1 Voraussetzungen für die Kleinunternehmerbesteuerung
1.1 Maßgebliche Umsatzgrenzen
1.2 Sinn und Zweck der Kleinunternehmerregelung
1.3 Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf das Inland und die § 1 Abs. 3 UStG-Gebiete
1.4 Ausblick auf die Kleinunternehmerregelung der MwStSystRL ab 1.1.2025
2 Folgen der Kleinunternehmerregelung
2.1 Nichterhebung bzw. Erhebung der Umsatzsteuer
2.2 Options- und Vorsteuerabzugsverbot sowie weitere Besonderheiten
2.3 Anwendung der Ortsvorschrift des § 3c UStG
2.4 Erwerbsbesteuerung
2.5 Lieferung eines neuen Fahrzeugs durch einen Kleinunternehmer
2.6 Pflichten des Kleinunternehmers
2.6.1 Allgemeiner Überblick
2.6.2 Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen
2.6.2.1 Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen
2.6.2.2 Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen
2.6.3 Änderungen durch das Wachstumschancengesetz
3 Besonderheiten bei der Ermittlung der Umsatzgrenzen
3.1 Brutto-Ist-Gesamtumsatz
3.2 Vorjahresgrenze von 22 000 €
3.3 Umsatzgrenze von 50 000 €
3.4 Besonderheit bei Erbfolge
3.5 Beginn der unternehmerischen Tätigkeit im laufenden Jahr
3.5.1 Umsatz im Gründungsjahr
3.5.2 Fehlender Umsatz im Gründungsjahr
3.5.3 Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe
3.6 Umsätze der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
3.7 Berücksichtigung der privaten Pkw-Nutzung
3.8 Unternehmer mit schwankenden Umsätzen
3.9 Besonderheiten bei Saisonbetrieben
4 Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG
4.1 Grundsätzliche Überlegungen
4.2 Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 2 UStG
4.3 Wirkung der Option beim Unternehmer
4.4 Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung im Insolvenzfall
4.5 Widerruf der Option
4.6 Bindungswirkung der Option
5 Berichtigung des Vorsteuerabzug
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel
Unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 UStG (Art. 281 ff. MwStSystRL) ist die Steuer für steuerpflichtige Umsätze nicht zu erheben. Der Umsatz des Unternehmers i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zzgl. der darauf entfallenden Steuer darf
im vorangegangenen Kj. 22 000 € nicht überstiegen haben und
im laufenden Kj. 50 000 € voraussichtlich nicht übersteigen.
Beide Voraussetzungen müssen gemeinsam erfüllt sein.
§ 19 UStG in seiner jetzigen Ausgestaltung wurde durch das UStG 1980 eingeführt. Der nationale Gesetzgeber hat nach den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union (Art. 286 MwStSystRL) die Möglichkeit, die Kleinunternehmergrenze in regelmäßigen Abständen entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung anzuheben. Eine Anpassung auf die bislang gültige Grenze von 17 500 € wurde zuletzt mit Wirkung vom 1.1.2003 vorgenommen (s. BT-Drs. 19/13959, 35 zum Dritten Bürokratieentlastungsgesetz vom 22.11.2019).
Durch Art. 7 Nr. 2 des Dritten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) vom 22.11.2019 (BGBl I 2019, 1746) wird ab 1.1.2020 die Kleinunternehmergrenze von bisher 17 500 € auf 22 000 € angehoben.
Zum Sinn und Zweck der Kleinunternehmerregelung äußert sich die Bundesregierung (BT-Drs. 17/7133 vom 22.9.2011) wie folgt:
Bei § 19 UStG handelt es sich um eine Sonderregelung, die auf der den Mitgliedstaaten eingeräumten Option des Rechts der EU beruht und sich stützt auf Art. 284 MwStSystRL. Vor diesem Hintergrund zielt § 19 UStG auf eine Verwaltungsvereinfachung ab, mit der den Schwierigkeiten Rechnung getragen wird, die eine normale Besteuerung von sog. Kleinunternehmern mit Blick auf deren Tätigkeit oder Struktur nach sich ziehen würde. Die Regelung soll v.a. bei solchen Steuerpflichtigen Anwendung finden, die Umsätze lediglich i.R.v. Nebentätigkeiten erbringen oder deren Hauptumsätze im erheblichen Umfang steuerfrei sind. Die Anwendung der Kleinunternehmerregelung führt systemimmanent dazu, dass dem Unternehmer für den Zeitraum der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung der Vorsteuerabzug versagt bleibt. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 UStG kann der Unternehmer deshalb erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet und damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften unterliegt. Diese sog. Option zur Regelbesteuerung (Wahlrecht des Unternehmers) eröffnet dem langjährigen Unternehmer wie auch dem Existenzgründer die Möglichkeit, den Abzug der gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen geltend zu machen, insbesondere bei Existenzgründern auch die für das Unternehmen getätigten Anfangsinvestitionen.
Zum Sinn und Zweck der Kleinunternehmerregelung sowie zur Aufspaltung einer unternehmerischen Tätigkeit zur mehrfachen Inanspruchnahme des § 19 UStG hat der BFH mit Urteil vom 11.7.2018 (XI R 26/17, BFH/NV 2019, 182, LEXinform 0951512) entschieden, dass im Urteilsfall eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung vorliegt, die zu ihrer Versagung führt.
Entscheidungssachverhalt:
Eine Steuerberatungsgesellschaft war an mehreren GmbH & Co. KGs (KGs) jeweils als Kommanditistin mehrheitlich beteiligt. Die KGs boten ihren Mandanten überwiegend die Verbuchung laufender Geschäftsvorfälle an. Dabei handelte es sich um Leistungen, die bis zur Gründung der KGs von der Steuerberatungsgesellschaft direkt an diese Mandanten erbracht worden waren und die anschließend von den KGs mit den Sach- und Personalmitteln der Steuerberatungsgesellschaft erbracht wurden. Alle Mandanten der KGs waren nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wobei die Umsätze der einzelnen KGs jeweils unterhalb der Kleinunternehmergrenze blieben. Teilweise wurden dieselben Mandanten nacheinander von mehreren der KGs betreut, ohne dass sich dadurch an der Leistungsausführung inhaltlich etwas änderte und ohne dass erkennbar war, nach welchen sachlichen Kriterien die Beteiligten entschieden, welche KG vom jeweiligen Mandanten beauftragt wurde. Die Steuerberatungsgesellschaft erhielt nur ihre allgemeine Gewinnbeteiligung, mit der die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern und die Erbringung von Leistungen an die KGs laut den Gesellschaftsverträgen abgegolten war. Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die entsprechenden Umsätze der KGs der Steuerberatungsgesellschaft zuzurechnen seien, da die Gestaltung, nach der Buchführungs- und Lohnabrechnungsleistungen auf die KGs ausgelagert und aufgrund Unterschreitung der Kleinunternehmergrenze nicht der Umsatz- und Gewerbesteuer unterworfen wurden, missbräuchlich sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos (s.a. Anmerkung vom 11.12.2018, LEXinform 0653575).
Entscheidungsgründe:
Bei der hier vorliegenden missbräuchlichen Gestaltung ist die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Wege der teleologischen Reduktion auf Grundlage einer unionsrechtskonformen Auslegung zu versagen, sodass den KGs trotz formaler Einhaltung der Umsatzgrenzen die Berufung auf § 19 UStG verwehrt ist.
Die wie eine Steuerbefreiung wirkende Regelung des § 19 UStG beruht auf Art. 281 ff. MwStSystRL und ist dementsprechend unionsrechtskonform auszulegen und anzuwenden. Die Regelung, die eine Ausnahme von den allgemeinen Regelungen der MwStSystRL darstellt, darf nur insoweit angewandt werden, als dies zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist.
Auch wenn § 19 UStG vom allgemeinen Unternehmerbegriff des § 2 UStG ausgeht und es keine typischen Kleinunternehmer gibt, da die Beurteilung ausschließlich von der Umsatzhöhe und nicht von einer bestimmten Rechtsform oder Tätigkeit abhängt, liegt der Regelung doch das Bild einer »kleinen« unternehmerischen Einheit zugrunde, die sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch der Verwaltung keinen Verwaltungsaufwand rechtfertigt.
So hat der EuGH festgestellt, dass die Gewährung von Steuerfreiheit nur Kleinunternehmer fördern solle, nicht aber solche, die durch Aufsplittung ihrer Tätigkeit auf verschiedene Mitgliedstaaten quasi »unter dem Deckmantel« der jeweils geltenden Kleinunternehmerregelung tätig seien, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden (EuGH Urteil vom 26.10.2010, C-97/09, BFH/NV 2010, 2380, Rz. 70). Entsprechend soll die Kleinunternehmerregelung nur denjenigen Unternehmen zugutekommen, die auch tatsächlich in geringem Umfang wirtschaftlich tätig sind.
Der Zweck der Vorschrift liegt nicht in der Existenzsicherung des Kleinunternehmers, da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unternehmers keine Rolle spielen. Auch eine Subventionierung von Kleinunternehmern ist nicht beabsichtigt (BFH Urteil vom 11.7.2018, XI R 26/17, BFH/NV 2019, 182, LEXinform 0951512, Rz. 53),
Mit der planmäßigen Aufspaltung und künstlichen Verlagerung von Umsätzen auf die KGs mit dem Ziel, so die Kleinunternehmergrenze jeweils nicht zu überschreiten, wird der Vereinfachungszweck des § 19 UStG verfehlt und die Kleinunternehmerregelung missbräuchlich in Anspruch genommen.
Im Gegensatz zur Kleinunternehmerregelung stellt die Regelbesteuerung eine weitere Besteuerungsform dar. Sie fordert vom Unternehmer sämtliche umsatzsteuerlichen Konsequenzen (z.B. erhöhte Aufzeichnungspflichten). Einzelheiten sind in Abschn. 19.1 UStAE enthalten.
Die Besteuerungsform bedeutet
die Regelbesteuerung oder
die Kleinunternehmerregelung oder
die Besteuerung nach § 24 UStG (s.a. Abschn. 19.5 UStAE zum → Wechsel der Besteuerungsform).
In der Rechtsnorm des § 19 UStG ist auch dargelegt, wann und wie ein Unternehmer auf die Kleinunternehmerregelung verzichten kann, wenn er z.B. aus Gründen des Vorsteuerabzugs die Regelbesteuerung in Anspruch nehmen will (Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, 5. A., § 19 Rz. 1 und 2).
Beispiel 1:
Im Kj. 26 beträgt der tatsächliche Umsatz zzgl. USt 21 500 €. Im Kj. 27 beträgt der voraussichtliche Umsatz zzgl. USt 45 000 €.
Lösung 1:
Von dem Umsatz im Kj. 26 wird keine USt erhoben, da beide Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG erfüllt sind.
