des Leistungsempfängers gegen den Rechnungsaussteller grundsätzlich auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen.
Da der Leistende den berichtigten Steuerbetrag vom Leistungsempfänger im Regelfall bereits vereinnahmt hat (s.o. Beispiel 6 den Betrag von 190 €), würde eine Erstattung durch das FA allein aufgrund der Rechnungsberichtigung ohne Rückzahlung der Steuer den Leistenden ungerechtfertigt bereichern. Dieser würde doppelt begünstigt; denn einerseits hat er das Entgelt zzgl. USt regelmäßig bereits vereinnahmt und andererseits könnte er im Fall einer bedingungslosen Erstattung den berichtigten Steuerbetrag vom FA nochmals verlangen. Dies ginge allein zu Lasten des Leistungsempfängers. Gleichzeitig müsste der Fiskus befürchten, vom Leistungsempfänger auf Erstattung der USt an ihn in Anspruch genommen zu werden (vgl. EuGH vom 15.3.2007, C-35/05, UR 2007, 343, 430, LEXinform 5210446, Rz. 41, s.u.).
Dagegen wird der leistende Unternehmer, der den unrichtigen Steuerausweis in einer Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt und diesem den vereinnahmten Steuerbetrag zurückzahlt, nicht belastet; denn die grundsätzlich erforderliche Rückzahlung an den Leistungsempfänger kann, um eine Vorfinanzierung des berichtigten Steuerbetrags durch den Rechnungsaussteller bis zur Erstattung zu vermeiden, auch im Wege der Abtretung und Verrechnung erfolgen (vgl. dazu BFH vom 12.10.2016, XI R 43/14, BStBl II 2022, 566, Rz. 38 ff.; s.a. Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 5 UStAE). Nur die Rückzahlung des berichtigten Steuerbetrags an den Leistungsempfänger führt in der Regel zu einem gerechten Interessenausgleich im Dreiecksverhältnis zwischen FA und Leistendem bzw. Leistungsempfänger und gewährleistet so letztlich auch die Neutralität der Mehrwertsteuer. Außerdem verhindert eine in diesem Sinne bedingte Berichtigung des Steuerbetrags, dass das FA z.B. in Fällen der Insolvenz des Rechnungsausstellers oder nicht erkannter Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers doppelt erstatten oder auf Steuer verzichten muss (s.a. Anmerkung vom 7.8.2018, LEXinform 0949843; Oldiges, NWB 42/2018, 3074).
Mit Beschluss vom 27.10.2020 (XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459, LEXinform 4225386) bestätigt der BFH seine Entscheidung vom 16.5.2018 (XI R 28/16, BStBl II 2022, 570) indem er feststellt, dass die Rückzahlung des gezahlten USt Voraussetzung für eine Berichtigung des Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 ff. UStG ist. Darüber hinaus ist allerdings zu beachten, dass eine nicht gezahlte USt für eine Berichtigung des Steuerbetrags nicht zurückgezahlt werden muss.
Hinweis:
Die Berichtigung beim unrichtigen Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 UStG setzt nach der Rspr. Des BFH die Rückzahlung der USt an den Rechnungsempfänger voraus. Die Verpflichtung zur Rückzahlung des Mehrbetrages an den Leistungsempfänger besteht auch in den Fällen, in denen über das Vermögen des Rechnungsausstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (FG Münster vom 8.10.2020, 5 K 20/17, EFG 2021, 155, LEXinform 5023370). Das zuständige FA hätte den Mehrbetrag an den Rechnungsaussteller (Insolvenzschuldner) nicht auszahlen dürfen. Erst nachdem dieser den Mehrbetrag an den Leistungsempfänger ausgezahlt hat, darf der Mehrbetrag an den Rechnungsaussteller zurückgezahlt werden. M.E. ist in diesem Fall ein Direktanspruch des Leistungsempfängers gegen den Fiskus entstanden (s.a. Anmerkung vom 11.11.2020, LEXinform 0889849).
Denn würde in den Fällen der Insolvenz des Rechnungsausstellers das Rückzahlungserfordernis nicht gelten, dann wären der Rechnungsaussteller bzw. dessen Gläubiger auf Kosten des Leistungsempfängers dadurch (doppelt) begünstigt, dass zum einen der Mehrbetrag an ihn erstattet würde und zum anderen er den Mehrbetrag aber nicht an den Leistungsempfänger zurückzahlen müsste, weil der Anspruch des Leistungsempfängers gegen den Insolvenzschuldner nur eine quotal zu erfüllende Insolvenzforderung darstellen würde (s. FG Münster vom 8.10.2020, 5 K 20/17 unter 2.c). Ein Umsatzsteuererstattungsanspruch des Rechnungsausstellers besteht daher nur bzw. insoweit, wie der leistende Unternehmer (Rechnungsaussteller) die USt an den Leistungsempfänger zurückgezahlt hat.
Mit Beschluss vom 5.1.2021 (XI S 20/20 (PKH), LEXinform 4228016) hat der BFH den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Revision gegen das Urteil des FG Münster vom 8.10.2020 (5 K 20/17) abgelehnt. Denn die beabsichtigte Revision bietet bei der gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das FG hat zu Recht entschieden, dass nach § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG die Verpflichtung zur Rückzahlung des Mehrbetrags an den Leistungsempfänger auch in den Fällen besteht, in denen über das Vermögen des Rechnungsausstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (s.a. Anmerkung vom 13.4.2021, LEXinform 0653829).
Jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer kann berichtigt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist, die mit der zu Unrecht in Rechnung gestellten Steuer ausgelöst wird. Das gilt sowohl bei unrichtiger (§ 14c Abs. 1 UStG) als auch bei unberechtigter (§ 14c Abs. 2 UStG) Abrechnung mit Steuerausweis (s. z.B. BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 11/98, BStBl II 2004, 313).
Berichtigt der Rechnungsaussteller die von ihm erteilte Rechnung dahingehend, dass er entgegen der ersten Rechnung keine USt mehr ausweist, und hat er den Rechnungsbetrag einschließlich der ausgewiesenen USt bereits vereinnahmt, so ist der Rechnungsempfänger nur dann verpflichtet, die Vorsteuer zu korrigieren, wenn er den Steuerbetrag zurückerhalten hat. Darüber hinaus setzt eine Berichtigungspflicht des Rechnungsempfängers nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 14c Abs. 1 UStG voraus, dass der Rechnungsaussteller den USt-Ausweis in seiner Rechnung zu Recht korrigiert hat. Das FA trägt insoweit die Feststellungslast (FG Baden-Württemberg Urteil vom 30.11.2000, 14 K 185/99, EFG 2001, 597, rkr.).
Ein Leistungsempfänger, der einen überhöhten Umsatzsteuerbetrag an einen Rechnungsaussteller geleistet, die insoweit zu viel erstattete Vorsteuer an das FA zurückgezahlt hat und der gegen den Rechnungsaussteller einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch hat, hat keinen Direktanspruch gegen den Fiskus auf Erstattung des überhöhten Umsatzsteuerbetrags, wenn der Rechnungsaussteller zwischenzeitlich insolvent ist und es dem Leistungsempfänger daher unmöglich ist, die zu viel gezahlte USt vom Rechnungsaussteller zurückzuerhalten (BFH vom 30.6.2015, VII R 30/14, BStBl II 2022, 246). Der EuGH hat allerdings mit Urteil vom 15.3.2007 (C-35/05, UR 2007, 343, 430, LEXinform 5210446) entschieden, dass die an das FA gezahlte USt grundsätzlich nicht erstattungsfähig ist. Kann der Dienstleistungsempfänger den Dienstleistungserbringer zivilrechtlich nicht in Regress nehmen, also insbesondere im Falle von dessen Zahlungsunfähigkeit, können die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze es gebieten, dass der Dienstleistungsempfänger seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann. Damit der Grundsatz der Effektivität gewahrt wird, müssen deshalb die Mitgliedstaaten die erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen, die es dem Dienstleistungsempfänger ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet zu bekommen (s.a. Meyer-Burow u.a., UStB 12/2015, 353 sowie Anmerkung vom 15.3.2007, LEXinform 0401655).
Zum Direktanspruch des Leistungsempfängers bei unrechtmäßigem USt-Ausweis in einer Rechnung hat der BFH mit Urteil vom 22.8.2019 (V R 50/16, BStBl II 2022, 290) entschieden, dass ein sich aus dem Unionsrecht entsprechend dem EuGH-Urteil Reemtsma vom 15.3.2007 (C-35/05, UR 2007, 343, 430, LEXinform 5210446) ergebender Direktanspruch voraussetzt, dass der Rechnungsaussteller eine Leistung an den Rechnungsempfänger erbracht hat, für die er USt in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesen hat (s.a. Anmerkung vom 4.12.2019, LEXinform 0889014).
Hat ein nach seiner Unternehmenstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigter Rechnungsempfänger eine gesetzlich nicht geschuldete, aber gleichwohl in einer ansonsten ordnungsgemäßen Rechnung ausgewiesene USt gezahlt, kann er im Rahmen eines sog. Direktanspruchs entsprechend dem EuGH-Urteil Reemtsma (C-35/05) eine »Rückzahlung« von der FinVerw verlangen, wenn eine Rückforderung vom Rechnungsaussteller insbesondere im Hinblick auf dessen Zahlungsunfähigkeit übermäßig erschwert ist. Hierüber ist im Billigkeitsverfahren nach § 163 AO zu entscheiden (BFH vom 30.6.2015, VII R 30/14, BStBl II 2022, 246 unter II.2.b bb).
Zum Direktanspruch des Leistungsempfängers s. → Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Rechnungsberichtigung bei unrichtigem Steuerausweis« sowie → Insolvenzen und Steuern unter dem Gliederungspunkt »Insolvenz des Rechnungsausstellers«.
