1 Übersicht über die Vorschrift
2 Berichtigung i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG
2.1 Änderung der Verhältnisse
2.2 Boni, Skonti, Rabatte
2.2.1 Vereinbarungen zwischen Lieferer und Empfänger
2.2.2 Bonuszahlungen eines Dritten im Franchisesystem
2.3 Berichtigung der Umsatzsteuer bei der Istbesteuerung
2.4 Vorsteuerberichtigung beim unmittelbaren Leistungsempfänger
2.5 Vorsteuerberichtigung beim umsatzlosen Unternehmer
2.6 Vorsteuerberichtigung beim Unternehmer ohne Vorsteuerabzugsberechtigung
2.7 Rückgängigmachung des Verzichts auf Steuerbefreiungen
2.8 Kaufpreisminderungen innerhalb der Leistungskette
2.8.1 Minderung der Bemessungsgrundlage
2.8.1.1 Berichtigung der Umsatzsteuer
2.8.1.2 Nachweisführung durch den preisnachlassgewährenden Unternehmer
2.8.2 Vorsteuerberichtigung beim wirtschaftlich begünstigten Leistungsempfänger
2.8.2.1 Vorsteuerberichtigung
2.8.2.2 Nachweisführung
2.8.3 Gutscheinausgabe
2.9 Kaufpreisminderungen außerhalb der Leistungskette
2.10 Rabattgewährung durch pharmazeutische Unternehmen
2.10.1 Überblick über die Rechtsprechung sowie die Verwaltungsregelungen
2.10.2 Rabattgewährung im gesetzlichen Krankenkassensystem
2.10.3 Rabattgewährung im privaten Krankenkassensystem
2.11 Grenzüberschreitender Apothekenrabatt
2.11.1 Lieferungen an Privatpatienten und von OTC-Produkten
2.11.2 Lieferungen an Kassenpatienten
2.12 Entgeltsminderung
2.12.1 Allgemeines
2.12.2 Forderungsabtretung
2.12.3 Guthaben aus der Verbrauchsabrechnung bei Energie- und Wasserversorgungsunternehmen
2.12.4 Ausgleichszahlungen für garantierte, aber nicht erzielte Mieten
2.12.5 Entschädigung bzw. Entgeltsminderung aufgrund mangelhafter bzw. verspäteter bzw. nur teilweiser Vertragserfüllung
2.12.6 Forderungsverzicht
2.12.7 Ausgabe von Parkchips
2.12.8 Payback-System
2.12.9 Vorkosten im Zusammenhang mit der Lieferung von Vieh an Schlachtstätten
2.12.10 Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 bis 4 UStG in den Fällen des § 13b UStG
2.12.11 Rechnungsberichtigung nach § 14c UStG
3 Uneinbringlichkeit einer Forderung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG)
3.1 Allgemeines zur Berichtigungspflicht
3.2 Uneinbringlichkeit
3.2.1 Grundsätzliches zur Uneinbringlichkeit
3.2.2 Uneinbringlichkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens
3.2.3 Uneinbringlichkeit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Dritten
3.2.4 Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehalts
3.2.5 Umsatzsteuerberichtigung bei Vorfinanzierung der Steuer über mehrere Jahre
4 Nichtausführung einer Leistung (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG)
5 Rückgängigmachung einer Leistung (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG)
6 Nachweis der Erwerbsbesteuerung (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG)
7 Aufwendungen i.S.d. § 15 Abs. 1a UStG (§ 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG)
8 Einfuhrumsatzsteuer
9 Belegerteilung
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel
§ 17 UStG sieht folgende Berichtigungen vor:
§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG: USt-Berichtigung des leistenden Unternehmers;
§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG: Vorsteuerberichtigung bei dem Unternehmer, an den der maßgebliche Umsatz i.S.d. Satzes 1 ausgeführt wurde;
§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG: Vorsteuerberichtigung des wirtschaftlich begünstigten Unternehmers;
§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG: Berichtigung in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG; → Innergemeinschaftlicher Erwerb);
§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG: Berichtigung in den Fällen der → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b UStG);
§ 17 Abs. 1 Satz 6 UStG: Berichtigung bei Preisnachlässen und Preiserstattungen innerhalb einer Leistungskette.
Mit Art. 11 Nr. 4 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird mit Wirkung ab 29.12.2020 Satz 6 in § 17 Abs. 1 UStG neu eingefügt.
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG: Berichtigung in den Fällen des Forderungsverlustes;
§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG: Berichtigung in den Fällen der Nichtausführung einer Leistung;
§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG: Berichtigung in den Fällen der Rückgängigmachung einer Leistung;
§ 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG: Berichtigung in den Fällen der doppelten Erwerbsbesteuerung (§ 3d Satz 2 UStG; → Innergemeinschaftlicher Erwerb);
§ 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG: Berichtigung in den Fällen der nachträglichen steuerschädlichen Verwendung (§ 15 Abs. 1a UStG);
§ 17 Abs. 3 UStG: Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Herabsetzung, Erlass oder Erstattung der EUSt.
Gemeinschaftsrechtlich beruht die Vorschrift des § 17 UStG auf den Vorgaben der Art. 79, 87, 90, 92, 184 ff. MwStSystRL.
§ 17 Abs. 1 UStG beinhaltet einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand und betrifft nur Fälle, in denen sich die ursprüngliche, nach § 13 Abs. 1 UStG bzw. § 13b Abs. 1 UStG entstandene USt durch nachträglich eingetretene Umstände oder Ereignisse ändert. Kein Fall des § 17 UStG liegt dagegen vor, wenn eine ursprünglich unrichtige Steuerfestsetzung berichtigt werden soll; hier sind die einschlägigen Normen der Abgabenordnung zu prüfen. Hat der Unternehmer das Entgelt insgesamt vereinnahmt, kann die Bemessungsgrundlage nicht durch bloße Vereinbarung, sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts geändert werden. Erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem das Entgelt tatsächlich zurückbezahlt ist, ist die → Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Denn die Umsatzbesteuerung beschränkt sich (letztlich) auf den Umfang der tatsächlich vereinnahmten Gegenleistung (BFH Urteil vom 18.9.2008, V R 56/06, BStBl II 2009, 250; Abschn. 17.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Diese Grundsätze sind auch bei anderen Fallgestaltungen anwendbar. So ist für die Berichtigung des Umsatzsteuer- und Vorsteuerbetrages bei Mängelrügen und der nachträglichen Gewährung von Boni, Skonti und Rabatten der Zeitpunkt der Auszahlung bzw. der Inanspruchnahme der Gutschrift durch den Kunden maßgeblich (Abschn. 17.1 Abs. 2 Satz 5 UStAE). Bei Über- oder Doppelzahlungen erfolgt die Berichtigung im Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung (s.a. Abschn. 10.1 Abs. 3 Satz 6 UStAE).
Beachte:
Ist eine Leistung bereits unentgeltlich erbracht worden, kann zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger gleichwohl nachträglich ein zu einem Leistungsaustausch führendes Rechtsverhältnis begründet werden. In diesem Fall muss sich aus der Vereinbarung eindeutig ergeben, dass für die Leistung nunmehr eine Gegenleistung geschuldet wird (BFH vom 19.11.2009, V R 41/08, BFH/NV 2010, 562, LEXinform 5009542; s. → Unentgeltliche Wertabgabe unter dem Gliederungspunkt »Überblick«; Sterzinger, UStB 2020, 162).
Die Berichtigung hat in dem Besteuerungszeitraum zu erfolgen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 8 UStG). Die Berichtigung nach § 17 UStG setzt voraus, dass die Änderung der Bemessungsgrundlage bzw. die Uneinbringlichkeit des Entgelts nach dem Besteuerungszeitraum der Entstehung der Steuer bzw. Vorsteuerabzugsanspruch eingetreten ist (Abschn. 17.1 Abs. 2 UStAE).
Tritt die Änderung bereits während des laufenden Voranmeldungszeitraums ein, mit dessen Ablauf die USt entsteht, so richtet sich die USt-Schuld von vornherein nach der tatsächlich entstanden USt aufgrund der geänderten Bemessungsgrundlage.
Die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 24.8.2015 (S 7330 – 25 – St 181, UR 2015, 807, LEXinform 5235701) äußert sich zum Zeitpunkt der Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung bei Entgeltminderungen. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen stpfl. Umsatz geändert, so hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen, während der unternehmerische Leistungsempfänger den entsprechenden Vorsteuerabzug ändern muss (§ 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG). Wird ein anderer Unternehmer als der Leistungsempfänger als Folge der Entgeltsminderung wirtschaftlich begünstigt, hat dieser die Vorsteuerberichtigung vorzunehmen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG).
Zur Berichtigung ist der Unternehmer verpflichtet, selbst wenn er seine aktive Tätigkeit schon aufgegeben hat. Mit Urteil vom 15.10.2020 (C-335/19, LEXinform 5217202) hat der EuGH in Rz. 39 entschieden, dass die Sicherstellung einer symmetrischen Verminderung der Bemessungsgrundlage für die geschuldete Mehrwertsteuer und des abzugsfähigen Mehrwertsteuerbetrags nicht davon abhängt, dass beide Beteiligte mehrwertsteuerpflichtig sind. Weder das Recht des Gläubigers (s. Rz. 40), die Steuerbemessungsgrundlage zu vermindern, noch die Verpflichtung des Schuldners (Rz. 41), den Betrag der abzugsfähigen Mehrwertsteuer zu vermindern, hängen nämlich von der Aufrechterhaltung der Steuerpflichtigeneigenschaft ab.
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich eindeutig, dass es sich nicht um eine Berichtigungsmöglichkeit und damit um ein Wahlrecht des Unternehmers handelt, sondern dass eine Verpflichtung zur Berichtigung im Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit besteht (BFH vom 8.5.2020, V B 95/18, BFH/NV 2020, 1102, LEXinform 5909037; Anmerkung vom 9.9.2020, LEXinform 0889694).
Bei der Gewährung von Boni, Skonti und Rabatten steht die Höhe der Entgeltsminderung zum Zeitpunkt der Vereinbarung bzw. der Leistung häufig noch nicht fest. Die Berichtigung des Umsatzsteuer- und Vorsteuerbetrages ist für den Zeitpunkt vorzunehmen, in dem sich die Minderung der Bemessungsgrundlage durch die Inanspruchnahme des Skontos bzw. der Gewährung des Bonus oder Rabattes verwirklicht. Rechnen die Beteiligten die Rückvergütungen etc. gesondert ab, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich. Da ein Belegaustausch nur in Fällen des § 17 Abs. 4 UStG, also bei unterschiedlich besteuerten Umsätzen, verpflichtend ist (s. Abschn. 17.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE), wird die Berichtigung der Steuerbeträge häufig erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verfügung, z.B. bei Auszahlung bzw. Gutschrift auf dem Kundenkonto durchzuführen sein. Mit Urteil vom 29.5.2001 (C-86/99, Freemans, UR 2001, 349, LEXinform 0164174) hat der EuGH entschieden, dass die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung von Waren, die ein Kunde aus einem Versandhauskatalog für seinen Eigengebrauch bestellt, im vollen Katalogpreis der dem Kunden verkauften Waren besteht, auch wenn der Lieferer dem Kunden einen Rabatt auf den Katalogpreis gewährt, der dem Kunden bei Zahlung der Raten an den Lieferer auf einem gesonderten Konto gutgeschrieben wird und den er sich sofort auszahlen lassen oder über den er sofort in anderer Weise verfügen kann; von dem Katalogpreis ist der genannte Rabatt abzuziehen, sobald der Kunde ihn sich auszahlen lässt oder in anderer Weise darüber verfügt.
Mit Urteil vom 5.3.2020 (5 K 1670/17; EFG 2020, 815, LEXinform 5022902, rkr; FG Münster Mitteilung vom 15.4.2020, LEXinform 0456416) hat das FG Münster entschieden, dass vom Franchisegeber an den Franchisenehmer weitergeleitete Bonuszahlungen den Vorsteuerabzug nachträglich gem. § 17 UStG mindern können.
Die Klägerin ist eine GmbH und in ein Franchisesystem eingebunden. Die Franchisegeberin handelte mit Lieferanten Rahmenvereinbarungen aus, nach denen die Franchisenehmer Rabatte und Bonuszahlungen erhalten, die sich nach dem getätigten Nettoumsatz aller von der Franchisegeberin betreuten Abnehmer richten. Die Jahresboni wurden von den Lieferanten an die Franchisegeberin ausgezahlt, die diese an die Franchisenehmer weitergaben.
Das FA minderte den aus den Leistungen der Lieferanten in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug der Klägerin um die in den Bonuszahlungen enthaltenen Steuerbeträge nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG. Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass die Franchisegeberin die Boni für ihre Vermittlungsleistungen erhalten habe und keine Verpflichtung bestanden habe, diese an die Franchisenehmer weiterzuleiten.
Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Die Bonuszahlungen stellten zwar unstreitig kein Entgelt für Leistungen der Klägerin an die Franchisegeberin – etwa in Form der Inanspruchnahme des Warenwirtschaftssystems – dar. Allerdings führten sie zur Minderung des Vorsteuerabzugs für die erhaltenen Warenlieferungen. Die Zahlungen stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Lieferungen der Lieferanten an die Franchisenehmer. Dies ergebe sich daraus, dass die Boni nach dem Umfang der Lieferungen bemessen und in voller Höhe weitergeleitet wurden.
Demgegenüber könne nicht festgestellt werden, dass die Bonuszahlungen Entgelte für Leistungen der Franchisegeberin darstellten. Zum einen erhalte diese von den Lieferanten gesonderte Zahlungen für Vermittlungstätigkeiten und Werbeleistungen. Zum anderen bezögen sich die Bonuszahlungen nach den Konditionsvereinbarungen ausdrücklich auf die Warenlieferungen, was wie bei Rabatten eine typische Einkaufsmodalität darstelle. Dass die Franchisegeberin nicht verpflichtet war, die Boni weiterzuleiten, sei für diese Beurteilung ebenso wenig von Bedeutung wie der Umstand, dass den Franchisenehmern die Bonuszahlungen bei Erhalt der Lieferungen noch nicht bekannt waren (s.a. Anmerkung vom 27.5.2020, LEXinform 0889445). S.a. Urteil FG Münster vom 23.3.2021 (15 K 3483/18, EFG 2021, 1418, LEXinform 5023899, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 6/22, LEXinform 0954331).
Berechnet der leistende Unternehmer seine Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG), so führen Änderungen der Entgeltvereinbarung nur dann zu einer USt-Berichtigung nach § 17 UStG, wenn der leistende Unternehmer das ursprüngliche vereinbarte Entgelt bereits vereinnahmt hat. Die USt-Berichtigung ist dann für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das bereits vereinnahmte Entgelt ganz oder teilweise zurückgezahlt wird.
Beispiel 1:
S. Lang in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, 5. Aufl., § 17, Rz. 30.
Unternehmer A liefert an Unternehmer B Waren im Wert von 500 € netto zzgl. 19 % USt. Die Waren holt B bei A am 14.11.07 ab, die Rechnung wird bezahlt:
am 30.11.07;
am 1.12.07;
dabei nimmt B Skonto i.H.v. 3 % in Anspruch. A unterliegt der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Regelbesteuerung oder Sollbesteuerung, § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) und gibt monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen ab (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG).