Regelungsziel des § 19 Abs. 1 UStG ist die Verwaltungsvereinfachung und nicht die Existenzsicherung des Kleinunternehmers. Deshalb kann nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG eine Nichterhebung von USt für Kleinunternehmer gefordert werden, die von § 19 Abs. 1 UStG nicht erfasst werden, aber für sich eine Existenzgefährdung durch Steuerbelastung behaupten (BFH Beschluss von 11.12.1997, V B 52/97, BFH/NV 1998, 751, LEXinform 0160526).
Die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG findet nur für im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebieten ansässige Unternehmer Anwendung (s.a. Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Dies bedeutet, dass ausländische Unternehmer, wenn sie in Deutschland steuerpflichtige Lieferungen tätigen, mit diesen Lieferungen grundsätzlich unter die Regelbesteuerung fallen.
Zur Versagung der Kleinunternehmerregelung gegenüber Steuerpflichtigen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, hat der EuGH mit Urteil vom 26.10.2010 (C-97/09 – Schmelz –, UR 2011, 32, LEXinform 0589235) Folgendes entschieden: Es erweist sich, dass beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der Mehrwertsteuerregelung das Ziel, die Wirksamkeit der Steueraufsicht im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen zu gewährleisten, und das Ziel der Kleinunternehmerregelung, mit der die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinunternehmen gestärkt werden soll, es zum einen rechtfertigen, dass die Anwendbarkeit der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Tätigkeiten der Kleinunternehmen beschränkt wird, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, ansässig sind, und zum anderen, dass der zu berücksichtigende Jahresumsatz derjenige ist, der in dem Mitgliedstaat erzielt wird, in dem das Unternehmen ansässig ist.
Mit Verweis auf das EuGH-Urteil »Schmelz« vom 26.10.2010 (C-97/09, UR 2011, 32, LEXinform 0589235) hat der BFH mit Urteil vom 12.12.2019 (V R 3/19, BFH/NV 2020, 746, LEXinform 0952338) zur Nichtanwendung der Kleinunternehmerregelung für im Ausland ansässige Unternehmer Stellung genommen.
Entscheidungssachverhalt V R 3/19:
Die Stpfl. lebte in den Streitjahren in Italien. Von ihrem Vater war ihr ein Nießbrauchsrecht an einer in Deutschland gelegenen Wohnung eingeräumt worden. Sie war daher berechtigt, die Wohnung zu wirtschaftlichen Zwecken zu nutzen und die Früchte aus der Sache zu beziehen.
Die Wohnung wurde über ein Internetportal kurzfristig verschiedenen Mietern überlassen und unterlag dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG). Gegenüber dem FA beantragte sie aufgrund der geringen Umsätze die Anwendung der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG. Dies lehnten das FA und das FG ab, da die Stpfl. aufgrund ihrer Ansässigkeit in Italien keinen Anspruch auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung habe.
Entscheidungsgründe:
Der BFH beruft sich in seiner Urteilsbegründung auf die EuGH-Entscheidung »Schmelz«, indem er die entscheidenden Passagen (Rz. 70, 71, 72 sowie 37 und 38) wörtlich zitiert. In Rz. 38 der Entscheidung »Schmelz« hat der EuGH für die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Niederlassung entschieden, dass grundsätzlich Voraussetzung dafür ist,
dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und
dass im Fall des Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung aktiv erfolgt.
Eine solche dauernde Präsenz muss sich auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lassen, die sich u.a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen.
Der BFH gelangt danach zu der Entscheidung (Rz. 14), dass sich die Kleinunternehmerregelung auf Unternehmer beschränkt, die im Mitgliedstaat der Leistungserbringung ansässig sind. Ferner ist die Vermietung einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als niederlassungsbegründend anzusehen, sodass es auf die weiteren Überlegungen der Klägerin zu Betriebsstätten oder festen Niederlassungen ebenso wenig ankommt wie auf die Definition in § 13b Abs. 7 UStG. Daher kann die Klägerin, die in den Streitjahren in Italien ansässig war, die Kleinunternehmerregelung für ihre stpfl. Umsätze im Inland nicht in Anspruch nehmen (s.a. Anmerkung vom 19.5.2020, LEXinform 0653738; s. Monfort, UStB 2020, 263).
Hinweis:
Nach der BFH-Entscheidung V R 3/19 kommt es für die Bestimmung des im Ausland ansässigen Unternehmers nicht auf die Bestimmung des ausländischen Unternehmers i.S.d. § 13b Abs. 7 UStG an. Nach der Verwaltungsregelung in Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE sind Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und stpfl. vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln. Sie haben diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären.
Dieser Grundsatz gilt auch für unter das Vorsteuervergütungsverfahren fallende Unternehmer. Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und vermieten oder beabsichtigen zu vermieten, sind als im Inland ansässig zu behandeln (Abschn. 18.10 Abs. 1 Satz 4 UStAE).
Sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nach § 59 UStDV nicht erfüllt, können Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG berücksichtigt werden (Abschn. 18.11 Abs. 1 UStAE).
Obwohl die inländische stpfl. Grundstücksvermietung zur Anwendung des allgemeinen Besteuerungsverfahrens führt, ist nach der EuGH- und BFH-Rspr. die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG nicht anwendbar. Der EuGH begründet in Rz. 70 der Entscheidung »Schmelz« dies wie folgt
»Mit der Beschränkung der Mehrwertsteuerbefreiung auf die Stpfl., die in dem Mitgliedstaat, der eine solche Befreiung eingeführt hat, ansässig sind, kann verhindert werden, dass Stpfl., die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ohne dort ansässig zu sein, der Besteuerung ihrer Tätigkeiten unter dem Deckmantel der dort geltenden Befreiungen ganz oder zum großen Teil entgehen könnten, auch wenn diese Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit den Umfang der Geschäftstätigkeit eines Kleinunternehmens objektiv überschreiten würden, was mit dem Erfordernis, durch die Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung, die eine solche Befreiungsregelung darstellt, nur Kleinunternehmen zu fördern, nicht zu vereinbaren wäre« (s.a. BFH V R 3/19, Rz. 12).
Beachte:
Ab dem 1.1.2025 wird die Kleinunternehmerregelung grenzüberschreitend ausgestaltet. S. dazu den nachfolgenden Gliederungspunkt.
Der Rat der EU hat am 18.2.2020 durch die RL 2020/285 (ABl EU Nr. L 62/13) u.a. die Art. 282 ff. MwStSystRL hinsichtlich der Sonderregelung für Kleinunternehmer mit Wirkung ab 1.1.2025 geändert.
Gem. der Sonderregelung für Kleinunternehmen können derzeit nur Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, von der Steuer befreit werden (Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL). Dies hat im Binnenmarkt für nicht in diesem Mitgliedstaat ansässige Unternehmen negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen. Um hier Abhilfe zu schaffen und weitere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollen Kleinunternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind als in dem Mitgliedstaat, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird, die Steuerbefreiung ebenfalls in Anspruch nehmen (Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL i.d.F. ab 1.1.2025).
Ab dem 1.1.2025 regelt Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL, dass der Schwellenwert für im jeweiligen Mitgliedstaat ansässige Kleinunternehmer 85 000 € nicht übersteigen darf. Bei Kleinunternehmern, die die Kleinunternehmerregelung nicht im jeweiligen Ansässigkeitsstaat in Anspruch nehmen, gilt nach gem. Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL, dass
der Schwellenwert im Ansässigkeitsstaat nicht überschritten werden darf und
der Jahresumsatz insgesamt 100 000 € nicht übersteigen darf.
Unterliegt ein Stpfl. in seinem Mitgliedstaat der Ansässigkeit der normalen Mehrwertsteuerregelung, nimmt aber die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch, so sollte der Vorsteuerabzug eine Verbindung zu den besteuerten Lieferungen von Gegenständen und/oder Dienstleistungen des Stpfl. aufweisen. Bezieht ein solcher Stpfl. Eingangsumsätze im Mitgliedstaat seiner Ansässigkeit, die in Verbindung mit von der Steuer befreiten Lieferungen von Gegenständen und/oder Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten stehen, so sollte kein Vorsteuerabzug möglich sein.
Damit eine wirksame Kontrolle der Anwendung der Steuerbefreiung ermöglicht wird und der Zugang der Mitgliedstaaten zu den erforderlichen Informationen sichergestellt ist, sollten Stpfl., die die Steuerbefreiung in einem Mitgliedstaat, in dem sie nicht ansässig sind, in Anspruch nehmen wollen, verpflichtet sein, den Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, vorab zu benachrichtigen (Art. 284 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 284a MwStSystRL i.d.F. ab 1.1.2025). Aus Gründen der Vereinfachung und der Senkung der Befolgungskosten sollten solche Stpfl. nur im Mitgliedstaat der Ansässigkeit eine individuelle Nummer erhalten. Diese Nummer kann, muss aber nicht die individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer sein (Art. 284 Abs. 2 bis 6 MwStSystRL i.d.F. ab 1.1.2025).
Um einer Umgehung der Vorschriften in Bezug auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen vorzubeugen und den Zweck dieser Befreiung zu wahren, sollte ein Stpfl. unabhängig davon, ob er in dem Mitgliedstaat, der die Steuerbefreiung gewährt, ansässig ist oder nicht, die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen dürfen, wenn der in diesem Mitgliedstaat festgelegte Schwellenwert im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten wurde. Aus denselben Gründen sollte ein Stpfl., der nicht in dem Mitgliedstaat, der die Steuerbefreiung gewährt, ansässig ist, die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen dürfen, wenn der Schwellenwert für den Jahresumsatz in der Union im vorangegangenen Kj. überschritten wurde (Art. 288a MwStSystRL i.d.F. ab 1.1.2025).
Die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG bezieht sich auf die Steuer für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Lieferungen und sonstigen Leistungen (einschließlich unentgeltliche Wertabgaben; Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Die folgende Steuer hat der Kleinunternehmer abzuführen:
die Steuer für die Einfuhr von Gegenständen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG);
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) sowie
die Steuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG;
die Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG (s. Abschn. 13b.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE), wenn der Kleinunternehmer Leistungsempfänger einer steuerbaren und stpfl. Leistung i.S.d. § 13b Abs. 1 oder 2 UStG ist.
Ist dagegen der Kleinunternehmer derjenige, der die Leistung ausführt, wird der Leistungsempfänger nicht Steuerschuldner, da die geschuldete Steuer unter den Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG bei einem Kleinunternehmer nicht erhoben wird (s.a. § 13b Abs. 5 Satz 9 UStG);
die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG (s. Abschn. 14c.2 Abs. 1 UStAE) und
die Steuer nach § 25b Abs. 2 UStG.
Das gilt auch für die Steuer, die nach § 16 Abs. 5 UStG von der zuständigen Zolldienststelle im Wege der Beförderungseinzelbesteuerung erhoben wird (vgl. Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 4 und 5 UStAE).