Hinweis:
Unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 30.6.2015 (VII R 30/14, BStBl II 2022, 246) und vom 22.8.2019 (V R 50/16, BStBl II 2022, 290) nimmt das BMF mit Schreiben vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 652) zum Direktanspruch in der USt Stellung. Dabei wird in Abschn. 15.11. UStAE ein neuer Abs. 8 eingefügt: »In der Rechtsprechung wurde das sich aus dem Unionsrecht ergebende Rechtsinstrument des Direktanspruchs in der Umsatzsteuer entwickelt (vgl. EuGH vom 15.3.2007, C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken). Danach kann ein Leistungsempfänger unter bestimmten Voraussetzungen über eine Billigkeitsmaßnahme die Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer direkt vom Fiskus (statt vom Leistenden) verlangen, vgl. BMF-Schreiben vom 12.4.2022, BStBl I 2022, 652.«
Zu beachten ist insbes., dass der Leistungsempfänger seinen Anspruch auf Erstattung einer unzutreffend in Rechnung gestellten und rechtsgrundlos gezahlten USt regelmäßig zunächst zivilrechtlich gegenüber dem Leistenden geltend zu machen hat. Der Direktanspruch kann daher nur nachrangig gegenüber dem Verfahren zur Steuerberichtigung nach § 14c Abs. 1 UStG zum Tragen kommen. Von einer von vornherein unmöglichen oder übermäßig erschwerten Erstattung durch den Leistenden ist regelmäßig nur im Fall eines bereits mangels Masse abgelehnten Insolvenzantrages über dessen Vermögen auszugehen. Die bloße Zahlungsunfähigkeit des Leistenden i.S.d. InsO genügt dafür nicht. Im Fall eines vorliegenden Insolvenzantrages bzw. eines laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Leistenden besteht für den Leistungsempfänger noch Aussicht, den geltend gemachten Anspruch in Höhe der Quote teilweise zu erhalten. Ein Direktanspruch kann dann ggf. nur in Höhe der Differenz zwischen dem Erstattungsanspruch gegenüber dem Leistenden und der erhaltenen Quote entstehen. Über den Direktanspruch kann daher nach Anmeldung der Forderungen zur Tabelle erst entschieden werden, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen und ggf. die Quote zugeteilt ist. Sofern in einem laufenden Insolvenzverfahren keine Anmeldung der Forderung zur Tabelle mehr möglich ist, sind die Gründe hierfür bei der Billigkeitsentscheidung über den Direktanspruch zu berücksichtigen (BMF vom 12.4.2022, Rz. 11).
Es obliegt dem den Direktanspruch begehrenden Leistungsempfänger, nachzuweisen, dass der zivilrechtliche Anspruch gegenüber dem Leistenden (weiterhin) besteht und es unmöglich oder übermäßig erschwert ist, die Erstattung der irrtümlich in Rechnung gestellten und rechtsgrundlos gezahlten USt vom Leistenden zu erlangen.
Zu den weiteren Voraussetzungen zur Entstehung und zur Geltendmachung des Direktanspruchs s. BMF (koordinierter Ländererlass) vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 652).
Nach Ergehen des BMF-Schreibens vom 12.4.2022 (BStBl I 2022, 652) hat das FG Münster mit Beschluss vom 27.6.2022 (15 K 2327/20, EFG 2022, 1577, LEXinform 5024759) dem EuGH (Az. C-453/22, s.u.) die Frage zur Reichweite des Direktanspruchs vorgelegt.
Dem Vorabentscheidungsersuchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Vorlieferant schuldet danach für den Umsatz 7/107 von 119 000 € = 7 785,05 € USt; nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet er auch den Mehrbetrag i.H.v. (19 000 € ./. 7 785,05 € =) 11 214,95 €.
Der Kläger (Leistungsempfänger) hat i.H.v. 7 785,05 € einen Vorsteuerabzug. Nach Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet.
Das FA kürzte die Vorsteuer des Klägers und forderte die Vorsteuer i.H.v. 11 214,95 € zzgl. Zinsen vom Kläger zurück.
Der Kläger wendete sich daraufhin an seinen Vorlieferanten mit der Bitte, die Rechnungen ihm gegenüber zu berichtigen und ihm den Differenzbetrag auszuzahlen. Bei dem Vorlieferanten war in verfahrensrechtlicher Hinsicht bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Der Vorlieferant berief sich hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Berichtigung der Rechnungen und Rückzahlung des Differenzbetrags auf die zivilrechtliche Einrede der Verjährung. Die Rechnungen wurden demnach nicht berichtigt und der Kläger erhielt auch den Differenzbetrag der geschuldeten USt nicht von seinem Vorlieferanten zurück. Der Kläger hat nach nationalem Zivilrecht aufgrund der erhobenen Einrede der Verjährung keine Möglichkeit, seinen Anspruch gegenüber dem Vorlieferanten durchzusetzen.
Daraufhin stellte der Kläger einen Antrag beim FA, ihm die nachgeforderte USt und die festgesetzten Zinsen zur USt im Wege der Billigkeit gem. §§ 163, 227 AO zu erlassen. Dabei nahm er ausdrücklich Bezug auf die Rspr. Des EuGH (Urteil vom 15.3.2007, C-35/05, UR 2007, 343, 430, LEXinform 5210446, Rz. 41).
Diesen Antrag lehnte das FA ab, weil der Kläger selbst für die Situation verantwortlich sei, denn er habe die Ware nicht mit einem veränderten Steuersatz weiterveräußern dürfen.
Das FG Münster hat das vom Kläger angestrengte Klageverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob unter den Umständen des Streitfalls ein Direktanspruch auf Erstattung der USt gegen das FA in Betracht kommt.
Grds. sei es unionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer der leistende Unternehmer (hier der Vorlieferant) einen Erstattungsanspruch gegen die Finanzbehörde hat und der Leistungsempfänger (hier der Kläger) auf den Zivilrechtsweg gegen den Leistenden verwiesen wird. Nach dem »Reemtsma-Urteil« (und weiteren Folgeentscheidungen des EuGH) bestehe aber wegen des Grundsatzes der Effektivität ausnahmsweise ein unmittelbarer Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers gegen die Finanzbehörde, wenn die Erstattung »unmöglich oder übermäßig erschwert wird«. Im deutschen Recht könne dieser Anspruch im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) geltend gemacht werden.
Das FG Münster hat Zweifel, ob die EuGH-Rspr., die stets Fälle der Zahlungsunfähigkeit der jeweils leistenden Unternehmer betroffen habe, auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Zwar sei es dem Kläger aufgrund der Einrede der Verjährung zivilrechtlich nicht mehr möglich, seine Ansprüche gegen seine Vorlieferanten durchzusetzen. Diese hätten allerdings zeitlich unbegrenzt die Möglichkeit, ihre Rechnungen nach § 14c Abs. 1 UStG zu berichtigen und von der Finanzbehörde die zu viel gezahlten Umsatzsteuerbeträge erstattet zu bekommen. Gestehe man dem Kläger einen Direktanspruch zu, müsse das FA in diesem Fall von ihm eine Rückzahlung verlangen, was z.B. bei zwischenzeitlich eingetretener Zahlungsunfähigkeit zu einer doppelten Erstattung führen könne. Nach Auffassung des FG Münster habe der Kläger vielmehr Vorkehrungen zur Sicherung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, z.B. durch rechtzeitige Einholung des Verzichts auf die Einrede der Verjährung, treffen müssen (s.a. FG Münster Mitteilung vom 15.7.2022, LEXinform 0462455; s.a. von Streit, UStB 2022, 291).
Mit Urteil vom 7.9.2023 (C-453/22, LEXinform 0854228) hat der EuGH die Vorlagefrage des FG Münster beantwortet. Danach hat der Holzhändler (Kläger) einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht in Rechnung gestellten MwSt, die er an seinen Vorlieferanten gezahlt hat und die dieser an das FA abgeführt hat. Zusätzlich stehen dem Kläger die damit zusammenhängenden Zinsen zu.
Voraussetzung für den Direktanspruch gegen den Fiskus ist, dass
dem Kläger (Holzhändler) kein Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann,
diese Erstattung aufgrund der im nationalen Recht vorgesehenen Verjährung nicht mehr von dem Vorlieferanten gefordert werden kann (Rz. 25, 26 des EuGH-Urteils C-453/22).
In Rz. 29 seiner Entscheidung C-453/22 macht der EuGH deutlich, dass die Insolvenz der Lieferer nur einen der Fälle darstellt, in denen es unmöglich oder übermäßig schwierig sein kann, die Erstattung der zu Unrecht in Rechnung gestellten und entrichteten MwSt zu erhalten.
Der Direktanspruch kann auch geltend gemacht werden, wenn formal die Möglichkeit besteht, dass der Vorlieferant, nachdem er die ursprünglich an den Empfänger (Holzhändler) dieser Lieferung gerichteten Rechnung berichtigt hat, im Nachhinein vom FA die Erstattung des zu viel gezahlten Betrags verlangt.
Die Gefahr, dass eine doppelte Erstattung erfolgt, weil die Lieferer die ursprünglich an den Erwerber ausgestellten Rechnungen berichtigen könnten, nachdem der Erwerber von der Steuerbehörde eine Erstattung erhalten hat, und anschließend von der Steuerbehörde die Erstattung des zu viel gezahlten Betrags verlangen könnten, ist grds. ausgeschlossen (EuGH C-453/22, Rz. 30 ff.). Die Inanspruchnahme des Rechts auf Erstattung der zu Unrecht in Rechnung gestellten und entrichteten MwSt ist nämlich zu versagen, wenn feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.