Lösung 1:
Für A entsteht die USt nach dem Sollprinzip mit Ablauf des November 07 (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG) grundsätzlich unabhängig von der Bezahlung durch B. Erfolgt die Bezahlung durch B noch im November 07, entsteht die USt bereits auf der Basis des durch den Skonto geminderten Entgelts (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG) i.H.v. 485 € (× 19 % = 92,15 €) und muss so in der Umsatzsteuervoranmeldung für November 07 erklärt werden. B kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aus der Rechnung des A im Voranmeldungszeitraum November 07 Vorsteuern i.H.v. 92,15 € geltend machen.
Erfolgt die Bezahlung erst im Dezember 07, muss A in der Umsatzsteuervoranmeldung November 07 den Umsatz nach dem vereinbarten Entgelt (Sollprinzip) erklären (Entgelt 500 € × 19 % = 95 €). Da er dieses Entgelt später jedoch nicht vereinnahmt hat, tritt im Voranmeldungszeitraum Dezember 07 der Fall des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ein. A muss in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 07 die USt berichtigen (Zahlbetrag 577,15 € [595 € ./. 3 %] × 19/119 = 92,15 €, bisher 95 €). B kann aus der Rechnung des A im Voranmeldungszeitraum November 07 zunächst Vorsteuern i.H.v. 95 € geltend machen, im Voranmeldungszeitraum Dezember 07 tritt für ihn jedoch der Fall des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG ein, er muss die beanspruchte Vorsteuer um 2,85 € mindern.
Beispiel 2:
S. Lang in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, 5. A., § 17, Rz. 30.
Sachverhalt s. Beispiel 1. A unterliegt jedoch der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung, § 20 Abs. 1 UStG).
Lösung 2:
Es ergeben sich keine Änderungen gegenüber der Lösung zu Beispiel 1. Für A entsteht die USt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde, somit im Voranmeldungszeitraum November 07 und auf der Basis des geminderten Entgelts. B hat entsprechend den Vorsteuerabzug.
Für A ergibt sich im Unterschied zu Beispiel 1 die Entstehung der Steuer bei Istbesteuerung und Zahlung im Dezember 07 auch erst im Dezember. A muss in der Voranmeldung für Dezember 07 den Umsatz auf der Basis des durch den Skontobetrag geminderten Entgelts anmelden. Ein Fall des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG liegt aus seiner Sicht nicht vor. Für B ergibt sich die Lösung wie in Beispiel 1.
Wegen des in § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG angestrebten Gleichgewichts von Steuerbetrag und in Anspruch genommenem Vorsteuerabzug hat der Leistungsempfänger seinen Vorsteuerabzug grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum zu berichtigen, für den der leistende Unternehmer seine USt nach den oben dargestellten Grundsätzen zu berichtigen hat. Eine Ausnahme besteht für die Fälle, in denen der leistende Unternehmer die Ist-Besteuerung des § 20 UStG anwendet und das vereinbarte Entgelt noch vor seiner Bezahlung absprachegemäß gemindert wird. Hier hat der Leistungsempfänger die bereits gezogenen Vorsteuerbeträge gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG für den Besteuerungszeitraum zu berichtigen, in dem die Änderung des Entgelts vereinbart wird.
Mit Urteil vom 6.12.2007 (V R 3/06, BStBl II 2009, 203) hat der BFH in Abänderung seiner bisherigen Rspr. entschieden, dass die Rechnungskorrektur in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG keine Berichtigung der Vorsteuer des Rechnungsempfängers rechtfertigt. Die nach § 14c Abs. 1 UStG zu Unrecht ausgewiesene USt ist nach BFH- und EuGH-Rspr. nicht abziehbar (BFH vom 2.4.1998, V R 34/97, BStBl II 1998, 695, vom 30.3.2006, V R 9/03, BStBl II 2006, 933, EuGH vom 15.3.2007, C-35/05, Reemtsma, UR 2007, 343, LEXinform 5210446). Ist hiernach in einem USt-Bescheid ein Vorsteuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG zu Unrecht berücksichtigt worden, kommt deshalb grundsätzlich nur noch eine Änderung des Steuerbescheides des Abzugsjahres, also des Jahres, in dem die Vorsteuer zu Unrecht berücksichtigt worden ist, nach Maßgabe der Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO in Betracht (Abschn. 17.1 Abs. 10 UStAE; s. die Gliederungspunkt »Rechnungsberichtigung nach § 14c UStG«).
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch kann sich auch gegen einen umsatzlosen, erfolglosen Unternehmer richten.
Unternehmer ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug (Kleinunternehmer, Pauschallandwirte) unterliegen nicht der Vorsteuerberichtigungspflicht. Wechselt der Kleinunternehmer oder der Pauschallandwirt zur Regelbesteuerung, ist § 17 Abs. 1 UStG nicht anwendbar, weil USt nicht oder nur pauschal erhoben wurde und ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Eine Umsatz- bzw. Vorsteuerberichtigung ist allerdings möglich, wenn der Unternehmer von der Regelbesteuerung oder der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG zur Kleinunternehmerbesteuerung des § 19 Abs. 1 UStG wechselt.
Bei der Rückgängigmachung des Verzichts auf eine Steuerbefreiung liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 UStG nicht vor. In einem solchen Fall ist beim Leistungsempfänger ein Vorsteuerabzug für den Besteuerungszeitraum, in dem er vorgenommen wurde, zu korrigieren. Berichtigungsgrundlage ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und nicht § 14c Abs. 1 i.V.m. § 17 UStG. Denn es handelt sich um keine Änderung der Bemessungsgrundlage, sondern um die Umqualifizierung eines stpfl. Umsatzes zu einem steuerfreien Umsatz (vgl. BFH vom 1.2.2001, V R 23/00, BStBl II 2003, 673, vom 6.10.2005, V R 8/04, BFH/NV 2006, 835 und vom 6.12.2007, V R 3/06, BStBl II 2009, 203; Abschn. 17.1 Abs. 10 UStAE).
Zur Wirkung der Rückgängigmachung des Verzichts auf eine Steuerbefreiung hat der BFH mit Urteil vom 10.12.2009 (XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497, LEXinform 0588855) Folgendes entschieden: Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, so verliert der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs (im Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs) und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung; s.a. BFH Beschluss vom 3.4.2013, V B 64/12, BFH/NV 2013, 1135; → Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG unter dem Gliederungspunkt »Rückgängigmachung der Option«).
Nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 24.10.1996 (C–317/94, BStBl II 1996, 324) liegt eine Entgeltminderung vor, wenn der erste Unternehmer aufgrund seiner Lieferung eine Erstattung an einen der nachfolgenden Abnehmer in der Leistungskette vornimmt. Es kommt nicht darauf an, ob der begünstigte Abnehmer in einer unmittelbaren Leistungsbeziehung zu dem ersten Unternehmer steht. Erstattet danach der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endabnehmer (begünstigter Abnehmer) einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers an seinen unmittelbaren Abnehmer der nächsten Stufe (Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Für die USt-Berichtigung in diesen Fällen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 UStAE):
Der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat eine im Inland stpfl. Leistung erbracht.
Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG verlangt für die Umsatzsteuerberichtigung des Rabattgebers, dass sein Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar und stpfl. ist.
Die Leistung an den begünstigten Abnehmer ist im Inland stpfl. (§ 17 Abs. 1 Satz 6 UStG i.d.F. des JStG 2020).
Die Ergänzung des § 17 Abs. 1 UStG durch Satz 6 sichert den bisher durch die bundeseinheitlich abgestimmte Verwaltungsanweisung geregelten Zustand in Abschn. 17 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE gesetzlich ab.
Eine Berichtigung der USt vom rabattgebenden Unternehmer D dürfte unter Berücksichtigung des Neutralitätsprinzips im Ergebnis nicht richtig sein. Denn der letzte inländische Unternehmer (GmbH), der durch den Preisnachlass nicht wirtschaftlich begünstigt ist, macht den Vorsteuerabzug auf der Grundlage des vollen entrichteten Entgelts geltend. Würde nun die USt beim Rabattgeber vermindert, käme es zu einem Vorsteuerüberhang i.H.d. im Preisnachlass enthaltenen USt (s. BR-Drs. 503/20, 127).
Der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen sowie den Preisnachlass bzw. die Preiserstattung nachgewiesen (vgl. Abschn. 17.2 Abs. 5 und 6 UStAE).
Durch die Minderung der Bemessungsgrundlage der Leistung des den Preisnachlass gewährenden Unternehmers wird die von ihm erteilte Rechnung an seinen unmittelbaren Abnehmer nicht unrichtig. Insbes. findet in diesem Verhältnis § 14c Abs. 1 UStG keine Anwendung (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 4 Satz 2 und 3 UStAE). Auch ein möglicher Vorsteuerabzug dieses unmittelbaren Abnehmers ändert sich durch den Preisnachlass/die Preiserstattung nicht (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG; Abschn. 17.2 Abs. 2 Satz 5 UStAE). Die Minderung der Bemessungsgrundlage beim Unternehmer, der den Preisnachlass/die Preiserstattung gewährt, ist nicht davon abhängig, dass der den Preisnachlass/die Preiserstattung empfangende Abnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (Abschn. 17.2 Abs. 2 Satz 6 UStAE).
Beispiel 3:
Hersteller A verkauft Ware an Großhändler B. B verkauft die Ware an einen Zwischenhändler C. C verkauft die Ware an den Einzelhändler D, der die Ware an den letzten Abnehmer der Leistungskette E verkauft. B erstattet D wegen Abnahme einer bestimmten Menge von Waren, die über ihn vertrieben wurden, nachträglich einen Teil des von D für diese Waren aufgewendeten Preises.
Lösung 3:
S.a. das Beispiel in Abschn. 17.2 Abs. 1 UStAE.
Da es weder auf die Position des B als zweiten Unternehmer noch auf die des D als vierten und damit vorletzten Abnehmer in der Leistungskette ankommt, kann B die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung an C mindern. Gleichzeitig kann bei D nur ein entsprechend geminderter Vorsteuerabzug berücksichtigt werden (s.u. sowie Abschn. 17.2 Abs. 3 UStAE).
Der Unternehmer, der dem begünstigten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts erstattet oder einen Preisnachlass gewährt und dafür eine Minderung der Bemessungsgrundlage geltend macht, hat das Vorliegen der hierfür geltenden Voraussetzungen (s.o.) nachzuweisen. Die Nachweise können sich aus der Gesamtheit der Unterlagen ergeben, die beim Unternehmer, der den Preisnachlass/die Preiserstattung gewährt, vorliegen. Mit ihnen muss sich leicht und eindeutig nachprüfen lassen, dass die Voraussetzungen für eine Minderung der Bemessungsgrundlage vorgelegen haben. Des Weiteren müssen sie erkennen lassen, ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung des begünstigten Abnehmers besteht (Abschn. 17.2 Abs. 5 UStAE).
Der preisnachlassgewährenden Unternehmer kann seine Minderung der Bemessungsgrundlage auch durch Vorlage eines Belegs des Zwischenhändlers (z.B. Kopie der Rechnung), aus dem sich ergibt, dass die Leistung an den begünstigten Abnehmer im Inland stpfl. ist, nachweisen (Abschn. 17.2 Abs. 6 Nr. 2 UStAE).
Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG hat der unmittelbare Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug nicht zu berichtigen, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG). Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem der andere Unternehmer wirtschaftlich begünstigt wird.
Beachte:
Der begünstigte Abnehmer hat seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen, ohne dass es bei dem Unternehmer, der den Umsatz an ihn ausgeführt hat, zu einer Berichtigung der Bemessungsgrundlage kommt (s.o. Beispiel 3; Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Der Vorsteuerabzug ist nicht zu mindern, soweit ein Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland erbringt und einem in der Lieferkette nicht unmittelbar nachfolgenden Unternehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts erstattet oder einen Preisnachlass gewährt, da die Lieferung des preisnachlassgewährenden Unternehmers bereits im Inland nicht steuerbar ist und sich durch den Preisnachlass/die Preiserstattung auch nicht die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb seines unmittelbaren inländischen Abnehmers gemindert hat (vgl. BFH vom 5.6.2014, XI R 25/12, BStBl II 2017, 806 und vom 4.12.2014, V R 6/13, BStBl II 2017, 810; Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 2 UStAE).
Das nachfolgende Beispiel fasst die Problematik und die Entscheidungsgründe der BFH Urteile zusammen.
Beispiel 4:
Lösung 4:
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat (Firma X), den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Ebenfalls ist grundsätzlich der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde (Großhändler G), zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG). Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer (Unternehmer U) durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG; Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG sind bei dem Großhändler G nicht erfüllt, denn die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Großhändlers an U, der sie zum Vorsteuerabzug berechtigt, hat sich nicht geändert. Da sich die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 10 Abs. 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG (das Entgelt) grundsätzlich nach dem zwischen Leistendem und Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis richtet (BFH Urteile vom 17.12.2009, V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869; vom 16.1.2003, V R 36/01, BFH/NV 2003, 667), betrifft auch die Berichtigungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG nur die am Leistungsaustausch unmittelbar beteiligten Unternehmer. Dies folgt systematisch aus den Regelungen des § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG, welche die Auswirkungen regeln, die die Änderung der Bemessungsgrundlage im jeweiligen Rechtsverhältnis auf andere Unternehmer hat.
Das Entgelt im Rechtsverhältnis zwischen dem Großhändler G und U, also alles, was der leistende Unternehmer G vom Leistungsempfänger U erhält oder erhalten soll (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG), hat sich nicht geändert, weil sich der Wert dessen, was U gegenüber den Großhändlern aufgewandt hat, durch den Rabatt nicht verändert hat; eine Berücksichtigung des von X gewährten Rabattes scheidet im Verhältnis zwischen den Großhändlern und U aus.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG muss der Unternehmer, an den der Umsatz ausgeführt wurde, den Vorsteuerabzug nicht berichtigen, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird. Wird in diesen Fällen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt, hat dieser Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG).
§ 17 Abs. 1 Satz 4 UStG regelt die Voraussetzungen der Vorsteuerberichtigung nicht dem Grunde nach, sondern bestimmt, welcher Unternehmer seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen hat. Abweichend von § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG, wonach der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer (Großhändler G) zu berichtigen ist, »an den dieser Umsatz ausgeführt wurde«, ordnet § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei dem (anderen) Unternehmer (U) an, der durch die Änderung der Bemessungsgrundlage »wirtschaftlich begünstigt« wird.
Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG setzt ebenso wie die des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG eine Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz voraus. Mit der Formulierung »in diesen Fällen« knüpft die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nach Wortlaut und Gesetzessystematik nämlich nicht nur an die in § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG geregelten Fälle an, in denen ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird, sondern auch an die in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG enthaltene Bedingung, dass »sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert« hat. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG gleicht mit der Vorsteuerkorrektur beim wirtschaftlich begünstigten Unternehmer den nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geminderten Steuerbetrag aus. Diese Korrektur hängt davon ab, ob es zu einer Minderung des Steuerbetrags i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG kommt.
X hat den für seine Umsätze geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu seinen Gunsten zu berichtigen, da seine Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der USt im Inland unterliegen und steuerpflichtig sind (Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Korrespondierend hat dies die Verpflichtung des Unternehmers U zur Berichtigung seines Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG zur Folge, ohne dass es bei dem Unternehmer, der den Umsatz an ihn ausgeführt hat Großhändler), zu einer Berichtigung der Bemessungsgrundlage kommt (Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
Abwandlung:
Der Sachverhalt der Abwandlung entspricht denen der BFH-Entscheidungen vom 5.6.2014 und 4.12.2014.