Weist ein zum gesonderten Steuerausweis nicht berechtigter Kleinunternehmer in einer sog. »Kleinbetragsrechnung« (→ Rechnung) das Entgelt und den darauf entfallenden Steuerbetrag für eine Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe sowie den anzuwendenden Steuersatz aus, schuldet er den sich aus einer Aufteilung des in einer Summe angegebenen Rechnungsbetrags in Entgelt und Steuerbetrag ergebenden Steuerbetrag jedenfalls dann gem. § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG, wenn die Kleinbetragsrechnung alle in § 33 Satz 1 UStDV genannten Angaben enthält und deshalb vom Leistungsempfänger gem. § 35 Abs. 1 UStDV für Zwecke des Vorsteuerabzugs verwendet werden kann (BFH Urteil vom 25.9.2013, XI R 41/12, BStBl II 2014, 135; Anmerkung vom 5.12.2013, LEXinform 0944395; → Unrichtiger und unberechtigter Steuerausweis).
Unternehmer, die unter § 19 Abs. 1 UStG fallen,
können keine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung ausführen (§ 4 Nr. 1b i.V.m. § 6a UStG; Abschn. 6a.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE),
können aber Abnehmer einer innergemeinschaftlichen Lieferung sein (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG; Abschn. 6a.1 Abs. 11 UStAE),
sind grds. keine Erwerber eines innergemeinschaftlichen Erwerbs (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG; s.a. Abschn. 6a.1 Abs. 16 UStAE),
können nicht nach § 9 UStG auf Steuerbefreiungen verzichten (Abschn. 9.1 Abs. 2 UStAE),
können auch Haftungsschuldner gem. § 13c UStG sein (→ Haftung bei Forderungsabtretung; Abschn. 13c.1 Abs. 9 UStAE),
dürfen keine Vorsteuer nach § 15 UStG abziehen (Abschn. 15.1 Abs. 4 und Abschn. 15.2 Abs. 3 Nr. 3 UStAE; beachte aber Abschn. 15.3 Abs. 2 UStAE),
müssen eventuell eine → Vorsteuerberichtigung gem. § 15a Abs. 7 UStG durchführen (Abschn. 15a.9 Abs. 3 und 4 UStAE mit Beispiel),
erhalten auf Antrag eine USt-IdNr. gem. § 27a Abs. 1 UStG; Abschn. 27a.1 Abs. 1 UStAE), dürfen aber keine USt-IdNr. (§ 14a Abs. 1, 3 und 7 UStG) und keine USt gesondert in einer Rechnung ausweisen (§ 14 UStG; § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG),
müssen keine Zusammenfassende Meldung abgeben (§ 18a Abs. 4 UStG; Abschn. 18a.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE),
unterliegen besonderen Aufzeichnungspflichten (§ 65 UStDV; Abschn. 22.5 Abs. 3 UStAE),
sind nicht zur Fiskalvertretung i.S.d. § 22a Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. c StBerG befugt (Abschn. 22a.1 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 UStAE).
Mit Art. 14 Nr. 4 des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) wird § 3c UStG für Umsätze ab dem 1.7.2021 geändert.
Zum Anwendungsbereich sowie zum Anwendungsausschluss des § 3c UStG s. die folgende Übersicht (s.a. → Ort der Lieferung unter dem Gliederungspunkt »Anwendungsbereich und Anwendungsausschluss des § 3c UStG ab 1.7.2021«).
Anwendungsbereich und Anwendungsausschluss des § 3c UStG § 3c UStG |
||
Abs. 1 |
Abs. 2 |
Abs. 3 |
Ortsverlagerung der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs. |
Ortsverlagerung der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Warenbewegung des Gegenstands an den Erwerber endet. |
Ortsverlagerung der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands aus dem Drittlandsgebiet in den Mitgliedstaat, in dem die Warenbewegung des Gegenstands an den Erwerber endet. |
Ort ist dort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Warenbewegung an den Erwerber befindet. |
Ortsverlagerung in den Mitgliedstaat der Beendigung der Warenbewegung |
|
Ist Erwerber eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person (u.a. ein Kleinunternehmer), ist der Erwerberkreis auf diejenigen Personen beschränkt, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreiten noch auf ihre Anwendung verzichten (§ 3c Abs. 1 Satz 3 UStG; → Innergemeinschaftlicher Erwerb). |
Der Kleinunternehmer unterliegt der Erwerbsbesteuerung, wenn er die Erwerbsschwelle (12 500 €) überschreitet oder darauf verzichtet (§§ 1a Abs. 1, 3 und 4 UStG; Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 4 UStAE). Die Erwerbsteuerpflicht tritt auch beim Erwerb verbrauchsteuerpflichtiger Waren und neuer Fahrzeuge ein (§ 1a Abs. 5 UStG; Abschn. 1a.1 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE).
Liefert ein Kleinunternehmer ein neues Fahrzeug an einen Abnehmer in einem anderen EU-Staat, gelten für ihn auch die Vorschriften über die innergemeinschaftlichen Lieferungen. Der Abnehmer ist hierbei in jedem Falle erwerbsteuerpflichtig. Aus diesem Grunde kann der Kleinunternehmer für diese Lieferung ausnahmsweise den Vorsteuerabzug geltend machen (§ 19 Abs. 4 i.V.m. § 15 Abs. 4a UStG).
In § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG sind bestimmte Vorschriften genannt, die für den Kleinunternehmer keine Anwendung finden. Außer den dort genannten Verpflichtungen hat der Kleinunternehmer aber die weiteren im UStG genannten Verpflichtungen zu erfüllen. So ist er u.a. verpflichtet,
nach § 18 Abs. 3 UStG eine USt-Jahreserklärung abzugeben (s. BFH Urteil vom 24.7.2013, XI R 14/11, BStBl II 2014, 210, Rz. 34) sowie
unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 UStG eine Rechnung auszustellen.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG ist der Kleinunternehmer lediglich nicht berechtigt, die USt gesondert in einer Rechnung auszuweisen.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer – somit auch der Kleinunternehmer – verpflichtet, bis zum zehnten Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums (§ 18 Abs. 2 UStG) eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (→ Voranmeldung).
Voranmeldungszeitraum ist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 UStG grds. das Kalendervierteljahr. Der Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum kommt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG für einen Kleinunternehmer regelmäßig nicht in Betracht, da die Steuer des Vorjahres im Regelfall den Grenzbetrag von 7 500 € im Kj. nicht übersteigt.
Im Normalfall beträgt die Steuer des Vorjahres bei einem Kleinunternehmer 0,00 €, da nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG die geschuldete Steuer nicht erhoben wird. Da die Steuer für das vorangegangene Kj. regelmäßig somit nicht mehr als 1 000 € beträgt, ist der Kleinunternehmer nach § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen zu befreien (s.a. Abschn. 18.2 Abs. 2 UStAE).
Beachte:
Die für in § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Lieferungen und sonstigen Leistungen (einschließlich unentgeltliche Wertabgaben) geschuldete USt wird nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht erhoben (Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE). In diesen Fällen beträgt die Steuer für das Vorjahr 0,00 €.
Die folgende Steuer hat der Kleinunternehmer abzuführen (§ 19 Abs. 1 Satz 3 UStG):
die Steuer für die Einfuhr von Gegenständen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG),
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) sowie
die Steuer nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 UStG,
die Steuer nach § 13b Abs. 5 UStG,
die Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG und
die Steuer nach § 25b Abs. 2 UStG.
Das gilt auch für die Steuer, die nach § 16 Abs. 5 UStG von der zuständigen Zolldienststelle im Wege der Beförderungseinzelbesteuerung erhoben wird (vgl. Abschn. 19.1 Abs. 1 Satz 4 und 5 UStAE).
Unter den in § 19 Abs. 1 Satz 3 UStG genannten Fällen ist es denkbar, dass die Steuer des Kleinunternehmers im Vorjahr den Betrag von 1 000 € wie auch den Betrag von 7 500 € übersteigen kann. In diesen seltenen Fällen wäre auch der Kleinunternehmer zur vierteljährlichen bzw. monatlichen Abgabe der Voranmeldungen verpflichtet (s.a. § 18 Abs. 4a UStG).
Zu beachten gilt noch, dass in Neugründungsfällen die Regelung gem. § 18 Abs. 2 Sätze 4 und 5 UStG für Kleinunternehmer nicht mehr angewendet werden soll (s.a. Abschn. 18.7 Abs. 1 Satz 4 UStAE). S. aber unten den nachfolgenden Gliederungspunkt zu den Änderungen durch das Wachstumschancengesetz.
Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG hat der Unternehmer – somit auch der Kleinunternehmer – für das Kj. oder für einen kürzeren Besteuerungszeitraum eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz zu übermitteln.
Mit Urteil vom 20.3.2023 (4 K 4096/22, LEXinform 5025396) hat das FG Berlin-Brandenburg entschieden, dass auch ein Kleinunternehmer i.S.d. § 19 Abs. 1 UStG gem. § 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet ist, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG sieht keine Befreiung von dieser Verpflichtung vor. Dem FA wird durch die Erklärungspflicht die Prüfung ermöglicht, ob der Unternehmer den Kleinunternehmerstatus zu Recht in Anspruch nimmt (s.a. BFH vom 24.7.2013, XI R 14/11, BStBl II 2014, 210, Rz. 34 und 35; Anmerkung vom 21.6.2023, LEXinform 0431134; Wohlfahrt, UStB 2023, 319).
Durch Art. 31 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz; BT-Drs. 20/9341, 127 – Beschlussempfehlung des Finanzausschusses) soll die Verpflichtung zur Abgabe von USt-Voranmeldungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG sowie die Verpflichtung zur Abgabe der USt-Jahreserklärung nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG aufgehoben werden.
Hinweis:
Das Wachstumschancengesetz hatte der Bundestag bereits beschlossen, es stieß aber auf Ablehnung im Bundesrat und soll im Jahr 2024 im Vermittlungsausschuss behandelt werden.
Durch Art. 31 Nr. 4 Buchst. a des Wachstumschancengesetzes (BT-Drs. 20/9341, 127) soll § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG neu gefasst werden: »In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7), über den Vorsteuerabzug (§ 15) und über die Erklärungspflichten (§ 18 Abs. 1 bis 4) keine Anwendung; § 149 Abs. 1 Satz 2 AO und § 18 Abs. 4a bleiben unberührt.«
Regierungsbegründung zur Befreiung von den Erklärungspflichten (BT-Drs. 20/8628, 203):
Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG hat jeder Unternehmer dem FA eine USt-Erklärung für das Kj. und nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 und 2a UStG eine USt-Voranmeldung zu übermitteln. Unternehmer, die die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen (sog. Kleinunternehmer), haben zwar – ausgenommen in den Fällen des § 18 Abs. 4a UStG – grds. keine USt-Voranmeldung zu übermitteln, sind aber dennoch von der Verpflichtung zur Übermittlung von USt-Erklärungen für das Kj. betroffen.