Im Entscheidungsfall zeigt sich, dass zum einen der Erwerber (Holzhändler) die in den Rechnungen ausgewiesene MwSt an den Vorlieferer gezahlt hat und dass zum anderen der Vorlieferer diese MwSt-Beträge an das FA abgeführt hat. Wenn also der Vorlieferer diese Rechnung berichtigt und einen Antrag auf Erstattung der zu viel gezahlten Beträge bei der Steuerbehörde stellen sollte, nachdem das FA dem Erwerber (Holzhändler) die zu viel in Rechnung gestellten MwSt erstattet hat, obwohl der Vorlieferer gegenüber dem Erwerber zunächst die Einrede der Verjährung erhoben und damit klar zu erkennen gegeben hat, dass er an der Berichtigung der Situation kein Interesse hat, hätte dieser Antrag keinen anderen Zweck als den, einen Steuervorteil zu erlangen, der gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstößt. Eine solche Praxis wäre daher missbräuchlich und könnte nicht zu einer Erstattung an den Vorlieferer führen, sodass die Gefahr einer doppelten Erstattung ausgeschlossen ist (Rz. 33).
Wird die von der Steuerbehörde zu Unrecht erhobene MwSt nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet, ist der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Betrag, der dieser zu Unrecht erhobenen MwSt entspricht, nicht verfügbar ist, durch die Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen (Rz. 36; s.a. Streit, NWB 45/2023, 3046).
Beachte:
Mit Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21, LEXinform 0953009) hat der EuGH in einem österreichischem Verfahren entschieden, dass Art. 203 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass ein Stpfl., der eine Dienstleistung erbracht hat und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, nach der Bestimmung des Art. 203 MwStSystRL den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.
§ 14c UStG setzt Art. 203 MwStSystRL in nationales Recht um. Die nationale Regelung ist strenger als das Unionsrecht; siehe die nachfolgenden Erläuterungen.
Zur Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG bei der Erteilung von Rechnungen an Nichtunternehmer hat der BFH mit Urteil vom 13.12.2018 (V R 4/18, BFH/NV 2019, 369, LEXinform 0951972) entschieden, dass die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an Nichtunternehmer entsteht. Ein unrichtiger Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG liegt auch dann vor, wenn der Unternehmer für Leistungen, die einer Steuersatzermäßigung unterliegen, auf der Grundlage des Regelsteuersatzes Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis erteilt.
Dass Rechnungen i.S.d. § 14c UStG dann nach den gesetzlichen Bedingungen des § 15 Abs. 1 UStG nicht zu einem Vorsteuerabzug führen können, steht dem nicht entgegen, da auch hier aufgrund der Rechnungserteilung die Gefahr des Abzugs einer gesetzlich nicht geschuldeten Steuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) besteht. So ist es nicht nur bei rechtlichen Zweifelsfragen in Bezug auf das Bestehen einer Unternehmereigenschaft des Rechnungsempfängers, sondern auch bei einer Rechnungserteilung an eine Person, die im Hinblick auf ihre persönlichen Lebensumstände als »Verbraucher« handelt, gleichwohl aber in anderer Hinsicht, z.B. als Vermieter oder Betreiber einer Photovoltaikanlage oder als eBay-Verkäufer umsatzsteuerrechtlich Unternehmer sein kann, sodass sich auch hier eine Gefährdung des Steueraufkommens ergeben kann (BFH V R 4/18, Rz. 16).
Beachte:
Die Steuerschuld nach § 14c UStG setzt weder voraus, dass aufgrund der Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis tatsächlich ein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wurde, noch, dass eine konkrete Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, da § 14c UStG abstrakte Gefährdungstatbestände formuliert (BFH vom 16.10.2013, XI R 39/12, BStBl II 2014, 1024, Rz. 62 sowie vom 17.2.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, 734, Rz. 23 und vom 31.5.2017, V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202, Rz. 5), deren Verwirklichung nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht einmal davon abhängt, ob der Empfänger überhaupt Unternehmer bzw. zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Nach nationalem Recht müssen die fehlerhaften Rechnungen korrigiert werden und müssen dem Leistungsempfänger auch tatsächlich zugehen (Abschn. 14c.1. Abs. 7 Satz 1 und 2 UStAE).
§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG sowie Abschn. 14c.1. Abs. 5 UStAE regeln die Rechnungsberichtigung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG. Wurde ein zu hoch ausgewiesener Rechnungsbetrag bereits vereinnahmt und steht dem Leistungsempfänger aus der Rechnungsberichtigung ein Rückforderungsanspruch zu, ist die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags erst nach einer entsprechenden Rückzahlung an den Leistungsempfänger zulässig (vgl. BFH vom 18.9.2008, V R 56/06, BStBl II 2009, 250, vom 2.9.2010, V R 34/09, BStBl II 2011, 991 und vom 16.5.2018, XI R 28/16, BStBl II 2022, 570; Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 4 UStAE; s.o. den Gliederungspunkt »Rechnungsberichtigung«).
Nach dem oben unter »Beachte« zitierten EuGH-Urteil vom 8.12.2022 (C-378/21, LEXinform 0953009) kommt Art. 203 MwStSystRL (§ 14c UStG) nur dann zur Anwendung, wenn die MwSt zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde und eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil der Rechnungsadressat sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann. Art. 203 MwStSystRL soll der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben kann (EuGH C-378/21, Rz. 20, 21). Der EuGH macht in Rz. 22 und 23 seiner Entscheidung C-378/21 deutlich, dass Art. 203 MwStSystRL nur auf eine Steuerschuld anwendbar ist, die höher ist als die Steuerschuld in den Fällen, in denen Art. 193 MwStSystRL (§ 13 Abs. 1 UStG; Abschn. 13.1. Abs. 1 Satz 4 UStAE) anwendbar ist. Wurde ein Teil der MwSt zu Unrecht in Rechnung gestellt, kommt Art. 203 MwStSystRL nur bezüglich des Teils der MwSt zur Anwendung, der den zutreffend in Rechnung gestellten Betrag übersteigt. In diesem Fall liegt nämlich eine Gefährdung des Steueraufkommens vor, da ein Stpfl., dem eine solche Rechnung ausgestellt wird, sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben könnte, ohne dass die zuständige Steuerbehörde in der Lage wäre, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts erfüllt sind.
Entscheidungssachverhalt des EuGH-Urteils C-378/21:
Im Urteilsfall betreibt die GmbH einen Indoor-Spielplatz in Österreich. Die Kunden waren ausschließlich Endverbraucher. Die GmbH stellte ihren Kunden den Eintrittspreis unter Ausweis der österreichischen USt von 20 % in Rechnung. Tatsächlich war der Eintrittspreis zum ermäßigten Steuersatz von 13 % zu versteuern. Die GmbH berichtigte ihre USt-Erklärung – nach nationalem Recht unter entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG – und beantragte eine Steuererstattung.
Das FA verweigerte die Berichtigung mit der Begründung, dass die GmbH zum einen nach nationalem Recht verpflichtet sei, die höhere MwSt zu entrichten, da sie die Rechnungen nicht berichtigt habe, und dass sie zum anderen durch die beantragte Berichtigung ungerechtfertigt bereichert würde, da ihre Kunden die Kosten der höheren MwSt getragen hätten.
Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin (Rz. 24), dass die im Urteilsfall abgerechneten Leistungen ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurden, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. In diesen Fällen ist eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen. Da eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist, ist Art. 203 MwStSystRL in einem solchen Fall nicht anwendbar.
Entscheidung des EuGH:
Die GmbH (Rechnungsaussteller) schuldet die in der Rechnung zu hoch ausgewiesene MwSt nicht, wenn sie die Rechnungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ausgestellt hat.
Fazit:
Da die zu hoch ausgewiesene MwSt nicht geschuldet wird, ist auch keine Rechnungsberichtigung erforderlich. Als Konsequenz daraus folgt auch, dass eine Rückzahlung des zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags an den Leistungsempfänger nicht Voraussetzung für die Rückerstattung der zu hoch ausgewiesenen MwSt durch das FA sein kann (s.a. Sterzinger, UStB 2023, 3 sowie Brohl u.a., Zu hoher Steuerausweis in einer B2C-Rechnung = unrichtiger Steuerausweis nach Art. 203 MwStSystRL?, NWB 4/2023, 242).
Mit Urteil vom 27.5.2020 (3 K 654/18, EFG 2020, 1451, LEXinform 5023134, rkr.) hat das FG München entschieden, dass ein Unternehmer die deutsche USt nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet, wenn er für Umsätze im Versandhandel nach Österreich in den Rechnungen deutsche USt ausgewiesen und an den deutschen Fiskus abgeführt hat, obwohl die Lieferschwelle nach § 3c UStG überschritten war und die Umsätze deswegen in Österreich umsatzsteuerbar und stpfl. waren (→ Ort der Lieferung). Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei den österreichischen Leistungsempfängern um Unternehmer oder Nichtunternehmer handelt.
Hat der Unternehmer mit den Kunden Bruttopreisabreden getroffen, bei denen die im verlangten Gesamtpreis enthaltene USt als unselbstständiger Bestandteil der geschuldeten Vergütung behandelt wird, und berichtigt er später die Rechnungen gegenüber den österreichischen Kunden, wobei statt der deutschen nunmehr österreichische USt ausgewiesen wird, so hat er gegenüber dem deutschen FA auch dann Anspruch auf Erstattung der bis zur Berichtigung nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeten deutschen USt, wenn die deutsche USt infolge der Bruttopreisabreden nicht an die Kunden zurückgezahlt worden ist und wenn die österreichische FinVerw die entstandene österreichische USt für die Lieferungen des Unternehmers an die österreichischen Kunden wegen Festsetzungsverjährung nach § 207 der österreichischen Bundesabgabenordnung nicht mehr geltend machen kann; es ist bei diesem Sachverhalt kein Fall einer ungerechtfertigten Bereicherung des Unternehmers gegeben (s.a. Abschn. 14c.1. Abs. 5 Satz 4 Beispiel Satz 4 ff. UStAE).
Bei zu niedrigem Steuerausweis schuldet der Unternehmer die gesetzlich vorgeschriebene Steuer. Der Unternehmer hat in diesem Fall die USt unter Zugrundelegung des maßgeblichen Steuersatzes aus dem Gesamtrechnungsbetrag herauszurechnen (s. Abschn. 14c.1. Abs. 9 UStAE).