Lösung:
Für keinen der in Betracht kommenden Umsätze in der Leistungskette X – Großhändler G – Unternehmer U liegen die Korrekturvoraussetzungen vor: Für die Lieferung der Großhändler G an U folgt das aus den oben genannten Gründen. Die Bemessungsgrundlage für den Umsatz der Großhändler G an U, der U zum Vorsteuerabzug berechtigt, hat sich nicht geändert. Dasselbe gilt für die steuerfreie Lieferung durch X an die Großhändler und für den nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG im Inland steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb der Großhändler.
Bei der Lieferung des X an die Großhändler fehlt es am Merkmal eines steuerpflichtigen Umsatzes (§ 17 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 1 UStG). Eine Umsatzsteuerkorrektur bei X kommt nicht zum Tragen, da es sich bei der Lieferung des ersten Unternehmers (X) um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt. X erbringt keine im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze. X führt seine Lieferungen (an die Großhändler G) in Irland aus, und zwar als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.
Für die Minderung der Bemessungsgrundlage bei der Firma X müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 UStAE):
Der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat eine im Inland stpfl. Leistung erbracht.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da es sich um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt;
die Leistung an den begünstigten Abnehmer ist im Inland stpfl. und
der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen sowie den Preisnachlass bzw. die Preiserstattung nachgewiesen.
Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG liegen auch nicht bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb durch die Großhändler G vor. Zwar gelten § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 UStG auch in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG (§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG). Die Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb hat sich allerdings nicht geändert (Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 2 UStAE). Der von X an U gewährte Rabatt hat keinen Einfluss auf den Wert dessen, was die Großhändler aufgewandt haben, um die Lieferungen zu erhalten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG).
Der Vorsteuerabzug des begünstigten Unternehmers ist entsprechend den Grundsätzen der o.g. BFH-Urteile (Abwandlung Beispiel 4) ebenfalls nicht zu mindern, soweit ein Unternehmer eine Lieferung im Drittland erbringt, bei der der Liefergegenstand in das Inland gelangt, und der Unternehmer einem in der Lieferkette nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer einen Preisnachlass gewährt (Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 3 UStAE).
Beispiel 5:
Lösung 5:
S.a. das Beispiel 2 zu Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 3 UStAE.
Ort der Lieferung für die Lieferung des X an G ist Zürich (§ 3 Abs. 6 UStG). G bewirkt mit der Einfuhr der Gegenstände im Inland einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG steuerbaren Umsatz. G ist zum Abzug der EUSt als Vorsteuer berechtigt, da die Gegenstände für sein Unternehmen eingeführt worden sind. Der Vorsteuerabzug von U aus der Lieferung des G an ihn ist infolge der Preiserstattung durch S nicht zu mindern, da der Unternehmer X eine im Inland nicht steuerbare Lieferung gegenüber G erbringt.
Beispiel 6:
Lösung 6:
Nach § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG i.d.F. des JStG 2020 kann D eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht geltend machen, da der Leistungsbezug des begünstigten Abnehmers im Inland nicht stpfl. ist (bisherige Verwaltungsregelung in Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE).
Da es nicht ausgeschlossen werden kann, dass deutsche Rabattgeber unter Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung (in § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG) von den bisherigen Anweisungen in Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 UStAE abweichen und eine Minderung ihrer USt geltend machen, wird die bisherige Verwaltungsregelung in § 17 Abs. 1 Satz 6 UStG gesetzlich normiert. Ohne eine geänderte gesetzliche Regelung – und nur auf Basis der bestehenden Verwaltungsauffassung – könnte die Finanzverwaltung eine Minderung der USt womöglich nicht versagen (BR-Drs. 503/20, 127).
Eine Berichtigung der USt vom rabattgebenden Unternehmer dürfte unter Berücksichtigung des Neutralitätsprinzips im Ergebnis nicht richtig sein. Denn der letzte inländische Unternehmer, der durch den Preisnachlass nicht wirtschaftlich begünstigt ist, macht den Vorsteuerabzug auf der Grundlage des vollen entrichteten Entgelts geltend. Würde nun die USt beim Rabattgeber vermindert, käme es zu einem Vorsteuerüberhang in Höhe der im Preisnachlass enthaltenen USt.
Führt der Preisnachlass oder die Preiserstattung beim vorsteuerabzugsberechtigten begünstigten Unternehmer ausnahmsweise nicht zu einer Minderung des Vorsteuerabzugs (s.o. Beispiel 4 und 5 sowie Abschn. 17.2 Abs. 3 Satz 2 und 3 UStAE), hat der begünstigte Unternehmer die Voraussetzungen der Ausnahme nachzuweisen. Die Nachweise können sich aus der Gesamtheit der Unterlagen ergeben, die beim begünstigten Unternehmer vorliegen. Die Voraussetzungen der Ausnahme müssen sich anhand dieser Unterlagen leicht und eindeutig nachprüfen lassen. Der Nachweis kann regelmäßig auch wie folgt geführt werden (Abschn. 17.2 Abs. 6a UStAE):
Durch einen Beleg über die Höhe des erhaltenen Preisnachlasses (z.B. Abrechnung des Zwischenhändlers) bzw. die vereinnahmte Preiserstattung (z.B. Überweisung oder Barzahlung), auf dem die Bezeichnung (z.B. Registriernummer eines Gutscheins) vermerkt ist,
durch die Rechnung des Zwischenhändlers an den begünstigten Unternehmer und
durch die Bestätigung des den Preisnachlass/die Preiserstattung gewährenden Unternehmers, dass seine Lieferung an seinen Abnehmer im Ausland ausgeführt wurde. Die Bestätigung muss zudem Angaben zur eindeutigen Identifizierung dieses Abnehmers sowie über die zwischen dem den Preisnachlass/die Preiserstattung gewährenden Unternehmer und dem Abnehmer abgerechnete Leistung enthalten.
Wird ein Gutschein, der einen Endabnehmer in die Lage versetzt, eine Leistung um den Nennwert des Gutscheins verbilligt zu erwerben, im Rahmen einer Werbemaßnahme ausgegeben, kann dies zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage führen. Dies gilt unabhängig davon, ob die mit dem Gutschein verbundene Vergütung auf allen Stufen der Leistungskette vom Hersteller bis zum Endabnehmer erfolgt. Die Minderung der Bemessungsgrundlage ist von dem Unternehmer geltend zu machen, der den Umsatz ausführt und den finanziellen Aufwand für die Vergütung des Gutscheins trägt (z.B. Hersteller), während bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, der Vorsteuerabzug unverändert bleibt. Eine solche Minderung der Bemessungsgrundlage setzt voraus, dass der Gutschein von einem Unternehmer ausgegeben wird, der mit einem eigenen Umsatz an der Fördermaßnahme beteiligt ist (Abschn. 17.2 Abs. 1 UStAE).
Hinweis:
Als Gutscheine gelten allgemein schriftlich zugesicherte Rabatt- oder Vergütungsansprüche, z.B. in Form von Kupons, die ein Unternehmer zur Förderung seiner Umsätze ausgibt und die auf der gleichen oder nachfolgenden Umsatzstufe den Leistungsempfänger berechtigen, die Leistung im Ergebnis verbilligt um den Nennwert des Gutscheins in Anspruch zu nehmen (Abschn. 17.2 Abs. 4 Satz 2 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2.11.2020, BStBl I 2020, 1121).
Diese Preisnachlass- und Preiserstattungsgutscheine sind keine Gutscheine i.S.d. § 3 Abs. 13 UStG (§ 3 Abs. 13 Satz 2 UStG; → Gutscheine unter dem Gliederungspunkt »Anwendung der Gutschein-Richtlinie EU bzw. § 3 Abs. 13 UStG n.F.«).
Bei den in § 3 Abs. 13 bis 15 UStG definierten Gutscheinarten (Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine) handelt es sich im Gegensatz zu den Preisnachlass-bzw. Erstattungsgutscheinen um Gutscheine, die zur Einlösung gegen eine Lieferung von Gegenständen oder zur Erbringung einer sonstigen Leistung verwendet werden können. Die in Abschn. 3.17 UStAE dargestellten Grundsätze sind nicht auf Gutscheine dieses Abschnitts anzuwenden (Abschn. 17.2 Abs. 4 Sätze 5 und 6 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 2.11.2020, BStBl I 2020, 1121).
Der Nennwert des Gutscheins entspricht einem Bruttobetrag, d.h. er schließt die USt ein (vgl. Abschn. 10.3 Abs. 1 und Abschn. 17.2 Abs. 4 Satz 3 UStAE). Das Einlösen des Gutscheins kann in der Weise erfolgen, dass der begünstigte Abnehmer den Gutschein beim Erwerb der Leistung an Zahlungs statt einsetzt und der Zwischenhändler sich den Nennwert des Gutscheins vom Unternehmer, der den Gutschein ausgegeben hat, oder in dessen Auftrag von einem anderen vergüten lässt (Preisnachlassgutschein) oder dass der begünstigte Abnehmer direkt vom Unternehmer, der den Gutschein ausgegeben hat, oder in dessen Auftrag von einem anderen eine nachträgliche Vergütung erhält (Preiserstattungsgutschein; Abschn. 17.2 Abs. 4 Satz 4 UStAE).
Beispiel 7:
Hersteller H verkauft an Zwischenhändler Z ein Möbelstück für 1 000 € zzgl. 190 € USt. Z verkauft dieses Möbelstück an den Einzelhändler E für 1 500 € zzgl. 285 € USt. E verkauft dieses Möbelstück an den Abnehmer A für 2 000 € zzgl. 380 € USt.
Lösung 7:
Hersteller H kann die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung um 100 € mindern (119 € : 1,19). Die geschuldete USt des H vermindert sich um 19 €. Einer Rechnungsberichtigung bedarf es nicht. Die Minderung der Bemessungsgrundlage beim Unternehmer, der den Preisnachlass/die Preiserstattung gewährt, ist nicht davon abhängig, dass der den Preisnachlass/die Preiserstattung empfangende Abnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (Abschn. 17.2 Abs. 2 Satz 6 UStAE).
Zwischenhändler Z hat i.H. der in der Rechnung des H ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags – unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG – einen Vorsteuerabzug in Höhe von 190 €.
Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des E an A setzt sich aus der Bezahlung des A i.H.v. 2 261 € und dem von H gezahlten Erstattungsbetrag i.H.v. 119 €, abzüglich der in diesen Beträgen enthaltenen USt (2 261 € + 119 € = 2 380 € : 1,19) zusammen. Dem Fiskus fließen demnach insgesamt 361 € USt zu (Abführung von 380 € durch E abzüglich der Minderung i.H.v. 19 € bei H); dies entspricht dem Umsatzsteuerbetrag, der in dem vom begünstigten Abnehmer A tatsächlich aufgewendeten Betrag enthalten ist, mit dem A also tatsächlich wirtschaftlich belastet ist (2 261 € : 1,19 × 19 %).
Beispiel 8:
Lösung 8:
Hersteller H kann die Bemessungsgrundlage seiner Lieferung um 100 € mindern (119 € : 1,19). Die geschuldete USt des H vermindert sich um 19 €. Einer Rechnungsberichtigung bedarf es nicht.
Zwischenhändler Z hat i.H.d. in der Rechnung des H ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags – unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG – einen Vorsteuerabzug i.H.v. 190 €.
Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung des E an A setzt sich aus der Barzahlung des A abzüglich der darin enthaltenen USt zusammen. Dem Fiskus fließen demnach insgesamt 361 € USt zu (Abführung von 380 € durch E abzüglich der Minderung i.H.v. 19 € bei H); dies entspricht dem Umsatzsteuerbetrag, der in dem vom begünstigten Abnehmer A tatsächlich aufgewendeten Betrag enthalten ist, mit dem A also tatsächlich wirtschaftlich belastet ist (2 261 € : 1,19 × 19 %).
Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt nicht in Betracht, wenn der mit dem eingelösten Gutschein verbundene finanzielle Aufwand von dem Unternehmer aus allgemeinem Werbeinteresse getragen wird und nicht einem nachfolgenden Umsatz in der Leistungskette (Hersteller–Endabnehmer) zugeordnet werden kann (Abschn. 17.2 Abs. 8 UStAE).
Beispiel 9:
Der Automobilhersteller A erwirbt bei einem Mineralölkonzern M Gutscheine, die zum Bezug sämtlicher Waren und Dienstleistungen berechtigen, die in den Tankstellen des M angeboten werden. Diese Gutscheine gibt A über Vertragshändler an seine Kunden beim Erwerb eines neuen Autos als Zugabe weiter.
Lösung 9:
S.a. das Beispiel 2 in Abschn. 17.2 Abs. 8 UStAE.
A kann keine Minderung seiner Umsätze vornehmen. Der Kunde erhält das Auto nicht billiger, sondern lediglich die Möglichkeit, bei einem dritten Unternehmer – hier M – Leistungen zu beziehen, deren Entgelt bereits von dritter Seite entrichtet wurde.
Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Warengutscheinen s. → Gutscheine.
Mit Beschluss vom 26.4.2012 (V R 18/11, BFH/NV 2012, 1393, LEXinform 5013655) hat der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Reisebüro, das als Vermittler für einen Reiseveranstalter tätig ist und einem Reisekunden einen selbst finanzierten Preisnachlass gewährt, zu einer Minderung seiner Umsatzsteuerschuld berechtigt ist. Der BFH hat dies in der Vergangenheit bejaht, hat aber Zweifel, ob seine bisherige Auslegung mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 16.1.2014 (C-300/12, BStBl II 2015, 317) auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 26.2.2012 (V R 18/11, BFH/NV 2012, 1393, LEXinform 5013655) entschieden, dass die Grundsätze, die der EuGH im Urteil vom 24.10.1996 (C–317/94, BStBl II 2004, 324) zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer aufgestellt hat, nicht anzuwenden sind, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird.
Der BFH hat sich mit dem Folgeurteil vom 27.2.2014 (V R 18/11, (BStBl II 2015, 306) dieser Rechtsauffassung unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (s.o.) angeschlossen. Danach kommt es nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage, wenn ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet. Dementsprechend führt der Preisnachlass auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Kunden (BFH Urteil vom 3.7.2014, V R 3/12, BStBl II 2015, 307; s.a. Abschn. 17.2 Abs. 7 UStAE; Micker u.a., NWB 14/2017, 1007). S.a. die Beispiele 1 und 2 in Abschn. 10.3 Abs. 4 UStAE.
Beispiel 10:
Der Autovermittler V vermittelt für den Hersteller den Verkauf eines Neuwagens an einen Unternehmer für 50 000 € zzgl. 9 500 € USt. Für die Vermittlung erhält der Vermittler vom Hersteller 5 000 € zzgl. 950 € USt. Damit der Käufer den Pkw erwirbt, gibt der Vermittler dem Käufer einen Betrag von 1 190 €.
Lösung 10:
Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH mindert der vom Vermittler eingeräumte Preisnachlass weder das Entgelt des Herstellers noch die Provision des Vermittlers (BFH Urteil vom 27.2.2014, V R 18/11, BStBl II 2015, 306 und Abschn. 17.2 Abs. 7 UStAE). Der Vermittler ist nicht berechtigt, dem Käufer eine Abrechnung über den Preisnachlass mit Ausweis der USt zu erteilen und einen entsprechenden Vorsteuerabzug vorzunehmen, weil zwischen ihm und dem Käufer kein Leistungsaustausch stattfindet (s.a. Beispiel 2 zu Abschn. 10.3 Abs. 4 UStAE).