Zur Bürokratieentlastung werden Kleinunternehmer künftig grds. auch von der Übermittlung von USt-Erklärungen für das Kj. befreit. Dies betrifft jedoch nicht die Fälle des § 18 Abs. 4a UStG. In den dort genannten Fällen haben Kleinunternehmer dem FA weiterhin USt-Voranmeldungen und USt-Erklärungen für das Kj. zu übermitteln. Auch bleibt die Erklärungspflicht in dem Fall bestehen, in dem der Kleinunternehmer vom FA zur Abgabe aufgefordert wird (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO).
Die grundsätzliche Befreiung von den umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten gilt nur so lange, wie die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG zur Anwendung kommt. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG sind von dem Unternehmer eigenständig zu überwachen.
Ob der Unternehmer die Betragsgrenzen nach § 19 Abs. 1 UStG überschritten hat und damit nicht mehr zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung berechtigt ist, wird anhand der Angaben in anderen Steuererklärungen – insbes. der Einnahmen-Überschussrechnung – kontrolliert.
Bei der Ermittlung der in § 19 Abs. 1 UStG bezeichneten Grenzen von 22 000 € und 50 000 € ist jeweils von dem → Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer auszugehen (Bruttoumsatz). Der Gesamtumsatz ist hier jedoch stets nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG; → Istversteuerung). Der Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG ist also ein Brutto-Ist-Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (s.a. Abschn. 19.1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UStAE). Das gilt auch dann, wenn im vorangegangenen Jahr § 19 Abs. 1 UStG keine Anwendung gefunden hatte und die Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert worden waren (Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 19 UStG Rz. 40). Wenn USt berechnet wurde, beinhaltet der Gesamtumsatz den Nettobetrag zuzüglich USt. Es kommt nicht darauf an, ob der Unternehmer seine Umsätze mit dem Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern hat (BFH Beschluss vom 4.4.2003, V B 7/02, UR 2003, 551; OFD Frankfurt vom 21.4.2010, S 7361 A – 2 – St 16, UR 2011, 158, LEXinform 5232749). Wenn keine USt berechnet wurde, entspricht der Nettobetrag dem Bruttobetrag, es muss also keine »fiktive« USt hinzugerechnet werden. In den Fällen des § 10 Abs. 4 und 5 UStG ist der jeweils in Betracht kommenden Bemessungsgrundlage ggf. die darauf entfallende USt hinzuzurechnen. Daher ist z.B. bei der Wertabgabe eines Gegenstands für nicht unternehmerische Zwecke der nach § 10 Abs. 4 UStG maßgebende Wert zuzüglich der darauf entfallenden USt anzusetzen (Abschn. 19.1 Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Merke:
Bei der Ermittlung des Brutto-Ist-Gesamtumsatzes sind stets die tatsächlich vereinnahmten Bruttoentgelte zugrunde zu legen (Abschn. 19.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Sofern der Unternehmer im Vorjahr keine Kleinunternehmerregelung angewendet und Umsätze ausgeführt hatte, für die der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 UStG war, ist zu dem vereinnahmten Nettobetrag die USt hinzuzurechnen (Abschn. 19.1 Abs. 2 Satz 5 UStAE).
Zur Berücksichtigung durchlaufender Posten bei der Ermittlung des maßgeblichen Umsatzes des Vorjahres hat der FG Hamburg mit Urteil vom 10.8.2018 (2 K 82/18, LEXinform 5021516) entschieden, dass bei der Ermittlung des maßgeblichen Umsatzes des Vorjahres gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG nur durchlaufende Posten unberücksichtigt bleiben dürfen, die die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG erfüllen (Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt). Lediglich wirtschaftlich durchlaufende Posten, d.h. die Verauslagung im eigenen Namen und Weiterberechnung an den Kunden ohne Aufschlag, können nicht vom Entgelt abgezogen werden. Weitere Erläuterungen s. unter → Gesamtumsatz.
Das BMF nimmt mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 16.6.2009 (BStBl I 2009, 755) Stellung zur Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 UStG in Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG und der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG. Danach gilt zur Anwendung des Abschn. 19.3 Abs. 1 Satz 4 UStAE für die Ermittlung des Gesamtumsatzes i.S.d. § 19 UStG in Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG und der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG Folgendes: Bei Anwendung dieser Sonderregelungen ist für die Ermittlung des Gesamtumsatzes i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG auf die vereinnahmten Entgelte und nicht auf den Differenzbetrag gem. § 25 Abs. 3 UStG bzw. § 25a Abs. 3 UStG abzustellen (s.a. Abschn. 19.3 Abs. 1 Satz 5 UStAE).
Hinweis:
Aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH vom 7.2.2018 (XI R 7/16, BFH/NV 2018, 913) hat der EuGH mit Urteil vom 29.7.2019 (C-388/18, LEXinform 0651606) entschieden, dass sich der Umsatz des Stpfl. schon nach dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL aus dem Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer der besteuerten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammensetzt, wobei sich das Wort »besteuert« aber nicht auf das Wort »Betrag«, sondern auf »Lieferungen« oder »Leistungen« bezieht. Deshalb impliziert eine wörtliche Auslegung von Art. 288 Abs. 1 Nr. 1 MwStSystRL, dass der Gesamtbetrag der von den stpfl. Wiederverkäufern ausgeführten Lieferungen und nicht deren Handelsspanne den Umsatz darstellt, der für die Anwendbarkeit der Sonderregelung für Kleinunternehmen zugrunde zu legen ist (EuGH C-388/18, Rz. 35).
Der EuGH hat somit die Verwaltungsregelung in Abschn. 19.3 Abs. 1 Satz 5 UStAE bestätigt; die Regelung ist unionsrechtskonform (s.a. die Nachfolgeentscheidung des BFH vom 23.10.2019, XI R 17/19, BFH/NV 2020, 476, LEXinform 0952404).
Zur Ermittlung der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer hat der BFH mit Urteil vom 26.9.2019 (V R 27/19, BFH/NV 2020, 67, LEXinform 0952401) Stellung genommen (s.a. Kurzbeitrag vom 3.12.2019, LEXinform 0653692). Danach sind Lieferungen in die Bemessung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 28 UStG nicht einzubeziehen, wenn der Unternehmer Gegenstände liefert, für die er den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG nicht in Anspruch nehmen konnte. Zur weiteren Erläuterung des Urteils s. → Gesamtumsatz.
Für weitere Erläuterungen und Beispiele zur Ermittlung des Gesamtumsatzes s. → Gesamtumsatz.
Beispiel 2:
Unternehmer U stellt dem Leistungsempfänger L im Dezember 26 eine Rechnung über eine Leistung i.H.v. 2 000 € aus. L zahlt die Rechnung durch Überweisung
am 28.12.26 bzw.
am 6.1.27.
Der Gesamtumsatz des U im Jahr 26 beträgt ohne diese Leistung an L 21 500 €.
Lösung 2:
Da der Gesamtumsatz immer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen ist, sind alle Umsätze zu berücksichtigen, für die der Unternehmer das Entgelt in dem jeweiligen Jahr erhalten hat. Es kommt nicht darauf an, wann der Unternehmer die Leistung ausgeführt hat und wann er die Rechnung ausgestellt hat.
Im Fall a) gehören die 2 000 € zum Umsatz des Jahres 26, der Gesamtumsatz des Jahres 26 beträgt 23 500 €. Die Kleinunternehmerregelung kann im Jahr 27 nicht angewendet werden.
Im Fall b) gehören die 2 000 € zum Umsatz des Jahres 27, der Gesamtumsatz im Jahr 26 beträgt 21 500 €. Die Kleinunternehmerregelung kann im Jahr 27 angewendet werden.
Hat der Gesamtumsatz im Vorjahr die Grenze von 22 000 € überschritten, ist die Steuer für das laufende Kj. auch dann zu erheben, wenn der Gesamtumsatz in diesem Jahr die Grenze von 22 000 € voraussichtlich nicht überschreiten wird (BFH Beschluss vom 18.10.2007, V B 164/06, BStBl II 2008, 263; Abschn. 19.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE). Bei der Ermittlung, ob der Unternehmer die Umsatzgrenze i.H.v. 22 000 € im Vorjahr überschritten hat, sind stets die tatsächlich vereinnahmten Bruttoentgelte zugrunde zu legen. Die Reduzierung der Umsatzgrenze um eine fiktiv anfallende USt kommt daher nicht in Betracht (OFD Frankfurt vom 21.4.2010, S 7361 A – 2 – St 16, UR 2011, 158, LEXinform 5232749; s.a. Abschn. 19.1 Abs. 2 UStAE).
Nach der Vfg. der OFD Magdeburg vom 30.11.2012 (S 7360 – 4 – St 244, UR 2013, 284, LEXinform 5234456) stellen weder eine geringfügige Überschreitung der Umsatzgrenze noch ein verspätetes Feststellen der Überschreitung durch den Stpfl. oder dessen Berater sachliche Billigkeitsgründe dar.
Umfang und Umstände des Überschreitens der Umsatzgrenze sind für die Folgen ohne Bedeutung und für die Frage einer sachlichen Unbilligkeit unerheblich.
Nach einem Beschluss des FG Sachsen-Anhalt vom 26.7.2016 (4 V 1379/15, LEXinform 5019301) ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Umsatzgrenze von maximal 17 500 € Vorjahresumsatz (jetzt 22 000 €) als Voraussetzung für die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG) starr ist, dass auch ein geringfügiges Überschreiten die Anwendung des § 19 UStG ausschließt und dass Umfang und Umstände des Überschreitens sowie ein Verschulden insoweit ohne Bedeutung sind. Die Kleinunternehmerregelung ist daher nicht anwendbar, wenn sich aufgrund einer Außenprüfung nachträglich ergibt, dass die Höhe des Vorjahresumsatzes die Umsatzgrenze von (bisher) 17 500 € geringfügig (hier: von Betriebsprüfung mit 18 172 € festgestellter Vorjahresumsatz) überschritten hat.
Beispiel 3:
Unternehmer X ist seit Gründung seines Unternehmens Kleinunternehmer. Erst im Kj. 26, bei Erstellung seiner Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 24, stellt er fest, dass er in 24 Umsätze i.H.v. 22 580 € erzielt hat. Für 25 ermittelt er einen Gesamtumsatz von 20 000 €.
Lösung 3:
X hat ab dem 1.1.25 seine Umsätze nach den allgemeinen Grundlagen des UStG der Regelbesteuerung zu unterwerfen und die USt an das FA abzuführen.
Die USt ist selbst dann zu erheben, wenn als Billigkeitsgrund vorgetragen wird, dass nur eine einmalige oder geringfügige Überschreitung der Grenzen des § 19 Abs. 3 UStG erfolgte.
Nach Abschn. 19.1 Abs. 3 UStAE ist die USt bei Überschreiten der Umsatzgrenze im Vorjahr auch zu erheben, wenn die Umsatzgrenze im laufenden Jahr nicht überschritten ist. X hat für 25 USt i.H.v. 3 193 € (20 000 € × 19/119) zu zahlen, sofern keine abziehbaren Vorsteuerbeträge erklärt werden.
Für das Kj. 26 kann die Kleinunternehmerregelung erneut in Anspruch genommen werden, da das Überschreiten der Grenzen und die darauf folgende Anwendung der Regelbesteuerung nicht als Option i.S.d. § 19 Abs. 2 UStG anzusehen ist.
Maßgeblich sind die Verhältnisse zu Beginn des laufenden Kj. Der Unternehmer muss dem FA glaubhaft darlegen, wie hoch der voraussichtliche Umsatz sein wird. Hat der Unternehmer zu Beginn des Kj. glaubhaft dargelegt, dass der voraussichtliche Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im laufenden Kj. 50 000 € nicht übersteigen wird, so ist dieser Umsatz auch dann maßgeblich, wenn der tatsächliche Umsatz im laufenden Kj. die Grenze von 50 000 € überschreitet (Abschn. 19.1 Abs. 3 Satz 2 ff. UStAE; s.a. FG Münster vom 25.2.2020, 15 K 61/17, EFG 2020, 689, LEXinform 5022897, rkr.).
Geht ein Unternehmen im Wege der Erbfolge auf den Unternehmer über, so kann der Unternehmer die Besteuerung für das laufende Kj. so fortführen, wie sie für den jeweiligen Teil des Unternehmens ohne Berücksichtigung der Gesamtumsatzverhältnisse anzuwenden wäre. Hat z.B. der Unternehmer für sein bisheriges Unternehmen die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften angewendet, der Rechtsvorgänger aber für den anderen Unternehmensteil aufgrund der dafür bestehenden Verhältnisse von § 19 Abs. 1 UStG Gebrauch gemacht, so kann der Unternehmer diese beiden Besteuerungsformen bis zum Ablauf des Kj. fortführen, in dem die Erbfolge eingetreten ist. Dem Unternehmer bleibt es allerdings überlassen, für das ganze Unternehmen einheitlich die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften anzuwenden (Abschn. 19.1 Abs. 5 UStAE).
Beginnt der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit im laufenden Kj., so bedeutet das, dass für das vorangegangene Kj. kein Umsatz vorhanden war. Maßgeblich ist der voraussichtliche Umsatz zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit. Allerdings gilt hier nicht die Umsatzgrenze von 50 000 €, sondern die Umsatzgrenze von 22 000 € (Abschn. 19.1 Abs. 4 UStAE). Mit Urteil vom 21.4.2021 (XI R 12/19, BFH/NV 2021, 1618, LEXinform 0952486) bestätigt der BFH die Berücksichtigung der Umsatzgrenze für das vorangegangene Kj. i.H.v. 22 000 € beim unterjährigen Beginn der unternehmerischen Tätigkeit. Maßgeblich ist dabei der auf einen Jahresumsatz hochgerechnete voraussichtliche Umsatz (s.u.).
Mit Urteil vom 22.11.1984 (V R 170/83, BStBl II 1985, 142) nimmt der BFH zur Ermittlung der Umsatzgrenze zu Beginn der Unternehmereigenschaft Stellung. Dabei stellt der BFH fest, dass § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG für neu gegründete Unternehmen eine Regelungslücke aufweist. Es widerspräche allerdings der Steuergerechtigkeit und den Wertungen des Gesetzes, einen Unternehmer allein wegen eines fehlenden Vorjahresumsatzes stets der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes zu unterwerfen. Andererseits aber verlangt die Praktikabilität der Besteuerung, insbesondere wegen der Frage, ob der Unternehmer Rechnungen mit besonderem Steuerausweis erteilen darf und zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, dass bereits bei Aufnahme der unternehmerischen Betätigung wegen der bedeutsamen Folgewirkungen der einzelnen Besteuerungsformen hinreichende Gewissheit darüber bestehen muss, welcher Besteuerungsform der Unternehmer im Erstjahr unterliegt. Es kann daher nicht der im Erstjahr tatsächlich erzielte Gesamtumsatz maßgeblich sein, sondern nur der voraussichtliche Gesamtumsatz des Erstjahres, ggf. nach Umrechnung in einen Gesamtjahresumsatz entsprechend § 19 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStG. Zur Umrechnung des voraussichtlichen Jahresumsatzes in einen voraussichtlichen Gesamtumsatz s.a. BFH Beschluss vom 2.4.2009 (V B 15/08, BFH/NV 2009, 1284) und Beschluss vom 18.10.2007 (V B 164/06, BStBl II 2008, 263).
Hinweis:
Bei Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit am 1. Dezember bedeutet die Umrechnung auf einen voraussichtlichen Jahresumsatz, dass die maßgebliche Umsatzschwelle 1 834 € beträgt (1/12 von 22 000 €). Übersteigt die Jahresumsatzgrenze diese Grenze, muss im Beispielsfall ab Januar monatlich eine USt-Voranmeldung gem. § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG abgegeben werden. Sofern dem nicht nachgekommen wird, liegt nach dem 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums eine vollendete Steuerhinterziehung gem. § 370 AO vor.
Zu den Auswirkungen der Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige auf Existenzgründer und im Bereich der USt hat u.a. die Fraktion DIE LINKE die Bundesregierung um eine Antwort gebeten (s. Antwort der Bundesregierung – BT-Drs. 17/7133 vom 22.9.2011 auf die Kleine Anfrage u.a. der Fraktion DIE LINKE – BT-Drs. 17/6932; s.a. die Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 11.10.2011).
Wenn Kleinunternehmer die Umsatzsteuergrenze überschreiten und die Steuer in der Annahme, keiner Steuerpflicht zu unterliegen, verspätet anmelden, liegt keine Steuerhinterziehung vor. In diesen Fällen fehle der Vorsatz, so die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drs. 17/7133) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drs. 17/6932).
Mit rechtskräftigem Urteil vom 20.6.2008 hat das FG Düsseldorf (1 K 3124/07 U, EFG 2008, 1503, LEXinform 5006705) entschieden, dass der Unternehmer grundsätzlich an die von ihm erstellte Prognose über die Höhe der zu erzielenden Umsätze gebunden ist. Bei einem neu gegründeten Unternehmen ist eine Bindung aber nur dann gegeben, wenn der Umsatzprognose realistische Erwartungen zugrunde liegen.
Der Kläger eröffnete zum 2.1.06 einen Gewerbebetrieb und schätzte seinen Gesamtumsatz für das Kj. 06 auf 50 000 €. Tatsächlich betrug sein Umsatz nur 13 315 €. Er beantragte deshalb, von der Erhebung der USt abzusehen. Das FG gab der Klage statt. Bei Neugründungen – so die Begründung – dürfe der Umsatz des Erstjahres voraussichtlich 17 500 € (jetzt: 22 000 €) nicht übersteigen. Es sei der Unternehmer bei einer Neugründung zwar an seine Prognose gebunden. Dies gelte jedoch nicht bei einer überoptimistischen Planung (s.a. Pressemitteilung des FG Düsseldorf vom 16.7.2008, LEXinform 0174380).
Beispiel 4:
1.3.22 |
Beginn der unternehmerischen Tätigkeit. Voraussichtlicher Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zzgl. USt zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit |
12 500 € |
tatsächlicher Umsatz zzgl. USt |
19 200 € |
Lösung für Kj. 22:
Zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit im laufenden Kj. ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kj. abzustellen. Es kommt hierbei auf die Grenze von 22 000 € an. Der voraussichtliche Gesamtumsatz des Erstjahres ist dabei in einen voraussichtlichen Jahresgesamtumsatz entsprechend § 19 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStG umzurechnen. Der voraussichtliche Jahresgesamtumsatz beträgt somit: 12 500 € : 10 × 12 = 15 000 €.
Der Unternehmer fällt zu Beginn seiner unternehmerischen Tätigkeit unter § 19 Abs. 1 UStG, da der voraussichtliche Jahresgesamtumsatz zu Beginn der unternehmerischen Tätigkeit kleiner ist als 22 000 €.
Beispiel 4 (Fortsetzung):
Kj. 23 |
voraussichtlicher Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zzgl. USt |
18 000 € |
tatsächlicher Umsatz |
||
vereinnahme Bruttobeträge |
19 000 € |
|
zusätzlich eine Warenentnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG, Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG |
1 000 € |
Lösung für Kj. 23:
Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG ist der tatsächliche Gesamtumsatz des Vorjahres in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen: 19 200 € : 10 × 12 = 23 040 €.
Der Unternehmer fällt im Kj. 23 nicht unter § 19 Abs. 1 UStG, da der tatsächliche Gesamtumsatz im Kj. 22 23 040 € betrug und somit 22 000 € übersteigt.
Beispiel 4 (Fortsetzung):
Kj. 24 |
voraussichtlicher Umsatz zzgl. USt |
25 000 € |
tatsächlicher Umsatz zzgl. USt |
24 000 € |
Lösung für Kj. 24:
Der tatsächliche Vorjahresgesamtumsatz zzgl. USt im Kj. 23 i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG beträgt |
|
vereinnahmte Bruttobeträge |
19 000 € |
zzgl. unentgeltliche Wertabgabe |
1 000 € |
zzgl. darauf entfallende USt 19 % |
190 € |
Der Vorjahresumsatz im Kj. 23 zzgl. USt beträgt |
20 190 € |
Der Vorjahresumsatz im Kj. 23 ist somit kleiner als 22 000 €. Der voraussichtliche Umsatz des laufenden Kj. 24 i.H.v. 25 000 € übersteigt ebenfalls nicht die Grenze von 50 000 €. Daher fällt der Unternehmer unter § 19 Abs. 1 UStG.
Bei der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz ist das Kj. in den Zeitraum bis zum Beginn des Unternehmens und den Zeitraum danach aufzuteilen. Zur gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit eines Unternehmers zählen auch Vorbereitungshandlungen, die nach oder mit Begründung des Unternehmens vorgenommen werden, insbesondere also Leistungsbezüge, die den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigen. Hierzu können auch Leistungsbezüge im Zusammenhang mit einer Schulung gehören, die unmittelbar auf den Beruf eines selbstständigen Rundfunkgebührenvermittlers vorbereitet (BFH Urteil vom 17.9.1998, V R 28/98, BStBl II 1999, 146).
Beispiel 5:
Der Stpfl. beginnt im Kj. 26 eine Tätigkeit als selbstständiger Rundfunkgebührenermittler. Zur Vorbereitung auf die künftige Tätigkeit nimmt er im Juli 26 an einer Schulungsmaßnahme seines Auftraggebers teil. Am 8.8.26 wird ihm sein eigenes Tätigkeitsfeld zugewiesen.
Der Stpfl. erhält in den Monaten August bis Dezember 26 Vergütungen i.H.v. 9 177 €. Der voraussichtliche Bruttoumsatz im Kj. 27 beträgt unter 50 000 €. Im Jahr 27 erzielt er tatsächliche Bruttoumsätze i.H.v. 56 541 €.
Lösung 5:
Nach der Entscheidung des BFH gelten folgende Grundsätze:
Sind dem Stpfl. im Zusammenhang mit der Schulung Aufwendungen erwachsen, durch die er den Tatbestand des § 15 UStG erfüllt hat, dann beginnt die unternehmerische Tätigkeit bereits im Juli 26. Voraussetzung dafür ist allerdings noch, dass die Schulung unmittelbar auf den Beruf des selbstständigen Rundfunkgebührenermittlers vorbereitet hat und nicht etwa auch der Ausbildung unselbstständiger Angestellter gedient hat.
Beginn der unternehmerischen Tätigkeit im Juli:
Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes 26 in einen Jahresgesamtumsatz: 9 177 € : 6 Monate × 12 Monate = 18 354 €. Da der Jahresumsatz im Kj. 26 22 000 € nicht übersteigt, ist die USt im Kj. 27 nicht zu erheben.
Würde die unternehmerische Tätigkeit erst im August 26 beginnen, ergäbe sich folgende Umrechnung:
9 177 € : 5 Monate × 12 Monate = 22 025 €. Da der Jahresumsatz im Kj. 26 22 000 € übersteigen würde, wäre die USt im Kj. 27 zu erheben. Das Finanzamt hat diese Berechnung zugrunde gelegt.
Der BFH bestätigt mit Urteil vom 18.11.1999 (V R 22/99, BStBl II 2000, 241) die o.g. Entscheidung vom 17.9.1998. Eine unternehmerische Tätigkeit kann schon beginnen, wer nach der Aufforderung eines späteren Auftraggebers ein Angebot für eine Lieferung oder sonstige Leistung gegen Entgelt abgibt. Deshalb kann die Erarbeitung einer Aufgabenstellung für ein Forschungsprojekt eine unternehmerische Tätigkeit sein, wenn sie durch die über den Forschungsauftrag entscheidende Behörde veranlasst wird und die Grundlage für die folgende Forschungstätigkeit gegen Entgelt ist. Der Unternehmerbegriff in § 15 UStG und § 19 UStG ist einheitlich auszulegen. Demzufolge kommt es für die Bestimmung des Erstjahres i.S.d. § 19 UStG nicht auf die Ausführung tatsächlicher Umsätze an (s.a. FG Münster vom 25.2.2020, 15 K 61/17, EFG 2020, 689, LEXinform 5022897, rkr.).
Nach § 19 Abs. 3 Satz 4 UStG sind bei der Hochrechnung angefangene Kalendermonate als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.
Beispiel 6:
Unternehmer U beginnt seine unternehmerische Tätigkeit am 12.4.25. Der voraussichtlich und der tatsächlich erzielte Gesamtumsatz bis zum 31.12.25 beträgt 16 425 €.
Lösung 6:
Bei einer Hochrechnung über Monate wird von 9 Monaten ausgegangen: 16 425 € : 9 Monate × 12 = 21 900 €.
Bei einer Hochrechnung über Tage wird von 264 Tagen ausgegangen: 16 425 € : 264 Tage × 365 = 22 708 €.
Der Jahresgesamtumsatz liegt bei der Umrechnung nach Monaten unter- und im Fall der Umrechnung nach Tagen oberhalb des Grenzwerts von 22 000 €.
Beispiel 7:
Unternehmer U beginnt seine unternehmerische Tätigkeit am 2.3.25. Der voraussichtlich und der tatsächlich erzielte Gesamtumsatz bis zum 31.12.25 beträgt 18 367 €.
Lösung 7:
Bei einer Hochrechnung über Monate wird von 10 Monaten ausgegangen: 18 367 € : 10 Monate × 12 = 22 040 €.
Bei einer Hochrechnung über Tage wird von 305 Tagen ausgegangen: 18 367 € : 305 Tage × 365 = 21 980 €.
Der Jahresgesamtumsatz liegt bei der Umrechnung nach Tagen unter- und im Fall der Umrechnung nach Monaten oberhalb des Grenzwerts von 22 000 €.
Zu der Frage, welche Umsatzgrenzen maßgebend sind, wenn ein Unternehmen im Gründungsjahr (= Beginn des Unternehmens) keine steuerbaren Umsätze ausführt, hat das FG München mit rkr. Urteil vom 9.7.2003 (3 K 4787/01, EFG 2003, 1580, LEXinform 0815864) die Auffassung vertreten, dass die Anwendung der Kleinunternehmerregelung in dem der Unternehmensgründung folgenden Kj. zulässig ist, wenn der Umsatz in diesem Jahr voraussichtlich 50 000 € nicht übersteigt. Nach Erörterung auf Bundesebene haben die Umsatzsteuer-Referatsleiter den Beschluss gefasst, das Urteil des FG München über den dort entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden (OFD Frankfurt vom 21.4.2010, S 7361 A – 2 – St 16, UR 2011, 158, LEXinform 5232749, Tz. 1.3; → Gesamtumsatz).
Beispiel 8:
Mehrere Vereine schließen sich im Jahr 01 zu einer GbR zusammen, um die Kirmes des Jahres 02 zu veranstalten. Im Jahr 01 werden ausschließlich Vorbereitungshandlungen vorgenommen, Umsätze werden erst während der Veranstaltung der Kirmes im Jahr 02 erzielt.
Lösung 8:
Für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Jahr 02 ist die Umsatzgrenze von 50 000 € maßgebend.
Das Thüringer FG schließt sich mit Urteil vom 11.1.2017 (3 K 758/13, EFG 2017, 525, LEXinform 5020106, rkr.) der o.g. Rechtsprechung des FG München vom 9.7.2003 sowie der Auffassung der OFD Frankfurt vom 21.4.2010 an. Verhandelt ein leitender Angestellter bereits vor dem Eintritt in den Ruhestand im laufenden Jahr mehrfach über eine anschließende selbstständige Beratertätigkeit für seinen bisherigen Arbeitgeber, die mit Beginn des Folgejahres aufgenommen werden soll und auch tatsächlich aufgenommen wird, so ist er auch ohne eine Erzielung von Einnahmen aus der Beratertätigkeit aufgrund der Vorbereitungshandlungen bereits im laufenden Jahr Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG. Er kann daher die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in Anspruch nehmen, wenn sein Umsatz im laufenden Jahr 0 € beträgt, und damit unter dem Betrag von 22 000 € liegt und wenn der Umsatz im Folgejahr über 22 000 €, aber unter 50 000 € liegt. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer gegenüber dem FA weder in seiner Einkommensteuererklärung für das laufende Jahr noch in dem steuerlichen Erfassungsbogen eine unternehmerische Tätigkeit bereits im laufenden Jahr angezeigt hat.
Ein Unternehmer, der seinen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet und dessen unternehmerische Betätigung im Bereich der Landwirtschaft sich in dieser Verpachtung erschöpft, betreibt mit der Verpachtung keinen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 24 UStG; die Durchschnittssatzbesteuerung kann nicht angewendet werden (Abschn. 24.3 Abs. 7 und 8 UStAE).
Soweit die Pacht auf überlassene Grundstücke einschließlich aufstehender Gebäude entfällt, sind die Pachteinnahmen grundsätzlich steuerfrei (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG). Wird im Rahmen der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs lebendes und totes Inventar mitverpachtet, ist die Verpachtung des Inventars grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Übersteigt der nach § 19 Abs. 1 UStG maßgebende Umsatz (einschließlich der steuerpflichtigen Umsätze aus der Verpachtung) nicht den Betrag von jährlich 22 000 € bzw. wird im laufenden Kj. der Betrag von 50 000 € voraussichtlich nicht überschritten, kann die Kleinunternehmerregelung angewendet werden.
Nach dem BMF-Schreiben vom 9.12.2011 (BStBl I 2011, 1288) gilt bei Beginn der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs Folgendes: Bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG kann zu Beginn der Verpachtung aus Vereinfachungsgründen auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des laufenden Kj. abgestellt werden. Beginnt die Verpachtung im Laufe eines Jahres, werden – zur Vereinfachung – die vor der Verpachtung erzielten Umsätze, die unter die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG fallen, bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes des laufenden Jahres nicht berücksichtigt (Abschn. 19.1 Abs. 4a UStAE).
Zu dem maßgeblichen Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG gehören nicht die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Das gilt sowohl bei einer Veräußerung als auch bei einer Entnahme i.S.d. § 3 Abs. 1b UStG. Die Kürzung bezweckt, unregelmäßige Einzelumsätze, die die Umsatzstärke eines Unternehmens verfälschen könnten, auszusondern. Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die einkommensteuerrechtlich nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, fallen auch unter die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG, d.h., diese Umsätze gehören nicht zum maßgeblichen Umsatz i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG. Dies trifft z.B. bei der Veräußerung von Einrichtungsgegenständen durch einen nichtgewerblichen Vermieter von Ferienwohnungen zu (Abschn. 19.1 Abs. 6 UStAE).
Zur Berücksichtigung der privaten Pkw-Nutzung eines Unternehmens-Pkw bei der Ermittlung des für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgeblichen Umsatzes hat der BFH mit Urteil vom 15.9.2011 (BFH: V R 12/11, BFH/NV 2012, 457, LEXinform 0928423) entschieden, dass die private Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Pkw bei der Berechnung des Umsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nur dann zu berücksichtigen ist, wenn der Unternehmer hinsichtlich des unternehmerischen (wirtschaftlichen) Verwendungsanteils zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Die Verwendung für eine wirtschaftliche Tätigkeit, für die die Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben wird, führt dazu, dass es an der von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vorausgesetzten Berechtigung zum Vorsteuerabzug fehlt.
Hinweis:
Sollte z.B. wegen höherer Ausgangsumsätze die Grenze für die Kleinunternehmerregelung überschritten werden, ist eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG möglich. Innerhalb des Berichtigungszeitraums (beim Pkw beträgt dieser fünf Jahre) kann der Vorsteuerabzug dann noch anteilig für einzelne Wirtschaftsgüter geltend gemacht werden. In diesen Fällen ist dann auch die unentgeltliche Wertabgabe bezüglich des Pkw zu erfassen (s.a. Anmerkung vom 22.3.2012, LEXinform 0941506).
Zur Berücksichtigung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nimmt das BMF mit Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 28.3.2012 (BStBl I 2012, 481) Stellung. Ein Kleinunternehmer kann keinen Vorsteuerabzug beanspruchen. Daher führt die private Nutzung eines unternehmerischen Gegenstands auch nicht zu einer unentgeltlichen Wertabgabe. Folglich kann die Verwendung eines unternehmerischen Gegenstands nicht zu einer Erhöhung des Umsatzes führen, so dass die für die Kleinunternehmerregelung maßgeblichen Umsatzgrenzen (22 000 € bzw. 50 000 €) durch die private Nutzung nicht überschritten werden (s.a. Anmerkung vom 17.5.2012, LEXinform 0941671).
Sofern der Kleinunternehmer einen solchen teilunternehmerisch verwendeten Gegenstand in einem Besteuerungszeitraum erworben hat, in dem die Voraussetzungen des § 19 UStG noch nicht vorlagen bzw. er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, liegt im Geltungsbereich des § 19 Abs. 1 UStG eine Änderung der Verhältnisse vor (§ 15a Abs. 7 UStG), die im Berichtigungszeitraum unter Berücksichtigung des § 44 UStDV zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führt. Auch in diesem Fall ist die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG bei der Berechnung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht zu berücksichtigen.
Die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG ist in die Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG einzubeziehen, wenn ein der Regelbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Gesamtumsatz des vorangegangenen Jahres im Hinblick auf die Grenze von 22 000 € ermittelt und die unentgeltliche Wertabgabe im vorangegangenen Kj. steuerbar war (s.a. Abschn. 19.3 Abs. 1 Satz 2 UStAE).
Die Umsatzbesteuerung von Kleinunternehmern mit schwankenden Umsätzen war Streitfall im BFH-Beschluss vom 16.10.1998 (V B 56/98, BFH/NV 1999, 227).
Der Unternehmer hatte folgende Einnahmen:
Kj. 02 |
8 000 € |
Kj. 03 |
22 342 € |
Kj. 04 |
11 150 € |
Kj. 05 |
11 918 € |
Kj. 06 |
13 348 € |
Die einmalige Überschreitung der Umsatzgrenze von 22 000 € im Kj. 03 führt im Kj. 04 einmalig zur Regelbesteuerung. Diese Regelung ist nach Auffassung des BFH nach dem Gesetz ohne Weiteres zu bejahen. Nach dem BFH-Beschluss bleibt aber offen, ob etwas anderes gilt, wenn bereits zu Beginn des Jahres voraussehbar ist, dass der Jahresumsatz wieder unter die Grenze von 22 000 € absinken wird. Diese Rechtsfrage hat der BFH nun mit Beschluss vom 18.10.2007 (V B 164/06, BStBl II 2008, 263) geklärt. Danach gilt § 19 Abs. 1 UStG nach seinem Sinn und Zweck grundsätzlich auch dann, wenn bereits zu Beginn des Jahres voraussehbar ist, dass der Jahresumsatz wieder unter die Grenze von 22 000 € sinken wird. Zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei stark schwankenden Umsätzen s.a. OFD Karlsruhe vom 28.2.2012 (S 7360 – Karte 1, LEXinform 5234013).
Saisonbetriebe erzielen nur wenige Tage oder Wochen im Jahr Umsätze (z.B. Weihnachtsbaumverkäufer, Skiliftbetreiber, Strandkorbvermieter). Unternehmer von Saisonbetrieben betreiben ihr Unternehmen durchgängig über das ganze Jahr; sie beginnen und beenden ihr Unternehmen nicht jedes Jahr aufs Neue, sofern nicht erst- oder letztmalige eine Saisontätigkeit ausgeübt wird.
Um die Einstellung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit annehmen zu können, müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer diese Tätigkeit aufgeben wollte (BFH Urteil vom 13.12.1963, V 77/61 U, BStBl III 1964, 90). In dem entschiedenen Fall hatte die Stpfl. in den Jahren 04, 05, 07 und 09 bei den traditionellen Schützenfesten in X die Festschänke betrieben. Die Veranstaltungen dauerten jeweils drei bis fünf Tage. Veranlagungszeitraum bei der USt ist grundsätzlich das Kj. An die Stelle des Kj. tritt jedoch nach § 18 Abs. 3 UStG ein kürzerer Zeitraum, wenn ein Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit eröffnet oder eingestellt hat. Ein abgekürzter Veranlagungszeitraum kommt hiernach in Betracht, wenn im Laufe eines Kj. die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit begonnen oder beendet worden ist. Die Vorinstanzen haben hiernach zu Recht die Frage gestellt, ob die Stpfl. ihre gewerbliche Tätigkeit im Jahre 07 neu begonnen und eingestellt hat. Das FG hat in der Übernahme und dem Abbau der Festschänke weder eine Eröffnung noch eine Schließung des Unternehmens gesehen und dies damit begründet, dass es sich um ein bloßes Ruhen der gewerblichen Tätigkeit in dem übrigen Teil des Jahres gehandelt habe. Von einer Einstellung der gewerblichen Tätigkeit kann nur gesprochen werden, wenn die unternehmerische Tätigkeit ihr Ende gefunden hat. Es ist für die Weiterführung eines Unternehmens nicht erforderlich, dass laufend Umsätze bewirkt werden. Eine Einstellung liegt daher nicht vor, wenn den Umständen zu entnehmen ist, dass der Unternehmer die Absicht hat, das Unternehmen weiterzuführen oder in absehbarer Zeit wiederaufleben zu lassen. Solange das Unternehmen ruht, ist es noch nicht eingestellt. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, dass die Stpfl. ihre gewerbliche Tätigkeit als Schankwirtin hätte aufgeben wollen. Sie hatte die Festschänke bereits in den Jahren 04 und 05 geführt und hat sie auch im Jahre 09 wieder übernommen. Es ist zwar richtig, dass es sich bei der einzelnen Veranstaltung um eine in sich geschlossene Tätigkeit handelt und dass die Unterbrechungen nicht kurz gewesen sind. Daraus allein kann jedoch noch nicht geschlossen werden, dass die Stpfl. ihre Unternehmertätigkeit jeweils beendet und neu begonnen hat. Sie hat dadurch, dass sie sich immer wieder um den Betrieb der Festschänke beworben hat, zum Ausdruck gebracht, dass sie Unternehmerin bleiben wollte. Sie hätte deshalb wohl auch, wenn sie ihr Unternehmen mit eigenen Betriebsgegenständen (z.B. Inventar) betrieben hätte, diese nicht jedes Mal verkauft und dann wiedergekauft.
Die Kleinunternehmereigenschaft ist u.a. dann gegeben, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kj. 22 000 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kj. 50 000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 UStG). Bei einer Neuaufnahme der unternehmerischen Tätigkeit (Abschn. 19.1 Abs. 4 UStAE) ist allein auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Jahres abzustellen. Maßgeblich ist dabei die Grenze von 22 000 €. Da aber bei einem Saisonbetrieb die unternehmerische Tätigkeit nicht eingestellt und wieder neu eröffnet wird, ist der tatsächliche Gesamtumsatz nicht auf einen Jahresumsatz hochzurechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 UStG). Bei der Berechnung des Gesamtumsatzes bleiben saisonbedingte Schwankungen außer Betracht (s.a. OFD Karlsruhe vom 28.2.2012, S 7360, LEXinform 5234013).
Die wichtigste Frage, die sich der Unternehmer hinsichtlich der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG stellen muss, ist die nach der Auswirkung der Kleinunternehmerregelung auf seine Abnehmer.
Angenommen, Unternehmer U errechnet sich bei seinen Verkäufen eine Gewinnspanne von 100 €.
U ist Kleinunternehmer. |
Erwerber unterliegt der Regelbesteuerung. |
Erwerber ist Kleinunternehmer. |
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Einkaufspreis der Ware 100 € zzgl. 19 € USt |
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Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich. |
Verkaufspreis 219 €. |
Anschaffungskosten 219 € |
Anschaffungskosten 219 € |
Ein gesonderter USt-Ausweis in einer Rechnung ist nicht möglich. |
Ein Vorsteuerabzug ist nicht möglich, da keine USt gesondert in der Rechnung ausgewiesen ist. |
||
U unterliegt der Regelbesteuerung. |
Erwerber unterliegt der Regelbesteuerung |
Erwerber ist Kleinunternehmer. |
|
Einkaufspreis der Ware 100 € zzgl. 19 € USt. |
|||
Vorsteuerabzug 19 €. |
Verkaufspreis 200 € zzgl. 38 € USt |
Anschaffungskosten 200 € |
Anschaffungskosten 238 € |
Die USt ist in der Rechnung gesondert auszuweisen (Ausnahme: Kleinbetragsrechnungen). |
Ein Vorsteuerabzug i.H.v. 38 € ist möglich. |
Ein Vorsteuerabzug ist als Kleinunternehmer nicht möglich. |
Abb.: Verzicht auf Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG
Sind die Abnehmer vorsteuerabzugsberechtigt, so sollte der Unternehmer aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach § 19 Abs. 2 UStG optieren und auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichten. Sind die Abnehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, so sollte er aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nach § 19 Abs. 2 UStG optieren.
Der Unternehmer kann dem FA erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet (s.a. → Wechsel der Besteuerungsform). Er unterliegt damit der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG. Die Erklärung kann der Unternehmer bis zur Unanfechtbarkeit der USt-Festsetzung abgeben (s.a. Abschn. 19.2 Abs. 1 UStAE). Keine Steuerfestsetzung i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG sind die Voranmeldung und die Festsetzung einer USt-Vorauszahlung. Durch ihre Unanfechtbarkeit wird deshalb die Möglichkeit, eine Erklärung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG abzugeben, nicht ausgeschlossen (Abschn. 19.2 Abs. 5 UStAE).
Eine Steuerfestsetzung ist unanfechtbar, wenn auf die Einlegung eines Einspruchs wirksam verzichtet oder ein Einspruch wirksam zurückgenommen worden ist, wenn die Einspruchsfrist ohne Einlegung eines förmlichen Einspruchs abgelaufen oder wenn gegen den Verwaltungsakt oder die gerichtliche Entscheidung kein Rechtsbehelf mehr gegeben ist. Dabei ist unter Unanfechtbarkeit die formelle Bestandskraft der erstmaligen Steuerfestsetzung zu verstehen, die auch in einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung oder in einer Steueranmeldung bestehen kann (Abschn. 19.2 Abs. 6 UStAE).
Hinweis:
Durch Art. 31 Nr. 4 Buchst. b des Wachstumschancengesetzes (BT-Drs. 20/9341, 128) soll § 19 Abs. 2 UStG neu gefasst werden: »Der Unternehmer kann dem FA bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kj. erklären, dass er auf die Anwendung des Abs. 1 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kj. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn des folgenden Kj. an widerrufen werden.«
Das Wachstumschancengesetz hatte der Bundestag bereits beschlossen, es stieß aber auf Ablehnung im Bundesrat und soll im Jahr 2024 im Vermittlungsausschuss behandelt werden.
Die Option gilt vom Beginn des Kj. an, für das der Unternehmer sie abgegeben hat. Für die Erklärung ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Berechnet der Unternehmer z.B. in der USt-Voranmeldung November 01 die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, so ist darin grundsätzlich eine Erklärung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG zu erblicken. Die Option gilt dann vom Beginn des Kj. 01 an. Hat der Unternehmer vom Beginn des Kj. bis zur Abgabe der Erklärung i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG keine USt gesondert in Rechnung gestellt, so hat er die Möglichkeit, vom Beginn des Kj. an die Rechnungen so zu berichtigen, dass sie die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 UStG erfüllen.
Auf der anderen Seite hat der optierende Unternehmer auch die Möglichkeit, vom Beginn des Kj. an die in Rechnungen i.S.d. § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer nach § 15 Abs. 1 UStG als Vorsteuer abzuziehen. Entsprechen die Rechnungen, die der optierende Unternehmer vom Beginn des Kj. an erhalten hat, nicht den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 UStG, so kann er von den rechnungsausstellenden Unternehmern die Berichtigung der Rechnungen verlangen, damit er die Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 UStG abziehen kann (Abschn. 19.2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2 UStAE).
Hinweis:
Eine Optionserklärung für die Regelbesteuerung kann dem FA gegenüber auch durch schlüssiges Verhalten in Form der Abgabe einer Steuererklärung abgegeben werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich der Verzicht – für die Finanzverwaltung erkennbar – auf die gesamte unternehmerische Betätigung bezieht. Ein Kleinunternehmer kann mit einer nur für einen Unternehmensteil erstellten Umsatzsteuererklärung nicht rechtswirksam auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichten (BFH Urteil vom 24.7.2013, XI R 31/12, BStBl II 2014, 214). Da der § 19 UStG unterfallende Kleinunternehmer ein einheitliches Unternehmen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG) betreibt, muss der Verzicht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG für alle Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG des Unternehmers, d.h. für das gesamte Unternehmen, erklärt werden.
Berechnet ein Kleinunternehmer in einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG, ist darin grundsätzlich ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) zu sehen. In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden (BFH Urteil vom 24.7.2013, XI R 14/11, BStBl II 2014, 210).
Zum Übergang von der Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG zur Regelbesteuerung oder umgekehrt s. die Erläuterungen unter → Wechsel der Besteuerungsform und Abschn. 19.5 UStAE.
Der Grundsatz der Unternehmenseinheit gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers fort. Bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts besteht das Unternehmen nach Verfahrenseröffnung jedoch aus mehreren Unternehmensteilen, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Zu unterscheiden sind der vorinsolvenzrechtliche Unternehmensteil, gegen den Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), der die Insolvenzmasse betreffende Unternehmensteil, gegen den Masseverbindlichkeiten geltend zu machen sind, sowie ggf. das vom Insolvenzverwalter freigegebene Vermögen, bei dem Steueransprüche gegen den Insolvenzschuldner persönlich ohne insolvenzrechtliche Einschränkungen geltend gemacht werden können (→ Insolvenzen und Steuern).
Diese aus insolvenzrechtlichen Gründen bestehenden Unterschiede bei der Durchsetzung des umsatzsteuerrechtlich einheitlichen Steueranspruchs ändern aber nichts an dem Grundsatz, dass der Insolvenzschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen hat. Daher muss die Summe der gegenüber dem Insolvenzverwalter und der gegenüber dem Insolvenzschuldner festgesetzten USt die nach den Vorschriften des UStG entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergeben (BFH Urteil vom 28.6.2000, V R 87/99, BStBl II 2000, 639). Hieraus folgt zugleich, dass der Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG nur einheitlich für das gesamte Unternehmen ausgeübt werden kann.
Die Befugnis, den Verzicht nach § 19 Abs. 2 UStG zu erklären, steht ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter zu, da das Verwaltungs- und Verfügungsrecht nach § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergeht (BFH Urteil vom 20.12.2012, V R 23/11, BStBl II 2013, 334).
Ein danach durch den Insolvenzverwalter erklärter Verzicht erstreckt sich trotz der Beschränkung auf den Umfang der Verwaltungsbefugnis nach § 34 Abs. 3 AO auf das gesamte Unternehmen und damit auch auf den Unternehmensteil, dessen Umsätze der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung selbst zu versteuern hat (BFH Urteile vom 7.4.2005, V R 5/04, BStBl II 2005, 848 und vom 17.3.2010, XI R 30/08, BFH/NV 2010, 2128), da sich sonst aus der Summe der gegenüber dem Insolvenzverwalter und der gegenüber dem Insolvenzschuldner festgesetzten USt nicht die nach den Vorschriften des UStG entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergäbe. Hierfür spricht auch, dass eine Versteuerung von Umsätzen durch den Insolvenzverwalter als Regelfall und die Versteuerung von Umsätzen durch den Insolvenzschuldner z.B. aufgrund einer Freigabe von vom Insolvenzbeschlag erfassten Vermögen als Ausnahmefall anzusehen ist (Abschn. 19.2 Abs. 1a UStAE).
Vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung kann der Unternehmer die Erklärung mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen. Nimmt der Unternehmer die Erklärung zurück, so kann er die Rechnungen, in denen er die USt gesondert ausgewiesen hat, in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG berichtigen (Abschn. 19.2 Abs. 2 UStAE). Ohne diese Rechnungsberichtigung schuldet er die USt nach § 14c Abs. 2 UStG.
Hinweis:
Durch Art. 31 Nr. 4 Buchst. b des Wachstumschancengesetzes (BT-Drs. 20/9341, 128) soll § 19 Abs. 2 UStG neu gefasst werden: »Der Unternehmer kann dem FA bis zum Ablauf des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kj. erklären, dass er auf die Anwendung des Abs. 1 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kj. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn des folgenden Kj. an widerrufen werden.«
Die Gesetzesänderung soll bewirken, dass – im Gegensatz zur bisherigen Bindungswirkung der Optionserklärung erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit – die Bindungswirkung mit Erklärungseingang beim FA eintritt. Ein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit soll nicht mehr möglich sein.
Das Wachstumschancengesetz hatte der Bundestag bereits beschlossen, es stieß aber auf Ablehnung im Bundesrat und soll im Jahr 2024 im Vermittlungsausschuss behandelt werden.
Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kj. (Abschn. 19.2 Abs. 3 UStAE). Nach Ablauf der Fünfjahresfrist kann der Unternehmer die Erklärung mit Wirkung vom Beginn eines Kj. an widerrufen (§ 19 Abs. 2 Satz 3 UStG). Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kj., für das er gelten soll, zu erklären (§ 19 Abs. 2 Satz 4 UStG). Im Falle des Widerrufs kann der Unternehmer die Rechnungen, in denen er die USt gesondert ausgewiesen hat, nach § 14c Abs. 2 Sätze 3 bis 5 UStG berichtigen (Abschn. 19.2 Abs. 4 UStAE).
Hinweis:
Mit Urteil vom 23.9.2020 (XI R 34/19, BFH/NV 2021, 423, LEXinform 0952628) hat der BFH zum Widerruf des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung Stellung genommen (s.a. Anmerkung vom 22.12.2020, LEXinform 0653799).
Entscheidungssachverhalt:
Der Stpfl. gab in den Jahren 06 bis einschließlich 16 USt-Erklärungen ab, in denen er die USt nach allgemeinen Vorschriften berechnete. In den Jahren 11 und 12 führte er Bruttoumsätze oberhalb von 22 000 € aus. In den übrigen Jahren lagen seine Bruttoumsätze unterhalb der Grenze von 22 000 €.
Mit der im Kj 18 eingereichten USt-Erklärung für das Kj. 17 wendete der Stpfl. erstmalig die Kleinunternehmerregelung an.
Entscheidungsgründe:
Sowohl der Verzicht als auch dessen Widerruf sind einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen gegenüber dem FA; beide Erklärungen wirken rechtsgestaltend auf das Umsatzsteuerrechtsverhältnis und sind deshalb bedingungsfeindlich (BFH XI R 34/19, Rz. 16). Sie können dem FA gegenüber auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Die Erklärung des Widerrufs ist daher formlos möglich.
Mit der Abgabe einer USt-Erklärung, in der der Stpfl. die Steuer nach den allgemeinen Grundsätzen berechnet, verzichtet er konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG. In gleicher Weise kann der Stpfl. auch durch Abgabe der USt-Erklärung konkludent den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen. Es gelten beim Widerruf die gleichen Regeln wie für die Erklärung des Verzichts (BFH XI R 34/19, Rz. 17).
Aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStG ergibt sich, dass der Verzicht i.S.d. § 19 Abs. 2 UStG nicht nach Ablauf von fünf Jahres unwirksam wird, sondern bis zu einem Widerruf fortwirkt.
Im Urteilsfall hatte der Stpfl. im Gründungsjahr seines Unternehmens im Kj. 06 auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet und somit die fünfjährige Bindungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG in Gang gesetzt, die mit Ablauf des Kj. 10 endete. Der Verzicht wirkte fort, so dass im Kj. 11 kein erneuter Verzicht notwendig war.
In den Jahren 11 und 12 überschritt der Stpfl. mit seinen Umsätzen zzgl. der darauf entfallenden USt zwar die Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG i.H.v. 22 000 €, so dass eine Regelbesteuerung gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in den Folgejahren (12 und 13) ohnehin durchzuführen war. Jedoch führte dieser Übergang zur Regelbesteuerung weder zum konkludenten Widerruf der Verzichtserklärung noch zum Widerruf des erklärten Verzichts. Das Überschreiten der Umsatzgrenze hat daher nicht, wie das FA im Ergebnis meint, eine automatische Beendigung des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zur Folge. Vielmehr blieb dieser Verzicht auch in diesen Jahren wirksam; er entfaltete nur keine Wirkungen.
Auch im darauffolgenden Jahr 14 war dieser Verzicht weiterhin wirksam, so dass die entsprechend abgegebene USt-Erklärung 14 – entgegen der Auffassung des FA – keine erneute Erklärung eines Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung darstellte. Dessen bedurfte es nicht, weil der Verzicht aus dem Jahr 06 weiterhin wirksam war. Gleiches gilt auch für die Jahre 15 bis 16. Mit der Einreichung der USt-Erklärung für das Jahr 17 hat der Stpfl. allerdings wirksam entsprechend § 19 Abs. 2 Satz 3 und 4 UStG diesen Verzicht aus dem Gründungsjahr widerrufen.
Zur Anwendung des § 15a UStG s. Abschn. 19.5 Abs. 3 i.V.m. Abschn. 15a.2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 und Abschn. 15a.9 Abs. 1 bis 4 UStAE sowie die Erläuterungen unter → Vorsteuerberichtigung.
Nach § 15a Abs. 7 UStG ist eine Änderung der Verhältnisse beim Übergang von der allgemeinen Besteuerung zur Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG oder umgekehrt gegeben.
Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Stichwort: Kleinunternehmer (Loseblatt); Meurer, Die Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuerrecht, NWB 2013, 2016; Rolfes, Die Kleinunternehmerregel in der Praxis, UStB 2013, 177; Mans u.a., Die Kleinunternehmerfalle, UStB 2013, 269; Trinks u.a., Der Jahresgesamtumsatz des umsatzsteuerlichen Kleinunternehmers, BB 2014, 158; Mensch, Besteuerung als Kleinunternehmer – Form und Wirksamkeit einer Optionserklärung –, UR 12/2014, 472; Monfort, Spezieller Begriff der Ansässigkeit für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei steuerpflichtiger Grundstücksvermietung, UStB 2020, 263; Nürnberg, Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG; Steuer & Studium 10/2022, 639.
→ Wechsel der Besteuerungsform
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