Beispiel 7:
Ein Unternehmer erteilt nachstehende Abrechnung über einen Umsatz, der dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegt:
Entgelt |
1 000 € |
+ 7 % USt |
70 € |
Rechnungsbetrag |
1 070 € |
Lösung 7:
Der Unternehmer schuldet für den Umsatz 19/119 von 1 070 € = 170,84 €.
Der Leistungsempfänger hat i.H.v. 70 € einen Vorsteuerabzug. Er darf nur den in der Rechnung ausgewiesenen Betrag abziehen.
Zum Ausweis eines negativen Steuerbetrags in einer Rechnung i.S.d. § 14c UStG s.o. das BFH-Urteil vom 26.6.2019 (XI R 5/18, BFH/NV 2019, 1462, LEXinform 0951808; s.a. Anmerkung vom 30.10.2019, LEXinform 0881914) unter dem Gliederungspunkt »Unrichtiger Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG« und dort unter »Allgemeine Tatbestände«).
Nach dem BFH-Urteil vom 22.3.2001 (V R 11/98, BStBl II 2004, 313) setzt die Berichtigung eines unrichtig oder unberechtigt berechneten Steuerbetrages nach richtlinienkonformer Beurteilung voraus, dass das Steueraufkommen nicht gefährdet wird. Das Steueraufkommen wäre gefährdet, wenn eine Berichtigung der Steuer ohne den Nachweis des Ausstellers der Rechnung zugelassen würde, dass der Rechnungsempfänger die in der Rechnung ausgewiesene USt nicht als Vorsteuer abgezogen hat, dass ihm der Vorsteuerabzug versagt worden ist oder dass ein etwaiger Vorsteuerabzug durch Rückzahlung oder Verrechnung der abgezogenen Vorsteuer rückgängig gemacht worden ist. In den Fällen des § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG sind für die Rechnungsberichtigungen die zusätzlichen Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG zu beachten.
In den Fällen eines unrichtigen Steuerausweises bei Umsätzen im Rahmen einer → Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen (§ 1 Abs. 1a UStG) und bei Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG ist die Berichtigung des geschuldeten Betrages jedoch nur zulässig, wenn die Rechnung berichtigt wird und soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist (Abschn. 14c.1. Abs. 11 UStAE). Zur Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens und zum besonderen Berichtigungsverfahren vgl. Abschn. 14c.2. UStAE und die Erläuterungen zu § 14c Abs. 2 UStG.
Wie der BFH in seinem Urteil vom 19.3.2009 (V R 48/07, BStBl II 2010, 92) entschieden hat, ist eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gem. § 14c Abs. 1 UStG entstandene nicht entrichtete Steuer gem. § 233a AO zu verzinsen. Die aufgrund des Steuerausweises entstandene Umsatzsteuerschuld besteht bis zur – ohne Rückwirkung eintretenden – Berichtigung des Steuerbetrags. Eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspricht dem Regelungszweck des § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG (s. den nachfolgenden Gliederungspunkt). Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von derartigen Umsatzsteuernachforderungen ist deshalb kein Anhaltspunkt ersichtlich. Eine ermessenslenkende Billigkeitsregelung der Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auslöst, in einem auf das Kj. der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kj. nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte nicht (s. dazu die bisherige Verwaltungsregelung in der AEAO Nr. 70.2.3 zu § 233a). Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht.
Erteilt der Unternehmer dem Leistungsempfänger nachträglich eine berichtigte Endrechnung, die den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG genügt, so kann er die von ihm geschuldete Steuer in dem Besteuerungszeitraum berichtigen, in dem die berichtigte Endrechnung erteilt wird (vgl. Abschn. 14.8. Abs. 10 Satz 5 und 17.1 Abs. 10 UStAE). Hat der Unternehmer die aufgrund der fehlerhaften Endrechnung nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer nicht in seiner USt-Voranmeldung berücksichtigt, kann die Nachforderung dieser Steuer im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Kj. zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233a führen, wenn der Unternehmer die Endrechnung erst in einem auf das Kj. der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kj. berichtigt hat. Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist in derartigen Fällen nicht sachlich unbillig (BFH Urteil vom 19.3.2009, V R 48/07, BStBl II 2010, 92). Aus Vertrauensschutzgründen können in derartigen Fällen die festgesetzten Nachzahlungszinsen aber erlassen werden, wenn fehlerhafte Endrechnungen bis zum 22.12.2009 gestellt wurden und der Unternehmer nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich eine berichtigte Endrechnung erteilt hat (AEAO zu § 233a Nr. 70.2.3).
Die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung für den Vorsteuerabzug kann nicht auf die Konstellation einer Umsatzsteuerschuld nach § 14c UStG übertragen werden. Es ist höchstrichterlich entschieden, dass einer Rechnungsberichtigung i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung zukommt (BFH vom 12.10.2016, XI R 43/14, BStBl II 2022, 566, Rz. 35). Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung; jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG und des Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken, nicht zu vereinbaren. Das Unionsrecht steht einer solchen nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegen (EuGH vom 18.6.2009, C-566/07, BFH/NV 2009, 1371, Rz. 39, 41 f., 47, 51; vom 11.4.2013, C-138/12, UR 2013, 432, Rz. 28 und 31). Der Umstand, dass nach der Rechtsprechung des EuGH einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkung zukommen kann (→ Rechnung unter dem Gliederungspunkt »Rückwirkende Rechnungsberichtigung«), führt deshalb in Bezug auf § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG zu keiner anderen Beurteilung (s.a. BFH Beschluss vom 31.5.2017, V B 5/17, BFH/NV 2017, 1202, LEXinform 5908591, Rz. 7).
Die Tatbestandsmerkmale des § 14c Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG sind:
Unternehmer und/oder Nichtunternehmer (jeder),
Rechnung i.S.d. § 14 UStG,
gesonderter Ausweis einer Steuer,
dazu aber nicht berechtigt.
Danach wird deutlich, dass § 14c Abs. 2 UStG sowohl → Unternehmer als auch Nichtunternehmer betrifft, die persönlich nicht zum gesonderten Ausweis der USt in einer Rechnung berechtigt sind. Der gesondert in der Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag ist zu Unrecht erfolgt (unberechtigt; Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 1 UStAE).
Zu der Grundvoraussetzung einer Gutschrift gehört nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG, dass
der Leistungsempfänger
vereinbarungsgemäß
über eine Lieferung oder sonstige Leistung
des Unternehmers
abrechnet.
Nur wenn diese Grundvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG erfüllt sind, kommt eine solche Gutschrift als Rechnung i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG in Betracht.
Wichtig:
»Gutschriften« (besser Abrechnungen)
gegenüber Nichtunternehmern oder
über nicht ausgeführte Leistungen eines Unternehmers
fallen nicht unter § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG.
Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) hat sich der BFH mit der Steuerentstehung aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises in einer Gutschrift nach § 14c Abs. 2 UStG auseinandergesetzt. Hier klärt der BFH, dass keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG begründet werden kann, wenn eine Gutschrift entgegen § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist. Eine solche Gutschrift steht einer Rechnung nicht gleich und kann keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen.
Damit eine Gutschrift nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG einer Rechnung gleichsteht und eine Steuerschuld des Gutschriftsempfängers nach § 14c Abs. 2 UStG begründen kann, muss sie über »eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden«. Dabei verweist § 14 Abs. 2 UStG auf den allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG.
Unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) nimmt das BMF mit Schreiben vom 19.8.2021 (BStBl I 2021, 1087) zur Abrechnung über nicht ausgeführte Leistungen mittels Gutschrift Stellung. Danach steht die Abrechnung an Nichtunternehmer einer Rechnung nicht gleich und begründet keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG (BMF vom 19.8.2021 unter 1.).
Das FG Münster hat mit Urteil vom 17.11.2014 (15 K 2469/13 U, EFG 2014, 2180, LEXinform 5017123, rkr.) entschieden, dass der Empfänger einer Gutschrift die zu Unrecht ausgewiesene USt jedenfalls dann nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet, wenn er sich die Gutschrift zu Eigen gemacht hat (s.a. BMF vom 19.8.2021 unter 2.). Ein Vorsteuerabzug aus einem solchen Abrechnungsdokument ist nicht möglich (Abschn. 15.2. Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Wird gegenüber einem → Kleinunternehmer in einer Gutschrift offen USt ausgewiesen, schuldet dieser den Steuerbetrag nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG jedenfalls dann, wenn er den Gutschriften nicht widerspricht (s.a. § 19 Abs. 1 Satz 3 UStG).
Zusammenfassung:
Eine Gutschrift kommt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG nur als Rechnung in Betracht, wenn über eine Leistung eines Unternehmers abgerechnet wird. Folglich können wirksame Gutschriften nur die Tatbestände des § 14c Abs. 1 UStG und des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG – Abrechnung gegenüber Kleinunternehmern – erfüllen.
Durch einen wirksamen Widerspruch des Gutschriftempfängers nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG gegen eine ihm erteilte Gutschrift liegt ab dem Besteuerungszeitraum des wirksamen Widerspruchs kein Rechnungsdokument mehr vor (Abschn. 14.3. Abs. 4 UStAE). Dem Gutschriftaussteller liegt somit ab diesem Zeitpunkt keine Rechnung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG mehr vor, sodass kein Vorsteuerabzug mehr möglich ist.
Allerdings führt allein ein wirksamer Widerspruch gegen eine Gutschrift aufgrund der unterschiedlichen Rechnungsbegriffe nach § 14 und § 14c UStG nicht zur Beseitigung der Steuergefährdung nach § 14c Abs. 2 UStG. Auch in diesem Fall schuldet der Gutschriftempfänger die ausgewiesene Steuer weiterhin nach § 14c Abs. 2 UStG, bis die Steuergefährdung beseitigt worden ist (BMF vom 19.8.2021 unter 3.).