Mit Beschluss vom 22.6.2016 (V R 42/15, BFH/NV 2016, 1528, LEXinform 5019271) ersucht der BFH den EuGH um Klärung, welche Bedeutung dem Gleichheitsgrundsatz bei der Lieferung von Arzneimitteln im Umsatzsteuerrecht zukommt. Es geht dabei um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Preisabschlägen, die pharmazeutische Unternehmen aufgrund gesetzlicher Vorgaben gewähren müssen. Umsatzsteuerrechtlich wird bislang danach unterschieden, ob der Preisabschlag zugunsten einer gesetzlichen Krankenkasse oder zugunsten eines Unternehmens der privaten Krankenversicherung gewährt wird (s.o. und Pressemitteilung des BFH Nr. 55/2016 vom 17.8.2016, LEXinform 0444942).
Nach dem EuGH-Urteil vom 20.12.2017 (C-462/16, UR 2018, 166, LEXinform 0651524; Polok, UR 4/2018, 147) ist die MwStSystRL dahin auszulegen, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, i.S.d. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden.
Hinweis:
Diese Sichtweise des EuGH widerspricht dem bisherigen Verständnis der Leistungsbeziehungen bei der privaten Krankenversicherung. Bisher wurde eine direkte Leistungsbeziehung zur Versicherung nur bei der gesetzlichen Krankenversicherung angenommen (s. Abschn. 10.3 Abs. 7 Satz 7 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 14.11.2012, BStBl I 2012, 1170; s.a. Anmerkung vom 4.1.2018, LEXinform 0949281).
Als Ergebnis stellt der EuGH fest, dass tatsächlich ein Preisnachlass nach der Bewirkung des Umsatzes i.S.d. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL (§ 17 UStG) gegeben ist, da der Steuerpflichtige wegen des Abschlags, den er den Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt hat, einen Teil der Gegenleistung nicht erhalten hat (EuGH vom 20.12.2017, C-462/16, Rz. 42; s.a. Anmerkung vom 9.4.2017, LEXinform 0401964).
In seiner Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil (Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20.12.2017, C-462/16, UR 2018, 166, LEXinform 0651524) übernimmt der BFH mit Urteil vom 8.2.2018 (V R 42/15, BStBl II 2018, 676) die Entscheidung des EuGH und stellt fest, dass die Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel mindern (s.a. Becker, NWB 10/2018, 618). Mit Schreiben vom 4.10.2018 (BStBl I 2018, 1090) nimmt das BMF zu den Grundsätzen des BFH vom 8.2.2018 (V R 42/15, BStBl II 2018 676) Stellung und erklärt dessen Grundsätze in allen offen Fällen für anwendbar. Gleichzeitig wird, unter Verweis auf das BFH-Urteil V R 42/15, Abschn. 10.3 Abs. 7 Satz 7 UStAE neu gefasst.
Hinweis:
Der EuGH hat mit Urteil vom 6.10.2021 (C-717/19, SIS 21 16 40) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co. KG Magyarországi Fióktelepe (Boehringer Ingelheim) und der Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung in Ungarn in Fortsetzung seiner Rspr. vom 20.12.2017 (C-462/16, UR 2018, 166) entschieden, dass die Bemessungsgrundlage für gelieferte Arzneimittel auch dann zu mindern ist, wenn die Preisnachlässe nicht nur auf gesetzlichen Verpflichtungen, wie im Urteil C-462/16, sondern auch auf geschlossenen Verträgen beruhen (C-717/19, Rz. 48 und 49).
Die folgende Übersicht zeigt die Leistungsbeziehungen im gesetzlichen Krankenkassensystem.
Grundlage für die Berechnung des Herstellerrabattes ist der Netto-Herstellerabgabepreis. Der so ermittelte Betrag ist ein Bruttobetrag. Bei der Berechnung der Entgeltminderung für die Berichtigung nach § 17 Abs. 1 UStG ist daher die USt aus dem Rabattbetrag herauszurechnen (BFH vom 28.5.2009, V R 2/08, BStBl II 2009, 870; OFD Karlsruhe vom 13.8.2019, S 7330 – Karte 2, UR 2019, 672).
Nach § 130a Abs. 1 SGB V erhalten die Krankenkassen von den Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 7 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer. Pharmazeutische Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken den Abschlag zu erstatten. Die Erstattung des Abschlags durch den Hersteller ist in diesem Fall Entgelt von dritter Seite für die Lieferung des Arzneimittels von der Apotheke an die Krankenkasse (Abschn. 10.3 Abs. 7 Satz 3 UStAE).
Da die Erstattung des Abschlages zugunsten eines Abnehmers der Medikamentenlieferung in der Leistungskette erfolgt, führt der den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährende gesetzliche Rabatt beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke (s. Abschn. 17.2 Abs. 1 und 2 UStAE sowie oben den Gliederungspunkt »Kaufpreisminderung innerhalb der Leistungskette« und Beispiel 2).
Zuzahlungen durch Versicherte:
Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind aufgrund des Sach- und Dienstleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 SGB V) verpflichtet, ihre Mitglieder auf Verordnung eines Arztes mit Medikamenten zu versorgen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung schließen sie zivilrechtliche Verträge mit den Apotheken ab. Aufgrund dieser zivilrechtlichen Vertragsbeziehung liefert die Apotheke Arzneimittel unmittelbar an die GKV (Abschn. 15.2b Abs. 1 UStAE). Es liegt keine Lieferung der Apotheke an den Versicherten vor, da lediglich eine dingliche Übereignung der Medikamente an ihn erfolgt. Eine Zuzahlung der Versicherten zum Medikamentenpreis (§ 61 ff SGB V) ist daher Entgelt von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) für die Lieferung der Apotheke an die GKV.
Stellt eine Apotheke einem Versicherten ein Dokument über die Zuzahlung aus, sind daher die GKV als Leistungsempfänger anzugeben (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG). Wird in diesem Dokument kein Leistungsempfänger benannt, liegt keine Rechnung i.S.d. § 14c UStG vor (BFH vom 17.2.2011, V R 39/09, BStBl II 2011, 734). Gibt die Apotheke demgegenüber den Patienten als Leistungsempfänger an und enthält das Dokument auch den Rechnungsaussteller, das Entgelt, eine Leistungsbeschreibung und einen Umsatzsteuerausweis, schuldet die Apotheke die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG (OFD Karlsruhe vom 13.8.2019, S 7330 – Karte 2, UR 2019, 672 unter 1.).
Mit Urteil vom 10.12.2020 (V R 34/18, BStBl II 2021, 576) hat der BFH folgenden Fall entschieden:
Die Medikamentenlieferung durch die Versandapotheke war in den Niederlanden steuerbar und als entgeltliche innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Dies wiederrum führte bei der gesetzlichen Krankenkasse zu steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerben, mit denen diese die Erwerbsschwelle nach § 1a Abs. 1 UStG überschritt. Unerheblich ist, dass die gesetzliche Krankenkasse in Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben kein Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist.
Das FA ermittelte als Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb wie folgt:
1. |
Entrichtetes Entgelt der Krankenkasse an die Apotheke (darin ist der Abschlag durch das Pharmaunternehmen berücksichtigt) |
2. |
zusätzlich die von den pharmazeutischen Herstellern direkt an die Versandapotheken gezahlten Herstellerrabatte |
= Bemessungsgrundlage für den innergemeinschaftlichen Erwerb |
Entscheidungsgründe:
Nach der Entscheidung der Vorinstanz (FG Münster vom 13.3.2018, 15 K 832/15, EFG 2018, 1063, LEXinform 5021172) sei der Herstellerrabatt der pharmazeutischen Unternehmer nicht als Bestandteil des Entgelts für den jeweiligen innergemeinschaftlichen Erwerb der Arzneimittel durch die Krankenkasse zu berücksichtigen.
Nach der Revisionsentscheidung V R 34/18 stellt der Herstellerrabatt Entgeltbestandteil des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Arzneimittel dar.
Die Beteiligten gehen zu Recht von einem innergemeinschaftlichen Erwerb der gesetzlichen Krankenkasse aus (BFH V R 34/18, Rz. 18). Die Versandapotheken rechneten die gelieferten Arzneimittel mit der Krankenkasse als Leistungsempfängerin ab. Als Erwerber der an ihre Versicherten ausgelieferten Arzneimittel handelte die Krankenkasse im Streitfall als juristische Person i.S.d. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG, weil sie nach § 4 Abs. 1 SGB V eine rechtsfähige Körperschaft des öffentliches Rechts mit Selbstverwaltung ist (vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 13.9.2005, 2 BvF 2/03, LEXinform 0175833, Rz. 163 und § 4 Abs. 1 SGB V).
Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 10 UStG bestimmende Entgelt alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen (Art. 83 Satz 1 i.V.m. Art. 73 MwStSystRL). In die Steuerbemessungsgrundlage nicht einzubeziehen sind nach Art. 79 Buchst. b MwStSystRL Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Erwerber oder Dienstleistungsempfänger eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird.
Das Entgelt für eine bestimmte Leistung ergibt sich regelmäßig auf der Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Entsprechendes gilt für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines Dritten für eine bestimmte Leistung des Leistenden gewährt wird. Voraussetzung für die Qualifikation als Entgelt ist das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Leistung und einer tatsächlich empfangenen Gegenleistung (BFH V R 34/18, Rz. 22).
Der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Lieferung der Arzneimittel und dem Herstellerrabatt wird durch § 130a SGB V hergestellt. Denn der Anspruch der Versandapotheken entsteht nach § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V nur aufgrund und in Höhe des Herstellerrabatts, den die Apotheke einer Krankenkasse gem. § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V bei Abgabe von Arzneimitteln zu gewähren hat. Die Zahlung des Herstellerrabatts hängt damit direkt von der Lieferung der Arzneimittel an die Klägerin ab (BFH V R 34/18, Rz. 24).
Pflichten des Herstellers nach § 130a SGB V:
Nach § 130a SGB V erhalten die gesetzlichen Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. Die pharmazeutischen Unternehmer sind verpflichtet, den Apotheken oder ihren Zwischenhändlern den Abschlag zu erstatten.
Da die Erstattung des Abschlages zugunsten eines Abnehmers der Medikamentenlieferung in der Leistungskette erfolgt, führt der den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährende gesetzliche Rabatt beim Hersteller zu einer Minderung des Entgelts nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG für seine Lieferung an den Zwischenhändler oder die Apotheke (vgl. Abschn. 10.3 Abs. 7 UStAE; s.a. OFD Karlsruhe vom 12.12.2013, S 7330, LEXinform 5234954). Bei der Apotheke stellt die Erstattung des Abschlages durch die Hersteller (ggf. über die Apothekenabrechnungsstelle) Entgelt von dritter Seite für die Lieferung der Arzneimittel dar (Abschn. 10.3 Abs. 7 Satz 3 UStAE).
Mit seinem Urteil V R 34/18 bestätigt der BFH die Verwaltungsregelung der OFD Karlsruhe sowie die in Abschn. 10.3 Abs. 7 UStAE.
Die Einordnung des Herstellerrabatts als Entgelt von dritter Seite entspricht der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Preisnachlässen in Lieferketten (s.a. Abschn. 17.2 UStAE). Es mindert sich einerseits das Entgelt für die Lieferung des Herstellers, wobei der Vorsteuerabzug des Großhändlers unberührt bleibt, und es ist andererseits die Erstattung des Preisnachlasses durch den Hersteller Entgelt von dritter Seite für die Lieferung des Einzelhändlers an den Endverbraucher. Danach bemisst sich hier das Entgelt für die innergemeinschaftlichen Erwerbe der Arzneimittel nach dem von der Krankenkasse an die jeweilige Versandapotheke gezahlten – rabattierten – Betrag zuzüglich des von dem pharmazeutischen Unternehmer der Apotheke gezahlten Herstellerrabatts (BFH V R 34/18, Rz. 26; s.a. Anmerkung vom 19.5.2021, LEXinform 0887305).
Nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) haben die pharmazeutischen Unternehmen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V zu gewähren. Die Geltendmachung der Abschläge gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen erfolgt durch die »Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten« (ZESAR), welche die vereinnahmten Beträge an die Anspruchsberechtigten weiterleitet.
Die Erstattung des Abschlages nach § 1 AMRabG erfolgt an die ZESAR bzw. die private Krankenversicherung/Beihilfe/Heilfürsorge. Die Auszahlung des Abschlages nach dem AMRabG über die ZESAR an die privaten Krankenversicherungsträger und die Träger der Beihilfe und der Heilfürsorge stellt eine Minderung der Bemessungsgrundlage dar (BFH vom 8.2.2018, V R 42/15, BStBl II 2018, 676), wenn sowohl die Arzneimittellieferung des Herstellers an seinen Abnehmer (Zwischenhändler oder Apotheke) als auch die Lieferung der Apotheke an den Patienten im Inland stpfl. sind und diese Voraussetzungen vom Hersteller nachgewiesen werden (Abschn. 17.2 Abs. 1 Satz 5 UStAE; OFD Karlsruhe vom 13.8.2019, S 7330 – Karte2, UR 2019, 672 unter 3.).
Die folgende Übersicht zeigt die Leistungsbeziehungen im privaten Krankenkassensystem.
Nach dem EuGH-Urteil vom 20.12.2017 (C-462/16, UR 2018, 166, LEXinform 0651524) ist die MwStSystRL dahin auszulegen, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, i.S.d. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden.
Nach Rz. 36 des EuGH-Urteils C-462/16 muss die Steuerbemessungsgrundlage, die für das Pharmaunternehmen als Stpfl. zur Anwendung kommt, von dem Betrag gebildet werden, der dem Preis entspricht, zu dem das Unternehmen die Arzneimittel an die Apotheken verkauft hat, abzüglich des Abschlags, der gegenüber den Unternehmen der privaten Krankenversicherung anfällt, wenn diese ihren Versicherten deren Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet haben. Ohne Änderung der Bemessungsgrundlage wäre der Betrag, der als Bemessungsgrundlage für die von dem pharmazeutischen Unternehmen als Stpfl. geschuldete USt dient, höher als der Betrag, den das Unternehmen letztlich erhalten hat.
Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL verpflichtet die Mitgliedstaaten grundsätzlich dazu, die Steuerbemessungsgrundlage jedes Mal dann zu vermindern, wenn der Stpfl. nach Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält (EuGH C-462/16, Rz. 39).
Mit Beschluss vom 6.6.2019 (V R 41/17, BStBl II 2020, 164) hat der BFH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Der BFH möchte wissen, ob Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.
Nach dem Vorlageverfahren des BFH soll der EuGH darüber entscheiden, ob eine Apotheke, die verschreibungspflichtige Arzneimittel an gesetzliche Krankenkassen liefert, aufgrund einer Rabattgewährung an die gesetzlich krankenversicherte Person umsatzsteuerrechtlich zu einer Steuervergütung für die an die Krankenkasse ausgeführte Lieferung berechtigt ist.
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente an privat krankenversicherte Personen (Privatpatienten) und die Lieferungen von rezeptfreien Produkten (sogenannte OTC »over the counter«) nach Deutschland waren revisionsrechtlich nicht anhängig.
Sachverhalt:
Im Streitfall lieferte die Apotheke (Klägerin) aus den Niederlanden Arzneimittel u.a. an privatversicherte Personen im Inland. Sie gewährte den Versicherten bei Übersendung eines Rezeptes eine Prämie i.H. bis zu 15,00 € bzw. von 1,00 € pro Rezeptübersendung. Die Rabattgewährung behandelte die Apotheke als Entgeltminderung i.S.d. § 17 UStG.
Entscheidungsgründe:
Die Lieferungen an Privatpatienten und die OTC Umsätze unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in Deutschland der USt, da in diesen Fällen der Kaufvertrag nach § 433 Abs. 1 BGB zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Kunden zustande gekommen ist, der jeweilige Privatpatient (oder Kunde von OTC Produkten) damit auch umsatzsteuerlich Leistungsempfänger wurde und sich der → Ort der Lieferung nach § 3c Abs. 1 UStG bestimmt (innergemeinschaftlicher Fernverkauf ab 1.7.2021). Danach gilt die Lieferung, bei der der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet wird, dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3c Abs. 1 Satz 1 UStG). Zu den Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs s. → Ort der Lieferung.
Beachte:
Die Ortsregelung des § 3c Abs. 1 UStG ist nach § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG dann nicht anzuwenden, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte insgesamt 10 000 € im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat und im laufenden Kj. nicht überschreitet.
Die Bemessungsgrundlage dieser stpfl. (Versandhandels-)Umsätze hat die niederländische Apotheke i.H. der gewährten Prämien in Zusammenhang mit dem Verkauf von Arzneimitteln an Privatpatienten und von OTC-Umsätzen gekürzt, da der Leistungsempfänger insoweit nur den um die Prämie geminderten Kaufpreis an die Klägerin entrichtete.
Beachte:
Strittig und somit ausschließlicher Bestandteil der Vorlagefrage an den EuGH ist, ob eine weitere Kürzung der Bemessungsgrundlage der Umsätze im Hinblick auf die an Kassenpatienten gewährten Prämien bei dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten in Betracht kommt (s. den folgenden Gliederungspunkt).
Mit Beschluss vom 6.6.2019 (V R 41/17, BStBl II 2020, 164) hat der BFH dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen zu der Frage vorgelegt, ob im Zusammenhang mit steuerfreien innergemeinschaftlichen Arzneimittellieferungen die Bemessungsgrundlage dieser Lieferungen um gewährte Aufwandsentschädigungen gekürzt werden können.
In seinem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geht der BFH ausführlich auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Apotheken, den gesetzlichen Krankenkassen und den Patienten ein. Danach liegen zwei Lieferungen vor, von denen nur die erste in den Anwendungsbereich der Steuer fällt.
Erläuterungen zur 1. Lieferung:
Abnehmer der von der Apotheke erbrachten Lieferungen waren die gesetzlichen Krankenkassen, nicht aber die gesetzlich krankenversicherten Personen.
Die höchstrichterliche Rspr. sieht die Zuzahlungen i.S.d. § 61 SGB V i.H.v. maximal 10 € die der Versicherte an die Apotheke leistet, als eine Abgabe sui generis (bedeutet »Abgabe eigener Art«; BSG vom 25.6.2009, 3 KR 3/08 R, LEXinform 1559004, unter 5.), bei der zudem die Krankenkasse der Gläubiger ist und die Apotheke lediglich als Einzugs- oder Inkassostelle fungiert. Damit ist die Zuzahlung für die umsatzsteuerrechtliche Bestimmung des Leistungsempfängers ohne Bedeutung.
Bei der 1. Lieferung handelte es sich um innergemeinschaftliche Lieferungen der niederländischen Versandapotheke an die gesetzlichen Krankenkassen als Abnehmer. Zwar handelt es sich bei den gesetzlichen Krankenkassen nach Art. 13 Abs. 1 MwStSystRL nicht um Stpfl. Denn sie sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 SGB V), die gegenüber den bei ihnen pflichtversicherten Personen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig sind (vgl. § 5 SGB V), ohne dass dabei ein Wettbewerbsverhältnis zu privaten Krankenversicherungsanbietern besteht (§ 2b UStG). Da die gesetzlichen Krankenkassen aber juristische Personen sind (§ 4 Abs. 1 SGB V), waren die Lieferungen gleichwohl in den Niederlanden als innergemeinschaftliche Lieferungen auf der Grundlage von Art. 138 MwStSystRL steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Nr. 1Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG; → Innergemeinschaftliche Lieferung). In Übereinstimmung hiermit bestand für die gesetzlichen Krankenkassen eine Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung als juristische Person nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i MwStSystRL i.V.m. Art. 20 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i.V.m. § 1a UStG; → Innergemeinschaftlicher Erwerb), wobei für die gesetzlichen Krankenkassen mangels Eigenschaft als Stpfl. kein Recht auf Vorsteuerabzug bestand.
Erläuterungen zur 2. Lieferung:
Der Lieferung durch die niederländische Apotheke an die gesetzlichen Krankenkassen folgte eine zweite Lieferung durch die gesetzlichen Krankenkassen an die gesetzlich bei ihnen krankenversicherten Personen nach.
Das dieser Lieferung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ergibt sich aus dem Sozialversicherungsrecht. Denn mit der Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel erfüllen die gesetzlichen Krankenkassen ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht zur Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 SGB V.
Diese zweite Lieferung fällt nicht in den Anwendungsbereich der Steuer nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Zum einen erfolgte diese Lieferung unentgeltlich, da die gesetzlich krankenversicherten Personen für die einzelnen Lieferungen von Arzneimitteln kein Entgelt aufwendeten. Die von ihnen und ihren Arbeitgebern gezahlten Pflichtversicherungsbeiträge stellen ein Entgelt für das Versicherungsverhältnis als solches, nicht aber ein Entgelt für die im Rahmen dieses Versicherungsverhältnisses erbrachten Leistungen dar. Zum anderen handelte es sich bei den Lieferungen durch gesetzliche Krankenkassen gem. Art. 13 MwStSystRL und § 2b Abs. 1 UStG nicht um Lieferungen durch Stpfl.
Dem Vorliegen von zwei Lieferungen (Klägerin an gesetzliche Krankenkasse und gesetzliche Krankenkasse an gesetzlich krankenversicherte Personen) steht der unmittelbare Warenversand durch die Klägerin an die gesetzlich versicherten Personen nicht entgegen.
Mit Urteil vom 11.3.2021 (C-802/19, LEXinform 0651695) hat der EuGH das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 6.6.2019 (V R 41/17, BStBl II 2020, 164) entschieden (Erdbrügger, UR 2021, 333).
Entscheidungssachverhalt:
In seiner Entscheidung C-802/19 fasst der EuGH den Sachverhalt wie folgt zusammen:
In der Konstellation, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, ist Verkauf der in Rede stehenden pharmazeutischen Produkte Gegenstand zweier Lieferungen; die eine erfolgt von der Apotheke an die gesetzliche Krankenkasse und die andere von dieser Kasse an die bei ihr versicherten Personen. Bei der ersten Lieferung handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung, die gem. Art. 138 Abs. 1 der Richtlinie in den Niederlanden von der Steuer befreit ist. Daher ist die gesetzliche Krankenkasse als juristische Person nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i dieser Richtlinie verpflichtet, auf den dieser Lieferung entsprechenden Erwerb Mehrwertsteuer zu entrichten. Die zweite Lieferung, die von der gesetzlichen Krankenkasse an ihre Versicherten erfolgt, fällt nicht in den in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie festgelegten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer.
Der EuGH gelangt zu folgendem Ergebnis (Rz. 43 der Entscheidung C-802/19:
Da die niederländische Apotheke nicht über eine Steuerbemessungsgrundlage verfügt, die Gegenstand einer Berichtigung sein könnte, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie nicht erfüllt sind.
Im Übrigen geht aus den Angaben im Vorlagebeschluss hervor, dass die niederländische Apotheke infolge eines Rabatts, den sie gesetzlich krankenversicherten Personen gewährte, eine Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage in Bezug auf Lieferungen an privat krankenversicherte Personen erhalten wollte. Wie sowohl das vorlegende Gericht als auch die Europäische Kommission zutreffend ausgeführt haben, ist es im Rahmen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jedoch ausgeschlossen, die Minderung der Steuerbemessungsgrundlage hinsichtlich eines Umsatzes auf die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage eines anderen Umsatzes anzurechnen (s.a. Anmerkung vom 14.4.2021, LEXinform 0887217).
Mit Urteil vom 18.11.2021 (V R 4/21, BStBl II 2022, 769 – Nachfolgeurteil zum EuGH vom 11.3.2021, C-802/19) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer (eine niederländische Versandapotheke) für eine in einem anderen Mitgliedstaat erbrachte steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Inland keinen Anspruch auf Steuerminderung geltend machen kann. Empfänger der Medikamentenlieferung ist die gesetzliche Krankenkasse – und nicht der gesetzlich Versicherte –, die einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert (s.a. Anmerkung vom 9.3.2022, LEXinform 0888001 sowie Brill in: NWB 11/2022, 733).
Entscheidend ist, dass die Entgeltsvereinbarung und ihre Minderung wirtschaftlich zusammenhängen. Eine Entgeltsminderung liegt vor, wenn die Forderung auf die Gegenleistung (teilweise) erlischt durch Minderung, Wandlung, Rückgängigmachung einer Lieferung. Eine nachträgliche Rabattgewährung führt ebenfalls zu einer Entgeltsminderung. Eine Lieferung oder sonstige Leistung eines Unternehmers wird »letztendlich« nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt. Umsatzsteuerrechtlich macht es keinen Unterschied, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, das Werk behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gem. § 635 BGB verlangt (BFH Urteil vom 16.1.2003, V R 72/01, BStBl II 2003, 620).
Tritt ein Unternehmer eine Forderung aus einem Umsatzgeschäft gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis ab, mindert sich hierdurch nicht die Bemessungsgrundlage für die an den Schuldner des Entgelts ausgeführte Leistung. Dementsprechend richtet sich die Höhe des Entgelts nach dem zwischen Leistendem und Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ergibt (BFH vom 6.5.2010, V R 15/09, BStBl II 2011, 142 unter → Factoring unter dem Gliederungspunkt »Änderung der Bemessungsgrundlage«).
Vereinbaren der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger die vollständige oder teilweise Rückzahlung des bereits entrichteten Entgelts, mindert sich die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur, soweit das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird, und zwar in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Rückgewähr erfolgt (BFH vom 18.9.2008, V R 56/05, BStBl II 2009, 250; Abschn. 17.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Die Grundsätze des BFH-Urteils V R 56/05 sind auch auf Guthaben aus der Verbrauchsabrechnung bei Energie- und Wasserversorgungsunternehmen anzuwenden. Danach ist von den Beteiligten die jeweilige USt- und Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Rückzahlung erfolgt ist (Abschn. 17.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE). Wird eine Rückzahlung mit der ersten Abschlagszahlung für die Folgezeit verrechnet, gilt als Zeitpunkt der Minderung der Bemessungsgrundlage das Fälligkeitsdatum der Abschlagszahlung bzw. deren tatsächlicher früherer Zahlung durch den Kunden. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 UStG liegt dagegen nicht vor, wenn das tatsächliche (durch Ablesung ermittelte Entgelt) höher ist als das bereits im Rahmen der Anzahlungen erhaltene Entgelt. In diesen Fällen entsteht die Steuer erstmalig i.H. des Differenzbetrags. Das Versorgungsunternehmen hat insoweit einen Umsatz zu erklären und der Kunde kann unter den Voraussetzungen des § 15 UStG einen Vorsteuerabzug geltend machen (OFD Niedersachen vom 24.8.2015, S 7330 – 25 – St 181, UR 2015, 807, LEXinform 5235701).
Die Minderung der Bemessungsgrundlage setzt einen unmittelbaren Zusammenhang einer Zahlung mit der erbrachten Leistung voraus. Hat der Verkäufer einer vermieteten Gewerbeimmobilie dem Käufer im Kaufvertrag aus den bereits abgeschlossenen Mietverträgen Mieterträge garantiert, deren Höhe durch die tatsächlich erzielten Mieten nicht erreicht werden, und zahlt er hierfür an den Käufer einen Ausgleich, steht diese Zahlung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lieferung der Immobilie und mindert deren Bemessungsgrundlage (BFH Urteil vom 11.2.2010, V R 2/09, BStBl II 2010, 765).
Erbringt der Leistungsgeber die Leistung nur mangelhaft und mindert der Leistungsempfänger deshalb das Entgelt (§ 437 Nr. 2 i.V.m. § 441 BGB) bzw. zieht er vom Entgelt seine Entschädigung ab bzw. lässt er sich nach bereits erfolgter Entgeltszahlung eine Entschädigung bezahlen (§ 437 Nr. 3 BGB), führt dies jeweils zu einer Entgeltsminderung gem. § 17 UStG. Mit Urteil vom 17.12.2009 (V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869, LEXinform 0179703) hat der BFH entschieden, dass hinsichtlich der Teilrückzahlung des Kaufpreises wegen Baumängeln kein → Schadensersatz vorliegt.
Zahlt der Leistungsempfänger das Entgelt nicht rechtzeitig und muss er deshalb Schadensersatz zahlen (Verzugszinsen, Gerichtskosten, Rechtsanwaltskosten des Leistungsgebers, § 288 BGB), so sind diese Zahlungen echter → Schadensersatz und erhöhen das Entgelt nicht (vgl. Abschn. 1.3 Abs. 6 UStAE).
Eine Entgeltsminderung nach § 17 UStG ist auch bei einem Forderungsverzicht aus privaten Gründen gegeben (BFH Urteil vom 28.9.2000, V R 37/98, BFH/NV 2001, 491). Entgelt ist grundsätzlich alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer. Entscheidend ist letztendlich die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Dementsprechend kann die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage nachträglich mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden.
Auch der Verzicht des Unternehmers auf eine Lieferforderung stellt in aller Regel eine Kürzung des Entgelts dar (BFH Urteil vom 28.9.2000, V R 37/98, BFH/NV 2001, 491). Ob der Forderungsverzicht des Unternehmers möglicherweise überwiegend aus familiären Gründen und somit privat veranlasst war, ist umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Denn für die Frage einer nach § 17 UStG zu berücksichtigenden Entgeltsminderung ist lediglich die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung entscheidend. Entsprechend der gezahlten Gegenleistung ist der Vorsteuerabzug des Unternehmers, an den die Leistungen erbracht worden sind, ebenfalls nach § 17 UStG zu berichtigen.
Nach dem BFH-Urteil vom 11.5.2006 (V R 33/03, BStBl II 2006, 699) liegt eine Minderung des Kaufpreises einer Ware nicht vor, wenn der Käufer vom Verkäufer zur Ware einen Chip erhält,
der zum verbilligten Bezug von Leistungen eines Dritten berechtigt,
und wenn der Kunde den vereinbarten Kaufpreis für die Ware unabhängig davon, ob er den Chip annimmt, zu zahlen hat
und wenn die Rechnung über den Warenverkauf diesen Kaufpreis ausweist (Abschn. 10.3 Abs. 3 und Abschn. 17.2 Abs. 8 UStAE).
S.o. den Gliederungspunkt »Gutscheinausgabe« und dort das Beispiel 9.
Mit Urteil vom 16.1.2020 (V R 42/17, BStBl II 2020, 361) nimmt der BFH Stellung zur umsatzsteuerlichen Wirkungsweise bei Rabatten im Punktsystem sowie zur Ermittlung und zur eventuellen Änderung der Bemessungsgrundlage.
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der i.R.d. Payback-Systems infolge eines Einkaufs bei einem Partnerunternehmen dem Käufer gutgeschriebenen und später eingelösten Payback-Punkte s. die Erläuterungen → Bemessungsgrundlage unter dem Gliederungspunkt »Bonusprogramme (Payback-System)«.
Die Vfg. der OFD Niedersachsen vom 24.3.2016 (S 7100 – 806 St 172, UR 2016, 453, LEXinform 5235908) äußert sich zur Frage, ob es sich bei Vorkosten im Zusammenhang mit der Lieferung von Schlachtvieh um eine Entgeltminderung für die Lieferung des Viehs durch den Landwirt an den Schlachthofbetreiber oder um eine selbstständige Leistung des Schlachthofbetreibers an den Landwirt handelt.
Landwirte liefern ihr Schlachtvieh an einen Schlachthof. Der Schlachthofbetreiber holt zu diesem Zweck das Vieh beim Landwirt ab und fährt es zum Schlachthof. Die Abrechnung erfolgt durch den Schlachthofbetreiber gegenüber dem Landwirt per Gutschrift. Dabei werden die durch den Schlachthofbetreiber erbrachten Vorkosten (z.B. Transportkosten, Erfassungskosten, Kosten der Lebendverwiegung, Versicherungskosten, Veterinärkosten etc.) gesondert in Rechnung gestellt.
Für die Frage, ob sog. Vorkosten eine Entgeltminderung für die Lieferung des Viehs durch den Landwirt an den Schlachthofbetreiber oder Viehhändler oder eine eigenständige – dem Regelsteuersatz unterliegende – Leistung des Schlachthofbetreibers oder Viehhändlers an den Landwirt darstellen, ist unabhängig von der umsatzsteuerlichen Bestimmung des Leistungszeitpunkts auf die zivilrechtlichen Vereinbarungen abzustellen.
In dem Fall, in dem die Gefahr des zufälligen Unterganges mit vollendeter Wägung am Schlachthof auf den Schlachthofbetreiber übergeht (»auf der Waage«), erbringt dieser mit den Leistungen, die bis zur Vollendung der Wägung ausgeführt und als Vorkosten abgerechnet werden, sonstige Leistungen an den Landwirt, die dem Regelsteuersatz unterliegen.
Geht die Gefahr des zufälligen Untergangs mit Verladung der Tiere beim Landwirt über (»ab Rampe«), verschafft der Landwirt mangels anderer Kriterien dem Schlachthof oder Viehhändler bereits dort die Verfügungsmacht. Der Schlachthof oder Viehhändler erbringt die Leistungen im Rahmen der sog. Vorkosten als nicht steuerbare Leistungen an sich selbst. Soweit er solche »Vorkosten« im Rahmen der vereinbarten Geschäftsbedingungen einbehält, sind sie Preisbestandteil für die erworbenen Tiere. Eine Entgeltminderung liegt nicht vor. Verenden Tiere während des Transports, werden sie regelmäßig zulasten des Erwerbers abgerechnet. Sie gelten als geliefert. Hinsichtlich der Berechnung von verdeckten Mängeln, die erst bei der tierärztlichen Untersuchung am Schlachthof auffallen, liegt kein Schadenersatz, sondern eine Entgeltminderung vor (Abschn. 1.3 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Ändert sich die Bemessungsgrundlage, gilt § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 UStG in den Fällen des § 13b UStG sinngemäß (§ 17 Abs. 1 Satz 5 UStG; Abschn. 13b.13 Abs. 4 Satz 3 UStAE). Der BFH hat mit Urteil vom 23.1.2019 (XI R 21/17, BStBl II 2019, 354) entschieden, dass Rechtsfolge des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG die Berichtigung einer zunächst entstandenen Steuerschuld aufgrund nachträglich eingetretener Umstände ist. Begehrt der Stpfl. die Reduzierung seiner nach § 13b UStG festgesetzten Steuerschuld um eine tatsächlich nicht entstandene und damit von Anfang an zu Unrecht festgesetzte Steuer, kann die Änderung unter Hinweis auf § 17 UStG nicht versagt werden. Der Stpfl. schuldete keine USt, die nunmehr berichtigt – bzw. deren Berichtigung untersagt – werden könnte. § 17 UStG ist aber keine Steuerschuld begründende Vorschrift, sondern setzt eine zunächst bestehende Steuerschuld voraus (→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer unter dem Gliederungspunkt »Werklieferungen«).
Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 UStG ist entsprechend anzuwenden, wenn in einer Rechnung der Steuerbetrag nach § 14c Abs. 1 UStG berichtigt wird. Die Berichtigung der wegen unrichtigen Steuerausweises geschuldeten USt ist in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem sowohl eine Rechnung mit geändertem Steuerausweis erteilt als auch bei Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs der zu hoch ausgewiesene Rechnungsbetrag an den Leistungsempfänger zurückgezahlt wurde (vgl. Abschn. 14c .1 Abs. 5 UStAE). Der Widerspruch gegen den in einer Gutschrift enthaltenen Steuerausweis wirkt deshalb erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem er erklärt wird (vgl. BFH vom 19.5.1993, V R 110/88, BStBl II 1993, 779). Die Berichtigung der Vorsteuer durch den Leistungsempfänger hingegen ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem diese abgezogen wurde. § 14c Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG betreffen nicht den Leistungsempfänger, sondern regeln nur die Voraussetzungen für die Erstattung der wegen unrichtigen Steuerausweises geschuldeten USt des Steuerschuldners (vgl. BFH vom 6.12.2007, V R 3/06, BStBl II 2009, 203; Abschn. 17.1 Abs. 10 UStAE).
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen stpfl. Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so haben der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Dies gilt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts sinngemäß. Hiermit wird deutlich, dass sich nicht die Bemessungsgrundlage geändert hat, sondern lediglich das Entgelt nicht realisiert werden kann.
Aus der Sicht des leistenden Unternehmers ist hinsichtlich der Berichtigung wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts nach der Soll- bzw. Istbesteuerung zu unterscheiden. Bei der Sollversteuerung tritt der leistende Unternehmer mit der Umsatzsteuerzahlung an das FA wirtschaftlich in Vorleistungen, wenn der Leistungsempfänger bis zum Ablauf des Voranmeldungszeitraums der Leistungsausführung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) nicht gezahlt hat. Kann er in einem späteren Voranmeldungszeitraum (§ 17 Abs. 1 Satz 8 UStG) das Entgelt für die ausgeführte Leistung nicht realisieren, entsteht für ihn ein Erstattungsanspruch bezüglich der an das FA gezahlten USt.
Unterliegt der leistende Unternehmer der Istbesteuerung gem. § 20 UStG, entsteht die USt nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wird. Bei Uneinbringlichkeit der Forderung besteht hinsichtlich der USt wirtschaftlich kein Nachteil, da die USt erst mit Vereinnahmung des Entgelts an das FA abzuführen ist. Eine Berichtigung ist deshalb nicht durchzuführen.
Kann der Leistungsempfänger die Rechnung nicht begleichen, entsteht bei ihm auf jeden Fall ein wirtschaftlicher Vorteil, da der Vorsteueranspruch grundsätzlich dem Sollprinzip unterliegt. Der Leistungsempfänger ist bereits dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind, insbesondere muss die Leistung an ihn ausgeführt und er muss im Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung sein. Der Leistungsempfänger kommt bereits in den Genuss der Vorsteuer, ohne die Rechnung bezahlt zu haben.
Steht fest, dass der Leistungsempfänger die Rechnung nicht bezahlen wird, ist er nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG verpflichtet, die bereits erhaltene Vorsteuer zu berichtigen. Der Vorsteuerrückzahlungsanspruch des FA entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Uneinbringlichkeit eingetreten ist (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 11 UStAE). Der Schuldner hat nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG seinen Vorsteuerabzug bereits dann entsprechend zu berichtigen, wenn sich aus den Gesamtumständen, insbesondere aus einem längeren Zeitablauf nach Eingehung der Verbindlichkeit ergibt, dass er seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Gläubiger nicht mehr nachkommen wird (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 12 UStAE).
Der leistende Unternehmer, der eine Forderung als uneinbringlich behandelt, ist nicht verpflichtet, dem Schuldner hiervon Mitteilung zu machen. Das FA des Gläubigers ist jedoch berechtigt, das FA des Schuldners auf die Ausbuchung der Forderung hinzuweisen (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 9 und 10 UStAE).
Mit Urteil vom 31.5.2001 (V R 71/99, BStBl II 2003, 206) nimmt der BFH u.a. zum Begriff der Uneinbringlichkeit Stellung. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG definiert den Begriff der Uneinbringlichkeit nicht; das Gesetz geht davon aus, dass trotz Uneinbringlichkeit noch Zahlungen eingehen können. Der Begriff der Uneinbringlichkeit ist hiernach auch mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift auszulegen. Letztendlich soll der Grundsatz verwirklicht werden, dass sich die Umsatzbesteuerung auf den Umfang der tatsächlich vereinnahmten Gegenleistung beschränkt. Die Vorschrift berücksichtigt auch, dass die Besteuerung nach dem Sollprinzip auf der am Regelfall orientierten Erwartung des Gesetzes beruht, der Leistungsempfänger werde die Forderung des Leistenden befriedigen und damit das betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld herstellen. Für den Fall der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit ermöglicht § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug die Korrektur der Steuerbelastung, gleichzeitig aber auch die Rückforderung der Vorsteuer. Uneinbringlich ist eine Forderung jedoch nicht schon, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf unabsehbare Zeit nicht durchsetzen kann (vgl. BFH vom 13.2.2019, XI R 19/16, BFH/NV 2019, 928, LEXinform 0951243, Rz. 21). Diese Voraussetzungen liegen auch vor, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen der Entgeltsforderung selbst oder deren Höhe substantiiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Forderung ganz oder teilweise nicht bezahlen werde. Damit entfällt seine Berechtigung für den Abzug der Vorsteuer und dementsprechend ist die Umsatzsteuerschuld des Leistenden nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren (BFH Urteil vom 20.7.2006, V R 13/04, BStBl II 2007, 22; Abschn. 17.1 Abs. 5 UStAE).
Die Uneinbringlichkeit regelt die Verwaltung in Abschn. 17.1 Abs. 5 Sätze 2 bis 8 UStAE wie folgt:
Uneinbringlichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn
der Schuldner zahlungsunfähig ist;
den Forderungen die Einrede des Einforderungsverzichts entgegengehalten werden kann (BFH Beschluss vom 10.3.1983, V B 46/80, BStBl II 1983, 389).
Sichert der Gläubiger dem Schuldner vertraglich zu, er werde seine Forderung nur noch im Umfang eines festgelegten Nachbesserungsfalles geltend machen, tritt wegen vereinbarten Einforderungsverzichts des Gläubigers Uneinbringlichkeit ein. Der Schuldner muss daher die insoweit bereits als abziehbar geltend gemachten Vorsteuerbeträge berichtigen.
Im Urteilsfall haben beide Vertragsparteien durch eine außergerichtliche vertragliche Verständigung ihre schuldrechtlichen Beziehungen neu geordnet, um den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Schuldnerin Rechnung zu tragen. Der Gläubiger erstrebte weiterhin eine Tilgung der Restforderung; sein Entgegenkommen bestand darin, dass er eine Befriedigung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen suchte und im Umfang des Nichtvorliegens dieser vertraglich festgelegten Voraussetzungen auf eine Durchsetzung seiner Ansprüche verzichten wollte;
der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann (BFH vom 20.7.2006, V R 13/04, BStBl II 2007, 22).
Diese Voraussetzungen liegen insbesondere vor, wenn
vertragliche Einbehalte zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen der Leistungsempfänger (z.B. sog. Sicherungseinbehalte für Baumängel) geltend gemacht werden, soweit dem Unternehmer nachweislich die Absicherung dieser Gewährleistungsansprüche durch Gestellung von Bankbürgschaften im Einzelfall nicht möglich war und er dadurch das Entgelt insoweit für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren noch nicht vereinnahmen kann (BFH vom 24.10.2013, V R 31/12, BStBl II 2015, 674; s.u. den Gliederungspunkt »Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehalts«);
Nach dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 26.3.2019 (3 K 1816/18, EFG 2019, 826, LEXinform 5022015, Revision eingelegt Az. BFH: V R 16/19, LEXinform 0952392) ist davon auszugehen, dass eine Uneinbringlichkeit i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auch dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgeltes für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann. Mit Beschluss vom 7.5.2020 (V R 16/19, BStBl II 2021, 884) hat der BFH dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob bei einer Ratenzahlungsvereinbarung bei Erstreckung der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Veranlagungszeiträume (im Urteilsfall über einen Zeitraum von fünf Jahren) eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen entsprechender Uneinbringlichkeit des Entgelts möglich ist (s.a. Anmerkung vom 29.7.2020, LEXinform 0889601).
Mit Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716) hat der EuGH entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit nicht als Nichtbezahlung des Preises i.S. dieser Bestimmung eingestuft werden und deshalb nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage führen kann (s.u. den Gliederungspunkt »Umsatzsteuerberichtigung bei Vorfinanzierung der Steuer über mehrere Jahre«);
der Leistungsempfänger das Bestehen oder die Höhe des vereinbarten Entgelts substantiiert bestreitet;
der Leistungsempfänger zwar nicht die Entgeltforderung selbst bestreitet, sondern mit einer vom Leistenden substantiiert bestrittenen Gegenforderung aufrechnet, und wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH vom 20.7.2006, V R 13/04, BStBl II 2007, 22).
Nicht uneinbringlich ist eine Forderung, wenn deren Schuldner, der Leistungsempfänger, mit einer ihm gegenüber dem Leistenden, dem Gläubiger, zustehenden unbestrittenen Forderung aufrechnet. Denn die Aufrechnung (§ 387 BGB) bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB; BFH vom 13.2.2019, XI R 19/16, BFH/NV 2019, 928, LEXinform 0951243, Rz. 23).
Zur Beurteilung der Uneinbringlichkeit im Hinblick auf eine mögliche Aufrechnungslage ist dementsprechend entscheidend, ob der Gläubiger der Entgeltforderung damit rechnen muss, dass eine Gegenforderung des Schuldners besteht und beide Forderungen in geraumer Zeit durch Aufrechnung erfüllt werden (BFH XI R 19/16, Rz. 24).
Aufgrund der BFH-Urteile vom 22.10.2009 (V R 14/08, BStBl II 2011, 988) und vom 9.12.2010 (V R 22/10, BStBl II 2011, 996) nimmt das BMF mit koordiniertem Ländererlass vom 9.12.2011 (BStBl I 2011, 1273) zur Berichtigung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit im Insolvenzverfahren Stellung (→ Insolvenzen und Steuern). Durch das BMF-Schreiben vom 9.12.2011 (BStBl I 2011, 1273) werden in Abschn. 17.1 UStAE die Absätze 11 bis 15 angefügt.
Erbringt der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, eine Leistung vor Verfahrenseröffnung, ohne das hierfür geschuldete Entgelt bis zu diesem Zeitpunkt zu vereinnahmen, tritt daher spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Uneinbringlichkeit im vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil ein (Uneinbringlichkeit aus Rechtsgründen). Der Steuerbetrag ist deshalb nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Vereinnahmt der Insolvenzverwalter später das zunächst uneinbringlich gewordene Entgelt, ist der Umsatzsteuerbetrag nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erneut zu berichtigen (Abschn. 17.1 Abs. 11 Satz 5 bis 7 und Abs. 12 Satz 3 UStAE; BFH Urteil vom 1.3.2016, XI R 21/14, BStBl II 2016, 756). Der Steuerbetrag begründet eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Nach den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 15.12.2016 (V R 26/16, BStBl II 2017, 735) und vom 29.3.2017 (XI R 5/16, BStBl II 2017, 738) führt eine Rückzahlung eines bereits entrichteten Entgelts an den Insolvenzverwalter, welche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und aufgrund einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. AO erfolgt, zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG. Diese ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Entgeltrückgewähr vorzunehmen und nicht bereits bei Entstehung des (zivilrechtlichen) Anspruchs auf Rückgewähr. Der Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG entsteht demnach im Rahmen der Masseverwaltung und erhöht folglich die gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 InsO als Masseverbindlichkeit festzusetzende Umsatzsteuerschuld (Abschn. 17.1 Abs. 17 i.d.F. des BMF-Schreibens vom 3.7.2017, BStBl I 2017, 885). Das BMF-Schreiben vom 3.7.2017 (BStBl I 2017, 885) nimmt zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG im Insolvenzverfahren Stellung.
Zur Uneinbringlichkeit im Insolvenzverfahren s. die Erläuterungen unter → Insolvenzen und Steuern.
Zur Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 55 Abs. 4 InsO nach der Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters s. das BFH-Urteil vom 24.9.2014 (V R 48/13, BStBl II 2015, 506) sowie das BMF-Schreiben vom 20.5.2015 (BStBl I 2015, 476) und die Erläuterungen unter → Insolvenzen und Steuern zum Gliederungspunkt »Die Behandlung von Umsatzsteuer und Vorsteuer als Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO«.
Nach dem BFH-Urteil vom 24.9.2014 (V R 48/13, BStBl II 2015, 506) finden die Grundsätze zu den Steuerberichtigungen im Insolvenzverfahren (Abschn. 17.1 Abs. 11 UStAE) sowie im Insolvenzeröffnungsverfahren bei Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters (Abschn. 17.1 Abs. 12 UStAE) regelmäßig auch im Falle der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters Anwendung. Mit BMF-Schreiben vom 18.5.2016 (LEXinform 5235954) werden in Abschn. 17.1 UStAE die Abs. 11 ff. entsprechend angepasst.
Zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren hat der BFH mit seinen Urteilen vom 25.7.2012 (VII R 44/10, BStBl II 2013, 33 und VII R 29/11, BStBl II 2013, 36) seine Rechtsprechung geändert. S. dazu die Pressemitteilung des BFH Nr. 73/12 vom 31.10.2012 (LEXinform 0438676) sowie die Erläuterungen unter → Insolvenzen und Steuern.
Zur Vereinnahmung des Entgelts bei Beauftragung eines Dritten mit der Abrechnung und dem Einzug und zur Uneinbringlichkeit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Dritten hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 31.3.2022 (1 K 2073/21, EFG 2022, 1793, LEXinform 5024930, Revision eingelegt, Az. beim BFH: XI R 15/22, LEXinform 0954135) entschieden, dass das Entgelt nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich wird, wenn über das Vermögen des Inkassounternehmers nach Erhalt des Entgelts von der Krankenkasse und vor dessen Weiterleitung an den Apotheker das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Ein selbstständiger Apotheker, der Heil- und Arzneimittel an eine Krankenkasse liefert und mit der Abrechnung seiner Leistungen gegenüber der Krankenkasse und dem Einzug des Entgelts für seine Rechnung einen Dritten (Inkassounternehmer) beauftragt hat, vereinnahmt das Entgelt bereits bei Zahlung der Krankenkasse an den Inkassounternehmer.
Urteilssachverhalt:
Der Kläger betreibt eine Apotheke, die gesetzlichen Krankenkassen Arznei- oder Heilmittel liefert, die die Versicherten als Sachleistungen erhalten. Er hat mit einer GmbH einen »Vertrag zur Übernahme der Abrechnungstätigkeit und des Einzugs von Rezeptforderungen« vereinbart. Die GmbH rechnete daraufhin mit den Krankenkassen ab und zog die Forderungen in ihrem Namen auf Rechnung des Klägers ein. Die Krankenkassen zahlten für die Arzneimittellieferungen des Klägers an die GmbH. Die GmbH teilte dem Kläger den Zahlungseingang mit. Bevor die GmbH die Restzahlungen für August und September 2020 an den Kläger weitergeleitet hat, wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger beantragte sodann beim FA, diese Restzahlungen nicht mehr als Umsatz zu erfassen. Die Restzahlungen seien uneinbringlich geworden. Eine Änderung lehnte das FA ab. Habe der Kläger seine Ansprüche gegen die Krankenkasse abgetreten und diese deshalb an die GmbH gezahlt, sei das Entgelt dem Kläger zuzurechnen und nicht uneinbringlich geworden.
Das FG Baden-Württemberg entschied, dass Leistungsempfänger der Lieferungen des Apothekers die jeweilige Krankenkasse sei. Diese habe jeweils die vereinbarte Gegenleistung vereinbarungsgemäß an die GmbH gezahlt. Das Entgelt sei daher nicht uneinbringlich geworden. Die USt sei mit den Lieferungen für die Krankenkasse an deren Versicherte entstanden – auch soweit die GmbH noch die Weiterleitung des Kaufpreises schulde. Die Abtretung der Ansprüche an die GmbH ändere hieran nichts. Mit der Zahlung der Krankenkasse an die GmbH sei der Anspruch des Apothekers auf seine Gegenleistung erloschen. Der Apotheker habe das vereinbarte Entgelt vereinnahmt. Die Leistungsverhältnisse zwischen dem Apotheker und den Krankenkassen sowie dem Apotheker und der GmbH seien getrennt zu betrachten (s.a. FG Baden-Württemberg Pressemitteilung vom 23.9.2022, LEXinform 0462743).
Mit Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674; Prätzler, DB 2014, 505 und Langer u.a., NWB 10/2014, 668) hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer grundsätzlich im Umfang eines Sicherungseinbehalts zur Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berechtigt sein kann. Zur Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehalts nimmt das BMF mit Schreiben vom 3.8.2015 (BStBl I 2015, 624) Stellung.
Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) ist ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung nach § 17 UStG wegen Uneinbringlichkeit berechtigt, soweit er seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann. Entgeltforderungen, die auf sog. Sicherungseinbehalte für Baumängel beruhen, sind daher grundsätzlich uneinbringlich, da der Unternehmer die insoweit bestehenden Entgeltansprüche ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich und tatsächlich nicht durchsetzen kann (Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 UStAE). Soweit der Unternehmer jedoch eine vollständige Entgeltzahlung bereits mit Leistungserbringung für die Fälle beanspruchen kann, in denen er die Gewährleistungsansprüche seiner Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert hat oder ihm eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich war, liegt hingegen keine Uneinbringlichkeit vor. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen für eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nachzuweisen. Aus den Nachweisen muss sich leicht und einwandfrei ergeben, dass für jeden abgeschlossenen Vertrag konkrete, im Einzelnen vom Unternehmer begehrte Gewährleistungsbürgschaften beantragt und abgelehnt wurden (s.a. Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Soweit der Unternehmer unter den zuvor genannten Voraussetzungen die Entgeltansprüche zulässig als uneinbringlich behandelt, hat der Leistungsempfänger die Vorsteuer aus den jeweiligen Leistungsbezügen entsprechend zu berichtigen. Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, dem Leistungsempfänger die Behandlung seiner Ansprüche mitzuteilen. Das Finanzamt des Unternehmers ist jedoch berechtigt, das Finanzamt des Leistungsempfängers auf die Behandlung der offenen Entgeltansprüche, als uneinbringlich hinzuweisen.
Mit Verweis auf das BFH Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12, BStBl II 2015, 674) hat der BFH mit Beschluss vom 9.4.2014 (XI B 10/14, BFH/NV 2014, 1099, LEXinform 5907740) entschieden, dass dann, wenn ein Leistungsempfänger von Beginn an für ihm erbrachte Bauleistungen die Entrichtung des hierfür in Rechnung gestellten Entgelts u.a. wegen Baumängeln verweigert, seine Berechtigung zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus dieser Rechnung entfällt (s.a. Anmerkung vom 12.6.2014, LEXinform 0944913).
Unter Fortführung der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24.10.2013, V R 31/12, BStBl II 2015, 674; Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE, s. vorhergehenden Gliederungspunkt) hat das Niedersächsische FG mit Urteil vom 18.8.2016 (5 K 288/15, EFG 2016, 1925, LEXinform 5019463) einer Klage stattgegeben, mit der die Umsatzsteuerberichtigung im Zeitpunkt der Leistungserbringung für Provisionsraten begehrt wurde, deren Fälligkeit mehr als zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Leistungserbringung lag (Pressemitteilung des Niedersächsischen FG vom 5.10.2016, LEXinform 0445172).
Mit Beschluss vom 21.6.2017 (V R 51/16, BFH/NV 2017, 1576, LEXinform 5020469) hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH u.a. die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Stpfl. verpflichtet ist, die für die Leistung geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten hat (Aktenzeichen des EuGH: C-548/17, LEXinform 0651550; s.a. Anmerkung vom 26.9.2017, LEXinform 0949044; Pressemitteilung des BFH Nr. 59/2017 vom 20.9.2017, LEXinform 0447110).
In den Rz. 26 und 27 seines Urteils vom 29.11.2018 (C-548/17, UR 2019, 70, LEXinform 0651550) betont der EuGH neben Art. 63 auch die Relevanz von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Nach Art. 63 MwStSystRL treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Dienstleistung erbracht wird. Zum anderen gelten Dienstleistungen, wenn sie zu aufeinanderfolgenden Zahlungen Anlass geben, nach Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL als mit Ablauf des Zeitraums i.S.d. genannten Art. 63 MwStSystRL erbracht, auf den sich diese Zahlungen beziehen.
Aus Sicht des EuGH ist davon auszugehen, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch bezüglich einer Leistung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern mit Ablauf des Zeitraums eintreten, auf den sich die vom Verein geleisteten Zahlungen beziehen (Anmerkung vom 29.11.2018, LEXinform 0401986).
Mit Urteil vom 26.6.2019 (V R 8/19, BFH/NV 2019, 1211, LEXinform 0952275) hat sich der BFH der Rechtsauffassung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen angeschlossen. Nach Auffassung des BFH ist die Sollbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG nicht unionsrechtskonform, sodass sich der Spielervermittler im vorliegenden Fall unmittelbar auf Art. 64 der MwStSystRL berufen kann (s. → Agenturgeschäfte unter dem Gliederungspunkt »Leistungen von Spielervermittlern«).
Entsprechend war die Besteuerung für die im Streitjahr erbrachte Vermittlungsleistung nicht in diesem Veranlagungszeitraum, sondern erst im Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung zu versteuern. Nach der Auffassung des BFH (V R 8/19, Rz. 19) setzt Art. 64 MwStSystRL keine wirtschaftlich teilbare Leistung voraus, sondern die Teilbarkeit des Entgelts würde genügen. Auch Vermittlungsleistungen, die sich nach der Leistungshandlung auf die Vermittlung des Eintritts eines bestimmten Ereignisses beschränken, fallen – wie der EuGH darlegt – unter Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Für die Anwendung dieser Bestimmung genügt, dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolges (hier: Verbleib des Spielers beim aufnehmenden Verein über die vereinbarte Vertragslaufzeit) vergütet wird (s.a. Anmerkung vom 18.10.2019, LEXinform 0880499).
Zur Steuerentstehung bei der ratenweisen Zahlung von bereits ausgeführten Vermittlungsleistungen hat der BFH mit Beschluss vom 7.5.2020 (V R 16/19, BStBl II 2021, 884) dem EuGH erneut Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (EuGH: C-324/20; Vorinstanz FG Rheinland-Pfalz vom 26.3.2019, 3 K 1816/18, EFG 2019, 835, LEXinform 5022015).
Vorlagesachverhalt:
Mit Honorarvereinbarung vom 7.11.12 steht dem Unternehmer U eine Honorarzahlung von 1 Mio. € zzgl. USt zu. Diese Honorarvereinbarung bezieht sich auf eine Vermittlungsleistung eines Grundstücksverkaufs, die im Zeitraum Januar bis September des Kj. 12 erbracht wurde. Die Honorarvereinbarung sieht vor, dass das Honorar in 5 Teilbeträgen von jeweils 200 000 € zzgl. USt im Abstand von jeweils einem Jahr fällig und ab 30.6.13 zu zahlen sind.
Mit Rechnung vom 27.6.13 hat Unternehmer U dem Auftraggeber »vereinbarungsgemäß den ersten Teilbetrag laut der Honorarvereinbarung vom 7.11.12« in Rechnung gestellt und mitgeteilt, dass der Rechnungsbetrag zum 30.6.13 zur Zahlung fällig sei. In gleicher Weise hat U dem Auftraggeber mit Rechnung vom 30.6.14 den zweiten Teilbetrag in Rechnung gestellt.
Mit Beschluss vom 7.5.2020 (V R 16/19, BStBl II 2021, 884) hat der BFH dem EuGH u.a. die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob bei einer Ratenzahlungsvereinbarung bei Erstreckung der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Veranlagungszeiträume (im Urteilsfall über einen Zeitraum von fünf Jahren) eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen entsprechender Uneinbringlichkeit des Entgelts möglich ist (s.a. Anmerkung vom 29.7.2020, LEXinform 0889601).
Der BFH weist in seinem Vorlagebeschluss darauf hin, dass der vorliegende Streitfall einen rechtserheblichen Unterschied zur Fallgestaltung der Rechtssache C-548/17 aufweist. So ging es in der Rechtssache C-548/17 um Zahlungsansprüche, die vom Vorliegen einer Bedingung abhingen. Das Vorliegen dieser Bedingung zum vorgesehenen Zeitpunkt war bei der Erbringung der Vermittlungsleistung ungewiss.
Demgegenüber liegt im Streitfall V R 16/19 nur eine Befristung, nicht aber eine Bedingung vor, deren Eintritt ungewiss ist. Wie bei einem Ratenverkauf stand damit das Bestehen des Zahlungsanspruchs zum vorgesehenen Zeitpunkt fest.
Mit Urteil vom 28.10.2021 (C-324/20, LEXinform 0651716) hat der EuGH entschieden, dass Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit nicht als Nichtbezahlung des Preises i.S. dieser Bestimmung eingestuft werden und deshalb nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage führen kann.
Die Nichtbezahlung der Gegenleistung i.S.v. Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL betrifft nur die Fälle, in denen der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen oder der Dienstleistungsempfänger eine Forderung nicht oder nur teilweise erfüllt, die nach dem mit dem Lieferanten oder dem Dienstleistungserbringer geschlossenen Vertrag gegen ihn besteht (EuGH C-324/20, Rz. 60). Unter den in Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL genannten Fall der Nichtbezahlung der Gegenleistung fällt somit nicht die ratenweise Zahlung der für eine Dienstleistung geschuldeten Vergütung gemäß dem von den Parteien geschlossenen Vertrag.
Für die Zwecke der Auslegung von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL ist es unerheblich, dass ein Stpfl. in bestimmten Fällen zur Vorfinanzierung der von ihm an die Steuerverwaltung zu entrichtenden Mehrwertsteuer gezwungen sein kann.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist § 17 Abs. 1 UStG sinngemäß anzuwenden, wenn für eine vereinbarte Leistung ein Entgelt entrichtet, die Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist. Die Vorschrift ist in Zusammenhang mit den Vorschriften über die Mindest-Ist-Besteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) zu sehen (Abschn. 17.1 Abs. 7 UStAE).
Zur Änderung der Bemessungsgrundlage im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG hat der BFH mit Urteil vom 2.9.2010 (V R 34/09, BStBl II 2011, 991) entschieden, dass § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG schon nach seinem Wortlaut voraussetzt, dass ein Entgelt entrichtet worden ist. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage liegt nach § 17 Abs. 1 UStG erst aufgrund der Rückgewähr des Entgelts vor (Abschn. 17.1 Abs. 7 Satz 3 UStAE mit Beispiel; Urteil FG Niedersachsen vom 22.5.2012, 5 K 259/11, EFG 2012, 1795, LEXinform 5013867, rkr.). Für die Berichtigung ist allein entscheidend, dass die Leistung im Zeitpunkt der Rückzahlung der Anzahlung noch nicht erbracht ist. Auf eine etwaige Prognose, die Leistung möglicherweise in Zukunft noch auszuführen, kommt es nicht an (s.a. Anmerkung vom 27.9.2012, LEXinform 0943148).
Zur Vorsteuerberichtigung nach Nichtbewirken des steuerpflichtigen Umsatzes hat der EuGH mit Urteil vom 13.3.2014 (C-107/13, DStR 2014, 650, 705, LEXinform 0589426) entschieden, dass der Vorsteuerabzug, den der Empfänger einer für eine Anzahlung auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellten Rechnung vorgenommen hat, berichtigt wird, wenn diese Lieferung letztlich nicht bewirkt wird (Rz. 52 der EuGH-Entscheidung C-107/13). Die Vorsteuerberichtigung ist auch dann vorzunehmen, wenn der »Lieferer« zur Entrichtung der Mehrwertsteuer verpflichtet bleiben sollte und die Anzahlung nicht zurückgezahlt haben sollte (EuGH C-107/13, Rz. 53 ff.).
Hinsichtlich der Mehrwertsteuer, die aufgrund des Nichtvorliegens eines steuerpflichtigen Umsatzes zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde, ergibt sich nämlich aus der MwStSystRL, dass die beiden beteiligten Wirtschaftsteilnehmer nicht notwendigerweise gleichbehandelt werden. Zum einen schuldet der Aussteller einer Rechnung die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer gem. Art. 203 MwStSystRL (§ 14c UStG) auch, wenn kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt. Zum anderen ist die Ausübung des Rechts des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug nach Art. 63 i.V.m. Art. 167 MwStSystRL auf die Steuern beschränkt, die auf einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz entfallen (§ 15 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG; → Vorsteuerabzug). Im Übrigen kann, solange die Anzahlung vom Lieferer nicht zurückgezahlt worden ist, die Bemessungsgrundlage der von ihm aufgrund der Vereinnahmung dieser Anzahlung geschuldeten Steuer nicht nach Art. 90 MwStSystRL (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG) vermindert werden (EuGH C-107/13, Rz. 56).
Hinweis:
Im Urteil C-107/13 unterstellt der EuGH, dass die steuerliche Neutralität dadurch gewahrt wird, dass der Erwerber die Möglichkeit hat, die für die letztlich nicht erfolgte Lieferung der Gegenstände geleistete Anzahlung von seinem Lieferer zurückzuerhalten (EuGH C-107/13, Rz. 55). Danach wäre der Lieferer berechtigt, die Bemessungsgrundlage und somit die entrichtete Mehrwertsteuer zu berichtigen.
Im Urteilsfall C-107/13 handelte es sich, nach den Feststellungen des EuGH und der Vorinstanzen, um einen Fall von Hinterziehung der Mehrwertsteuer, wonach der Lieferer die Mehrwertsteuer aus der Anzahlung nicht an den Fiskus entrichtet hatte. Durch die Rückforderung des Vorsteuerabzugs entsteht kein Steuerausfallrisiko.
Mit Beschlüssen vom 21.9.2016 (V R 29/15, BFH/NV 2017, 243, LEXinform 5019616 sowie XI R 44/14, BFH/NV 2017, 248, LEXinform 5019617) hat der BFH den EuGH um Vorabentscheidung gebeten. Da die Verfahren dabei im Wesentlichen identisch sind hat der EuGH die beiden Vorlagefragen zu einem Verfahren verbunden (EuGH Az. C-660/16 und C-661/16).
Vorlagesachverhalt:
In beiden Verfahren sind die Stpfl. Opfer von Betrugsfällen geworden. Beide Kläger bestellten Blockheizkraftwerke, die im gewerblichen Rahmen zur Erzeugung erneuerbarer Energien genutzt werden sollten. In beiden Fällen war vereinbart, dass der Kaufpreis von 30 000 € zzgl. 5 700 € USt als Anzahlung geleistet werden sollte.
In beiden Fällen beanspruchten die Kläger einen Vorsteuerabzug aus den Anzahlungen. Die entsprechenden Blockheizkraftwerke wurden allerdings niemals geliefert. Über das Vermögen der Lieferanten wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die jeweils für die Lieferanten handelnden Personen wurden u.a. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in insgesamt 88 Fällen zu Lasten der Käufer der Anlagen strafrechtlich verurteilt. Eine Steuerhinterziehung lag allerdings in beiden Fällen nicht vor.
Mit seiner Vorlage möchte der V. und der XI. Senat des BFH u.a. vom EuGH geklärt wissen, ob das EuGH-Urteil vom 13.3.2014 (C-107/13, UR 17/2014, 705, LEXinform 0589426, s.o.) dahingehend zu verstehen ist, dass nach dem Unionsrecht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs, den der Anzahlende aus seiner auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellten Anzahlungsrechnung vorgenommen hat, nicht die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung voraussetzt, wenn diese Lieferung letztlich nicht bewirkt wird.
In seinem Urteil vom 31.5.2018 (C-660/16, C-661/16, DStR 2018, 1171, LEXinform 0651539) kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass – anders als im Verfahren C-107/13 – der Vorsteuerabzug nicht durch die später feststehende Nichtleistung zu korrigieren ist. Anders als in der Rechtssache C-107/13 lag kein Steuerbetrug vor. Lt. EuGH und den Vorinstanzen war es erwiesen, dass die angeblichen Lieferer die Mehrwertsteuer auf die Anzahlungen an den Fiskus entrichtet hatten (EuGH C-660/16, 661/16, Rz. 62). In diesem Fall nimmt der EuGH an, dass kein Steuerausfallrisiko des Fiskus besteht, wenn die Erwerber ihr Vorsteuerabzugsrecht aus diesen Anzahlungen ausüben.
Wären die Erwerber gezwungen, die hinsichtlich der auf die von ihnen geleisteten Anzahlungen gezahlten Mehrwertsteuer vorgenommenen Abzüge zu berichtigen, und erhielten sie keine Erstattung von den Lieferern, hätten sie gegen die Steuerbehörden eine Forderung i.H.d. gleichen Betrags, den diese im Rahmen dieser Berichtigung erlangt haben.
Es wäre aber offenkundig unangemessen, die Erwerber zu verpflichten, diese Abzüge zu berichtigen und anschließend von den Steuerbehörden die Erstattung der auf die fraglichen Anzahlungen entrichteten Mehrwertsteuer einzuklagen (EuGH C-660/16, 661/16, Rz. 67 und 68). In der Nachfolgeentscheidung des BFH vom 17.7.2019 (V R 9/19 – V R 29/15 –, LEXinform 0952271) hat der BFH, mit Verweis auf die Rechtssache des EuGH C-660/16, 661/16, entschieden, dass es unionsrechtskonform ist, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 UStG eine Rückzahlung voraussetzt.
Zum Vorsteuerabzug sowie zur Vorsteuerberichtigung in diesen Fällen s. → Vorsteuerabzug unter dem Gliederungspunkt »Anzahlung«. Siehe dort auch die Nachfolgeentscheidung des BFH vom 5.12.2018 (XI R 44/14, BFH/NV 2019, LEXinform 0950089) zur EuGH-Entscheidung vom 31.5.2018 (C-660/16, C-661/16, DStR 2018, 1171, LEXinform 0651539). S.a. BFH Pressemitteilung Nr. 12/2019 vom 6.3.2019 (LEXinform 0449476).
Wird eine stpfl. Lieferung oder sonstige Leistung oder ein stpfl. innergemeinschaftlicher Erwerb rückgängig gemacht, sind nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG in sinngemäßer Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG die USt und der Vorsteuerabzug zu berichtigen (Abschn. 17.1 Abs. 8 UStAE). Zu beachten ist, dass nur die Rückgängigmachung einer Leistung, nicht jedoch die Rücklieferung in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG fällt. Zur Abgrenzung zwischen der Rückgabe und der Rücklieferung s → Lieferung und das BFH Urteil vom 12.11.2008 (XI R 46/07, BStBl II 2009, 558; Abschn. 17.1 Abs. 8 UStAE).
Zur Änderung der Bemessungsgrundlage im Falle des § 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UStG hat der BFH mit Urteil vom 2.9.2010 (V R 34/09, BStBl II 2011, 991) entschieden, dass § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG auch anwendbar ist, wenn eine Leistung rückgängig gemacht wird, für die das Entgelt bereits entrichtet worden ist. Auch in diesem Fall entsteht der Berichtigungsanspruch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG erst nach Rückgängigmachung und Rückzahlung des Entgelts (Abschn. 17.1 Abs. 8 Satz 5 UStAE).
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ist § 17 Abs. 1 UStG sinngemäß anzuwenden, wenn der Erwerber den Nachweis i.S.d. § 3d Satz 2 UStG führt (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb).
Beispiel 11:
Der belgische Unternehmer B bestellt bei dem deutschen Unternehmer D eine Baumaschine. D hat die Maschine nicht vorrätig und gibt die Bestellung weiter an den spanischen Hersteller SP. Alle Beteiligten treten unter der USt-IdNr. ihres Landes auf. SP befördert die Baumaschine mit eigenem Lkw nach Belgien und übergibt sie dort an B.
Lösung 11:
S.a. Beispiel in Abschn. 25b.1 Abs. 5 UStAE.
Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft i.S.d. § 25b Abs. 1 UStG vor (→ Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft), weil der erste Lieferer den Gegenstand der Lieferungen befördert. Die Beförderung ist der ersten Lieferung (SP an D) zuzuordnen (→ Reihengeschäft). Ort der Lieferung ist nach § 3 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. Satz 1 Spanien (Beginn der Beförderung). Die Lieferung ist als innergemeinschaftliche Lieferung in Spanien steuerfrei. Der Erwerb des Gegenstandes unterliegt bei D grundsätzlich der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in Belgien, da die Beförderung dort endet (§ 3d Satz 1 UStG), und in Deutschland, da D seine deutsche UStIdNr. verwendet (§ 3d Satz 2 UStG).
Der innergemeinschaftliche Erwerb des D gilt solange in Deutschland als bewirkt, bis D nachweist, dass der Erwerb in Belgien besteuert worden ist. Insofern tritt eine doppelte Steuerpflicht sowohl in Belgien als auch in Deutschland ein, da der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs grundsätzlich in Belgien liegt. D muss den innergemeinschaftlichen Erwerb zunächst in Deutschland der Besteuerung unterwerfen, kann jedoch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die USt auf den innergemeinschaftlichen Erwerb als Vorsteuer abziehen. Weist D nach, dass er den innergemeinschaftlichen Erwerb in Belgien versteuert hat, greift die Fiktion des § 3d Satz 2 UStG nicht mehr, dementsprechend berichtigt D die Besteuerung in Deutschland nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG. Die Berichtigung erstreckt sich einerseits auf die für den Erwerb erklärte USt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG), andererseits auf die Korrektur der bisher geltend gemachten Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Berichtigung ist in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem D den Nachweis über die Besteuerung in Belgien erbringt (§ 17 Abs. 1 Satz 7 UStG).
Die zweite Lieferung (D an B) ist eine ruhende Lieferung. Lieferort ist nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG Belgien, da sie der Beförderungslieferung nachfolgt. Die Lieferung des D ist nach belgischem Recht zu beurteilen.
§ 15 Abs. 1a UStG regelt den Vorsteuerausschluss für Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Nr. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7, Abs. 7 oder des § 12 Nr. 1 EStG gilt (Abschn. 17.1 Abs. 9 UStAE). S. die Kommentierung zu → Unentgeltliche Wertabgabe unter dem Gliederungspunkt »Konkurrenz zwischen § 3 Abs. 1b Nr. 3 und § 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG«.
Beispiel 12:
Der Unternehmer schafft 100 Geschenke zu je 25 € zzgl. 4 € USt an. Da die Freigrenze von 35 € für das einzelne Geschenk nicht überschritten ist, ist die Vorsteuer i.H.v. von 4 € × 100 = 400 € nach § 15 Abs. 1 UStG abziehbar und unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 UStG auch abzugsfähig. Erhält ein Geschäftsfreund allerdings zwei dieser Geschenke, so entfällt diesbezüglich der Betriebsausgabenabzug, weil die Freigrenze von 35 € überschritten ist.
Lösung 12:
Ertragsteuerrechtlich sind die Betriebsausgaben um 58 € zu korrigieren. Nach § 12 Nr. 3 EStG dürfen Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 5, 7 oder Abs. 7 EStG gilt, den Gewinn nicht mindern.
Umsatzsteuerrechtlich sind nach § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG 8 € Vorsteuerbeträge nicht abziehbar.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG tritt eine Änderung der Bemessungsgrundlage ein, da jetzt Aufwendungen i.S.d. § 15 Abs. 1a UStG getätigt worden sind. Die erforderliche Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (Abschn. 17.1 Abs. 2 UStAE), somit in dem Voranmeldungszeitraum, in dem dem Geschäftsfreund das zweite Geschenk übergeben wurde.
Eine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) ist auch dann vorzunehmen, wenn Einfuhrumsatzsteuer herabgesetzt, erlassen oder erstattet worden ist (§ 17 Abs. 3 UStG).
Die Verpflichtung des leistenden Unternehmers zur Berichtigung der geschuldeten USt und des Leistungsempfängers zur Berichtigung des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es bedarf – abgesehen von wenigen Ausnahmen wie im Falle eines verdeckten Preisnachlasses und des Wechseldiskontes – keiner Belegerteilung. Wenn aber die Bemessungsgrundlagen für Leistungen, die einer verschiedenartigen Besteuerung unterlegen haben (z.B. verschiedene Steuersätze oder Steuerfreiheit), für einen bestimmten Zeitabschnitt gemeinsam geändert werden (z.B. Jahresboni), dann muss der Unternehmer dem Abnehmer einen Beleg erteilen, aus dem dieser die Aufteilung auf die verschiedenen Steuersätze ersehen kann (§ 17 Abs. 4 UStG). Zur Belegerteilung s. OFD Hannover vom 7.5.1998 (S 7236-2-StH 542/StO 335, UR 1999, 225).
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Micker u.a., Gewährung von Preisnachlässen durch Verkaufsagenten/Vermittler, NWB 14/2017, 1007; Polok, Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Gewährung eines Herstellerrabatts durch pharmazeutische Unternehmen, UR 4/2018, 147; Becker, Entgeltminderung für Pharmaunternehmen, NWB 10/2018, 618; Sterzinger, Nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts bei zunächst unentgeltlichen Leistungszuwendungen, UStB 2020, 162; Schulze u.a., Auswirkungen der Absenkung der Umsatzsteuersätze durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz auf die Berichtigung des Steuerbetrags nach § 17 UStG, UR 2020, 781; Erdbrügger, EuGH-Entscheidung zu grenzüberschreitenden Rabattgewährungen durch Versandapotheken lässt viele Fragen offen, UR 2021, 333.
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
→ Tausch und tauschähnlicher Umsatz: Besonderheiten bei der Umsatzsteuer
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