Die Rechnung, die i.S.v. § 14c Abs. 2 UStG zu einem unberechtigten Steuerausweis führt, muss nicht alle Angaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalten (Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Für die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es aus, dass das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen) Unternehmer wegen des Ausweises der USt abstrakt die Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden (Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 3 UStAE). Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene USt ausweist (BFH vom 17.2.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, 734). Bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, sind auch bei Anwendung von § 14c Abs. 2 UStG Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen (BFH vom 16.3.2017, V R 27/16, BFH/NV 2017, 1435). Die Angabe des Entgelts als Grundlage des gesondert ausgewiesenen Steuerbetrags ist jedoch unverzichtbar (Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Zu den Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis nach § 14c UStG hat der BFH mit Urteil vom 19.11.2014 (V R 29/14, BFH/NV 2015, 706, LEXinform 0934830) entschieden, dass eine Rechnung die Anforderungen des § 14c Abs. 2 UStG erfüllt, wenn sie
den Rechnungsaussteller,
den (vermeintlichen) Leistungsempfänger,
eine Leistungsbeschreibung sowie
das Entgelt und die gesondert ausgewiesene USt
ausweist (s.a. BFH Urteil vom 16.3.2017, V R 27/16, BFH/NV 2017, 1143, LEXinform 0950909, Rz. 12). Als Angabe zum Entgelt genügt es bereits, wenn durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt ohne Weiteres errechnet werden kann. Die USt ist bereits dann gesondert ausgewiesen, wenn die Steuer als Geldbetrag genannt und als Steuerbetrag gekennzeichnet ist. Der eindeutige, klare und unbedingte Ausweis der USt genügt. An den Steuerausweis i.S.v. § 14c Abs. 2 UStG sind im Übrigen keine bestimmten optischen Anforderungen zu stellen. Die Steuer kann auch im Rahmen eines erläuternden Hinweises gesondert ausgewiesen werden (BFH vom 21.9.2016, XI R 4/15, BStBl II 2021, 106; Abschn. 14c.2. Abs. 1 Satz 5 ff. UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 20.12.2022, BStBl I 2022, 1694). Ob diese Angaben unzutreffend sind und zu einer Steuerschuld aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises führen können, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Daher sind wie bei der Prüfung, ob eine Rechnung hinreichende Angaben enthält, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, auch bei Anwendung von § 14c Abs. 2 UStG, Bezugnahmen in der Rechnung auf andere Dokumente zu berücksichtigen.
Eine Berücksichtigung derartiger Bezugnahmen ist auch unionsrechtlich geboten. Kann der tatsächliche Inhalt einer Rechnung durch Bezugnahmen geklärt und die Gefahr eines unberechtigten Steuerausweises ausgeschlossen werden, entfällt die missbilligte Gefährdung des Steueraufkommens. Unionsrechtlich ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die Steuerverwaltung nach dem Urteil des EuGH vom 15.9.2016 (C–516/14, UR 2016, 795, LEXinform 5214370, Rz. 44) nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken darf, sondern auch die vom Stpfl. beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen hat. Auch nach dem BFH-Urteil vom 26.6.2019 (XI R 5/18, BFH/NV 2019, 1462, LEXinform 0951808; Anmerkung vom 30.10.2019, LEXinform 0881914) ist bei der Prüfung, ob ein als »Belastung« bezeichnetes Dokument (nur) über Leistungen oder (auch) über Entgeltminderungen abrechnet, der Inhalt einer dem FA vorliegenden Konditionsvereinbarung jedenfalls dann ergänzend heranzuziehen, wenn in dem Dokument auf die Vereinbarung verwiesen wird.
In seinem Urteil vom 16.3.2017 (V R 27/16, BFH/NV 2017, 1143, LEXinform 0950909) macht der BFH deutlich, dass eine Gutschrift, die auf einen Vertrag verweist, aus dem sich die Person des Leistenden ergibt, der Annahme eines unberechtigten Steuerausweises aufgrund einer unzutreffenden Bezeichnung des Leistenden entgegensteht (s.a. Anmerkung vom 27.6.2017, LEXinform 0653203).
Eine ausreichende Leistungsbeschreibung setzt voraus, dass entweder der Rechnungstext selbst eine hinreichende Leistungsbeschreibung in dem Abrechnungspapier enthält oder eine Bezugnahme auf andere, eindeutig gekennzeichnete Unterlagen erfolgt. Wird in der Rechnung auf Geschäftsunterlagen verwiesen, reicht es aus, wenn diese Unterlagen für Zwecke der Identifizierung eindeutig bezeichnet sind; sie müssen der Rechnung nicht beigefügt sein (BFH Urteil vom 19.11.2014, V R 29/14, BFH/NV 2015, 706, LEXinform 0934830; s.a. Anmerkung vom 26.3.2015, LEXinform 0946719).
Hinweis:
Im Revisionsverfahren XI R 4/22 (LEXinform 0954222) wird der BFH klären müssen, ob die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung für Rechnungen i.S.v. § 14c UStG von denjenigen des § 15 i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG abweichen (Vorinstanz FG Köln vom 19.10.2021, 8 K 1057/20, EFG 2022, 628, LEXinform 5024437).
Werden über innerbetriebliche Vorgänge (Innenumsätze) Belege mit gesondertem Steuerausweis ausgestellt, so handelt es sich umsatzsteuerrechtlich nicht um Rechnungen, sondern um unternehmensinterne Buchungsbelege. Die darin ausgewiesene Steuer wird nicht nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet (Abschn. 14.1. Abs. 4 UStAE).
Das Niedersächsische FG hat mit rkr. Urteil vom 30.7.2010 (16 K 55/10, EFG 2010, 2127, UR 2011, 23, LEXinform 5010964) entschieden, dass derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder Leistung nicht ausgeführt hat.
Eine Rechnung muss nicht unterschrieben sein; die Unterschrift ist keine Voraussetzung i.S.d. § 14c UStG. Für das »In-den-wirtschaftlichen-Verkehr-gelangen« einer Rechnung reicht es, wenn der Aussteller in Kauf nimmt, dass der Adressat von dem Papier als Rechnung Gebrauch macht.
§ 14c Abs. 2 UStG begründet eine Steuerschuld nach § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG. Von § 14c Abs. 2 UStG werden folgende Rechnungen mit gesondertem USt-Ausweis erfasst (Abschn. 14c.2. Abs. 2 UStAE):
Ein Unternehmer weist in einer Rechnung einen Steuerbetrag aus, obwohl er nach § 19 Abs. 1 UStG (→ Kleinunternehmer) dazu nicht berechtigt ist.
Weist ein zum gesonderten Steuerausweis nicht berechtigter Kleinunternehmer in einer sog. Kleinbetragsrechnung das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für eine Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz aus, schuldet er den sich aus einer Aufteilung des in einer Summe angegebenen Rechnungsbetrags in Entgelt und Steuerbetrag ergebenden Steuerbetrag jedenfalls dann gem. § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG, wenn die Kleinbetragsrechnung alle in § 33 Satz 1 UStDV genannten Angaben enthält und deshalb vom Leistungsempfänger gem. § 35 Abs. 1 UStDV für Zwecke des Vorsteuerabzugs verwendet werden kann (BFH Urteil vom 25.9.2013, XI R 41/12, BStBl II 2014, 135).
Hier hatte der Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebs sich offensichtlich handelsüblicher Quittungsblocks bedient, weil seine Kunden auch auf formelle Rechnungen keinen Wert legten. Die vorgedruckte Zeile »… MwSt« hatte er dann mit dem seinerzeit zutreffenden Steuersatz für die USt mit »16 %« ausgefüllt. Diese Zahl hatte nach Kenntniserlangung durch das FA für 2 Jahre eine Steuernachforderung von rund 5 000 € (zzgl. Zinsen) zur Folge. Aus Sicht des BFH waren die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG erfüllt und die »Steuerfalle« schnappte für den Handwerker zu. Aus dieser »Steuerfalle« kann der Kleinunternehmer nur wieder herauskommen, wenn er die falschen Rechnungen berichtigt und das Steueraufkommen nicht mehr gefährdet ist (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG). Dies wird sich i.d.R. als schwierig bis unmöglich erweisen, wenn der Unternehmer seine Kunden nicht namentlich und mit Anschrift kennt (s.a. Anmerkungen vom 6.12.2013, LEXinform 0879394 und vom 5.12.2013, LEXinform 0944395; → Rechnung unter Gliederungspunkt »Checkliste einer Kleinbetragsrechnung«).
Ein Unternehmer erteilt eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, obwohl er eine Leistung nicht ausführt, z.B. Schein- oder Gefälligkeitsrechnung (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Der BFH hat mit Urteil vom 5.2.1998 (V R 65/97, BStBl II 1998, 415) wie folgt entschieden:
Eine Gefährdung des Steueraufkommens wird dadurch herbeigeführt, dass der Empfänger der Abrechnung in den Stand versetzt wird, unberechtigt einen Vorsteuerabzug vorzunehmen. Der Rechnungsaussteller muss das Abrechnungspapier als »Rechnung« bezeichnen und es muss die gem. § 14 Abs. 4 UStG notwendigen Angaben enthalten, wie sie für Zwecke des Vorsteuerabzugs und als Grundlage für das Eingreifen des § 14c Abs. 2 UStG erforderlich sind.
Die Festsetzung von USt nach § 14c Abs. 2 Satz 2 2. Alt. UStG verlangt die (positive) Feststellung, dass eine in einer Rechnung ausgewiesene Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde. Dafür reicht nicht aus, dass dies »nicht auszuschließen« ist (BFH Beschluss vom 20.7.2011, XI B 108/10, BFH/NV 2011, 2134, LEXinform 5906395).
Nach dem BFH-Urteil vom 16.9.2015 (XI R 47/13, BFH/NV 2016, 428, LEXinform 0934597) kommt es hinsichtlich eines unberechtigten Steuerausweises i.S.d. § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG nicht darauf an, ob der Rechnungsaussteller Kenntnis von einer ggf. unberechtigten Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs des angeblichen Leistungsempfängers hatte. Maßgeblich ist allein die Rechnungsausstellung über eine tatsächlich nicht ausgeführte Leistung. Der gesetzliche Tatbestand in § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG verlangt weder, dass der Aussteller der Rechnung (bzw. der Urkunde) deren missbräuchliche Verwendung durch den Rechnungsempfänger kennt, noch ist eine dahin gehende Absicht erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH Urteile vom 30.3.2006, V R 46/03, BFH/NV 2006, 1365, unter II.1.a, Rz. 14; vom 7.4.2011, V R 44/09, BStBl II 2011, 954, Rz. 13).
Ein Unternehmer erteilt eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, in der er statt des tatsächlich gelieferten Gegenstandes einen anderen, von ihm gelieferten Gegenstand aufführt, oder statt der tatsächlich ausgeführten sonstigen Leistung eine andere, von ihm nicht erbrachte Leistung angibt (unrichtige Leistungsbezeichnung). Der leistende Unternehmer schuldet die gesondert ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG neben der Steuer für die tatsächlich ausgeführte Leistung. S. dazu auch die Beispiele in Abschn. 14c.2. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UStAE.
Eine lediglich ungenau bezeichnete Leistung führt nicht zu einem unberechtigten Steuerausweis, wenn unter Heranziehung der bei den Vertragsparteien vorhandenen Unterlagen der Rechnungsgegenstand zu identifizieren war und keine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens in Betracht kommt (FG Saarland Urteil vom 12.5.2011, 1 K 1304/06, EFG 2012, 568, LEXinform 5012546, rkr.).
Ein Unternehmer erteilt eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis für eine Leistung, die er nicht im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt hat (Verkauf eines Gegenstands aus dem Privatbereich).
Ein Nichtunternehmer weist in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert aus, z.B. Privatperson, Hoheitsbetrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Ein nicht unternehmerisch tätiger öffentlich-rechtlicher Zweckverband zur Tierkörperbeseitigung weist i.S.d. § 14c Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG unberechtigt USt gesondert aus, wenn er in seinen Gebührenbescheiden über die Tierkörperbeseitigung als Teil der Entsorgungsgebühr ein Nettoentsorgungsentgelt nebst darauf entfallendem Steuerbetrag angibt (BFH Urteil vom 21.9.2016, XI R 4/15, BFH/NV 2017, 397, LEXinform 0950405).
In einem Abrechnungsverfahren erfolgt ein doppelter Steuerausweis.
Mit Erlass vom 5.3.2008 (S 7283 A – 6 – 202.2, LEXinform 5231327) nimmt das Thüringer Finanzministerium zum doppelten Steuerausweis bei Abrechnungen über Schrottlieferungen Stellung.
Die OFD Frankfurt weist mit Vfg. vom 3.12.2012 (S 7300 A – 131 – St 128, DStR 2013, 1190) auf typische Abrechnungsfehler hin. Mehrfachabrechnungen erfolgen dabei häufig bei Gesamtabrechnungen sowie bei der Abrechnung von Fahrausweisen.
Mit Beschluss vom 22.4.1998 (V B 111/97, BFH/NV 1998, 1531) hat der BFH entschieden, dass die Alleingeschäftsführerin einer GmbH eine Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet, weil sie über ihre Geschäftsführertätigkeit gegenüber der GmbH mit gesondertem USt-Ausweis abgerechnet hat. Die Geschäftsführerin der KapGes sei ArbN gewesen.
Händigt ein Nichtunternehmer (Verkäufer) dem Käufer eines Pkw, einem Unternehmer, ein blanko unterschriebenes Papier zum Ausfüllen als Kaufvertrag aus, ohne ausdrücklich den gesonderten Steuerausweis zu untersagen, und weist der Käufer die USt gesondert aus, so schuldet der Verkäufer diese Steuer gem. § 14c Abs. 2 UStG (BFH Urteil vom 5.8.1988, X R 66/82, BStBl II 1988, 1019).
Bezüglich der Rechnungsausstellung durch einen Nichtunternehmer ist allerdings das EuGH-Urteil vom 6.11.2003 (C-78/02 bis C-80/02, UR 2003, 595 mit Anmerkung von Stadie) zu beachten. Ein Betrag, der als Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausgewiesen wird, die eine Person ausstellt, die Dienstleistungen an den Staat erbringt, ist dann nicht als Mehrwertsteuer zu qualifizieren, wenn diese Person irrtümlich annimmt, dass sie diese Dienstleistungen als Selbstständiger erbringt, obwohl in Wirklichkeit ein Verhältnis der Unterordnung besteht. S. dazu auch den BFH-Beschluss vom 20.10.2006 (V B 20/05, UR 2007, 311).
Zu den Konsequenzen des gesonderten USt-Ausweises auf durchlaufende Posten (Portokosten) nimmt die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 5.4.2011 (S 7200, DStR 2011, 1377, LEXinform 5233439) Stellung.
Steuerschuldner nach § 14c Abs. 2 UStG ist gem. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG der Aussteller der Rechnung. Der Aussteller einer Rechnung schuldet die zu Unrecht ausgewiesene USt nach § 14c Abs. 2 UStG bis zur Berichtigung der Rechnung auch dann, wenn er bei Ausstellung der Rechnung nicht geschäftsfähig war (Änderung der Rechtsprechung, vgl. BFH Urteil vom 21.2.1980, V R 146/73, BStBl II 1980, 283; BFH Urteil vom 30.1.2003, V R 98/01, BStBl II 2003, 498).
Die Inanspruchnahme einer in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG setzt allerdings voraus, dass diese in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat (bisherige Rechtsprechung, BFH Urteil vom 24.9.1998, V R 18/98, BFH/NV 1999, 525; s.a. Abschn. 14c.2. Abs. 4 UStAE). Zur Aufgabe dieser Rechtsauffassung s.u. BFH Urteil vom 7.4.2011 (V R 44/09, BStBl II 2011, 954).
Dem BFH-Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Stpfl. ist Inhaber einer Reinigung. Außerdem hat er bei der Stadt einen Großhandel auf seinen Namen angemeldet. Nach den Ermittlungen des FA wird der Großhandel unstreitig aber nicht vom Stpfl., sondern – entgegen der gewerberechtlichen Anmeldung – von dessen Schwiegervater betrieben. Das FA vertritt die Auffassung, dass der Stpfl. die auf die Umsätze des Großhandels entfallende USt gem. § 14c Abs. 2 UStG schulde. Obwohl der Stpfl. insofern nicht selbst unternehmerisch tätig geworden sei, sei ihm zuzurechnen, dass der Schwiegervater Rechnungen unter dem Namen des Stpfl. erteilt habe.
Nach der BFH-Entscheidung ist § 14c Abs. 2 UStG auf den Stpfl. nicht anwendbar. Der Stpfl. hat an der Erstellung von Rechnungen oder Rechnungsformularen nicht aktiv mitgewirkt. Der Tatbeitrag beschränkt sich darauf, dass der Stpfl. auf seinen Namen ein – tatsächlich von seinem Schwiegervater betriebenes – Gewerbe angemeldet hat. Dieser Umstand allein berechtigt aber nicht, dem Stpfl. die unter seinem Namen ausgestellten Rechnungen zuzurechnen. Dies gilt selbst dann nicht, wenn er von der Verwendung von auf seinem Namen lautenden Abrechnungen Kenntnis gehabt haben sollte.
Gegen die Rechtsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung vom 16.3.1993 (XI R 103/90, BStBl II 1993, 531) und vom 24.9.1998 (V R 18/98, BFH/NV 1999, 525, LEXinform 0161464) hat das FG München mit Urteil vom 19.3.2009 (14 K 4535/06, LEXinform 5009340) entschieden, dass eine 76jährige Stpfl. dann die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet, wenn sie lediglich als »Strohmann« für ihren Sohn gehandelt hat. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann auch ein Strohmann Leistender i.S.d. UStG sein (vgl. BFH Beschluss vom 31.1.2002, V B 108/01, BFH/NV 2002, 835). Schuldner der USt aus einem Leistungsaustausch ist grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist, d.h. derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtungen höchstpersönlich ausführt oder durch andere ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt. Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der »Strohmann« aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem »Strohmann« die Leistungen zuzurechnen, die der »Hintermann« berechtigterweise im Namen des Strohmanns tatsächlich ausgeführt hat. Mit Urteil vom 7.4.2011 (V R 44/09, BStBl II 2011, 954) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG München (Beschluss vom 19.3.2009, 14 K 4535/06, EFG 2010, 455, LEXinform 5009340) bestätigt. Der BFH bestätigt somit auch die Aufgabe seiner Rechtsauffassung im BFH-Urteil vom 24.9.1998 (V R 18/98, BFH/NV 1999, 525).
Im Streitfall hat die Stpfl. mit ihren Unterschriften auf der Gewerbeanmeldung den Rechtschein gesetzt, dass sie Inhaberin des XY Verlags ist. Sie ist nach außen hin als leistender Unternehmer aufgetreten, selbst wenn sie nach der Gewerbeanmeldung nicht mehr im Rahmen des Verlags tätig gewesen ist.
Als eine im Geschäftsverkehr auftretende Unternehmerin hätte sich die Antragstellerin um die Belange ihrer Firma kümmern müssen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Verwendung von Briefpapier ihres Unternehmens zu überwachen, Abrechnungen gegenüber Auftraggebern zu erstellen sowie die vereinnahmten Entgelte vollständig und wahrheitsgemäß in den Steuererklärungen anzugeben.
Sie kann sich auch nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Denn hinsichtlich der Überlassung von Aufgaben an Dritte besteht nach Rechtsprechung des BFH die Pflicht des Geschäftsführers bzw. Firmeninhabers zur sorgfältigen Auswahl sowie laufenden Überwachung des Dritten bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben (BFH Urteil vom 27.11.1990, VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Er muss sich insbesondere so eingehend über den Geschäftsgang unterrichten, dass er unter normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen und ein Fehlverhalten des Beauftragten rechtzeitig erkennen kann.
Nach dem BFH-Beschluss vom 24.9.1998 (V R 18/98, BFH/NV 1999, 5254, LEXinform 0161464) liegt dann eine in den Regelungsbereich des § 14c Abs. 2 UStG fallende Gefährdung vor, wenn dem Empfänger ein blanko unterschriebenes Papier ausgehändigt und dieser in die Lage versetzt wird, es für umsatzsteuerliche Zwecke zu verwenden (s.a. BFH Beschluss vom 28.12.2004, V B 154 – 156/04, BFH/NV 2005, 727).
Nach dem BFH-Urteil vom 30.3.2006 (V R 46/03, BFH/NV 2006, 1365) ist die Überlassung eines leeren Briefbogens keine Rechnungsausstellung. Wer einem Dritten einen leeren Briefbogen (des Unternehmens seiner Mutter) überlässt, stellt keine Rechnung aus, wenn der Dritte auf diesem Papier unabgesprochen eine unrichtige Rechnung erstellt und dieses Handeln dem Überlassenden auch sonst nicht zurechenbar ist. Die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person kann nur dann gem. § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG in Anspruch genommen werden, wenn sie in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt hat oder wenn ihr die Ausstellung zuzurechnen ist (Urteil FG Münster vom 12.9.2017, 15 K 1089/15, EFG 2017, 1767, LEXinform 5020616, rkr.).
Der EuGH-Urteil nimmt mit Beschluss vom 19.9.2000 (C-454/98, DB 2000, 2571 mit Anmerkung von Korf, UR 2000, 470) zur Wirkung sowie zur Berichtigungsmöglichkeit im Rahmen des § 14c Abs. 2 UStG Stellung. Der BFH hat mit Beschluss vom 15.10.1998 (V R 38/97, V R 61/97, UR 1999, 167 sowie BFH/NV 1999, 576) drei Fragen nach der Auslegung von Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. RLEWG (Art. 203 MwStSystRL) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dem Vorlagebeschluss liegen zwei Rechtsstreitigkeiten zugrunde, in denen es um die Weigerung der FÄ geht, den Klägern als Billigkeitsmaßnahme die Zahlung zu Unrecht in Rechnung gestellter USt zu erlassen. In einem Ausgangsfall hatte die Klägerin einer GmbH Beratungsleistungen berechnet und in der Rechnung USt offen ausgewiesen, obwohl sie solche Beratungsleistungen nie erbrachte. Die GmbH verwendete die Rechnung als Bestandteil eines Antrags auf Investitionszulage, nahm aber keinen Vorsteuerabzug vor, sondern gab die Rechnungen an die Klägerin zurück.
Im anderen Fall hatte der Kläger Luftrechnungen erteilt, um eine bessere Ertragslage vorzutäuschen. Die Empfänger der Rechnungen bezahlten die berechneten Beträge und bekamen die gezahlten Summen vom Kläger zurück. Der Kläger zahlte die USt, die Rechnungsempfänger zogen sich Vorsteuer ab.
In beiden Fällen war die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG festgesetzt worden. Auch wenn im BFH-Beschluss dazu nichts ausgesagt ist, muss davon ausgegangen werden, dass im zweiten Fall der Vorsteuerabzug bei den Rechnungsempfängern rückgängig gemacht wurde. Beide Kläger hatten Erlass der Steuer aus Billigkeit nach § 227 AO beantragt, die Anträge waren abgelehnt worden. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Fragen vor,
ob eine Berichtigung zu Unrecht berechneter USt zwingend voraussetze, dass der Aussteller seinen guten Glauben nachweise,
unter welchen Voraussetzungen ein Rechnungsaussteller in gutem Glauben handele und
ob das Gemeinschaftsrecht gebiete, eine Berichtigung bereits im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu ermöglichen, oder ob eine Berücksichtigung in einem anschließenden Billigkeitsverfahren ausreiche.
Nach Auffassung des BFH ist die Festsetzung der USt gem. § 14c Abs. 2 UStG gerechtfertigt, da die Kläger Rechnungen mit gesondertem Ausweis von USt ausgestellt und den Rechnungsadressaten übergeben haben, ohne die darin bezeichneten Leistungen ausgeführt zu haben. Zweck des § 14c Abs. 2 UStG sei es, Missbräuche durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern, wenn Umsätze überhaupt nicht ausgeführt würden.
In seiner Entscheidung befasst sich der EuGH zunächst mit der Beantwortung der zweiten Frage und kommt zu folgendem Ergebnis:
Hat der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, so verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, ohne dass eine solche Berichtigung vom guten Glauben des Ausstellers der betreffenden Rechnung abhängig gemacht werden darf. In den Ausgangsverfahren wurde die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, da der Aussteller der Rechnung diese vor ihrer Verwendung durch den Aussteller wiedererlangte und vernichtete bzw. den in der verwendeten Rechnung gesondert ausgewiesenen Betrag entrichtete. In diesen Fällen ist es zur Gewährleistung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen nicht erforderlich, dass der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist. Wurde dagegen die Gefährdung des Steueraufkommens nicht vollständig beseitigt, so können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer davon abhängig machen, dass der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist. Nach Beantwortung der zweiten Frage steht fest, dass die Mehrwertsteuer berichtigt werden muss.
Die erste Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, betrifft das Verfahren der Berichtigung. Nach der Entscheidung des EuGH ist es grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Die Mitgliedstaaten können deshalb auch darüber entschieden, ob eine solche Berichtigung im Steuerfestsetzungsverfahren oder in einem anschließenden Verfahren vorgenommen wird. Nach Auffassung des EuGH kann ein Mitgliedstaat den Standpunkt einnehmen, dass die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer nicht im Festsetzungsverfahren, sondern in einem anschließenden Verfahren vorgenommen werden muss, damit die FinVerw insbesondere dann, wenn die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer abgezogen wurde, prüfen kann, ob jede Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist. Ist eine solche Gefährdung ausgeschlossen, so darf die Berichtigung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer jedoch nicht im Ermessen der FinVerw stehen.
In Anbetracht der Antworten auf die erste und zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.
Mit Urteil vom 22.2.2001 (V R 5/99, BStBl II 2004, 143) hat der BFH nach seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 15.10.1998 (V R 38/97, V R 61/97, UR 1999, 167) an den EuGH und nach dessen Beschluss vom 19.9.2000 wie folgt entschieden:
Wurde eine Rechnung mit Steuerausweis über eine nicht ausgeführte Leistung an den Aussteller zurückgegeben oder storniert, ohne dass der Empfänger der Rechnung die ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abzog, so ist die Gefährdung für das Steueraufkommen durch die Rechnung beseitigt; die nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldete Steuer ist zu berichtigen (Anschluss an EuGH-Urteil vom 19.9.2000, C-454/98, UR 2000, 470). Die Berichtigung der Steuer kann im Verfahren über die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen, wenn noch in demselben Besteuerungszeitraum die Gefährdung beseitigt wurde (s.a. BFH Urteil vom 25.4.2002, V B 73/01, BStBl II 2004, 343).
Die Berichtigung eines unrichtigen Steuerbetrages setzt voraus, dass das Steueraufkommen nicht gefährdet wird (BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 11/98, BStBl II 2004, 313). Das Steueraufkommen wäre gefährdet, wenn eine Berichtigung der Steuer ohne den Nachweis des Ausstellers der Rechnung zugelassen würde, dass der Rechnungsempfänger die in der Rechnung ausgewiesene USt nicht als Vorsteuer abgezogen hat, dass ihm der Vorsteuerabzug versagt worden ist oder Verrechnung der abgezogenen Vorsteuer rückgängig gemacht worden ist.
Hat der Stpfl. eine Leistung, die er außerhalb seines Unternehmens erbracht hat, als stpfl. Umsatz behandelt, indem er sie dem Leistungsempfänger mit gesondertem Ausweis der USt in Rechnung gestellt hat, und hat er die Steuer erklärungsgemäß an das FA abgeführt, so verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt wird, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist (BFH Urteil vom 17.5.2001, V R 77/99, BStBl II 2004, 370).
Das BFH-Urteil vom 8.3.2001 (V R 61/97, BStBl II 2004, 373) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hat ein Unternehmer Rechnungen mit gesondertem Ausweis von USt ausgestellt und Dritten übergeben, obwohl er die darin bezeichneten Leistungen nicht ausgeführt hat, und haben die Rechnungsempfänger die ausgewiesene USt als Vorsteuerbeträge abgezogen, so schuldet der Aussteller die ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG, auch wenn er seine angeblichen Leistungen umsatzversteuert hat.
Da aber in diesem Fall keine Gefährdung des Steueraufkommens besteht, wenn der Vorsteuerabzug bei den Rechnungsempfängern berichtigt wurde, verlangt der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die unberechtigt in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer unabhängig vom guten Glauben des Rechnungsausstellers berichtigt werden kann.
Mit der Einführung des § 14c UStG durch das StÄndG 2003 wurde das Problem der Rechnungsberichtigung sowie der Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens durch den Gesetzgeber geregelt (§ 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG). Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn der Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt wurde oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt wurde. Dies ist in dem Sinne zu verstehen, dass endgültig feststehen muss, dass jedwede Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist (BFH vom 8.11.2016, VII R 34/15, BStBl II 2017, 496, Rz. 16 und 17. Die Gefährdung des Steueraufkommens kann auch dann beseitigt sein, wenn der Rechnungsempfänger wegen einer Umsatzsteuersonderprüfung an der Durchführung des begehrten Vorsteuerabzugs tatsächlich gehindert war (BFH Beschluss vom 3.11.2016, V B 81/16, BFH/NV 2017, 330).
Nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG kann der Steuerbetrag berichtigt werden. Notwendig für die Berichtigung des Steuerbetrages ist die schriftliche oder elektronische Erklärung, dass die ursprüngliche Rechnung nicht mehr als verbindlich anzusehen ist. Zur Rechnungsberichtigung s. Abschn. 14.11. UStAE.
Der Schuldner des unberechtigt ausgewiesenen Betrages hat die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags bei dem für seine Besteuerung zuständigen FA gesondert schriftlich zu beantragen. Diesem Antrag hat er ausreichende Angaben über die Identität des Rechnungsempfängers beizufügen. Das FA des Schuldners des unberechtigt ausgewiesenen Betrags hat durch Einholung einer Auskunft beim FA des Rechnungsempfängers zu ermitteln, in welcher Höhe und wann ein unberechtigt in Anspruch genommener Vorsteuerabzug durch den Rechnungsempfänger zurückgezahlt wurde (Abschn. 14c.2. Abs. 5 Satz 1 bis 3 UStAE).
Nach Einholung der Auskunft teilt das FA des Schuldners des unberechtigt ausgewiesenen Betrags diesem mit, für welchen Besteuerungszeitraum und in welcher Höhe die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags vorgenommen werden kann (Abschn. 14c.2. Abs. 5 Satz 4 UStAE). Der Schuldner hat einen Rechtsanspruch auf Zustimmung zur Berichtigung, wenn und soweit ein unberechtigter Vorsteuerabzug unterblieben ist. Die Zustimmung und die Ablehnung sind anfechtbare Verwaltungsakte, für die keine besondere Form vorgeschrieben ist (Birkenfeld, Das große USt-Handbuch, § 14c Rz. 581). Die nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG erforderliche Zustimmung ist nicht von einer Rückzahlung eines vereinnahmten Betrags durch den Steuerschuldner an den Belegempfänger abhängig (Abschn. 14c.2. Abs. 3 Satz 6 UStAE).
Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 2 Satz 5 UStG). Nach den Verwaltungsregelungen zur Anwendung des § 14c UStG entscheidet das FA im Anschluss an die von ihm vorzunehmende Prüfung nicht nur darüber, ob die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist, sondern auch darüber, für welchen Besteuerungszeitraum und in welcher Höhe die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags vorgenommen werden kann (Abschn. 14c.2. Abs. 5 Satz 4 UStAE). Dem FA ist es möglich, über den bei ihm gestellten Antrag durch einen eigenständigen Verwaltungsakt zu entscheiden (s. BFH-vom 8.11.2016, VII R 34/15, BStBl II 2017, 496, Rz. 20). Zwingend ist das aber nicht. Es kann sich auch dafür entscheiden, seine Zustimmung stillschweigend durch den Erlass eines Änderungsbescheids zu erteilen.
In der Zustimmung nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG kann kein eigenständiger Grundlagenbescheid gesehen werden, der für das nachfolgende Festsetzungsverfahren durch Vor- und Steueranmeldung bindend wäre. Für eine derartige Eigenständigkeit besteht keine sachliche Rechtfertigung, da diese Zustimmung nur der Überwachung des Erklärungsverhaltens des Unternehmers dient. Zudem geht es nicht darum, die Sachkunde anderer Behörden zu nutzen, wie es etwa auf die Bescheinigungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG und § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG zutrifft, bei denen es sich um Grundlagenbescheide handelt. Jede andere Sichtweise würde die Handhabung des Besteuerungsverfahrens ohne sachliche Rechtfertigung erschweren (s. BFH Beschluss vom 27.7.2021, V R 43/19, BFH/NV 2022, 89, LEXinform 0952636, Rz. 34 und 35; s.a. Anmerkung vom 16.11.2021, LEXinform 0653890).
Der BFH hat mit Beschluss vom 27.7.2021 (V R 43/19, BFH/NV 2022, 89) entschieden, dass die vom Rechnungsaussteller aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises geschuldeten Rechnungsbeträge gem. § 14c Abs. 2 UStG in dem Voranmeldungszeitraum zu korrigieren sind, in dem der Rechnungsempfänger die Vorsteuer tatsächlich an das FA zurückgezahlt hat. Nicht maßgeblich sind der Zeitpunkt des Antrags auf Korrektur der Steuer sowie der Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung.
Im Urteilsfall V R 43/19 wurden die Vorsteuern aufgrund einer Außenprüfung bereits im Kj. 2010 zurückgezahlt. Erst im Jahr 2013 beantragte der Insolvenzverwalter des Leistungsgebers die Herabsetzung der USt mit dem Argument, er habe jeweils am Tag vor der Insolvenzeröffnung im Jahr 2011 berichtigte Rechnungen erteilt. Der Insolvenzverwalter beantragte, den Steuerminderungsanspruch bei der USt 2011 unter der Massesteuernummer festzusetzen.
Das FG und der BFH bestätigten die Rechtsauffassung des FA, wonach für die Rechnungsberichtigung auf das Jahr 2010 abzustellen ist, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird. Das Jahr der Rechnungsberichtigung oder der Antragstellung ist hingegen belanglos. Das FA hat daher zu Recht den Vergütungsanspruch zur USt 2010 unter der Insolvenzsteuernummer festgesetzt und erklärte gegenüber diesem Vergütungsanspruch die Aufrechnung.
Wurde beim Empfänger der Rechnung kein Vorsteuerabzug vorgenommen, ist der wegen unberechtigten Steuerausweises geschuldete Betrag beim Aussteller der Rechnung für den Zeitraum zu berichtigen, in dem die Steuer gem. § 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG entstanden ist (Abschn. 14c.2. Abs. 5 Satz 6 UStAE).
Für die Berichtigung der aufgrund des unberechtigt ausgewiesenen Steuerbetrags nach § 14c Abs. 2 UStG ergangenen Steuerbescheide gelten die allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung (Abschn. 14c.2. Abs. 8 UStAE).
Kann das FA den Steuerbetrag vom Rechnungsempfänger nicht mehr zurückerhalten, scheidet eine Berichtigung der Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG aus.
Bei der nach § 14c Abs. 1 oder 2 UStG geschuldeten Steuer kommt es auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung an, sodass die USt dann zu den Massekosten gehört, wenn die Rechnung vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstellt wurde.
Hat der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Rechnung i.S.d. § 14c Abs. 1 oder 2 UStG erteilt sowie die zu hoch ausgewiesene Steuer abgeführt und wird die Rechnung vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens berichtigt, so zählt der Erstattungsanspruch nur dann zur Masse, wenn bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gefährdung des Steueraufkommens bereits beseitigt gewesen ist (BFH vom 8.11.2016, VII R 34/15, BStBl II 2017, 496, Rz. 13). Nach der BFH-Rspr. vom 26.1.2012 (V R 18/08, BStBl II 2015, 962, Rz. 33 und 34) wirkt eine spätere Rechnungsberichtigung nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung zurück. Besteuerungszeitraum der Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG der Zeitraum, in dem die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (BFH vom 8.11.2016, VII R 34/15, BStBl II 2017, 496, Rz. 16). Soweit der VII. Senat mit Urteil vom 4.2.2005 (VII R 20/04, BStBl II 2010, 55) zu § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1999 in der bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645) geltenden Fassung entschieden hat, dass ein entsprechender Anspruch insolvenzrechtlich bereits im Zeitpunkt der Rechnungsausgabe entsteht, hält er daran nicht mehr fest.
Die folgende Übersicht stellt die Steuerberichtigungsmöglichkeiten des § 14c UStG gegenüber. Die Übersicht zeigt auch den jeweils geschuldeten USt-Betrag auf.
Abb.: Zusammenfassende Übersicht über § 14c UStG
Weist ein Unternehmer USt doppelt aus – sowohl in Abschlags- als auch in Endrechnungen –, ohne dass ihm eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist, so hat er die zusätzlich geschuldeten Umsatzsteuerbeträge (§ 14c Abs. 1 UStG) in den Jahren zu passivieren, in denen sie infolge des doppelten Ausweises entstanden sind, und nicht erst im Jahr der Aufdeckung dieser Vorgänge durch die Betriebsprüfung.
Werden die Rechnungen in einem späteren Jahr berichtigt, so sind die sich daraus ergebenden Steuervergütungsansprüche im Jahr der Rechnungskorrektur zu aktivieren (BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 96/07, BStBl II 2012, 719).
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Holzner u.a., Unrichtiger und unberechtigter Ausweis der Umsatzsteuer, Steuer & Studium 3/2016, 180; Meyer-Burow u.a., Anspruch des Rechnungsempfängers gegen die Finanzverwaltung auf Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Umsatzsteuer (Reemtsma-Anspruch), UStB 12/2015, 353; Grambeck, Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG, NWB 29/2017, 2174; Oldiges, Berichtigung eines Steuerbetrags nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG, NWB 42/2018, 3074; L’habitant, Leistungsbeschreibung (nebst Leistungsdatum) bei Abrechnungsdokumenten i.S.d. § 14c UStG – eine beispielhafte Analyse anhand diverser Fallgestaltungen, UStB 2/2018, 53; Grebe u.a., Der unrichtige Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG, UStB 2020, 366; von Streit u.a., Korrektur eines unrichtigen Steuerausweises gem. § 14c Abs. 1 UStG nur bei Rückzahlung: Berücksichtigung der Gesamtumstände, UR 2021, 689; von Streit u.a., Rückwirkende Korrektur der Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG, UStB 2021, 332; Nieskens, Hat der sog. Direktanspruch auf Grundlage der Reemtsma-Rechtsprechung des EuGH im nationalen Recht eine Chance?, UR 2023, 269; Streit, Wenn die Rückforderung der Umsatzsteuer scheitert: Der Direktanspruch als Hilfe – auch bei Verjährung, NWB 45/2023, 3046.
→ Rechnung
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden