1 Begriff des Grundstücks
2 Grundstücke als Unternehmensvermögen i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Grundstücksnutzung für eine einzige Tätigkeit
2.3 Teilunternehmerisch genutzte Grundstücke
2.3.1 Zuordnungsentscheidung
2.3.2 Mindestnutzung von 10 %
2.3.2.1 Grundsätzliches zur Anwendung der 10-%-Grenze sowie Berechnung des maßgebenden Flächenverhältnisses
2.3.2.2 Konsequenzen aus der zwangsweisen Nichtzuordnung zum Unternehmensvermögen
2.3.2.3 Konsequenzen aus der Zuordnung zum Unternehmensvermögen
2.4 Zuordnungsobjekt
2.4.1 Grundsätzliches
2.4.2 Herstellung eines Grundstücks
2.4.3 Nachträgliche Herstellungskosten
2.5 Häusliches Arbeitszimmer
2.6 Zuordnungsentscheidung bei Gemeinschaften
3 Vorsteuerabzug und -aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG
3.1 Zuordnungsentscheidung
3.2 Besonderheiten bei teilunternehmerisch genutzten Grundstücken
3.3 Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG
3.3.1 Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen
3.3.2 Bestimmung der Herstellungskosten
3.3.2.1 Die Herstellungskosten im Überblick
3.3.2.2 Erschließungsbeiträge, Anliegerbeiträge sowie Anschlusskosten
3.3.2.3 Erweiterung und Standardhebung
3.3.3 Bestimmung der Anschaffungskosten
3.3.3.1 Die Anschaffungskosten im Überblick
3.3.3.2 Wohnstandardhebung durch wesentliche Verbesserungen
3.3.4 Unentgeltlicher oder teilentgeltlicher Erwerb
3.3.5 Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwendungen
3.3.5.1 Erhaltungsaufwendungen
3.3.5.2 Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand
4 Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG wegen nachträglicher Nutzungsänderungen
4.1 Übersicht über die Änderung der Verhältnisse
4.2 Von der eigengewerblichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken
4.2.1 Grundstücke im Rahmen des Seeling-Modells
4.2.2 Grundstücksanschaffung bzw. -herstellung ab 2011
4.3 Von der eigengewerblichen Nutzung zu Vermietungszwecken
4.4 Von der eigengewerblichen Nutzung zur nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne
4.5 Unternehmensvermögen nach einer Einlage
4.5.1 Nationale Regelung
4.5.2 Auswirkung der EuGH-Entscheidung vom 25.7.2018 (C-140/17)
4.6 Besonderheiten beim Nießbrauch
4.6.1 Vorbehaltsnießbrauch
4.6.2 Zuwendungsnießbrauch
4.7 Verwendung eines Gebäudes in Baufortschritten
4.8 Leerstandszeiten
4.9 Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 6 UStG für nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten
4.9.1 Allgemeiner Überblick
4.9.2 Nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten bei Gebäuden
5 Veräußerung des Grundstücks im Unternehmensvermögen
5.1 Grundstücke nach dem Seeling-Modell
5.2 Grundstücke außerhalb des Seeling-Modells
5.3 Sale-and-Lease-Back-Geschäft
5.4 Grundstücksveräußerungen nach einem Zwangsvollstreckungsverfahren
5.5 Ortsbestimmung
5.6 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
5.6.1 Grundsätzliches zur Steuerbefreiung
5.6.2 Vermittlungsleistungen eines atypischen Maklers
5.6.3 Konkurrenzverhältnis zwischen Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer
5.7 Verzicht auf die Steuerbefreiung
5.8 Bemessungsgrundlage der Grundstückslieferung
5.9 Leistungsempfänger als Steuerschuldner
5.10 Zwangsversteigerung eines Grundstücks
5.11 Geschäftsveräußerung im Ganzen
5.12 Gebäude auf fremdem Grund und Boden
5.13 Unbebaute Grundstücke
5.14 Verzicht auf Ankaufsrecht
6 Entnahme des Grundstücks aus dem Unternehmensvermögen als steuerpflichtige Wertabgabe
7 Nießbrauchsbestellung an Grundstücken
8 Grundstücksüberlassung zum Bau von Überlandleitungen
9 Grundstücksvermietungen
10 Literaturhinweise
11 Verwandte Lexikonartikel
Zum Begriff des Grundstücks vgl. im Einzelnen Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE. Der Grundstücksbegriff i.S.d. UStG ist ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts; er richtet sich nicht nach dem zivilrechtlichen Begriff eines Grundstücks. Unter einem Grundstück i.S.d. UStG ist zu verstehen:
ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann.
Das Einräumen von Liegerechten zur Einbringung von Urnen unter Begräbnisbäumen kann als → Grundstücksvermietung umsatzsteuerfrei sein. Erforderlich ist hierfür nach den Urteilen des BFH vom 21.6.2017 (V R 3/17, BStBl II 2018, 372 und V R 4/17, BStBl II 2018, 370), dass räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzellen überlassen werden, so dass Dritte von einer Nutzung der Parzelle ausgeschlossen sind (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 71/2017 vom 8.11.2017, LEXinform 0447345);
jedes mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Gebäude oder jedes derartige Bauwerk, das nicht leicht abgebaut oder bewegt werden kann,
jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, ohne die das Gebäude oder das Bauwerk unvollständig ist, wie zum Beispiel Türen, Fenster, Dächer, Treppenhäuser und Aufzüge,
Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder erheblich zu verändern. Die Veränderung ist immer dann unerheblich, wenn die betreffenden Sachen einfach an der Wand hängen und wenn sie mit Nägeln oder Schrauben so am Boden oder an der Wand befestigt sind, dass nach ihrer Entfernung lediglich Spuren oder Markierungen zurück bleiben (z.B. Dübellöcher), die leicht überdeckt oder ausgebessert werden können.
Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück sind nur dann steuerbar, wenn die Leistungen im Inland ausgeführt werden. Welche Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück ausgeführt werden, regelt die Verwaltung in Abschn. 3a.3 UStAE (→ Sonstige Leistung). Eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ist immer am Grundstücksort ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Der Leistungsort für Leistungen, die nicht im Zusammenhang mit einem Grundstücks stehen, ist abhängig vom Status des Leistungsempfängers (B2B- bzw. B2C-Umsätze).
Ist die Leistung steuerbar, dann ist zu klären, ob der Grundstücksumsatz steuerfrei oder steuerpflichtig ist. Für die Steuerbefreiung ist
§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG für Umsätze, die unter das GrEStG fallen (s.u.) und
§ 4 Nr. 12 Buchst. a bis c UStG für Vermietungen und Verpachtungen (→ Grundstücksvermietung)
zu prüfen.
Ist der Grundstücksumsatz steuerbar (im Inland ausgeführt) und steuerpflichtig – weil die Voraussetzungen des § 4 UStG nicht erfüllt sind oder weil auf die Steuerbefreiung verzichtet wurde –, so ist zu prüfen, ob der leistungsausführende Unternehmer oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Zum Übergang der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG s. die Erläuterungen unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers.
Die nachfolgenden Ausführungen setzen sich mit der Problematik der Zuordnung eines Grundstücks zum Unternehmensvermögen auseinander und klären die Frage, wann und in welchem Umfang der Unternehmer die Vorsteuer in Zusammenhang mit Grundstücksumsätzen geltend machen kann. Zur Vorsteuerberichtigung bei Grundstücksumsätzen s.u.
Grundstücksumsätze sind umsatzsteuerrechtlich nur dann relevant, wenn das betreffende Grundstück dem Unternehmensbereich des Unternehmers zuzuordnen ist. Nur dann erfolgt z.B. eine Grundstückslieferung im Rahmen eines Unternehmens. Nach dem EuGH-Urteil vom 4.10.1995 (C-291/92, BStBl II 1996, 392) hat der Unternehmer ein Wahlrecht, ob er einheitliche Gegenstände, die sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch (privat) verwendet werden, ganz oder teilweise seinem Unternehmen zuordnet. Die Auswirkungen dieses Urteils sind in Abschn. 15.2c UStAE dargestellt.
Das Zuordnungswahlrecht einheitlicher, gemischt genutzter Gegenstände (Grundstücke) regelt die Verwaltung in Abschn. 15.2c UStAE (s.a. → Unternehmensvermögen).
Der BFH hat in seinen Urteilen vom 7.7.2011 (V R 41/09, BStBl II 2014, 73; V R 42/09, BStBl II 2014, 76 und V R 21/10, BStBl II 2014, 81) über Fragen der Zuordnung eines einheitlichen Gegenstands zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG im Fall der Errichtung eines teilunternehmerisch genutzten Gebäudes entschieden (s.a. → Unternehmensvermögen). In weiteren Urteilen hat er sich grundsätzlich zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie geäußert (Urteile vom 19.7.2011, XI R 29/09, BStBl II 2012, 430; XI R 21/10, BStBl II 2012, 434 und XI R 29/10, BStBl II 2012, 438; Urteil vom 3.8.2017, V R 59/16, BStBl II 2017, 1209; → Photovoltaikanlage). Die Grundsätze der Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG werden in Abschn. 15.2a bis 15.2d dargestellt.
Bei der Grundstücksnutzung für eine einzige Tätigkeit ist eine Zuordnungsentscheidung bezüglich des Grundstücks nicht möglich. Das Grundstück ist entsprechend der Nutzung
entweder Unternehmensvermögen (Zuordnungsgebot) oder
Privatvermögen (Zuordnungsverbot).
Wird das Grundstück ausschließlich für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S. (Abschn. 2.3 Abs. 1a Satz 4 UStAE) verwendet, führt dies ebenfalls zu einem Zuordnungsverbot (s.a. Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 8 UStAE). Das Zuordnungsverbot greift auch dann, wenn die unternehmerische Mindestnutzung von 10 % i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG nicht erreicht ist (Abschn. 15.2c Abs. 1 und 5 UStAE).
Ein Grundstück wird wie folgt genutzt | ||||
ausschließlich für eigengewerbliche Zwecke | ausschließlich für fremdgewerbliche Zwecke | ausschließlich für fremde Wohnzwecke | ausschließlich für eigene Wohnzwecke | ausschließlich für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne (Abschn. 2.3 Abs. 1a UStAE) |
Das Grundstück gehört zum notwendigen Betriebsvermögen und zum Unternehmensvermögen (Zuordnungsgebot). Die Vorsteuerbeträge sind unter den Voraussetzungen des § 15 UStG abziehbar und abzugsfähig. | Das Grundstück ist ertragsteuerrechtlich grundsätzlich Privatvermögen (R 4.2 Abs. 1 EStR). Die Einnahmen führen zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Unter den Voraussetzungen des R 4.2 Abs. 9 EStR und H 4.2 Abs. 9 EStH kann dieser Gebäudeteil als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Umsatzsteuerrechtlich gehört das Grundstück zum Unternehmensvermögen (Zuordnungsgebot). Die Vermietungsumsätze sind grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei. Nach einer zulässigen Option nach § 9 UStG ist die Vorsteuer abzugsfähig. | S. die Ausführungen zu fremdgewerblichen Zwecken. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG ist nach § 9 UStG nicht möglich. | Das Grundstück ist ertragsteuerrechtlich notwendiges Privatvermögen (R 4.2 Abs. 10 EStR). Umsatzsteuerrechtlich ist das Grundstück nicht von Bedeutung (kein Unternehmensvermögen, kein Vorsteuerabzug; Zuordnungsverbot). S.a. Abschn. 15.15 Abs. 1 Satz 1 UStAE. | Das Grundstück ist ertragsteuerrechtlich dem ideellen bzw. hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Die Aufwendungen sind steuerrechtlich nicht relevant. Umsatzsteuerrechtlich ist das Grundstück kein Unternehmensvermögen (Zuordnungsverbot). Die Vorsteuer ist nicht abziehbar nach § 15 Abs. 1 UStG (Abschn. 15.2b Abs. 2 UStAE). |
Abb.: Grundstücksnutzung
Das Recht auf Vorsteuerabzug des Unternehmers entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 6 UStAE). Das Vorsteuerabzugsrecht ist für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) auszuüben, in dem die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, also die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und der Stpfl. die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann (EuGH Urteil vom 29.4.2004 (C-152/02, UR 2004, 323, LEXinform 0168936; BFH Urteil vom 1.12.2010, XI R 28/08, BStBl II 2011, 994 sowie BFH Urteil vom 13.2.2014, V R 8/13, BStBl II 2014, 595). Die Vorsteuer kann nicht – auch nicht wahlweise – in einem späteren Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden (BFH Urteil vom 13.2.2014, V R 8/13, BStBl II 2014, 595, Rz. 25).
Im Rahmen des § 15 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 46/00, BStBl II 2003, 433; Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 7 ff. UStAE).
Zum Zeitpunkt der Zuordnungsentscheidung bei gemischt genutzten Gegenständen hat der BFH mit Urteil vom 7.7.2011 (V R 42/09, BStBl II 2014, 76) Folgendes entschieden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 82/11 vom 12.10.2011, LEXinform 0437050; → Vorsteuerabzug → Unternehmensvermögen):
Ist ein Gegenstand sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für nichtunternehmerische Zwecke vorgesehen (gemischte Nutzung), kann der Steuerpflichtige (Unternehmer) den Gegenstand
insgesamt seinem Unternehmen zuordnen,
ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen oder
ihn im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung seinem Unternehmensvermögen zuordnen (Zuordnungswahlrecht).
Dies gilt auch für die Zuordnung eines gemischt genutzten Gebäudes (Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStAE).
Mit Urteil vom 14.10.2015 (V R 10/14, BStBl II 2016, 717) macht der BFH deutlich, dass das Zuordnungswahlrecht nur für die Herstellung und Anschaffung von Gegenständen gilt. Der Bezug von sonstigen Leistungen wird vom Zuordnungswahlrecht nicht umfasst; diese sind entsprechend der (beabsichtigten) Verwendung gem. § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (Abschn. 15.2c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStAE).
Die sofort bei Leistungsbezug zu treffende Zuordnungsentscheidung ist »zeitnah«, d.h. bis spätestens im Rahmen der Jahressteuererklärung zu dokumentieren. Das gilt auch für den in zeitlicher Hinsicht »gestreckten« Vorgang der Herstellung eines Gebäudes.
Keine »zeitnahe« Dokumentation der Zuordnungsentscheidung liegt vor, wenn die Zuordnungsentscheidung dem FA erst nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen (31. Juli des Folgejahres) mitgeteilt wird (s.a. BFH Urteil vom 11.7.2012, XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, LEXinform 0927430). Eine danach getroffene oder dokumentierte Entscheidung kann nicht mehr berücksichtigt werden (s.a. BFH Urteil vom 7.7.2011, V R 21/10, BStBl II 2014, 81, Pressemitteilung des BFH Nr. 101/11 vom 7.12.2011, LEXinform 0437308). Eine in Voranmeldungen (nicht) getroffene Zuordnungsentscheidung kann nur innerhalb der für die Jahresfestsetzung maßgebenden Dokumentationsfrist (31. Juli des Folgejahres) korrigiert werden (s.a. Abschn. 15.2c Abs. 16 UStAE).
Beachte:
Für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2017 beginnen, beträgt die gesetzliche Abgabefrist 7 Monate nach Ablauf des Kj. (§ 149 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 97 § 10a Abs. 4 Satz 1 EGAO). Die Zuordnungsentscheidung muss somit für Anschaffungen ab dem 1.1.2018 bis zum 31.7.2019 getroffen werden (s.a. Abschn. 15.2c Abs. 16 Satz 5 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 14.12.2018, BStBl I 2018, 1402).
Für den Besteuerungszeitraum 2020 wurde die gesetzliche Regelabgabefrist des § 149 Abs. 2 Satz 1 AO von sieben auf zehn Monate verlängert (Art. 97 § 36 Abs. 3 Nr. 3 EGAO i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie – ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG – vom 25.6.2021, BGBl I 2021, 2035). Somit endet die gesetzliche Regelabgabepflicht für Steuererklärungen für den Besteuerungszeitraum 2020 unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 3 AO erst am 1. November 2021.
Dementsprechend ist die Zuordnungsentscheidung für Leistungsbezüge im Besteuerungszeitraum 2020 auch dann zeitnah dokumentiert, wenn sie bis zum 1.11.2021 im FA vorliegt (LfSt Sachsen vom 4.8.2021, 213 – S – 7300/45/2-2021/43540, DB 2021, 2190, LEXinform 7012884).
Beispiel 1:
Im Kj. 01 erwarb U ein unbebautes Grundstück und bebaute es mit einem Einfamilienhaus (Seeling-Modell – fertiggestellt vor dem 1.1.2011 – § 27 Abs. 16 UStG). Der unternehmerische Nutzungsanteil betrug 15 %. Im Januar 05 reichte U die USt-Jahreserklärung für das Kj. 02 beim FA ein und machte darin den Vorsteuerabzug aus den gesamten Herstellungskosten des Gebäudes geltend. Nach Beendigung des Einspruchsverfahrens erging im Juli 08 der USt-Änderungsbescheid des Kj. 05 ohne Vorbehaltsvermerk. Die entsprechende Steuerfestsetzung wurde damit bestandskräftig und unabänderbar. Die unentgeltliche Wertabgabe wurde auf der Grundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG ermittelt.
Lösung 1:
Der Sachverhalt und die Lösung sind dem BFH-Urteil vom 23.10.2014 (V R 11/12, BStBl II 2015, 973) nachgebildet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muss der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs über die Zuordnung zum Unternehmen entscheiden und diese Entscheidung in der USt-Voranmeldung, spätestens aber bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen dokumentieren (Abschn. 15.2c Abs. 16 und 18 UStAE, hier bis zum 31.5.03). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt keine wirksame Zuordnungsentscheidung für das gemischt genutzte Gebäude vor, so dass die Eingangsleistungen nicht »für das Unternehmen« des U bezogen wurden und damit der Abzug der in Rechnung gestellten USt als Vorsteuer ausscheidet.
Mit Blick auf den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung führt der materiell-rechtlich fehlerhafte, im Abzugsjahr 05 gewährte Vorsteuerabzug in den Folgejahren nicht zur Besteuerung einer Verwendungsentnahme gem. § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG. Eine derartige Entnahme ist nur dann steuerbar, wenn die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach der Rechtslage im Veranlagungszeitraum der Verwendung im Kj. 02. Fehlt es an einer rechtzeitigen Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen und deshalb auch am Recht zum Vorsteuerabzug, ist die Verwendungsentnahme nicht steuerbar.
Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines WG entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei diesem WG die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse innerhalb des bei Grundstücken maßgeblichen Berichtigungszeitraums von zehn Jahren ändern.
Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse liegt nicht nur vor, wenn sich diese in tatsächlicher Hinsicht geändert haben, sondern auch dann, wenn sich bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist (Abschn. 15a.2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 6 UStAE; s.a. die Beispiele 1 und 2 unter Abschn. 15a.4 Abs. 3 UStAE).
Überblick über die Rechtsprechung zur Zuordnung zum Unternehmensvermögen von gemischt genutzten Grundstücken:
Das FG Sachsen hat mit Urteil vom 19.3.2018 (5 K 249/18, EFG 2019, 1861, LEXinform 5022594, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 3/19, LEXinform 0952400, s.u. unter 3.) entschieden, dass die Mitteilung der Zuordnungsentscheidung an das zuständige FA erst nach dem – im Urteilsfall – 31.5. des Folgejahres nicht mehr zeitnah ist. Die Zuordnung zum Unternehmen kann auch nicht dadurch erfolgen, dass in einem vom Planungsbüro für ein Einfamilienhaus entworfenen Grundriss ein Zimmer mit dem Wort »Arbeiten« bezeichnet ist. Dies kann nicht als ausreichendes Indiz für die Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen (als Einzelunternehmen geführter Baubetrieb) gewertet werden.
Mit Urteil vom 25.7.2018 (C-140/17, UR 2018, 687, LEXinform 0651568) hat der EuGH u.a. zur Entscheidungsfrist über die Zuordnung einer Immobilie zum Unternehmensvermögen entschieden (→ Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG unter dem Gliederungspunkt »Keine Anwendung des § 15a UStG« und dort unter »Auswirkung der EuGH-Rechtsprechung vom 25.7.2018«). Die Entscheidung des EuGH ist zwar zur Vorsteuerberichtigung i.S.d. Art. 184 MwStSystRL einer jPöR ergangen, ist aber für andere Unternehmer oder auch Vereine anzuwenden (s.a. Widmann, UR 17/2018, 666 sowie Anmerkung 1 zum EuGH-Urteil C-140/17 von Küffner u.a., UR 17/2018, 692 sowie Anmerkung 2 von Sterzinger, UR 17/2018, 694).
Nach der EuGH-Rechtsprechung C-140/17 in Rz. 43 und 50 ist bei der Anschaffung des Investitionsguts zu prüfen, ob der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs als Privatperson gehandelt hat oder ob der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits aus anderen Gründen für umsatzsteuerliche Zwecke registriert gewesen ist.
Hat der Erwerber beim Erwerb des Gegenstands als Stpfl. (Unternehmer) gehandelt, schließt allein eine in diesem Moment fehlende Zuordnung zum Unternehmen die erforderliche Verwendungsabsicht für wirtschaftliche Zwecke nicht aus (EuGH C-140/17, Rz. 47). Es ist ohne Bedeutung, dass der betreffende Gegenstand nicht unmittelbar für besteuerte Umsätze verwendet worden ist, da die Verwendung des Gegenstands nur den Umfang des Vorsteuerabzugs oder der etwaigen späteren Berichtigung bestimmt, jedoch nicht die Entstehung des Abzugsanspruchs berührt (EuGH vom 30.3.2006, C-184/04, UR 2006, 530, Rz. 39).
Fazit:
Wird eine Immobilie errichtet, die sowohl für unternehmerische als auch für nicht unternehmerische Zwecke vorgesehen ist, kann der Unternehmer diese insgesamt seinem Unternehmen zuordnen, um in den Genuss des vollen Vorsteuerabzugs zu kommen. Die Zuordnungsentscheidung ist grundsätzlich sofort, spätestens aber bis zum 31.7. des Folgejahres zu treffen – so die Auffassung von BFH und Finanzverwaltung. Doch diese »Ausschlussfrist« könnte aufgrund einer EuGH-Entscheidung kippen. Damit könnten diejenigen, die die Frist in der Vergangenheit versäumt haben, doch wieder hoffen.
Mit Beschlüssen vom 18.9.2019 (XI R 3/19, BStBl II 2021, 112 und XI R 7/19, BStBl II 2021, 118) hat der BFH den EuGH (Az. EuGH: C-45/20, LEXinform 0651701 und C-46/20, LEXinform 0651700) um Klärung gebeten, ob das Unionsrecht einer nationalen Rspr. entgegensteht, nach der im Falle eines sog. Zuordnungswahlrechtes beim Leistungsbezug der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Zuordnungsentscheidung gegenüber dem FA nicht getroffen wurde (s.o. unter 1.; s.a. Lohse, UR 2020, 333).
Der BFH vertritt im Vorlagebeschluss die Auffassung, dass nach den von ihm zur Zuordnungsentscheidung entwickelten Kriterien die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil unbegründet wäre (s.o. unter 1.). Zweifelhaft sei jedoch, ob ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen dürfe. Zwar gehe das Unionsrecht in Art. 168a Abs. 1 MwStSystRL ausdrücklich von einer »Zuordnung« von Gegenständen aus. Es enthalte jedoch keine näheren Regelungen hierzu. Mit dem Vorabentscheidungsersuchen soll auch geklärt werden, welche Rechtsfolgen eine nicht (rechtzeitig) getroffene Zuordnungsentscheidung hat. Sollte der EuGH die bisherige (nationale) Handhabung als zu restriktiv ansehen, würde das die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs bei unternehmerischer Tätigkeit und sog. gemischter Nutzung erleichtern (BFH Pressemitteilung Nr. 5/2020 vom 30.1.2020, LEXinform 0450994).
Hinweis:
In einem weiteren Verfahren, das den Erwerb einer Photovoltaikanlage durch einen Privatmann betrifft, hat der BFH mit Beschluss vom 18.9.2019 (XI R 7/19, LEXinform 5022711, Vorinstanz FG Baden-Württemberg vom 12.9.2018, 14 K 1538/17, EFG 2019, 2005, LEXinform 5022536) ebenfalls den EuGH angerufen (s.a. Anmerkung vom 7.2.2020, LEXinform 0882030).
Mit Entscheidung vom 27.11.2019 (3 K 2217/18, LEXinform 5022630) verneint das FG Rheinland-Pfalz die Übertragbarkeit der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 25.7.2018 (C-140/17, UR 2018, 687, LEXinform 0651568, s. unter 2.) zur Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes zur gemischten Nutzung auf Unternehmer, die keine Einrichtung der öffentlichen Hand sind.
Auch wenn nach der Auffassung von Widmann das Erfordernis, die Zuordnungsentscheidung zeitnah zu dokumentieren, nach dem Urteil des EuGH vom 25.7.2018 nun wohl keine unionsrechtliche Basis mehr hat, ist die Reichweite des Urteils auch nach seiner Auffassung noch nicht absehbar, auch wenn sich schwer begründen lassen wird, warum der Verzicht das Erfordernis, die Zuordnungsentscheidung zeitnah zu dokumentieren, nur für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten sollte (vgl. Widmann, Vom Handeln eines Steuerpflichtigen als solchem, UR 2018, 666). Diese Ausführungen des EuGH als vollständige Abkehr von der bislang erforderlichen Zuordnungsentscheidung bei Leistungsbezug zu verstehen, dürfte aber wohl verfrüht sein und bedarf noch der Bestätigung durch weitere Entscheidungen des EuGH (vgl. Sterzinger, Anm. 2 zu dem Urteil des EuGH vom 25.7.2018 C-140/17, UR 2018, 693).
Bis zu einer anderweitigen Entscheidung durch den EuGH ist daher davon auszugehen, dass es für die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen bei gemischter Nutzung weiterhin einer zeitnahen Zuordnungsentscheidung bedarf, so das FG Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 27.11.2019.
Gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 17.11.2019 (3 K 2217/18, EFG 2020, 145) ist vor dem BFH unter dem Az. V R 4/20 (LEXinform 0952690) ein Revisionsverfahren anhängig.
Mit Urteil vom 9.7.2015 (C-331/14, UR 2015, 621, LEXinform 0589510; Rz. 20) bestätigt der EuGH seine Rechtsprechung zur Wahlrechtsausübung bei gemischt genutzten Grundstücken. Somit kann ein solcher Gegenstand dem Mehrwertsteuersystem entzogen werden, selbst wenn er zum Teil für die Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen genutzt wird, dem dann jedoch kein Steuerabzugsrecht zusteht.
Aus der EuGH-Rechtsprechung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verkauf eines Grundstücks, das er seinem Privatvermögen zugeordnet hatte, allein aus diesem Grund nicht der Mehrwertsteuer unterliegt. Denn entgeltliche Umsätze eines Steuerpflichtigen unterliegen zwar grundsätzlich der Mehrwertsteuer, wenn er als solcher gehandelt hat, doch ist neben der Zuordnung zum Privatvermögen auch erforderlich, dass der Steuerpflichtige einen solchen Verkauf nicht im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, sondern im Rahmen der Verwaltung seines Privatvermögens.
In Bezug auf den Verkauf eines Baugrundstücks hat der EuGH bereits klargestellt, dass ein maßgebliches Beurteilungskriterium darin besteht, dass der Betroffene aktive Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen hat, indem er sich ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.v. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL, wie insbes. die Erschließung der Grundstücke oder die Durchführung bewährter Vermarktungsmaßnahmen (vgl. EuGH Urteil vom 15.9.2011, Słaby u.a., C-180/10 und C-181/10, UR 2012, 519, LEXinform 0589277, Rz. 39 und 40). Derartige Initiativen erfolgen nämlich normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen, sodass der Verkauf eines zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks in einem solchen Fall nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts durch seinen Inhaber angesehen werden kann.
In dem Urteilsfall C-331/14 aus Slowenien war eine natürliche Person als Unternehmer tätig. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 erwarb er privat sieben Grundstücke. Die Grundstücke bebaute er mit einem Einkaufszentrum. Im Mai 2003 veranlasste er als selbstständiger Unternehmer den Beginn der entsprechenden Bauarbeiten. Fünf der sieben Grundstücke ordnete er dem Unternehmensvermögen vor der steuerpflichtigen Veräußerung zu. Zwei Grundstücke beließ er im Privatvermögen. Auch diese beiden Grundstücke veräußerte der Unternehmer, jedoch ohne Mehrwertsteuer zu berechnen.
Der EuGH rechnet hier alle Grundstücksverkäufe der unternehmerischen Tätigkeit zu. Die Verwaltung von Privatvermögen liegt daher nicht vor. Der EuGH begründet dieses Ergebnis vor allem damit, dass auf den Grundstücken das Einkaufszentrum in seiner Gesamtheit errichtet wurde und die Grundstücke in einem relativ kurzen Zeitraum erworben wurden (s.a. Anmerkung vom 4.8.2015, LEXinform 0947078).
Nach § 15 Abs. 1b UStG ist die Steuer im Zusammenhang mit einem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt (Abschn. 15.6a Abs. 3 Satz 1 UStAE). § 15 Abs. 1b UStG stellt eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar und berührt nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers nach § 15 Abs. 1 UStG (Abschn. 15.6a Abs. 1 Satz 3 UStAE; s.u.). Zur Berechnung des maßgebenden Flächenschlüssels s. Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7300 – Karte 7, SIS 21 05 14).
Die Zuordnung eines Gegenstandes (Grundstück) zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers (Abschn. 15.2c Abs. 14 Satz 2 UStAE). Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstandes (Grundstück) zum Unternehmen. Ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, müssen andere Beweisanzeichen herangezogen werden. Auch die bilanzielle und ertragsteuerrechtliche Behandlung kann ggf. ein Indiz für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sein (vgl. BFH Urteil vom 17.12.2008, XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, LEXinform 0588643; vom 25.3.1988, V R 101/83, BStBl II 1988, 649, vom 11.11.1993, V R 52/91, BStBl II 1994, 335 und vom 7.7.2011, V R 42/09, BStBl II 2014, 76). Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden (Abschn. 15.2c Abs. 17 UStAE). Die Absicht allein, das gemischt genutzte Gebäude zu vermieten, ersetzt eine fehlende Zuordnung nicht (BFH Urteil vom 11.7.2012, XI R 17/09, BFH/NV 2013, 266, LEXinform 0927430).
Ist bei Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes kein oder nur ein teilweiser Vorsteuerabzug möglich, muss der Unternehmer gegenüber dem FA durch eine schriftliche Erklärung spätestens bis zum 31.5. des Folgejahres, in dem die jeweilige Leistung bezogen worden ist, dokumentieren, in welchem Umfang er das Gebäude zugeordnet hat (Abschn. 15.2c Abs. 18 UStAE). Gibt es keine zeitnahe schriftliche Erklärung bis zum 31.5. des Folgejahres und auch keine anderen Beweisanzeichen für eine Zuordnung des Grundstücks zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden (Abschn. 15.2c Abs. 18 Satz 4 und 5 UStAE).
Auch bei Herstellungsvorgängen, die sich über mehr als ein Kj. erstrecken, hat der Unternehmer sein Zuordnungswahlrecht für das Gebäude ab Beginn des Herstellungsprozesses (vgl. § 27 Abs. 16 Satz 2 UStG) jeweils spätestens zum 31.5. bzw. 31.7. des Folgejahres zu dokumentieren. Macht der Unternehmer bis zu diesem Zeitpunkt jeweils keinen Vorsteuerabzug geltend und liegen keine anderen Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen vor, kann diese nicht unterstellt werden. Das Gebäude gilt dann – ggf. bis zu einer späteren Änderung der Zuordnung – insgesamt als nicht zugeordnet, so dass alle Leistungsbezüge bis zur Änderung der Zuordnung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen gelten und den Vorsteueranspruch ausschließen (Abschn. 15.2c Abs. 19 UStAE).
Beispiel 2:
Unternehmer U beginnt im Jahr 12 mit der Errichtung eines Gebäudes, das er teilunternehmerisch für unternehmerische und private Zwecke zu nutzen beabsichtigt. Die Fertigstellung erfolgt im Jahr 14. Während des Herstellungsvorgangs ändert sich die Verwendungsabsicht von U nachweisbar wie folgt: Im Jahr 12 beabsichtigt U das Gebäude zu 80 %, im Jahr 13 zu 60 % und im Jahr 14 zu 70 % für seine unternehmerische vorsteuerunschädliche Tätigkeit zu verwenden. Es liegen keine Beweisanzeichen einer Zuordnung über die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs hinaus vor. Die erstmalige Verwendung des Gebäudes erfolgt am 1.1.15. U nutzt das Gebäude, wie im Jahr 14 beabsichtigt, zu 70 % für seine unternehmerische vorsteuerunschädliche Tätigkeit und zu 30 % privat.
ausgewiesene USt | bis zum 31.5. des Folgejahres geltend gemachte Vorsteuer | ||
Kj. 12 | 40 000 € | 32 000 € | (80 %) |
Kj. 13 | 20 000 € | 12 000 € | (60 %) |
Kj. 14 | 30 000 € | 21 000 € | (70 %) |
Summe | 90 000 € | 65 000 € | (72,22 % von 90 000 €) |
Lösung 2:
S.a. Beispiel 9 zu Abschn. 15.2c Abs. 19 UStAE.
Das Gebäude des U soll für unternehmerische und unternehmensfremde Zwecke verwendet werden. U hat deshalb grundsätzlich das Wahlrecht, das Gebäude vollständig, gar nicht oder im Umfang der unternehmerischen Nutzung dem Unternehmen zuzuordnen. Da sich die beabsichtigte Verwendung des Gebäudes im Herstellungsvorgang ändert und U nicht erklärt, in welchem Umfang er das Gebäude seinem Unternehmen zuordnet, gilt das Gebäude aus Vereinfachungsgründen zu 72,22 % dem Unternehmen des U als zugeordnet.
In Bezug auf den unternehmensfremd verwendeten Gebäudeanteil hat U keine Zuordnung zum Unternehmen dokumentiert. Ohne Beweisanzeichen kann diese nicht unterstellt werden. Die Vorsteuerbeträge i.H.v. (90 000 € abzgl. 65 000 € =) 25 000 € können deshalb weder nach § 15 Abs. 1 UStG noch nachträglich nach § 15a UStG geltend gemacht werden. Wirtschaftsgut i.S.d. § 15a UStG ist nur der dem Unternehmen zugeordnete Gebäudeteil.
Da die tatsächliche Verwendung von der beabsichtigten Verwendung während des Herstellungsprozesses abweicht, liegt im Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung (70 % unternehmerisch) eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6a UStG vor. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge i.H.v. 65 000 € entsprechen 100 % des zugeordneten Gebäudeteils. Die unternehmerische Verwendung i.H.v. 70 % hätte U nur zu einem Vorsteuerabzug i.H.v. 63 000 € berechtigt (70 % von 90 000 €). Die Verhältnisse ändern sich somit um 3,08 Prozentpunkte (63 000 € von 65 000 € = 96,92 %). Da sich die Verhältnisse um weniger als 10 Prozentpunkt ändern und der Änderungsbetrag nicht 1 000 € übersteigt, entfällt eine → Vorsteuerberichtigung (§ 44 Abs. 2 UStDV).
Abwandlung:
U nutzt das gesamte Gebäude ab dem 1.1.15 zu 80 % für unternehmerische vorsteuerunschädliche Zwecke.
Lösung:
Eine Berichtigung nach § 15a UStG ist nicht möglich, da das Gebäude nur zu 72,22 % als dem Unternehmen zugeordnet gilt und er damit bereits 100 % des berichtigungsfähigen Vorsteuervolumens ausgeschöpft hat.
Hätte U dem FA bis zum 31.7.13 mitgeteilt, dass er das Gebäude in vollem Umfang dem Unternehmen zuordnet, würde sich eine → Vorsteuerberichtigung zu seinen Gunsten ergeben.
Für die Anwendung der o.g. Grundsätze ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG eine unternehmerische Nutzung von mindestens 10 % erforderlich (unternehmerische Mindestnutzung; Abschn. 15.2c Abs. 5 UStAE). Für die Berechnung der 10-%-Grenze ist das Verhältnis der gesamten Wohn- und Nutzfläche zu der unternehmerisch genutzten Fläche maßgebend. Zur Flächenberechnung nimmt das FG München mit Urteil vom 2.3.2011 (3 K 2880/08, LEXinform 5011907) Stellung. Dabei berechnete das FG die unternehmerische Nutzung nach der Nutzfläche statt nach der Wohnfläche. Auch hinsichtlich der Kellerräume seien bei dem Bau des Gebäudes mit USt belastete Aufwendungen entstanden; diese sind auch anteilig Herstellungskosten des Büroraums im Erdgeschoss, dessen Boden mit der Kellerdecke identisch ist.
Zur 10-%-Grenze s.a. die Erläuterungen unter → Unternehmensvermögen.
Zur Berechnung des maßgeblichen Flächenverhältnisses s. die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7300 – Karte 7, SIS 21 05 14). Danach sind die Flächen nach folgenden Grundsätzen zu ermitteln:
Es sind grundsätzlich die Grundflächen aller Räume anzusetzen, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt (Wohn-, Verkaufs-, Keller-, Lager- und Speicherräume). Flächen, die zur Versorgung des Gebäudes verwendet oder nur gemeinsam genutzt werden (z.B. Technikräume, Treppenhaus, Fahrradabstellräume, Waschküchen) bleiben unberücksichtigt.
Die Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche vom 25.11.2003 (BGBl I 2003, 2346) sind nicht anzuwenden (BFH Beschluss vom 21.5.1987, V S 11/85, BFH/NV 1987, 536). Die Grundflächen sind auch dann in vollem Umfang anzusetzen, wenn nach den Regelungen der 2. Verordnung zur Berechnung der Wohnflächen die Flächen nur teilweise zu berücksichtigen sind (z.B. wegen Dachschrägen). Die Flächen von Terrassen oder Balkonen zählen nicht zur maßgeblichen Grundfläche.
Nicht mit dem Gebäude zusammenhängende Bauwerke auf demselben Grundstück sind selbstständig zu beurteilen (z.B. frei stehende Garagen, Carports und sonstige Fahrzeugabstellplätze, Gartenhäuser). Die Grundflächen dieser Bauwerke sind beim Gebäude nicht zu berücksichtigen.
Werden einzelne Räume vom Eigentümer sowohl für unternehmerische als auch außerunternehmerische Zwecke oder für nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze verwendet, ist die Grundfläche des Raums auf die jeweilige Nutzung aufzuteilen und zu berücksichtigen.
Die Fläche von Fahrzeugabstellplätzen, die sich innerhalb des Gebäudes befinden, ist anteilig i.H.d. Nutzung des eingestellten Fahrzeugs für unternehmerische oder zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze zu berücksichtigen. Wird die Bemessungsgrundlage für die Nutzung des Fahrzeugs für private Fahrten nach der sog. 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt, ist, soweit keine anderen Nachweise vorliegen, die unternehmerische Nutzung mit 51 % zu schätzen. Ist ertragsteuerlich die Anwendung der sog. 1 %-Regelung ausgeschlossen, weil das Fahrzeug zu nicht mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist grundsätzlich der für ertragsteuerliche Zwecke ermittelte private Nutzungsanteil zugrunde zu legen (Abschn. 15.23 Abs. 5 Nr. 2 UStAE).
Die Fläche von Fahrzeugstellplätzen (Garagen, Carports) außerhalb des Gebäudes ist nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich um eigenständige Zuordnungsobjekte.
Nach dem BFH-Urteil vom 10.12.2020 (V R 41/19, BFH/NV 2021, 949, LEXinform 0952652) sind für die Frage der Parkplatzvermietung im Zusammenhang mit der Wohnungsvermietung die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 13.7.1989 (C-173/88, UR 1990, 273, LEXinform 0096531) anzuwenden. Der EuGH hatte entschieden, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen vom Befreiungstatbestand nicht ausgenommen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücken, z.B. von Grundstücken für Wohnzwecke oder für gewerbliche Zwecke, eng verbunden ist, so dass beide Vermietungen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen. Dies sei dann der Fall, wenn der Platz für das Abstellen von Fahrzeugen und das für einen anderen Gebrauch bestimmte Grundstück Teil ein und desselben Gebäudekomplexes sind und diese beiden Gegenstände von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet werden. Dem hat sich der BFH in seiner Rspr. angeschlossen (BFH vom 30.3.2006, V R 52/05, BStBl II 2006, 731 und vom 21.6.2017, V R 3/17, BStBl II 2018, 372).
Nach dem BFH-Urteil vom 10.12.2020 (V R 41/19, BFH/NV 2021, 949, LEXinform 0952652, Rz. 20) liegt ein »Gebäudekomplex« i.S.d. vorstehenden EuGH-Rspr. auch dann vor, wenn es sich um ein Vorder- und Hinterhaus mit einem »Zwischenkomplex« handelt. Für das Vorliegen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter ist es zudem ohne Bedeutung, ob andere (externe) Mieter von Stellplätzen Zugang zu diesen haben, ohne das Mietgebäude betreten zu haben. Weiterhin ist es der einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zugehörigen Nebenleistung wesensimmanent, dass sie nicht stets im Gefolge der Hauptleistung auftritt und die Hauptleistung damit auch ohne Nebenleistung erbracht werden kann. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Wohnungsnutzung auch ohne Stellplatzanmietung möglich ist (s.a. Anmerkung vom 24.6.2021, LEXinform 0887391).
Werden einzelne Räume teilweise vom Eigentümer verwendet und teilweise an Dritte vermietet, kann die Grundfläche des Raumes anteilig berücksichtigt werden, da eine Vermietung kein ausschließliches Nutzungsrecht des Mieters voraussetzt. Ein anteiliger Ansatz ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Besitzrechte der verschiedenen Nutzer miteinander unvereinbar sind (BFH Urteil vom 20.7.1988, X R 8/80, BStBl II 1988, 1012).
Beispiel 3:
F errichtet im Jahr 2012 (Bauantrag nach dem 31.12.2010) ein Gebäude. Sie vermietet im Erdgeschoss des Gebäudes einen Raum (10 qm) und in einem Kellerraum eine Teilfläche von 7 qm als Archivplatz an ihren unternehmerisch tätigen Ehemann M. Über die Vermietung an M liegt ein schriftlicher Mietvertrag vor, der tatsächlich vereinbarungsgemäß vollzogen wird. Die übrigen Flächen des Gebäudes (Erd- und Obergeschoss insgesamt 90 qm, Kellergeschoss 43 qm) werden für private Wohnzwecke verwendet.
Lösung 3:
S. Beispiel 2 der Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7300 – Karte 7, SIS 21 05 14).
Auch die Teilfläche von 7 qm kann bei der Vermietung an M berücksichtigt werden. Die unternehmerische Verwendung beträgt somit 11,33 % (Gesamtnutzfläche 150 qm, davon unternehmerisch 17 qm). F kann das Gebäude insgesamt dem Unternehmen zuordnen, da die unternehmerische Mindestnutzung erreicht ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Ein Abzug der auf die Herstellungskosten entfallenden Vorsteuer ist jedoch nur i.H.v. 11,33 % möglich (§ 15 Abs. 1b UStG).
Werden einzelne Räume durch einen Mieter teilweise für unternehmerische und für nichtunternehmerische Zwecke oder teilweise für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze verwendet, ist ein anteiliger Ansatz der Grundfläche nicht möglich. Denn der Eigentümer des Grundstücks kann auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze nicht für einen Teil eines Raumes verzichten. Ein Verzicht ist für Teilflächen des Mietgegenstandes nur zulässig, wenn diese Teilflächen nach baulichen Merkmalen abgegrenzt werden können. Innerhalb eines Raums sind Flächen nicht hinreichend abgrenzbar, (vgl. Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 3, Abschn. 9.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE, BFH vom 24.4.2014, V R 27/13, BStBl II 2014, 732; → Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG).
Beachte:
Werden Fahrzeugabstellplätze im Rahmen einer Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung von Wohnungen überlassen (Abschn. 4.12.2 Abs. 3 UStAE) kann ebenfalls eine anteilige Berücksichtigung nicht erfolgen. Die Nebenleistung ist, wie auch die Hauptleistung, insgesamt steuerfrei.
Beispiel 4:
In einem im Jahr 2010 errichteten Gebäude (Seeling-Modell) befindet sich im Erdgeschoss eine steuerpflichtig vermietete Gaststätte. Im Obergeschoss befinden sich steuerfrei vermietete Wohnungen. Das Dachgeschoss wird vom Eigentümer des Gebäudes zu eigenen Wohnzwecken genutzt. In dem zur Dachgeschosswohnung gehörenden Tiefgaragenstellplatz wird das zu 60 % für unternehmerische Zwecke des Eigentümers genutzte Fahrzeug eingestellt. Die unternehmerische Nutzung des Fahrzeugs berechtigt in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug. Der Eigentümer möchte die zu privaten Zwecken genutzten Gebäudeteile dem Unternehmen zuordnen.
Die Grundflächen des Gebäudes werden wie folgt genutzt:
qm | davon Dachschräge in qm | |
Keller | ||
Kellerräume der Gaststätte | 100 | |
Kellerräume der vermieteten Wohnungen | 70 | |
Kellerräume der eigengenutzten Wohnung | 30 | |
Nebenräume (Heizungsraum, Trockenraum, Fahrradabstellplatz, Waschküche, Flure und Treppenhaus) | 80 | |
Garagenabstellplätze für die Gaststätte | 40 | |
Garagenabstellplätze für die vermietete Wohnungen | 60 | |
Garagenabstellplatz für die eigengenutzte Wohnung | 20 | |
Erdgeschoss | ||
Gaststätte | 350 | |
Zugang und Treppenhaus | 50 | |
Obergeschoss | ||
Wohnungen | 350 | |
Balkone | 70 | |
Treppenhaus | 50 | |
Dachgeschoss | ||
Wohnung | 270 | 70 |
Treppenhaus | 30 | |
Dachterrasse | 100 |
Lösung 4:
S. Beispiel 3 der Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7300 – Karte 7, SIS 21 05 14).
Die Flächen der gemeinschaftlich genutzten Nebenräume im Keller, der Zugang zum Gebäude, das Treppenhaus, die Balkone und die Dachterrasse werden weder bei der Ermittlung der Gesamtfläche noch der Einzelflächen berücksichtigt.
Ermittlung der maßgebenden Flächen:
gesamt qm | unternehmerisch qm | VorSt abzug qm | VorSt ausschluss qm | ||
Keller | Kellerräume der Gaststätte | 100 | 100 | 100 | 0 |
Kellerräume der vermieteten Wohnungen | 70 | 70 | 0 | 70 | |
Kellerräume der eigen- genutzten Wohnung | 30 | 0 | 30 | 0 | |
Nebenräume (Heizungsraum, Trockenraum, Fahrradabstellplatz, Waschküche, Flure und Treppenhaus) | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Garagenabstellplätze für die Gaststätte | 40 | 40 | 40 | 0 | |
Garagenabstellplätze für die vermietete Wohnungen | 60 | 60 | 0 | 60 | |
Garagenabstellplatz für die eigengenutzte Wohnung | 20 | 12 | 20 | 0 | |
Erdgeschoss | Gaststätte | 350 | 350 | 350 | 0 |
Zugang und Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Obergeschoss | Wohnungen | 350 | 350 | 0 | 350 |
Balkone | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Dachgeschoss | Wohnung | 270 | 0 | 270 | 0 |
Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Dachterrasse | 0 | 0 | 0 | 0 | |
gesamt | 1 290 | 982 | 810 | 480 |
Eine Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen ist zulässig, da die unternehmerische Nutzung 76,12 % (982 qm der Gesamtnutzfläche von 1 290 qm) beträgt. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung beträgt 62,79 % (810 qm der Gesamtnutzfläche von 1 290 qm).
Beispiel 5:
Wie Beispiel 4, jedoch wurde das Gebäude aufgrund eines nach dem 31.12.2010 eingereichten Bauantrags errichtet.
Lösung 5:
Die Vorsteuern auf Herstellungskosten, die auf die Nutzung für unternehmensfremde Zwecke entfallen, sind nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abzugsfähig.
gesamt qm | unternehmerisch qm | VorSt- Abzug qm | VorSt- Ausschluss qm | ||
Keller | Kellerräume der Gaststätte | 100 | 100 | 100 | 0 |
Kellerräume der vermieteten Wohnungen | 70 | 70 | 0 | 70 | |
Kellerräume der eigen- genutzten Wohnung | 30 | 0 | 0 | 30 | |
Nebenräume (Heizungsraum, Trockenraum, Fahrradabstellplatz, Waschküche, Flure und Treppenhaus) | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Garagenabstellplätze für die Gaststätte | 40 | 40 | 40 | 0 | |
Garagenabstellplätze für die vermietete Wohnungen | 60 | 60 | 0 | 60 | |
Garagenabstellplatz für die eigengenutzte Wohnung | 20 | 12 | 12 | 8 | |
Erdgeschoss | Gaststätte | 350 | 350 | 350 | 0 |
Zugang und Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Obergeschoss | Wohnungen | 350 | 350 | 0 | 350 |
Balkone | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Dachgeschoss | Wohnung | 270 | 0 | 0 | 270 |
Treppenhaus | 0 | 0 | 0 | 0 | |
Dachterrasse | 0 | 0 | 0 | 0 | |
gesamt | 1 290 | 982 | 502 | 788 |
Eine Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen ist zulässig, da die unternehmerische Nutzung 76,12 % (982 qm der Gesamtnutzfläche von 1 290 qm) beträgt. Die zum Vorsteuerabzug berechtigende Nutzung beträgt 38,91 % (502 qm der Gesamtnutzfläche von 1 290 qm).
Maßgeblich für die 10-%-Grenze ist der Umfang der erstmaligen Verwendung bzw. Verwendungsabsicht. Durch eine spätere Änderung der Nutzung, die zu einer unternehmerischen Nutzung unter 10 % führt, kann der Unternehmer nicht dazu gezwungen werden, das Gebäude aus seinem Unternehmensvermögen zu entnehmen. Es ergibt sich ab der Nutzungsänderung lediglich bei der Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe eine höhere Bemessungsgrundlage. Zum Prognosezeitraum s. Abschn. 15.2c Abs. 12 UStAE und dort die Beispiele 1 und 2.
Die zwangsweise Zuordnung zum nichtunternehmerischen Bereich führt dazu, dass der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten eines Gegenstandes entfällt, der zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt wird. Die Regelung zielt in erster Linie auf Fahrzeuge ab, die nur geringfügig unternehmerisch genutzt werden. Die Einschränkung des Zuordnungswahlrechts des Unternehmers gilt nicht nur für Fahrzeuge, sondern für alle gemischt genutzten Gegenstände: Gebäude, Computer, Telefonanlagen, Faxgeräte usw. Während der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten eines zwangsweise dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordneten Gegenstandes entfällt, können die auf die gelegentliche unternehmerische Nutzung entfallenden, anteiligen Vorsteuern dagegen abgezogen werden (Abschn. 15.2c Abs. 3 Satz 2 und 3 UStAE). Die 10-%-Grenze gilt nur für Gegenstände. Für die Inanspruchnahme einer Dienstleistung gilt diese Grenze nicht.
Ordnet der Unternehmer den teils unternehmerisch und teils nichtunternehmerisch genutzten Gegenstand dem Unternehmen in vollem Umfang zu, kann er die Vorsteuer aus der Anschaffung, der Herstellung sowie der Verwendung oder Nutzung in voller Höhe abziehen, wenn er den Gegenstand für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Die nichtunternehmerische Nutzung unterliegt nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nur dann der USt, wenn das Grundstück vor dem 1.1.2011 angeschafft oder hergestellt wurde (§ 27 Abs. 16 UStG – Seeling-Modell). Will der Unternehmer einen Gegenstand nur hinsichtlich des unternehmerisch genutzten Teils dem Unternehmen zuordnen, darf er aus der Anschaffung oder Herstellung nur die auf diesen Teil entfallende Vorsteuer abziehen. Zum Seeling-Modell sowie zu dessen Ende mit Einführung des § 15 Abs. 1b UStG s. die Erläuterungen unter → Unternehmensvermögen.
Beachte:
Mit Urteil vom 12.8.2015 (XI R 6/13, BStBl II 2015, 1063) hat der BFH klargestellt, dass die rückwirkend zum 1.7.2004 geänderte Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben in sog. »Seeling-Fällen« unionsrechtskonform und verfassungsgemäß war. Nach der damals einhelligen Auslegung des Begriffs der »Kosten« i.S.d. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. war dabei grundsätzlich von den bei der ESt zugrunde gelegten Kosten, d.h. von den nach Maßgabe der jährlichen AfA gem. § 7 Abs. 4 EStG auf 50 Jahre zu verteilenden Herstellungskosten auszugehen.
Für nach dem 30.6.2004 ausgeführte Umsätze ist gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 UStG der Umsatz bei sonstigen Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben zu bemessen, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 UStG auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines WG, soweit das WG dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 €, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das WG maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG). Nach § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG beträgt der Berichtigungszeitraum bei Grundstücken zehn Jahre, weshalb die unentgeltliche Wertabgabe grundsätzlich i.H.v. 10 % der Gebäudeherstellungskosten anzusetzen ist (s.a. Anmerkung vom 27.10.2015, LEXinform 0947281).
Hinweis:
Die folgenden Erläuterungen betreffen Grundstücke, für die § 15 Abs. 1b UStG anzuwenden ist.
Beispiel 6:
Unternehmer U baut ein Einfamilienhaus mit zwei Büroräumen. Die Wohnfläche beträgt 180 qm, die unternehmerisch genutzte Fläche 25 qm. Die Herstellungskosten von 400 000 € entfallen auf den Wohnteil mit 370 000 € und auf den unternehmerischen Teil mit 30 000 €. Nach der Wohn- und Nutzfläche beträgt der unternehmerisch genutzte Anteil 12,2 %, nach dem Verhältnis der Herstellungskosten aber nur 7,5 %.
Lösung 6:
S.a. Beispiel 3 der Vfg. der OFD Karlsruhe vom 13.8.2019 (S 7300 – Karte 5, UR 2019, 749, SIS 19 12 37).
Ein Gegenstand kann dem Unternehmen zugeordnet werden, wenn er zu mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Für die Berechnung der 10-%-Grenze ist das Verhältnis der gesamten Wohn- und Nutzfläche zu der unternehmerisch genutzten Fläche maßgebend. Danach wird das Gebäude zu 12,2 % (25 qm : 205 qm x 100) für unternehmerische Zwecke verwendet und kann insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden. Von der USt von 76 000 € entfallen 87,8 % = 66 728 € auf den eigen genutzten Wohnteil und können nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abgezogen werden.
Zum Zuordnungsschlüssel s. Abschn. 15.2c Abs. 8 UStAE. Sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist danach in der Regel das Verhältnis der Nutzflächen (s.a. Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE). Zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden s. den Vorlagebeschluss des BFH vom 5.6.2014 (XI R 31/09, LEXinform 5016623), mit dem der BFH dem EuGH mehrere Fragen zur Vorsteueraufteilung bei Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude vorgelegt hat (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 50/2014 vom 9.7.2014, LEXinform 0442071). Mit Urteil vom 9.6.2016 (C–332/14, UR 2016, 545, LEXinform 0589505) hat der EuGH die Fragen des Vorabentscheidungsersuchens des BFH (Beschluss vom 5.6.2014, XI R 31/09, BFH/NV 2014, 1334, LEXinform 5016623) beantwortet.
Zum Zuordnungsverbot s.a. das Beispiel unter Abschn. 15.2c Abs. 7 UStAE.
Abb.: Umsatzsteuerrechtliche Behandlung der unterschiedlichen Gebäudenutzung
Beispiel 7:
Unternehmer U erwirbt im April 2011 ein Gebäude für 500 000 € zzgl. 95 000 € USt. U ordnet das Gebäude zu 100 % seinem Unternehmen zu und nutzt 25 % der Nutzfläche für private Zwecke. Das übrige Grundstück nutzt U zu 80 % für Abzugsumsätze und zu 20 % für steuerfreie Ausschlussumsätze.
Im September lässt U das Dach des Gebäudes für 35 000 € zzgl. 6 650 € USt erneuern.
Lösung 7:
U kann im Zeitpunkt der Anschaffung gem. § 15 Abs. 1b UStG nur 75 % der ihm in Rechnung gestellten USt aus den Anschaffungskosten als Vorsteuer abziehen (75 % von 95 000 € = 71 250 €). Da U den unternehmerischen Teil zu 20 % für Ausschlussumsätze nutzt, ergibt sich nach § 15 Abs. 4 UStG ein Vorsteuerausschluss von 20 % von 71 250 € = 14 250 €. Im Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung hat U einen Vorsteuerabzug von insgesamt 57 000 €.
Für den Vorsteuerabzug aus der Erneuerung des Daches gilt das Gleiche. Nach § 15 Abs. 4 Satz 4 UStG ist die Vorsteuer auf den Privatanteil zu 25 % nicht abziehbar (25 % von 6 650 € = 1 662,50 €) bzw. lediglich zu 75 % = 4 987,50 € abziehbar. Dieser Betrag ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG auf die Abzugs- und Ausschlussumsätze im Verhältnis 80/20 aufzuteilen. Danach sind 80 % von 4 987,50 € = 3 990 € als Vorsteuer abzugsfähig.
Objekt der Zuordnungsentscheidung des Unternehmers ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug, d.h. jeder bezogene Gegenstand und jede bezogene sonstige Leistung im Rahmen der Anschaffung oder Herstellung eines einheitlichen Gegenstands. Dies gilt auch für Erhaltungsaufwendungen, weil die Vorsteuern aus der Anschaffung bzw. Herstellung eines Gegenstands und die Vorsteuern aus seinem Gebrauch und seiner Erhaltung einer getrennten umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung unterliegen (Abschn. 15.2c Abs. 9 UStAE).
Bezieht der Unternehmer sonstige Leistungen und Lieferungen zur Herstellung eines einheitlichen Gegenstands, ist dieser herzustellende bzw. hergestellte Gegenstand endgültiges Zuordnungsobjekt. Bei dieser Zuordnung ist bereits auf die im Zeitpunkt des Bezugs bestehende Verwendungsabsicht für das zu errichtende Gebäude als Summe der im Rahmen seiner Herstellung bezogenen Leistungen abzustellen. Bei Anzahlungen für eine Leistung ist entsprechend zu verfahren. Nach dem Grundsatz des Sofortabzugs ist für den Vorsteuerabzug die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs entscheidend. Ändert der Unternehmer während eines zeitlich sich über einen Veranlagungszeitraum hinaus erstreckenden Herstellungsvorgangs (gestreckter Herstellungsvorgang) seine Verwendungsabsicht, führt dies aus Vereinfachungsgründen nicht zu einer sofortigen Einlage oder Entnahme der zuvor bezogenen Leistungen für die Herstellung des einheitlichen Gegenstands (Abschn. 15.2c Abs. 9 Nr. 1 UStAE).
Die Begriffe Herstellungskosten und nachträgliche Herstellungskosten sind grundsätzlich nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen. Dies gilt jedoch nicht, soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden (vgl. Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE). Nachträgliche Herstellungskosten sind getrennt vom ursprünglichen Herstellungsvorgang zu betrachten. Sie bilden deshalb ein eigenständiges Zuordnungsobjekt, über dessen Zuordnung anhand der Tätigkeiten zu entscheiden ist, denen die nachträglichen Herstellungskosten konkret dienen oder dienen sollen. Wird im Rahmen einer nachträglichen Herstellungsmaßnahme ein bestehendes Gebäude um neue Gebäudeteile erweitert (z.B. durch Aufstockung, Anbau oder Vergrößerung der Nutzflächen), ist dementsprechend für die Zuordnung der nachträglichen Herstellungskosten ausschließlich auf die Verwendungsverhältnisse in den neuen Gebäudeteilen abzustellen. Dies gilt entsprechend für Aufteilungsobjekte i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG (Abschn. 15.2c Abs. 9 Nr. 2 i.V.m. Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 12 UStAE).
Hinweis:
S. das ausführliche Beispiel 1 in Abschn. 15.2c Abs. 9 UStAE.
Beispiel 8:
Lösung 8:
S.a. das Beispiel 1 nach Abschn. 15.2c Abs. 19 UStAE.
Das Gebäude des U soll für unternehmerische und unternehmensfremde (private) Zwecke verwendet werden. U hat deshalb grundsätzlich das Wahlrecht, das Gebäude vollständig, gar nicht oder im Umfang der unternehmerischen Nutzung dem Unternehmen zuzuordnen. Eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung ist bis zum 31.7. des Folgejahres möglich. U hat das sich im Herstellungsprozess befindende Gebäude seinem Unternehmen zugeordnet und die Zuordnung gegenüber dem FA rechtzeitig dokumentiert. U kann im Rahmen der berichtigten Jahreserklärungen für 04 und 05 und der Jahreserklärung 06 Vorsteuerbeträge geltend machen, soweit diese auf die beabsichtigte unternehmerische Nutzung entfallen (04 = 16 000 €, 05 = 8 000 €, 06 = 12 000 €). Soweit eine private Verwendung des Gebäudes beabsichtigt ist, greift der Vorsteuerausschluss nach § 15 Abs. 1b UStG. Spätere Änderungen der Verwendung des Gebäudes können nach § 15a Abs. 6a i.V.m. Abs. 1 UStG berichtigt werden.
1. Abwandlung Beispiel 8:
U hat keine schriftliche Erklärung gegenüber dem FA abgegeben, dass er das Gebäude seinem Unternehmen vollständig zuordnen möchte. Die erstmaligen Jahreserklärungen für die Jahre 04, 05 und 06 reicht U erst zum 31.7.07 ein.
Lösung:
S.a. das Beispiel 2 nach Abschn. 15.2c Abs. 19 UStAE.
Das Gebäude des U soll für unternehmerische und unternehmensfremde (private) Zwecke verwendet werden. U hat deshalb grundsätzlich das Wahlrecht, das Gebäude vollständig, gar nicht oder im Umfang der unternehmerischen Nutzung dem Unternehmen zuzuordnen. Eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung ist bis zum 31.7. des Folgejahres möglich. Mit der Abgabe der Jahreserklärungen 04 bis 06, in denen U 40 % der Vorsteuerbeträge geltend macht, will U dokumentieren, dass er den unternehmerisch genutzten Gebäudeteil seinem Unternehmen zuordnet. In Bezug auf den unternehmensfremd (privat) verwendeten Anteil hat U bis zum 31.7.05 bzw. bis zum 31.7.06 keine Zuordnung dokumentiert (weder Erklärung noch Vorsteuerabzug), so dass diese nicht unterstellt werden kann.
Da U für die Jahre 04 und 05 bis zum 31.7. des jeweiligen Folgejahres keine Zuordnung zum Unternehmen dokumentiert hat, ist für diese Jahre ein Vorsteuerabzug nicht möglich. Ohne Zuordnungsentscheidung und andere Beweisanzeichen kann die Zuordnung zum Unternehmen nicht unterstellt werden (Abschn. 15.2c Abs. 18 UStAE). Das unfertige Gebäude (Herstellungsvolumen aus den Jahren 04 und 05) gilt zum 1.1.06 zu 40 % als in sein Unternehmen eingelegt, weil die ggf. zuvor erfolgte Zuordnung zum Unternehmen in Folge der verspäteten Dokumentation für die Jahre 04 und 05 nicht berücksichtigt werden kann. Das Vorsteuervolumen für eine Berichtigung nach § 15a UStG reduziert sich deshalb auf die Vorsteuerbeträge aus dem Jahr 06 i.H.v. 12 000 €, für die die Zuordnung zum Unternehmen rechtzeitig dokumentiert worden ist.
2. Abwandlung Beispiel 8:
U macht während der Herstellungsphase aus den Aufwendungen 40 % Vorsteuerabzug geltend. Außer der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs liegen keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen vor.
Lösung:
S.a. das Beispiel 6 nach Abschn. 15.2c Abs. 19 UStAE.
U hat das Gebäude im Umfang seiner unternehmerischen Nutzung von 40 % seinem Unternehmen zugeordnet. Durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs i.H.v. insgesamt 36 000 € hat U seine Zuordnungsentscheidung dokumentiert. In Bezug auf den wie beabsichtigt unternehmensfremd verwendeten Gebäudeanteil hat U keine Zuordnung zum Unternehmen dokumentiert. Ohne Beweisanzeichen kann diese nicht unterstellt werden. Die weiteren Vorsteuerbeträge i.H.v. 54 000 € können deshalb weder nach § 15 Abs. 1 UStG noch nachträglich nach § 15a UStG geltend gemacht werden. Wirtschaftsgut i.S.d. § 15a UStG ist nur der dem Unternehmen zugeordnete Gebäudeteil. Auf das Berichtigungsobjekt entfallen somit nur die Vorsteuerbeträge i.H.v. 36 000 € bei einer 100 % unternehmerischen vorsteuerunschädlichen Nutzung. Da U in Jahr 07 das Berichtigungsobjekt ebenfalls nur unternehmerisch verwendet, liegt keine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG vor.
Beispiel 9:
Unternehmer U erwirbt zum 1.4.12 ein Gebäude. U beabsichtigt nachweislich, dieses zu 20 % für seine unternehmerische Tätigkeit und zu 80 % für private Zwecke zu verwenden. Tatsächlich verwendet U das Gebäude bis zum 31.12.12 (erstmalige Verwendung 1.6.12) nur zu 5 % für seine unternehmerische Tätigkeit.
Lösung 9:
S.a. das Beispiel 2 zu Abschn. 15.2c Abs. 12 UStAE.
U hat im Zeitpunkt des Erwerbs (1.4.12) über die Zuordnung des Gebäudes zu entscheiden. Da er zu diesem Zeitpunkt das Gebäude zu mindestens 10 % unternehmerisch (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) und ansonsten für seine unternehmensfremden Tätigkeiten zu nutzen beabsichtigt, hat U ein Zuordnungswahlrecht, d.h. er kann das Gebäude zu 0 %, zu 100 % oder zu 20 % seinem Unternehmen zuordnen. Ordnet U das Gebäude zu 100 % seinem Unternehmen zu, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1b UStG ausgeschlossen, soweit das Gebäude für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird. Soweit die tatsächliche Verwendung von der vorgesehenen Verwendung abweicht, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 6a UStG zu prüfen.
Beispiel 10:
Unternehmer U erwirbt zum 1.4.12 ein Gebäude. U beabsichtigt nachweislich, das Gebäude vom 1.5.12 bis 30.6.12 zu 70 % und ab dem 1.7.12 bis 31.12.12 sowie in den Folgejahren zu 50 % für seine unternehmerische Tätigkeit und ansonsten für private Zwecke zu nutzen.
Lösung 10:
S.a. das Beispiel 1 zu Abschn. 15.2c Abs. 12 UStAE.
Die beabsichtigte unternehmerische Nutzung für das Jahr der erstmaligen Verwendung beträgt im Jahr 12 als gemittelter Wert 55 % (2/8 von 70 % + 6/8 von 50 %) und überschreitet damit die unternehmerische Mindestnutzung des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG. U kann das Gebäude somit entweder zu 0 %, zu 55 % oder zu 100 % seinem Unternehmen zuordnen. Die beabsichtigte Nutzung im Folgejahr ist für die Zuordnungsentscheidung unerheblich, da nur der Besteuerungszeitraum der ersten Verwendung maßgebend ist. Entscheidet sich U für eine vollständige oder teilweise Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmen, kann sich in den Folgejahren eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6a UStG ergeben.
Auch ein häusliches Arbeitszimmer eines Unternehmers kommt grundsätzlich für die unternehmerische Nutzung in Betracht (→ Häusliches Arbeitszimmer).
Die Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652), wonach bei einem häuslichen Arbeitszimmer der Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug nur noch dann zu gewähren ist, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Nutzung bildet, ist umsatzsteuerrechtlich ohne Auswirkung. Maßgeblich für den Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ist allein, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen.
Beispiel 11:
D ist als Beamter Dozent einer Fachhochschule und lehrt dort das Steuerrecht. Weiterhin hat D einen USt-Kommentar veröffentlicht, der ständig ergänzt wird. Am 1.7.11 bezieht D sein Einfamilienhaus, das er für 230 000 € zzgl. 43 700 € USt herstellen ließ. In diesem Haus nutzt D einen Raum (20 % der Fläche) als häusliches Arbeitszimmer, welches ausschließlich für die schriftstellerische Tätigkeit genutzt wird.
Lösung 11:
D ist neben seiner unselbstständigen Tätigkeit als Beamter auch Unternehmer, weil er sich gegen entgeltliche Ausgangsleistungen als Schriftsteller betätigt. Als teilunternehmerisch genutztes Grundstück kann das Grundstück insgesamt dem Unternehmen des D zugeordnet werden (Abschn. 15.2c Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b UStAE). Nach § 27 Abs. 16 UStG ist ab 2011 das Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 1b UStG zu beachten. Nach § 15 Abs. 1b Satz 1 UStG ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Hiervon unberührt bleiben Gegenstände, die umsatzsteuerrechtlich selbstständige Zuordnungsobjekte i.S.d. § 15 Abs. 1 UStG darstellen (z.B. Photovoltaikanlage und Blockheizkraftwerk). Aufgrund der Vorsteuerabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 1b UStG unterliegt die Verwendung eines Grundstücks für unternehmensfremde Zwecke nicht der unentgeltlichen Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG (vgl. Abschn. 3.4 Abs. 5a und Abschn. 15.6a Abs. 3 UStAE).
Zum Zuordnungsverbot beim Nichterreichen der unternehmerischen Mindestnutzung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG s. Abschn. 15.2c Abs. 5 bis 7 UStAE mit Beispiel.
S. → Vorsteuerabzug und → Grundstücksgemeinschaften; Abschn. 15.2b Abs. 1 UStAE sowie Meurer, NWB 2010, 3204 unter II.
Das Recht auf Vorsteuerabzug des Unternehmers entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Im Rahmen des § 15 Abs. 2 und 3 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (BFH Urteil vom 22.3.2001, V R 46/00, BStBl II 2003, 433; Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 5 und 6 UStAE).
Zum Zeitpunkt der Zuordnungsentscheidung bei gemischt genutzten Gegenständen s.o. den Gliederungspunkt »Zuordnungsentscheidung«.
Wie oben bereits erläutert, ist nach § 15 Abs. 1b UStG die Steuer im Zusammenhang mit einem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt (Abschn. 15.6a Abs. 3 Satz 1 UStAE). § 15 Abs. 1b UStG stellt eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar und berührt nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers nach § 15 Abs. 1 UStG (Abschn. 15.6a Abs. 1 Satz 3 UStAE). Zur Berechnung des maßgeblichen Flächenverhältnisses s.o. die Vfg. der OFD Karlsruhe vom 3.3.2021 (S 7300 – Karte 7, SIS 21 05 14).
Mit Urteil vom 28.9.2006 (V R 43/03, BStBl II 2007, 417) hat der BFH zum Vorsteuerabzug bei Renovierung eines erworbenen Wohn- und Geschäftshauses Folgendes entschieden: Für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und erheblichem Umbau eines Gebäudes, das anschließend vom Erwerber für steuerpflichtige und steuerfreie Verwendungsumsätze vorgesehen ist, ist vorgreiflich zu entscheiden, ob es sich bei den Umbaumaßnahmen nur um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um anschaffungsnahen Aufwand zur Gebäudeanschaffung handelt bzw. ob insgesamt die Herstellung eines neuen Gebäudes anzunehmen ist. Vorsteuerbeträge, die den Gegenstand selbst (Gebäude) oder die Erhaltung, Nutzung oder den Gebrauch des Gegenstandes betreffen, sind gesondert zu beurteilen (Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 1 und 2 UStAE). Handelt es sich insgesamt um Aufwendungen für das Gebäude selbst, kommt nur eine Aufteilung der gesamten Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab in Betracht (§ 15 Abs. 4 UStG; Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 3 UStAE). Dieser kann ein Flächenschlüssel oder ein Umsatzschlüssel sein (Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE). Ein sog. Investitionsschlüssel ist nicht zulässig (Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 9 UStAE).
Beachte:
Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien oder stpfl. Zwecken führt die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel (BFH vom 26.4.2018, V R 23/16, BFH/NV 2018, 1205, LEXinform 0950872).
Streitig war der Umfang des Vorsteuerabzugs einer Privatschule für den Anbau einer Sporthalle und eines Sportplatzes, die teilweise für steuerfreie eigenschulische Zwecke und teilweise für stpfl. Vermietungszwecke an Vereine genutzt wurden (s.a. Anmerkungen vom 13.9.2018, LEXinform 0949914 und vom 14.9.2018, LEXinform 0880391).
Der Umfang der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gebäude kann sich danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gebäudes die Aufwendungen vorgenommen werden (direkte Zuordnung).
Beachte:
Erhaltungsaufwendungen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden, sind umsatzsteuerlich weiterhin wie Erhaltungsaufwendungen zu behandeln (Abschn. 15.2c Abs. 9 Satz 3 UStAE).
Der BFH hat mit Urteil vom 22.11.2007 (V R 43/06, BStBl II 2008, 770) seine bisherige Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei Erwerb und erheblichem Umbau eines gemischt genutzten Gebäudes (BFH vom 28.9.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417) bestätigt. Nach der Rspr. des BFH gelten für den Vorsteuerabzug bei Erwerb und erheblichem Umbau eines gemischt genutzten Gebäudes folgende Grundsätze (s.a. BMF vom 30.9.2008, BStBl I 2008, 896):
Vorgreiflich ist zu entscheiden, ob es sich bei den Umbaumaßnahmen nur um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um anschaffungsnahen Aufwand zur Gebäudeanschaffung handelt, oder ob insgesamt die Herstellung eines neuen Gebäudes anzunehmen ist.
Gesondert zu beurteilen sind Vorsteuerbeträge, die den Gegenstand selbst (Gebäude) und Vorsteuerbeträge, die die Erhaltung, Nutzung oder den Gebrauch des Gegenstandes betreffen.
Handelt es sich insgesamt um Aufwendungen für das Gebäude selbst, kommt nur eine Aufteilung der gesamten Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab in Betracht (§ 15 Abs. 4 UStG). Dieser kann ein Flächenschlüssel oder ein Umsatzschlüssel sein. Ein sog. Investitionsschlüssel ist nicht zulässig.
Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstands formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder – bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung – das FA ein sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab auch für die nachfolgenden Kj. bindend (FG Münster vom 3.7.2018, 5 K 2587/16, BB 2018, 1941, LEXinform 5021442).
Beziehen sich die Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gebäude, richtet sich deren Abziehbarkeit danach, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gebäudes die Aufwendungen vorgenommen werden.
Der BFH hat mit Urteil vom 7.5.2014 (V R 1/10, BFH/NV 2014, 1177, LEXinform 0927552) seine bisherige Rspr. (BFH vom 22.8.2013, V R 19/09, BFH/NV 2014, 278, LEXinform 0179939) bestätigt, wonach sich bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel richtet. Darüber hinausgehend hat er entschieden, dass die Vorsteuerbeträge jedoch nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen sind, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen. Der Flächenschlüssel findet dann keine Anwendung, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten (Höhe der Räume, Dicke der Wände, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist. In solchen Fällen ist die Vorsteueraufteilung anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels vorzunehmen (BFH Pressemitteilung Nr. 42/2014 vom 11.6.2014, LEXinform 0441953 sowie Heuermann, UR 2014, 505; s.a. Wäger, DB 2014, 1397). In einem weiteren Urteil vom 3.7.2014 (V R 2/10, BFH/NV 2014, 1699, LEXinform 0927553) hat der BFH seine Sichtweise bestätigt und fortgeführt. Vorsteuerbeträge sind dann nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, dass erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen (s.a. BFH vom 11.11.2020, XI R 7/20, BFH/NV 2021, 518, LEXinform 0952860; s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 4/2021 vom 18.2.2021, LEXinform 0460129). Bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes richtet sich die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel (s.a. Anmerkung vom 5.9.2014, LEXinform 0879470 sowie Grebe u.a., UStB 5/2015, 122).
Mit Beschluss vom 5.6.2014 (XI R 31/09, BFH/NV 2014, 1334, LEXinform 5016623) hat der XI. Senat des BFH dem EuGH mehrere Fragen zur Vorsteueraufteilung bei Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude sowie zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorgelegt.
Sachverhalt:
In der Sache ging es zum einen um die Höhe des Vorsteuerabzugs im Jahr 2004 aus Baukosten sowie aus laufenden Kosten für ein Wohn- und Geschäftshaus, mit dem die Klägerin sowohl steuerfreie als auch stpfl. Vermietungsumsätze ausführte.
Da in diesen Fällen der Vorsteuerabzug nur zulässig ist, soweit die von einem Unternehmer bezogenen Eingangsleistungen (hier Baumaterial, Handwerkerleistungen etc.) für stpfl. Ausgangsumsätze (hier: Vermietungsumsätze) verwendet werden, müssen die insgesamt angefallenen Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden. Seit der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Wirkung vom 1.1.2004 ist dabei eine Aufteilung nach dem Verhältnis der (voraussichtlichen) steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. »Umsatzschlüssel«) nur noch nachrangig zulässig.
Die Klägerin ermittelte die abziehbaren Vorsteuern für das Streitjahr 2004 – wie in den Vorjahren – nach dem Umsatzschlüssel. Das FA legte dagegen der Vorsteueraufteilung den (für die Klägerin ungünstigeren) Flächenschlüssel zugrunde.
Mit der ersten Vorlagefrage soll geklärt werden, ob bei gemischt genutzten Gebäuden die Vorsteuern auf Eingangsleistungen, die die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes betreffen, zunächst den Ausgangsumsätzen zugeordnet werden müssen (1. Phase) und lediglich die danach verbleibenden Vorsteuern nach einem (weniger präzisen) Flächen- oder Umsatzschlüssel aufzuteilen sind (2. Phase). Weiter ist zu klären, ob dies entsprechend für Vorsteuern auf laufende Kosten gilt. Dies war in einem zu § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ergangenen EuGH-Urteil offengeblieben. Die weiteren Vorlagefragen sind zu der Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG ergangen (BFH Pressemitteilung Nr. 50/2014 vom 9.7.2014, LEXinform 0442071).
Hinweis:
Nach der gegenwärtigen Praxis ist für die gesamten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Gebäudes auf die prozentuale Verwendung des gesamten Gebäudes abzustellen (§ 15 Abs. 4 UStG; Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE). Erhaltungsaufwendungen werden dagegen vorrangig den jeweils verwendeten Gebäudeteilen zugeordnet (Abschn. 15.17 Abs. 8 Satz 1 UStAE). Nur wenn eine direkte Zuordnung nicht möglich ist, ist eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen (Abschn. 15.17 Abs. 8 Satz 2 UStAE).
Mit Urteil vom 9.6.2016 (C-332/14, UR 2016, 545, LEXinform 0589505) hat der EuGH die Fragen des Vorabentscheidungsersuchens des BFH (Beschluss vom 5.6.2014, XI R 31/09, BFH/NV 2014, 1334, LEXinform 5016623) beantwortet.
Zur 1. Vorlagenfrage (s.o.) hat der EuGH entschieden, dass bei einem gemischt genutzten Grundstück die Mitgliedstaaten nicht vorschreiben müssen, dass die auf der Eingangsstufe für die Errichtung, Anschaffung, Nutzung, Erhaltung oder Unterhaltung dieses Gebäudes verwendeten Gegenstände und Dienstleistungen zunächst diesen verschiedenen Umsätzen zugeordnet werden, wenn eine solche Zuordnung schwer durchführbar ist, damit danach nur das Recht auf Vorsteuerabzug für diejenigen Gegenstände und Dienstleistungen, die sowohl für bestimmte Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für andere Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, anhand eines Umsatzschlüssels oder, vorausgesetzt, diese Methode gewährleistet eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs, eines Flächenschlüssels bestimmt wird (s.a. Anmerkung vom 9.6.2016, Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, LEXinform 0401932).
Hinweis:
Letztendlich bestätigt der EuGH die geltende nationale Regelung. Danach ist die Vorsteuer nach einem Flächenschlüssel aufzuteilen, wenn dieser Schlüssel im Einzelfall präziser ist als der Umsatzschlüssel. Weiter bestätigt der EuGH die Verwaltungsregelung in Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 3 UStAE, wonach bei Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten nur eine Aufteilung der gesamten auf den einheitlichen Gegenstand entfallenden Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab in Betracht kommt.
Beachte:
Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 9.6.2016 (C-332/14 Wolfgang und Dr. Wilfried Rey Grundstücksgemeinschaft GbR, UR 2016, 545, LEXinform 0589505) mit Urteil vom 10.8.2016 (XI R 31/09, BFH/NV 2016, 1654, LEXinform 0927432) entschieden, dass bei der Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes – im Gegensatz zu den laufenden Aufwendungen – für die Aufteilung der Vorsteuer nicht darauf abgestellt werden kann, welche Aufwendungen in bestimmte Teile des Gebäudes eingehen; vielmehr kommt es insoweit auf die Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an. Bei der Vorsteueraufteilung ermöglicht der objektbezogene Flächenschlüssel regelmäßig – d.h. wenn die verschiedenen Zwecken dienenden Flächen miteinander vergleichbar sind – eine sachgerechte und »präzisere« Berechnung des Rechts auf Vorsteuerabzug als der gesamtumsatzbezogene oder der objektbezogene Umsatzschlüssel (BFH Pressemitteilung Nr. 63/2016 vom 28.9.2016, LEXinform 0445138 sowie Anmerkung vom 5.10.2016, LEXinform 0653009).
Abb.: Vorsteueraufteilung nach der BFH-Rechtsprechung
Herstellungskosten eines Gebäudes sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB Aufwendungen für die Herstellung eines Gebäudes sowie Aufwendungen, die für die Erweiterung oder für die über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung eines Gebäudes entstehen.
Die Herstellungskosten sind in den Rz. 17 bis 32 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) definiert.
Abb.: Herstellungskosten bei Gebäuden
Die Begriffe Herstellungskosten und nachträgliche Herstellungskosten sind grundsätzlich nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen (Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE).
Nachträgliche Herstellungskosten sind getrennt vom ursprünglichen Herstellungsvorgang zu betrachten. Sie bilden deshalb ein eigenständiges Zuordnungsobjekt, über dessen Zuordnung anhand der Tätigkeiten zu entscheiden ist, denen die nachträglichen Herstellungskosten konkret dienen oder dienen sollen. Wird im Rahmen einer nachträglichen Herstellungsmaßnahme ein bestehendes Gebäude um neue Gebäudeteile erweitert (z.B. durch Aufstockung, Anbau oder Vergrößerung der Nutzflächen), ist dementsprechend für die Zuordnung der nachträglichen Herstellungskosten ausschließlich auf die Verwendungsverhältnisse in den neuen Gebäudeteilen abzustellen. Dies gilt entsprechend für Aufteilungsobjekte i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG (Abschn. 15.2c Abs. 9 Nr. 2 i.V.m. Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 12 UStAE). Zuordnungs- und Aufteilungsobjekt des Unternehmers ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug, d.h. jeder Gegenstand und jede sonstige Leistung (Abschn. 15.2c Abs. 9 Satz 1 und Beispiel 1 UStAE).
Zur Unterscheidung der Herstellungskosten von Erhaltungsaufwendungen bei Baumaßnahmen im Zusammenhang mit einer Funktionsänderung von Räumen hat das FG Münster mit Urteil vom 29.1.2015 (12 K 3193/12, LEXinform 5019355) entschieden, dass Baumaßnahmen, die im Zusammenhang mit einer Funktionsänderung von Räumen anfallen, keine Herstellungskosten sind, wenn die zur künftigen Wohnnutzung umgebauten Räume nicht erweitert werden, die Grundfläche unverändert bleibt, es zu keiner Substanzvermehrung kommt und nicht nachträglich Bestandteile eingebaut werden, die vorher nicht vorhanden waren.
Beispiel 12:
U ist Zahnarzt und nutzt die Flächen seines zum Unternehmen zugeordneten Gebäudes zu 70 % (140 qm) für vorsteuerschädliche Umsätze i.S.v. § 4 Nr. 14 UStG und zu 30 % (60 qm) für vorsteuerunschädliche Laborumsätze. Da U für seine Tätigkeit weitere Räumlichkeiten benötigt, baut er das Dachgeschoss aus. Die Flächen des Dachgeschosses werden zu jeweils 50 % (50 qm) für seine vorsteuerschädlichen und vorsteuerunschädlichen Umsätze genutzt.
Lösung 12:
Die Aufwendungen für den Ausbau des Dachgeschosses stellen nachträgliche Herstellungskosten dar, die ein selbstständiges Aufteilungsobjekt bilden. Soweit U das Dachgeschoss für vorsteuerschädliche Umsätze verwendet, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 ausgeschlossen. Für die Aufteilung ist der Flächenschlüssel des Dachgeschosses maßgebend. Da U 50 qm von 100 qm für seine vorsteuerunschädlichen Umsätze verwendet, ist er i.H.v. 50 % zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Zur Behandlung von Aufwendungen für die Erschließung von Grundstücken und Gebäuden im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat der BFH mit Urteil vom 3.9.2019 (IX R 2/19, BStBl II 2020, 191) Stellung genommen. Die Behandlung der Aufwendungen richtet sich danach, ob der maßgebliche Aufwand zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählt oder als Erhaltungsaufwand zum Werbungskostenabzug berechtigt.
Erschließungsbeiträge im engeren Sinne des gesetzlichen Erschließungsbeitragsrechts können von den Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen erhoben werden. Zu den Erschließungsanlagen zählen öffentliche Straßen, Wege und Plätze, Fußwege, Wohnwege, Sammelstraßen, Parkflächen, Grünanlagen sowie Immissionsschutzanlagen (BFH IX R 2/19, Rz. 14).
Von den Erschließungsbeiträgen zu unterscheiden sind sonstige Anliegerbeiträge aufgrund öffentlich-rechtlicher (d.h. landesrechtlicher oder kommunaler) Gesetzesgrundlagen, die als öffentliche Lasten eines Grundstücks (vgl. § 436 BGB) vom Grundstückseigentümer zu tragen sind. Hierzu zählen insbesondere auch Kanalanschlussgebühren bei Grundstücken (BFH IX R 2/19, Rz. 15).
Weder zu den Erschließungsbeiträgen noch zu den Anliegerbeiträgen zählen die Anschlusskosten; hierunter sind Aufwendungen zu verstehen, die der Grundstückseigentümer für den Anschluss seines Grundstücks an das (bestehende)Abwasser- und Versorgungsnetz etwa zur Einleitung der Hausabwässer in das Kanalnetz, welches unter der vorbeiführenden öffentlichen Straße verlegt ist aufzubringen hat (BFH IX R 2/19, Rz. 16).
Aufwendungen für eine erstmalige Erschließungsmaßnahme regelmäßig den Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) von Grund und Boden zu, weil der erstmalige Anschluss an öffentliche Einrichtungen die (abstrakte) Nutzbarkeit des Grundstücks und damit dessen Wert erhöht. Solche Aufwendungen beziehen sich in erster Linie auf das Grundstück, weil sie dazu dienen, es baureif und damit betriebsbereit i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB zu machen; sie gehören als Voraussetzung für die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes. Voraussetzung der Zuordnung solcher Aufwendungen zu den Anschaffungskosten für Grund und Boden ist mithin, dass die Erschließungsmaßnahme das Grundstück auch tatsächlich »erschließt« und damit nicht lediglich seine konkrete Nutzung, sondern seinen Zustand welcher bestimmt wird durch Größe, Lage, Zuschnitt, Grad der Bebaubarkeit sowie durch den Umfang seiner Erschließung verändert (BFH IX R 2/19, Rz. 22).
Aufwendungen für die (Erst- oder Zweit-)Herstellung von Zuleitungsanlagen eines Gebäudes zum öffentlichen Kanal (sog. Hausanschlusskosten) einschließlich der sog. Kanalanstichgebühr gehören zu den Herstellungskosten des Gebäudes, soweit die Kosten für Anlagen auf privatem Grund und nicht für Anlagen der Gemeinde außerhalb des Grundstücks entstanden sind (BFH IX R 2/19, Rz. 24).
Abweichend hiervon sind Aufwendungen für die Ersetzung, Modernisierung oder (ggf. teilweise) Instandsetzung einer vorhandenen Kanalisation als Werbungskosten oder Betriebsausgaben sofort abziehbar, da sie weder zu den Anschaffungs- noch zu den Herstellungskosten zählen, sondern lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kosten für Anlagen auf privatem oder auf öffentlichem Grund entstanden sind (BFH IX R 2/19, Rz. 25).
Unter dem Gesichtspunkt der »Erweiterung« sind nachträgliche Herstellungskosten nach Ansicht des BFH bei folgenden Baumaßnahmen gegeben:
bei Anbau und Aufstockung,
wenn nach Fertigstellung des Gebäudes die nutzbare Fläche auch nur geringfügig vergrößert wird (z.B. bei Umbau eines Flachdachs in ein Satteldach).
Auf die tatsächliche Nutzung sowie auf den etwa noch erforderlichen finanziellen Aufwand für eine Fertigstellung zu Wohnzwecken kommt es nicht an. Die »nutzbare Fläche« umfasst nicht nur die (reine) Wohnfläche (einer Wohnung/eines Gebäudes), sondern auch die zur Wohnung/zum Gebäude gehörenden Grundflächen der Zubehörräume sowie die den Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht genügenden Räume (BFH Urteil vom 15.5.2013, IX R 36/12, BStBl II 2013, 732).
Ob die Kosten der jeweiligen Baumaßnahmen als (nachträgliche) Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen sind, ist anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei sind Aufwendungen für die Dacherneuerung als Herstellungskosten zu werten, wenn die Baumaßnahmen zu einer Erweiterung des Wohngebäudes i.S.d. HGB geführt haben. Dabei ist es unerheblich, ob auch eine wesentliche bauliche Verbesserung gegeben ist (s.a. Anmerkung vom 27.8.2013, LEXinform 0652192).
Der Standard eines Wohngebäudes bezieht sich auf die Eigenschaften einer Wohnung. Wesentlich sind vor allem Umfang und Qualität
der Heizungs-,
der Sanitär- und
der Elektroinstallationen sowie
der Fenster
(zentrale Ausstattungsmerkmale).
Führt ein Bündel von Baumaßnahmen bei mindestens drei Bereichen der zentralen Ausstattungsmerkmale zu einer Erhöhung und Erweiterung des Gebrauchswertes, hebt sich der Standard eines Gebäudes. Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit; ihre Kosten sind Anschaffungskosten (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 9 und 10).
Hinweis:
Zu den jeweiligen Standardbereichen s. Rz. 11 bis 13 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386).
Sehr einfacher Wohnungsstandard liegt vor, wenn die zentralen Ausstattungsmerkmale im Zeitpunkt der Anschaffung nur im nötigen Umfang oder in einem technisch überholten Zustand vorhanden sind.
Mittlerer Standard liegt vor, wenn die zentralen Ausstattungsmerkmale durchschnittlichen und selbst höheren Ansprüchen genügen.
Sehr anspruchsvoller Standard liegt vor, wenn bei dem Einbau der zentralen Ausstattungsmerkmale nicht nur das Zweckmäßige, sondern das Mögliche, vor allem durch den Einbau außergewöhnlich hochwertiger Materialien, verwendet wurde (Luxussanierung).
Treffen Baumaßnahmen, die ihrer Art nach – z.B. als Erweiterung i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB – stets zu Herstellungskosten führen und einen der den Nutzungswert eines Gebäudes bestimmenden Bereiche der zentralen Ausstattungsmerkmale betreffen, mit der Verbesserung von mindestens zwei weiteren Bereichen der zentralen Ausstattungsmerkmale zusammen, ist ebenfalls eine Hebung des Standards anzunehmen (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 14).
Beispiel 13:
Im Anschluss an den Erwerb eines leerstehenden, bisher als Büro genutzten Einfamilienhauses, das für eine Vermietung zu fremden Wohnzwecken vorgesehen ist, wird im bisher nicht ausgebauten Dachgeschoss ein zusätzliches Badezimmer eingerichtet. Außerdem werden einfach verglaste Fenster durch isolierte Sprossenfenster ersetzt und die Leistungskapazität der Elektroinstallation durch den Einbau dreiphasiger an Stelle zweiphasiger Elektroleitungen maßgeblich aufgebessert sowie die Zahl der Anschlüsse deutlich gesteigert.
Lösung 13:
Neben die Erweiterung des Gebäudes als Herstellungskosten i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB durch den Einbau des Badezimmers tritt die Verbesserung von zwei weiteren Bereichen der zentralen Ausstattungsmerkmale ein (Elektroinstallation sowie Fenster). Die hierdurch verursachten Aufwendungen führen ebenfalls zu nachträglichen Herstellungskosten (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 28).
Die nachträglichen Herstellungskosten bilden ein eigenständiges Aufteilungsobjekt i.S.d. § 15 Abs. 4 UStG, über dessen Zuordnung anhand der Tätigkeiten zu entscheiden ist, denen die nachträglichen Herstellungskosten konkret dienen oder dienen sollen. Wird im Rahmen einer nachträglichen Herstellungsmaßnahme ein bestehendes Gebäude um neue Gebäudeteile erweitert (z.B. durch Aufstockung, Anbau oder Vergrößerung der Nutzflächen), ist dementsprechend für die Aufteilung der nachträglichen Herstellungskosten ausschließlich auf die Verwendungsverhältnisse in den neuen Gebäudeteilen abzustellen (Abschn. 15.2c Abs. 9 Nr. 2 i.V.m. Abschn. 15.17 Abs. 7 Satz 12 UStAE).
Der Vorsteuerabzug ist nach § 15 Abs. 1b UStG nicht eingeschränkt, da das Grundstück nicht für außerunternehmerische Zwecke genutzt wird. Da das gesamte Grundstück zur Ausführung von Ausschlussumsätzen verwendet wird, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig.
Der Begriff der Anschaffungskosten ist nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen (Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE). Dies gilt jedoch nicht, soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden (Abschn. 15.17 Abs. 6 Satz 2 UStAE). Danach sind die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) zu beachten.
Anschaffungskosten sind in § 255 Abs. 1 HGB wie folgt definiert: »Anschaffungskosten eines Gebäudes sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um das Gebäude zu erwerben und es in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Gebäude einzeln zugeordnet werden können, ferner die Nebenkosten und die nachträglichen Anschaffungskosten.«
Ein Gebäude ist betriebsbereit, wenn es entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Die nachfolgende Übersicht fasst die Rz. 1 bis 16 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) zusammen.
Beispiel 14:
Unternehmer U erwirbt ein bislang zu Wohnzwecken vermietetes Gebäude, um es anschließend als Gewerbeimmobilie teilweise steuerfrei (60 %) und steuerpflichtig (40 %) zu vermieten. Das Gebäude ist nach dem Erwerb leerstehend. Um eine Vermietung zu gewerblichen Zwecken zu ermöglichen, lässt U vor Beginn der Vermietung Trennwände einziehen und die Elektroinstallation umfassend modernisieren. Die Kosten für die Trennwände entfallen zu 70 % auf Flächen, die U später steuerpflichtig vermietet.
Lösung 14:
Das Gebäude ist subjektiv funktionsuntüchtig. Die Aufwendungen für den Erwerb sowie die Umbaumaßnahmen stellen für U Anschaffungskosten dar (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 7). Die eventuell angefallenen Vorsteuerbeträge aus dem Erwerb sowie die Vorsteuerbeträge aus den Umbau- und Renovierungsmaßnahmen (Trennwände und Elektroinstallation) bilden ein einheitliches Aufteilungsobjekt. Die Aufteilung muss nach Maßgabe der Gesamtnutzung des Gebäudes erfolgen (s.o.; BFH vom 10.8.2016, XI R 31/09, BFH/NV 2016, 1654), so dass U zu 40 % zum Vorsteuerabzug aus den Gesamtkosten berechtigt ist.
Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit; ihre Kosten sind Anschaffungskosten. Wesentlich sind vor allem Umfang und Qualität der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie der Fenster (zentrale Ausstattungsmerkmale; BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 9 und 10).
Ob eine Hebung des Standards vorliegt, ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes nicht zu prüfen, wenn die Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn sich bei Erwerb des Gebäudes mit mehreren Wohnungen der Standard für einzelne Wohnungen hebt oder die Instandsetzungsmaßnahme der Beginn einer Sanierung in Raten sein kann. Veranlagungen sind vorläufig durchzuführen, solange in diesem Zeitraum die Instandsetzungsarbeiten 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen oder wenn eine Sanierung in Raten zu vermuten ist (Rz. 37 und 38 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003).
Ursprünglicher Zustand i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB ist bei Erwerb eines Wohngebäudes durch Schenkung oder Erbfall der Zustand der Anschaffung oder Herstellung durch den Schenker/Erblasser (BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 64/99, BStBl II 2003, 590).
Aufwendungen für Baumaßnahmen, die das Gebäude in einen betriebsbereiten Zustand versetzen, führen bei einem unentgeltlichen Erwerb mangels Anschaffung i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB nicht zu Anschaffungskosten; vielmehr handelt es sich um Erhaltungsaufwendungen oder, sofern die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 HGB erfüllt sind, um Herstellungskosten.
Bei einem teilentgeltlichen Erwerb können Anschaffungskosten zur Herstellung der Betriebsbereitschaft nur im Verhältnis zum entgeltlichen Teil des Erwerbvorganges gegeben sein. Im Übrigen liegen Erhaltungsaufwendungen oder, sofern die Voraussetzungen des § 255 Abs. 2 HGB erfüllt sind, Herstellungskosten vor (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 15 und 16).
Hinweis:
Nach dem BFH-Urteil vom 9.7.2013 (IX R 43/11, BStBl II 2014, 878) sind Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB bei einem unentgeltlichen Erwerb im Wege der AfA abziehbar. Bei teilentgeltlichen Erwerben sind die Aufwendungen auch nicht in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Anteil aufzuteilen (s.a. Anmerkung vom 26.9.2013, LEXinform 0944191).
Beispiel 15:
U errichtet ein Gebäude, bestehend aus einer vorsteuerunschädlich gewerblich genutzten (EG; Anteil 50 %) und einer vorsteuerschädlich zu Wohnzwecken vermieteten Einheit (1.OG; Anteil 50 %). Das Dachgeschoss ist noch nicht ausgebaut. U ordnet das Gebäude vollständig seinem Unternehmen zu.
Ein Jahr nach Errichtung des Gebäudes baut U das Dachgeschoss aus. Es entstehen dabei drei separat zugängliche gleich große Einheiten, von denen eine als Wohnung und zwei als Büroteil genutzt werden (sollen). Die Wohnung wird umsatzsteuerfrei und die Büroteile werden umsatzsteuerpflichtig vermietet. Gleichzeitig lässt U das Treppenhaus zum Dachgeschoss erweitern.
Des Weiteren lässt U eine Alarmanlage installieren, die das gesamte Gebäude sichert. Zudem lässt U einen Aufzug anbauen, mit dem jede Etage erreicht werden kann. Mit dem Zugewinn an Nutzfläche erhöht sich der Anteil der vorsteuerunschädlich genutzten zum vorsteuerschädlich genutzten Teil an der Gesamtfläche des ausgebauten Gebäudes von 50 % auf 60 %. Das neu ausgebaute Gebäude ist vollständig dem Unternehmen des U zugeordnet.
Lösung 15:
S.a. Beispiel 2 zu Abschn. 15.17 Abs. 7 UStAE.
Die Aufwendungen für den Ausbau des Dachgeschosses, die Erweiterung des Treppenhauses, den Einbau der Alarmanlage und den Einbau des Aufzugs sind jeweils (nachträgliche) Herstellungskosten.
Der Ausbau des Dachgeschosses ist eine eigenständig genutzte Erweiterung des bestehenden Gebäudes (Altflächen) und ist damit eigenständiges Aufteilungsobjekt. Entsprechend der vorsteuerunschädlichen Verwendung des Dachgeschosses in Höhe von 2/3 sind die Vorsteuern aus dem Dachausbau zu 2/3 abziehbar.
Die Aufwendungen für die Erweiterung des Treppenhauses sind dem Dachgeschoss zuzuordnen, da sie ausschließlich durch den Ausbau des Dachgeschosses verursacht sind. Die Vorsteuern sind daher nach den Nutzungsverhältnissen des Dachgeschosses aufzuteilen.
Die Aufwendungen für den Einbau der Alarmanlage sind dem gesamten Gebäude in seinen neuen Nutzungsverhältnissen zuzuordnen, da sie das gesamte Gebäude sichert. Folglich sind die Vorsteuern zu 60 % abziehbar.
Die Aufwendungen für den Einbau des Aufzugs sind dem gesamten Gebäude mit seinen neuen Nutzungsverhältnissen und nicht ausschließlich dem Dachgeschoss zuzuordnen, da mit dem Aufzug jede Etage erreicht werden kann. Die Vorsteuern sind daher zu 60 % abziehbar.
Die jeweiligen (nachträglichen) Herstellungskosten stellen gesonderte Berichtigungsobjekte i.S.v. § 15a Abs. 6 UStG dar.
Die Begriffe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Erhaltungsaufwendungen sind nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen (Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE). Ertragsteuerrechtlich stellen Erhaltungsaufwendungen sofort abzugsfähige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung dar. Umsatzsteuerrechtlich sind die Erhaltungsaufwendungen dem jeweiligen Nutzungsbereich des Gebäudes zuzuordnen (Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 4 und Abs. 8 UStAE). Nur wenn keine genaue Zuordnung möglich ist, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (Abschn. 15.17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UStAE).
Mit Urteil vom 3.8.2016 (IX R 14/15, BStBl II 2017, 437) nimmt der BFH erneut zur Abgrenzung der Erhaltungsaufwendungen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Ertragsteuerrecht Stellung. Nach Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE hat die Rspr. auch Auswirkung auf den Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerrecht.
Hinweis:
Abweichend von seiner früheren Rspr. geht der BFH nunmehr davon aus, dass es sich bei den einzelnen Elementen einer Einbauküche – einschließlich Spüle, Herd und aller fest eingebauten elektrischen Geräte – um ein einheitliches Wirtschaftsgut handelt (s.a. BMF vom 16.5.2017, BStBl I 2017, 775). Zur Auswirkung des Rechtsprechungsänderung auf die USt s. das folgende Beispiel.
Beispiel 16:
U errichtet ein Wohn- und Geschäftshaus. Die Herstellungskosten betragen 500 000 € zzgl. 95 000 € USt. Er beabsichtigt, die Fläche des Hauses zu 40 % vorsteuerschädlich als Wohnraum und 60 % vorsteuerunschädlich als Bürofläche zu vermieten. Aus der Anschaffung einer Einbauküche im vorsteuerschädlich verwendeten Gebäudeteil entstehen U Aufwendungen i.H.v. insgesamt 25 000 € zzgl. 4 750 € USt. Davon entfallen auf die Spüle 250 € zzgl. 47,50 € und auf den Elektroherd 1 000 € zzgl. 190 € USt. Der Restbetrag von 23 750 € zzgl. 4 512,50 € entfallen auf Arbeitsplatte, Einbaumöbel und weitere Elektrogeräte (Kühlschrank, Dunstabzugshaube, Mikrowelle).
Nach 15 Jahren tauscht U die Einbauküche gegen eine neue aus. Aus Vereinfachungsgründen sollen die Aufwendungen dafür denen der alten Einbauküche entsprechen.
Wiederum vier Jahre später muss der Kühlschrank für 1 500 € zzgl. 285 € ersetzt werden.
Lösung 16:
Für den Umfang des Vorsteuerabzugs sind Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten einerseits sowie Erhaltungsaufwendungen anderseits jeweils gesondert zu beurteilen. Handelt es sich um Aufwendungen für den Gegenstand selbst (aus der Anschaffung oder Herstellung eines Grundstücks), kommt nur eine Aufteilung der gesamten auf den einheitlichen Gegenstand entfallenden Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab (§ 15 Abs. 4 UStG) in Betracht. Der Umfang der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf sog. Erhaltungsaufwendungen an dem Gegenstand kann sich hingegen danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gegenstands die Aufwendungen vorgenommen werden (Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 1 bis 4 und Abs. 7 UStAE). Die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind abzugsfähig, soweit der Gegenstand für Zwecke besteuerter Umsätze verwendet wird.
Bei den Aufwendungen für die Anschaffung der Küche handelte es sich nach der bisherigen BFH-Rspr. hinsichtlich des Herdes sowie der Spüle um solche für Gebäudebestandteile und waren bisher zu den Herstellungskosten des Immobilienobjektes zu rechnen (s. BFH vom 3.8.2016, IX R 14/15, BStBl II 2017, 437, Rz. 20).
Die weiteren Einrichtungsgegenstände einer Einbauküche sind jedoch – auch bei entsprechender Einpassung in den jeweiligen Wohnraum – von der Rechtsprechung nicht dem Bereich der Gebäudenutzung zugeordnet worden, da sie nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stünden, sondern der Haushaltsführung dienten. Abweichend von diesem Grundsatz wurden Einbauküchen nur dann als wesentliche Bestandteile des Gebäudes angesehen, wenn sie im Zuge des baulichen Einpassens in die für sie bestimmte Stelle mit den sie umschließenden Gebäudeteilen (Seitenwände und Rückwand) vereinigt und damit i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB zur »Herstellung eines Gebäudes eingefügt« wurden. Außer Herd und Spüle waren sämtliche Elemente der Einbauküche als eigenständige Objekte zu behandeln. Die Aufwendungen dafür waren entweder als GWG-Aufwendungen sofort oder nur über die AfA als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Für den Vorsteuerabzug hatte die bisherige ertragsteuerrechtliche Behandlung zur Folge, dass die Aufwendungen für den Herd und die Spüle zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehörten. Die prozentuale Aufteilung erfolgte nach der Verwendung des gesamten Gebäudes zu steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen. Aufteilungsmaßstab ist dabei der Flächenschlüssel. Nach dem Flächenschlüssel wären 60 % der Vorsteuerbeträge von (95 000 € + 47,50 € (Spüle) + 190 € (Herd) =) 95 237,50 € der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten von 501 250 € abzugsfähig. Die gesamten auf die Herstellungskosten des Gebäudes entfallenden Vorsteuerbeträge i.H.v. 95 237,50 € sind nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Die Vorsteuer ist zu 60 % = 57 142,50 € abzugsfähig.
Die auf die restlichen Elemente der Einbauküche entfallenden Vorsteuerbeträge sind in voller Höhe vom Abzug ausgeschlossen, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen (Abschn. 15.17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE).
Neuanschaffung der Einbauküche:
Die Aufwendungen für die Spüle und den Herd stellen sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand dar, da es sich um erneuerte unselbstständige Gebäudebestandteile handelt. Die Vorsteuerbeträge auf diese Erhaltungsaufwendungen sind nicht abzugsfähig, da die bezogenen Leistungen den vorsteuerschädlichen Umsätzen zuzuordnen sind (Abschn. 15.17 Abs. 8 UStAE und dort Beispiel 1).
Die Aufwendungen für die Erneuerung der weiteren Elemente stellen Anschaffungskosten dar (s.o.). Die Vorsteuerbeträge dafür sind in voller Höhe vom Abzug ausgeschlossen, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen (Abschn. 15.17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UStAE).
Die Aufwendungen für den späteren Austausch des Kühlschranks stellen Anschaffungskosten für dieses Element der Einbauküche dar. Der Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, weil sie im Zusammenhang mit steuerfreien Vermietungsumsätzen steht.
Rechtsprechungsänderung durch das BFH-Urteil vom 3.8.2016 (IX R 14/15, BStBl II 2017, 437):
Nach der BFH-Entscheidung sind die in einem zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilienobjekt eingebaute Spüle sowie ein dort installierter Kochherd nach aktueller Verkehrsauffassung grundsätzlich nicht (mehr) als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, sondern als Scheinbestandteile (§ 95 Abs. 2 BGB) anzusehen, soweit sie im Einzelfall nicht i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB zur Herstellung des Gebäudes eingefügt wurden.
Der BFH geht, abweichend von seiner früheren Rechtsauffassung im BFH-Urteil vom 13.3.1990 (IX R 104/85, BStBl II 1990, 514) davon aus, dass es sich bei den einzelnen Elementen einer Einbauküche – einschließlich Spüle, Herd und aller fest eingebauten elektrischen Geräte – um ein einheitliches Wirtschaftsgut handelt (H 6.4 [Einbauküche] EStH).
Nach diesen Grundsätzen bildet die eingerichtete Einbauküche nach der Verkehrsauffassung als Sachgesamtheiten ein einheitliches Wirtschaftsgut. Da sich die Verwendung bzw. Nutzung der als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehenden Einbauküche zur Erzielung von Einkünften auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach den AfA-Tabellen ist von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren auszugehen (BMF vom 16.5.2017, BStBl I 2017, 775).
Umsatzsteuerrechtlich handelt es sich sowohl bei der erstmaligen Anschaffung als auch bei der Neuanschaffung 15 Jahre später um ein einheitliches Wirtschaftsgut und bildet ein selbstständiges Zuordnungsobjekt. Die Vorsteuer ist dabei in voller Höhe nicht abzugsfähig, weil sie ausschließlich Ausschlussumsätzen zuzurechnen ist (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 74/2016 vom 7.12.2016, LEXinform 0445508; s.a. Beispiel 1 zu Abschn. 15.2c Abs. 9 UStAE).
Die Behandlung der Einbauküche als einheitliches Wirtschaftsgut hat zur Folge, dass bei Ersetzung eines beschädigten Einzelteils – hier des Kühlschranks – Erhaltungsaufwand vorliegt. Die Vorsteuer ist dabei in voller Höhe nicht abzugsfähig, weil sie ausschließlich Ausschlussumsätzen zuzurechnen ist.
Nach der Verwaltungsauffassung in Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE sind die Begriffe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Erhaltungsaufwendungen nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen (s. BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386) auszulegen. Dies gilt jedoch nicht, soweit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten umqualifiziert (anschaffungsnahe Herstellungskosten).
Herstellungskosten als Folge einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung können vorliegen, wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung – in der Regel innerhalb von drei Jahren – im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen anfallen. Ob anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegt, ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes in der Regel nicht zu prüfen, wenn die Aufwendungen für Instandsetzung (Rechnungsbetrag ohne USt) in diesem Zeitraum insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen. Die Grundsätze des anschaffungsnahen Aufwands gelten dann nicht, wenn der Stpfl. ein Grundstück in vollem Umfang unentgeltlich erwirbt (BFH Urteil vom 28.4.1998, IX R 66/95, BStBl II 1998, 515).
Beachte:
Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren »nach« der Anschaffung vom Stpfl. getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Stpfl. getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen (BFH Beschluss vom 28.4.2020, IX B 121/19, BFH/NV 2020, 870, LEXinform 5909006; s.a. Denker u.a., NWB 51/2020, 3839).
Sind die entstandenen Kosten nicht höher als 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten oder übersteigen diese Kosten erst nach Ablauf von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes die 15-%-Grenze, können trotzdem Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen. In diesen Fällen ist ausschließlich § 255 HGB als Maßstab für das Vorliegen von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten heranzuziehen, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 6 Abs.1 Nr. 1a EStG nicht erfüllt sind. Die Senatsverwaltung für Finanzen Berlin klärt mit Erlass vom 15.1.2018 (III B S 2211 – 2/2005 – 2, SIS 18 12 64) bisher noch offene Zweifelsfragen zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung anschaffungsnaher Aufwendungen.
Abb.: Erhaltungsaufwendungen bei der USt
Nach den BFH-Urteilen vom 14.6.2016 (IX R 25/14, BStBl II 2016, 992; IX R 15/15, BStBl II 2016, 996 und IX R 22/15, BStBl II 2016, 999) gehören zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer Instandsetzung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes anfallen. Dazu zählen sowohl originäre Aufwendungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft durch Wiederherstellung funktionsuntüchtiger Gebäudeteile sowie Aufwendungen für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (Standardhebung) als auch Schönheitsreparaturen. Soweit der BFH bisher bei Schönheitsreparaturen einen engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gefordert hatte (vgl. auch BFH vom 25.8.2009, IX R 20/08, BStBl II 2010, 125), hält er daran nicht mehr fest. Zur Anwendung der o.g. BFH Urteile vom 14.6.2016 s. das BMF-Schreiben vom 20.10.2017 (BStBl I 2017, 1447).
Der BFH hat zudem klargestellt, dass bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG führen, bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbstständigen Gebäudeteil abzustellen ist, wenn das Gesamtgebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird. Maßgeblich ist insoweit, ob die einzelnen Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 62/2016 vom 28.9.2016, LEXinform 0445137).
Ausgeschlossen von der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG sind nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG). Aufwendungen für die Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit oder zur Hebung des Standards sind hiervon nicht berührt und daher in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (s.a. Anmerkung vom 5.10.2016, LEXinform 0653010).
Aufwendungen zur Beseitigung eines Substanzschadens, der nach Anschaffung einer vermieteten Immobilie durch das schuldhafte Handeln des Mieters verursacht worden ist, können als Werbungskosten sofort abziehbar sein. In diesen Fällen handelt es sich nicht um sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG), wie der BFH mit Urteil vom 9.5.2017 (IX R 6/16, BStBl II 2018, 9) entschieden hat (bestätigt durch BFH vom 13.3.2018, IX R 41/17, BStBl II 2018, 533, Rz. 16). Zwar gehören zu den als Herstellungskosten der AfA unterliegenden Aufwendungen nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen wie etwa sog. Schönheitsreparaturen oder auch Kosten für die Herstellung der Betriebsbereitschaft. Selbst die Beseitigung verdeckter – im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes jedoch bereits vorhandener – Mängel oder die Beseitigung von bei Anschaffung des Gebäudes »angelegter«, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte fällt hierunter (s.a. BFH vom 13.3.2018, IX R 41/17, BStBl II 2018, 533, Rz. 16). Demgegenüber sind Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht in dem oben genannten Sinne »angelegt« war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln des Mieters am Gebäude verursacht worden ist, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen. Solche Aufwendungen können als sog. »Erhaltungsaufwand« und damit als Werbungskosten sofort abgezogen werden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 61/2017 vom 4.10.2017, LEXinform 0447196; s.a. FinBeh Hamburg, Erlass vom 12.3.2018, S 2171c – 2016/001 – 52, SIS 18 03 04).
In Abgrenzung seiner Rechtsprechung vom 9.5.2017 (IX R 6/16, BStBl II 2018, 9) ordnet der BFH in seinem Urteil vom 13.3.2018, IX R 41/17, BStBl II 2018, 533) unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, unter den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG den anschaffungsnahen HK zu (s.a. Dorn, NWB 36/2018, 2608).
Beispiel 17:
U besitzt ein Wohn- und Geschäftshaus, dessen Fläche er zu jeweils 50 % vorsteuerunschädlich bzw. vorsteuerschädlich vermietet hat. In den vorsteuerunschädlich vermieteten Räumen lässt U durch den Maler M sämtliche Wände neu anstreichen.
Lösung 17:
S.a. Beispiel 1 zu Abschn. 15.17 Abs. 8 UStAE.
U ist aus den Aufwendungen zum Anstrich der Wände unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Beispiel 18:
U lässt an seinem Wohn- und Geschäftshaus, dessen Fläche er zu jeweils 50 % vorsteuerunschädlich bzw. vorsteuerschädlich vermietet, die Fassade neu anstreichen.
Lösung 18:
S.a. Beispiel 2 zu Abschn. 15.17 Abs. 8 UStAE.
Der Fassadenanstrich kann keinem zur Erzielung von vorsteuerunschädlichen bzw. vorsteuerschädlichen Ausgangsumsätzen verwendeten Gebäudeteil zugeordnet werden. U kann daher unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG zu 50 % aus den Aufwendungen den Vorsteuerabzug vornehmen.
Bei bebauten und unbebauten Grundstücken können sich die Verhältnisse insbes. in folgenden Fällen ändern (Abschn. 15a.2 Abs. 6 UStAE):
Nutzungsänderungen, insbesondere durch
Übergang von einer durch Option nach § 9 UStG stpfl. Vermietung zu einer nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung oder umgekehrt;
Übergang von der Verwendung eigengewerblich genutzter Räume, die zur Erzielung zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsätze verwendet werden, zu einer nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung oder umgekehrt;
Übergang von einer steuerfreien Vermietung nach Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk zu einer nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung oder umgekehrt;
Änderung des Vorsteueraufteilungsschlüssels bei Grundstücken, die sowohl zur Ausführung von Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, verwendet werden (vgl. Abschn. 15.16, 15.17 und 15a.4 Abs. 2 UStAE);
Änderung des Umfangs der teilunternehmerischen Nutzung eines Grundstücks i.S.d. § 15 Abs. 1b UStG;
Veräußerungen, die nicht als Geschäftsveräußerungen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG anzusehen sind, insbesondere
nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung ganz oder teilweise eigengewerblich und vorsteuerunschädlich genutzter, ursprünglich steuerpflichtig vermieteter oder auf Grund des Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk steuerfrei vermieteter Grundstücke;
durch wirksame Option nach § 9 UStG steuerpflichtige Veräußerung ursprünglich ganz oder teilweise nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei vermieteter Grundstücke;
die entgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem ursprünglich teilweise steuerfrei vermieteten Grundstück auf einen Familienangehörigen, wenn die Teiloption beim Verkauf nicht in dem Verhältnis der bisherigen Nutzung ausgeübt wird (vgl. Abschn. 9.1 Abs. 6 UStAE; → Vorsteuerberichtigung und OFD Niedersachsen vom 16.9.2011 (S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, LEXinform 5233511);
unentgeltliche Wertabgaben, die nicht im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG erfolgen, und die steuerfrei sind, insbesondere
unentgeltliche Übertragung ganz oder teilweise eigengewerblich vorsteuerunschädlich genutzter, ursprünglich steuerpflichtig vermieteter oder auf Grund des Art. 67 Abs. 3 NATO-ZAbk steuerfrei vermieteter Grundstücke, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH vom 25.6.1987, V R 92/78, BStBl II 1987, 655);
unentgeltliche Nießbrauchsbestellung an einem entsprechend genutzten Grundstück, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH vom 16.9.1987, X R 51/81, BStBl II 1988, 205);
unentgeltliche Übertragung des Miteigentumsanteils an einem entsprechend genutzten Grundstück, z.B. an Familienangehörige (vgl. BFH vom 27.4.1994, XI R 85/92, BStBl II 1995, 30 und OFD Niedersachsen vom 16.9.2011, S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, LEXinform 5233511).
Wird ein Grundstück mit der Anschaffung oder Fertigstellung zunächst ausschließlich eigengewerblich bzw. -beruflich (Abzugsumsätze zu 100 %) und erst in einem späteren Jahr auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt, stellt die spätere Benutzung zu eigenen Wohnzwecken weiterhin eine stpfl. Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG dar. Mangels Verwendungsänderung scheidet daher eine Vorsteuerberichtigung aus (s.a. Abschn. 3.4 Abs. 7 UStAE).
Beispiel 19:
U hat ein Zweifamilienhaus, das er im Jahr 01 zu 50 % für eigene unternehmerische und zum Vorsteuerabzug berechtigte Zwecke (Büroräume) nutzt und zu 50 % steuerfrei vermietet, insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet. Ab dem Jahr 04 nutzt er die Büroräume ausschließlich für eigene Wohnzwecke.
Lösung 19:
U steht ab dem Jahr 01 hinsichtlich der Büroräume der Vorsteuerabzug zu; für den steuerfrei vermieteten Gebäudeteil ist der Vorsteuerabzug hingegen ausgeschlossen. Ab dem Jahr 04 unterliegt die Nutzung der Büroräume zu eigenen Wohnzwecken des U als steuerbare unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG der USt, da das dem Unternehmen zugeordnete Gebäude insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt hat. Es liegt keine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG vor.
Wird ein Grundstück mit der Anschaffung oder Fertigstellung zunächst ausschließlich eigengewerblich bzw. -beruflich (Abzugsumsätze zu 100 %) und erst in einem späteren Jahr auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt, erhöht sich der Anteil der unternehmensfremden Nutzung i.S.d. § 15 Abs. 1b UStG. In diesen Fällen erfolgt eine Berichtigung nach § 15a Abs. 6a UStG (Abschn. 15.6a Abs. 5 i.V.m. Abschn. 3.4 Abs. 5a Satz 2 UStAE) und keine Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG.
Beispiel 20:
U hat ein Zweifamilienhaus erstellt, das im Januar 01 bezugsfertig wurde. Die Herstellungskosten für das gesamte Gebäude betragen 400 000 € zzgl. 76 000 € USt.
Das Gebäude wird überwiegend für eigene Wohnzwecke genutzt; zwei Räume verwendet U für sein Unternehmen als Büroräume. Die Wohnfläche beträgt 180 qm, die unternehmerisch genutzte Fläche 25 qm (12,2 %). U hat das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zugeordnet und die Vorsteuer aus den Herstellungskosten i.H.v. 12,2 % abgezogen. Seit 1.1.02 wird einer der Büroräume als Kinderzimmer genutzt. Dadurch verringert sich der unternehmerisch genutzte Teil des Gebäudes auf 7,3 %.
Lösung 20:
S.a. Beispiel 4 der Vfg. der OFD Karlsruhe vom 13.8.2019 (S 7300 – Karte 5, UR 2019, 749, SIS 19 12 37).
Ein Gegenstand kann dem Unternehmen zugeordnet werden, wenn er zu mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke verwendet wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG). Da zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs diese Grenze erreicht war, konnte U das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen. Durch die Nutzungsänderung sinkt die unternehmerische Nutzung unter 10 %. Da der Gegenstand weiterhin teilweise für unternehmerische Zwecke verwendet wird, kann U nicht dazu gezwungen werden, das Gebäude aus seinem Unternehmen zu entnehmen. Mit der Nutzungsänderung ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6a UStG zu prüfen. Da die Nutzungsänderung lediglich 4,9 % und der Berichtigungsbetrag weniger als 1 000 € beträgt (1/10 von 76 000 € × 4,9 % = 372,40 €) ist eine Berichtigung nach § 44 Abs. 2 UStDV nicht durchzuführen.
Wird ein Grundstück mit der Anschaffung oder Fertigstellung zunächst ausschließlich eigengewerblich bzw. -beruflich (Abzugsumsätze zu 100 %) und erst in einem späteren Jahr auch zu vermieteten Wohnzwecken genutzt, treten nach der Verwaltungsauffassung in Abschn. 15a.2 Abs. 6 Nr. 1 Buchst. b UStAE Änderungen der Verhältnisse ein, die innerhalb des Berichtigungszeitraums zu einer Vorsteuerberichtigung des § 15a UStG führen. Zu beachten ist weiterhin, dass nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG eventuell die Mindestbemessungsgrundlage in Betracht kommt.
Beispiel 21:
Steuerberater S verwendet ein für 600 000 € zzgl. 114 000 € erworbenes Grundstück ausschließlich zur Ausführung seiner steuerpflichtigen Ausgangsumsätze. Der Erwerb fand am 15.7.13 statt. Der gesamte Vorsteuerbetrag wird im Kj. 13 abgezogen. Ab 1.1.17 bewohnt die Tochter die Räume im Obergeschoss (30 % der Fläche) und zahlt eine monatliche Miete i.H.v. 100 €; angemessen wären 1 200 €. Die auf die Wohnräume entfallenden Nettokosten betragen monatlich 200 €.
Lösung 21:
Ab 1.1.17 tätigt S einen steuerfreien Vermietungsumsatz nach § 3 Abs. 9 i.V.m. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nicht möglich. Das monatliche Entgelt beträgt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG 100 €. Nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG wären die entstandenen Ausgaben i.H.v. 200 € anzusetzen. Da die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG übersteigt, sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG die Ausgaben i.S.d. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG als Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen. Die angemessene Miete i.H.v. 1 200 € darf nicht angesetzt werden.
Ab 1.1.17 wird das Grundstück sowohl zur Ausführung von Abzugs- als auch zur Ausführung von Ausschlussumsätzen verwendet. Dadurch haben sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (100 % Abzugsumsätze) innerhalb des Berichtigungszeitraums von zehn Jahren geändert.
Wird das Grundstück nicht für unternehmensfremde, sondern für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne verwendet (z.B. für ideelle Zwecke eines Vereins, vgl. Abschn. 2.3 Abs. 1a UStAE), ist insoweit eine Zuordnung nach § 15 Abs. 1 UStG nicht möglich (vgl. BFH vom 3.3.2011, V R 23/10, BStBl II 2012, 74, Abschn. 15.2b Abs. 2 UStAE). Erhöht sich später der Anteil der Nutzung des Grundstücks für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne, erfolgt eine Wertabgabenbesteuerung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG. Vermindert sich später der Anteil der Nutzung des Grundstücks für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne, kann der Unternehmer aus Billigkeitsgründen eine Berichtigung entsprechend § 15a Abs. 1 UStG vornehmen (vgl. Abschn. 15a.1 Abs. 7 i.V.m. Abschn. 3.4 Abs. 5a UStAE).
Der Bezug eines WG für das Unternehmen (Zuordnung zum → Unternehmensvermögen) ist Grundvoraussetzung dafür, dass die darauf entfallende Vorsteuer einer Berichtigung nach § 15a UStG überhaupt zugänglich ist (→ Vorsteuerabzug). Werden Gegenstände, die nicht für das Unternehmen bezogen wurden, erst durch eine spätere Einlage in den unternehmerischen Bereich zum Unternehmensvermögen, ist eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG nicht zulässig (Abschn. 15a.1 Abs. 6 Nr. 4 UStAE).
Die Entscheidung des EuGH vom 25.7.2018 (C-140/17, UR 2018, 687, LEXinform 0651568) ist zwar zur Vorsteuerberichtigung i.S.d. Art. 184 MwStSystRL einer jPöR ergangen, ist aber für andere Unternehmer oder auch Vereine anzuwenden (s.a. Widmann, UR 17/2018, 666 sowie Anmerkung 1 zum EuGH-Urteil C-140/17 von Küffner u.a., UR 17/2018, 692 sowie Anmerkung 2 von Sterzinger, UR 17/2018, 694).
Handelt der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs des Investitionsguts nicht als Stpfl. (Unternehmer), so hat er grundsätzlich kein Recht auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit diesem Gegenstand, auch wenn dieser später einer besteuerten Tätigkeit zugeordnet wird (Rz. 37 des EuGH-Urteils vom 25.7.2018, C-140/17, UR 2018, 687 i.V.m. EuGH vom 2.6.2005, C-378/02, UR 2005, 437, Rz. 44; Abschn. 15a.1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 UStAE).
Nach der EuGH-Rechtsprechung C-140/17 in Rz. 43 und 50 ist bei der Anschaffung des Investitionsguts zu prüfen, ob der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs als Privatperson gehandelt hat oder ob der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits aus anderen Gründen für umsatzsteuerliche Zwecke registriert gewesen ist.
Hat der Erwerber beim Erwerb des Gegenstands als Stpfl.Unternehmer) gehandelt, schließt allein eine in diesem Moment fehlende Zuordnung zum Unternehmen die erforderliche Verwendungsabsicht für wirtschaftliche Zwecke nicht aus (EuGH C-140/17, Rz. 47). Es ist ohne Bedeutung, dass der betreffende Gegenstand nicht unmittelbar für besteuerte Umsätze verwendet worden ist, da die Verwendung des Gegenstands nur den Umfang des Vorsteuerabzugs oder der etwaigen späteren Berichtigung bestimmt, jedoch nicht die Entstehung des Abzugsanspruchs berührt (EuGH vom 30.3.2006, C-184/04, UR 2006, 530, Rz. 39).
Die erstmalige Verwendung des Investitionsguts für außerunternehmerische Zwecke ist zunächst ein Indiz dafür, dass der Erwerber beim Erwerb des Gegenstands nicht als Stpfl. (Unternehmer) gehandelt hat (EuGH C-140/17, Rz. 52).
Dieses Indiz kann der Erwerber aber dadurch entkräften, dass der Gegenstand innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraums für wirtschaftliche Zwecke verwendet wird und der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs bereits aus anderen Gründen für umsatzsteuerliche Zwecke registriert ist (EuGH C-140/17, Rz. 53; s.a. Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Aktuell III/2018, VIII. Vorsteuerberichtigung, Rz. 52 ff., November 2018; Sterzinger, UStB 10/2018, 295).
Beispiel 22:
Ein Bauherr errichtet ein Gebäude mit jeweils gleich großen Geschossflächen im Kj. 2020, das zunächst wie folgt genutzt wird:
Erdgeschoss vermietet als Arztpraxis;
1. Obergeschoss zu Wohnzwecken vermietet;
2. Obergeschoss vermietet als Rechtsanwaltspraxis (zur Steuerpflicht optiert);
3. Obergeschoss eigene Wohnung, ab dem vierten Jahr als Büroräume an den Rechtsanwalt vermietet.
Lösung 22:
Nach § 15 Abs. 1b Satz 1 UStG ist die Vorsteuer, die auf die eigene Wohnung entfällt, nicht abzugsfähig (s.a. Abschn. 15.6a Abs. 3 Satz 1 UStAE). § 15Abs. 1b UStG stellt eine Vorsteuerabzugsbeschränkung dar und berührt nicht das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers nach § 15 Abs. 1 UStG (Abschn. 15.6a Abs. 1 Satz 3 UStAE). Im Fall der Zuordnung des unternehmensfremd genutzten Teils zum nichtunternehmerischen Bereich wird dieser als separater Gegenstand angesehen, der nicht »für das Unternehmen« i.S.d. § 15 Abs. 1Nr. 1 UStG bezogen wird (Abschn. 15.2c Abs. 4 Satz 1 UStAE). Wird dieser Gegenstand später unternehmerisch genutzt (z.B. durch Umwandlung von Wohnräumen in Büroräume), ist eine Vorsteuerberichtigung zugunsten des Unternehmers nach § 15a UStG nicht zulässig (Abschn. 15a.1 Abs. 6 Nr. 4 und Abschn. 15.2c Abs. 4 Satz 4 UStAE). Eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG ist nur möglich, soweit das Grundstück dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden ist (Abschn. 15.6a Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Nach dem EuGH-Urteil vom 25.7.2018 (C-140/17, UR 2018, 687, LEXinform 0651568) wäre eine Vorsteuerberichtigung auch nach einer »Einlage« ins Unternehmensvermögen möglich, wenn die Wohnung innerhalb des Vorsteuerberichtigungszeitraums (10 Jahre nach § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG) für wirtschaftliche Zwecke verwendet wird und der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs bereits aus anderen Gründen für umsatzsteuerliche Zwecke registriert ist.
Wird das mit einem → Nießbrauch belastete WG übertragen, hat sich der bisherige Eigentümer die Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten, die ihm bisher aufgrund seines Eigentums zustand. Der neue Eigentümer erlangt an dem WG keine Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Eine unentgeltliche Wertabgabe liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht beim Unternehmer verblieben ist. Zur Bestellung eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs an einem unternehmerisch genutzten bebauten Grundstück vgl. BFH vom 16.9.1987 (X R 51/81, BStBl II 1988, 205 und Abschn. 3.3 Abs. 8 Satz 4 UStAE).
Die Nießbrauchsbestellung schließt den Eigentümer von der Nutzung der Sache aus. Die unentgeltliche Nießbrauchsbestellung führt zu einer Entnahme des WG i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG, wenn keine konkrete Absicht des Nießbrauchsbestellers auf Wiederaufnahme seiner unternehmerischen Betätigung mit dem belasteten Grundstück in absehbarer Zeit feststellbar ist.
Bei der unentgeltlichen Nießbrauchsbestellung kann auch eine unentgeltliche Wertabgabe i.S.d. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG verwirklicht werden. In den Fällen der befristeten oder jederzeit durch den Unternehmer widerrufbaren Nießbrauchsbestellung kann eine Entnahme nicht angenommen werden, denn das belastete Grundstück scheidet nicht endgültig aus dem unternehmerischen Bereich aus.
Beispiel 23:
Das Beispiel entspricht Beispiel 3 der Vfg. der OFD Niedersachsen vom 16.9.2011 (S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, LEXinform 5233511).
Vater V bestellt seiner Tochter T an einem zu Wohnzwecken vermieteten Grundstück einen lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch. Die Tochter übernimmt die Mietverträge und führt somit die Vermietungstätigkeit weiter.
Alternative:
Es handelt sich weder um ein vermietetes noch um ein verpachtetes Grundstück. Die Tochter renoviert das Grundstück und vermietet es anschließend steuerfrei. V hatte das Grundstück umsatzsteuerpflichtig angeschafft und zu Abzugsumsätzen genutzt.
Lösung 23:
Ertragsteuerrechtliche Lösung:
Der Nießbraucher tritt in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein. Mietzahlungen sind an den Nießbraucher zu leisten (BMF vom 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz. 14 ff.). AfA auf das Gebäude darf der Nießbraucher nicht abziehen.
Werbungskosten, die der Nießbraucher im Rahmen der Nießbrauchsbestellung getragen hat, darf er abziehen (BMF vom 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz. 21).
Dem Eigentümer sind keine Einkünfte aus dem nießbrauchsbelasteten Grundstück zuzurechnen. Der Eigentümer darf AfA auf das Gebäude und Grundstücksaufwendungen, die er getragen hat, nicht als Werbungskosten abziehen, da er keine Einnahmen erzielt (BMF vom 30.9.2013, BStBl I 2013, 1184, Rz. 23 ff.).
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Im Rahmen einer unentgeltlichen nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung hat die Bestellung des Nießbrauchs keine umsatzsteuerlichen Folgen.
Alternative:
Nach Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE liegt keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG vor. Der Unternehmer muss das Grundstück aus seinem Unternehmen entnehmen (BFH Urteil vom 16.9.1987, X R 51/81, BStBl II 1988, 205; s.a. Abschn. 15a.2 Abs. 6 Nr. 3 Buchst. b UStAE). Durch die Bestellung des unentgeltlichen unbefristeten Nießbrauchs bringt er zum Ausdruck, dass er das Grundstück auf Dauer nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen und damit nicht mehr im Rahmen seines Unternehmens einsetzen will. Die Bindung des Grundstücks an das Unternehmen ist beendet. Unerheblich ist, dass dem Unternehmer das (nießbrauchsbelastete) Eigentum am Grundstück verbleibt. Für die Frage der Verwendung des Grundstücks kommt es auf die Eigentumsverhältnisse nicht an. Die unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme zum Eigenbedarf ist steuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG.
Beispiel 24:
Das Beispiel entspricht Beispiel 2 der Vfg. der OFD Niedersachsen vom 16.9.2011 (S 7109 – 10 – St 172, DStR 2011, 2467, LEXinform 5233511).
Vater V (Unternehmer) überträgt seinem Sohn S unentgeltlich ein Betriebsgrundstück und behält sich den Nießbrauch zur weiteren uneingeschränkten Verwendung des Grundstücks in seinem Unternehmen vor.
Lösung 24:
Ertragsteuerrechtliche Lösung:
V als Nießbraucher erzielt mit dem belasteten Grundstück weiterhin die Einkünfte, z.B. aus Vermietung und Verpachtung.
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Der Unternehmer hat das Grundstück weder seinem Sohn geliefert noch aus seinem Unternehmen entnommen. Er hat lediglich das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum übertragen und sich die Nutzungsmöglichkeit zurückbehalten, die ihm bisher aufgrund seines Eigentums zustand. Der Sohn erlangt an dem Grundstück keine Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG. Die Einräumung des Nießbrauchsvorbehalts stellt auch keine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung dar. Denn der Unternehmer hat sich dieses Recht von vornherein vorbehalten. Eine unentgeltliche Wertabgabe durch Entnahme liegt nicht vor, weil die Verfügungsmacht beim Unternehmer verblieben ist (Abschn. 3.3 Abs. 5 UStAE).
Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG kommt bei Bestellung des Vorbehaltsnießbrauchs nicht in Betracht (BFH vom 13.11.1997, V R 66/96, BFH/NV 1998, 555, LEXinform 0144975).
Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der unentgeltlichen Übertragung eines unternehmerisch genutzten Grundstücks bei gleichzeitiger Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs zu Gunsten des Schenkers s. die Vfg. der OFD Koblenz vom 5.10.2005 (S 7100 A – St 44 3, DStR 2005, 1859).
Wird ein WG, z.B. ein Gebäude, bereits entsprechend dem Baufortschritt verwendet, noch bevor es insgesamt fertig gestellt ist, ist für jeden gesondert in Verwendung genommenen Teil des WG ein besonderer Berichtigungszeitraum anzunehmen (Abschn. 15a.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Diese Berichtigungszeiträume beginnen jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem der einzelne Teil des WG erstmalig verwendet wird. Der einzelnen Berichtigung sind jeweils die Vorsteuerbeträge zugrunde zu legen, die auf den entsprechenden Teil des WG entfallen. Wird dagegen ein fertiges WG nur teilweise gebraucht oder, gemessen an seiner Einsatzmöglichkeit, nicht voll genutzt, besteht ein einheitlicher Berichtigungszeitraum für das ganze WG, der mit dessen erstmaliger Verwendung beginnt (Abschn. 15a.3 Abs. 2 UStAE).
Beachte:
Mit Urteil vom 29.4.2020 (XI R 14/19, BStBl II 2020, 613) bestätigt der BFH die Verwaltungsregelung in Abschn. 15a.3 Abs. 2 Satz 1 bis 3 UStAE. »Wirtschaftsgut« i.S.d. § 15a UStG und damit Berichtigungsobjekt ist bei einem in Abschnitten errichteten Gebäude der Teil, der entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen worden ist (s.a. Anmerkung vom 25.8.2020, LEXinform 0653766).
In der Praxis stellt sich insbes. bei Grundstücken das Problem des Leerstehens von Teilen von Gebäuden vor, bei erstmaliger oder im Anschluss an ihre erstmalige Verwendung. Zum Umfang des Vorsteuerabzugs beim Leistungsbezug nimmt der BFH mit Urteil vom 22.2.2001 (V R 77/96, BStBl II 2003, 426) Stellung. Danach bestimmt die tatsächliche oder bei Leistungsbezug beabsichtigte Verwendung des Gegenstandes oder der sonstigen Leistung zur Ausführung besteuerter Umsätze den Umfang des Vorsteuerabzugs und ist Grundlage für eine Vorsteuerberichtigung in sog. Folgejahren.
Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs (Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 5 UStAE). Bei jedem Leistungsbezug muss der Unternehmer über die beabsichtigte Verwendung der Leistung sofort entscheiden. Für den Vorsteuerabzug reicht es aus, dass der Unternehmer die Absicht hat, auf die Steuerbefreiung zu verzichten. Die Verwendungsabsicht muss objektiv belegt und in gutem Glauben erklärt werden. Der Vorsteuerabzug bleibt auch dann erhalten, wenn es später nicht zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt (Abschn. 15a.3 Abs. 3 UStAE).
Der Berichtigungszeitraum beginnt nach § 15a Abs. 1 UStG erst mit der erstmaligen tatsächlichen Verwendung (Abschn. 15a.3 Abs. 3 UStAE sowie dort das Beispiel).
Beispiel 25:
Unternehmer U errichtet in den Kj. 07 bis 13 ein Gebäude. Im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs in den Jahren 07 bis 11 hat U das noch zu erstellende Gebäude im Umfang von 32,28 % seinem Unternehmen zugeordnet und für die Erzielung steuerpflichtiger Umsätze vorgesehen. I.H.v. 67,72 % hat U das Gebäude seinem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet. Von der Möglichkeit, das Gebäude insgesamt dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, hat U danach keinen Gebrauch gemacht. Die Zuordnung wurde in der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kj. 07 gegenüber dem FA eindeutig dokumentiert und von diesem bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids entsprechend berücksichtigt. An dieser Zuordnung hat U auch in den jeweiligen Zeitpunkten des Bezugs von Lieferungen und Leistungen bis einschließlich Kj. 11 festgehalten und dies gleichfalls in den betreffenden Steuererklärungen eindeutig dokumentiert.
In der Umsatzsteuererklärung für das Kj. 12 ändert U die Zuordnung der Gebäudeflächen für das noch zu erstellende Gebäude zum unternehmerischen Bereich von bisher 21,28 % auf nunmehr 49 % der Gesamtfläche. Dies hatte seinen Grund darin, dass U die Nutzung eines weiteren Raums des Gebäudes für das Kosmetikstudio beabsichtigte.
Aufgrund der getroffenen Zuordnungsentscheidung im Kj. 12 nimmt U eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für die Herstellungskosten des Gebäudes der Hare 07 bis 11 gem. § 15a UStG vor.
Das FA berücksichtig lediglich einen Vorsteuerabzug von 49 %; die geltend gemachte Vorsteuerberücksichtigung berücksichtigt das FA nicht.
Ab Fertigstellung im Kj. 13 nutzt U das Grundstück zu 49 % zu eigenunternehmerischen Zwecken.
Lösung 25:
Der Sachverhalt ist dem BFH-Beschluss vom 10.2.2021 (XI B 24/20, BFH/NV 2021, 549, LEXinform 4226570) nachgebildet.
Die im Kj. 12 von U gefasste und dokumentierte Absicht, weitere Räumlichkeiten im Untergeschoss des Gebäudes mit einer anteiligen Fläche von 16,72 % der Gesamtfläche und damit insgesamt 49 % der Gesamtfläche des Gebäudes unternehmerisch zu nutzen, führt aufgrund des Grundsatzes des Sofortabzugs der Vorsteuer nicht zu einem rückwirkenden Vorsteuerabzugsrecht in den Kj. 07 bis 11. Danach kann, wenn der Stpfl. beim Erwerb eines Investitionsguts, zu denen auch Gebäude gehören, dieses in vollem Umfang seinem Privatvermögen oder nur teilweise seinen unternehmerischen Tätigkeiten zugeordnet hat, im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs hinsichtlich des dem Privatvermögen zugeordneten Teils ein Recht auf Vorsteuerabzug gar nicht erst entstehen. Ebenso wenig kann in diesem Fall eine spätere Verwendung des dem Privatvermögen zugeordneten Teils des Gegenstands für unternehmerische Zwecke zu einem Abzugsrecht führen. Das Abzugsrecht ist mithin im jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezugs im Umfang der Zuordnungsentscheidung des U endgültig entstanden und kann durch eine nachträgliche Änderung der Zuordnung in diesem Umfang nicht mehr – rückwirkend – erstmals zur Entstehung gelangen (s.a. Anmerkung vom 10.3.2021, LEXinform 0887121).
Zu einer Berichtigung der Vorsteuer gem. § 15a UStG musste der BFH nicht entscheiden.
Lösung zur Berichtigung der Vorsteuer:
Insgesamt in Rechnung gestellte USt: | ||
Kj. 07 bis 12 jeweils 19 000,00 € | 114 000,00 € | |
tatsächlicher Vorsteuerabzug: | ||
Kj. 07 bis 11 jeweils 6 133,20 € | 30 666,00 € | |
Kj. 12: | 9 310,00 € | |
Summe | 39 976,00 € | entspricht 35,07 % |
Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung | 1.1.13 | |
Dauer des Berichtigungszeitraums | 1.1.13 bis 31.12.22 | |
Verwendung im Kj. 13 | 49,00 % | |
Vorsteuerberichtigung wegen Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerabzug | Vorsteuer zu 49,00 % abziehbar statt zu 35,07 % | |
Berichtigungsbetrag: | 13,93 % von 1/10 von 114 000 € = 1 588 € sind zusätzlich zu berücksichtigen. |
Beispiel 26:
Ein Unternehmer errichtet in den Zeiträumen 00 bis 01 ein Gebäude, in der nachgewiesenen Absicht der steuerpflichtigen Vermietung.
Variante 1:
Bis 05 steht das Objekt leer und es kommt ab 06 zur (erstmaligen) steuerpflichtigen Vermietung.
Lösung 26:
Erstmalige Verwendung und damit Beginn des Berichtigungszeitraums liegen im Jahr 06. Da keine Abweichung von der beabsichtigten Verwendung vorliegt, ist kein Raum für § 15a UStG.
00 | 01 | 02–05 | 06 |
beabsichtigte Verwendung: 100 % steuerpflichtige Umsätze | kompletter Leerstand: ohne Auswirkung | erstmalige Verwendung = Beginn Berichtigungszeitraum; keine Abweichung zur beabsichtigten Verwendung |
Variante 2:
Bis 05 steht das Objekt leer und es kommt ab 06 zur (erstmaligen) nur teilweisen steuerpflichtigen Vermietung.
Lösung:
Erstmalige Verwendung und damit Beginn des Berichtigungszeitraums liegen im Jahr 06. Die Abweichung von der beabsichtigten Verwendung (maßgebliche Verhältnisse) führt zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG im Jahr der erstmaligen Verwendung.
00 | 01 | 02–05 | 06 |
beabsichtigte Verwendung: 100 % steuerpflichtige Umsätze | kompletter Leerstand: ohne Auswirkung | erstmalige Verwendung = Beginn Berichtigungszeitraum; Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (00–05 Bauphase und Leerstand): Berichtigung nach § 15a UStG |
Beispiel 27:
Bauphase wie in Beispiel 26. Fertigstellung und Beginn der Verwendung im Jahr 02, bei gleichzeitigem teilweisem Leerstand und weiterhin beabsichtigter steuerpflichtiger Vermietung für die leerstehenden Gebäudeteile. Im Jahr 04 zwingend steuerfreie erstmalige Vermietung der bisher leerstehenden Teile (z.B. Arztpraxis, Optionsbeschränkung nach § 9 Abs. 2 UStG).
Lösung 27:
Beurteilung des Leerstandes in 02 und 03 nach der beabsichtigten Verwendung. Die Vorsteuer ist somit zu 100 % abzugsfähig. Im Kj. 02 liegt der Beginn der erstmaligen Verwendung. Die erstmalige steuerfreie Vermietung ab dem Kj. 04 führt zu einer Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse und damit zu einer Vorsteuerberichtigung ab dem Kj. 04.
02 | 03 | 04 |
Beginn des Berichtigungszeitraums (Abschn. 15a.3 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE). Erstmalige teilweise Verwendung; keine Abweichung gegenüber der Bauphase; teilweiser Leerstand bei weiterhin beabsichtigter steuerpflichtiger Vermietung | unveränderte Nutzung bei teilweisem Leerstand | Bisher leerstehende Räume werden steuerfrei vermietet; |
Beurteilung der leerstehenden Räume nach der beabsichtigten Verwendung und damit keine Änderung der maßgebenden Verhältnisse | Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (00–03 Bauphase und Leerstand) |
Wird ein fertiges WG nur teilweise gebraucht oder, gemessen an seiner Einsatzmöglichkeit, nicht voll genutzt, besteht ein einheitlicher Berichtigungszeitraum für das ganze WG, der mit dessen erstmaliger teilweisen Verwendung beginnt. Dabei ist für die nicht genutzten Teile des WG die Verwendungsabsicht maßgebend (Abschn. 15a.3 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE).
Beispiel 28:
Wie Beispiel 26, jedoch ist das Gebäude ab 02 zunächst voll steuerpflichtig vermietet und steht ab 03 teilweise leer, in der Absicht, diesen Teil weiterhin steuerpflichtig zu vermieten. Im Jahr 04 steuerfreie Vermietung der in 03 leerstehenden Gebäudeteile.
Lösung 28:
02 | 03 | 04 |
Erstmalige Verwendung = Beginn Berichtigungszeitraum, keine Abweichung gegenüber der Bauphase; volle steuerpflichtige Vermietung | Unveränderte Nutzung bei teilweisem Leerstand | In 03 leerstehende Räume werden steuerfrei vermietet |
Beurteilung nach der beabsichtigten Verwendung | Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse (00–01 Bauphase); Berichtigung nach § 15a UStG ab dem Kj. 04 |
Mit Urteil vom 28.2.2018 (C-672/16, UR 2018, 440, LEXinform 0651520) hat der EuGH in einem portugiesischen Ausgangsverfahren entschieden, dass eine Vorsteuerberichtigung nicht vorgenommen werden kann, wenn die Immobilie mehr als zwei Jahre lang leer stand und der Stpfl. erwiesenermaßen versucht hat, diese während dieses Zeitraums zu verpachten.
Grds.h behält ein Unternehmer das Vorsteuerabzugsrecht, welches einmal rechtmäßig erworben wurde. Dies gilt selbst dann, wenn der Unternehmer die Gegenstände oder Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwenden konnte. Der EuGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass jede andere Auslegung gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstieße. Damit ist eine Vorsteuerberichtigung unzulässig, selbst wenn ein Objekt mehr als zwei Jahre leer steht.
Der EuGH merkt allerdings an, dass ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, wenn die Erklärung, die beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, vom Betroffenen nicht in gutem Glauben abgegeben wurde. In Fällen von Betrug oder Missbrauch, in denen der Betroffene die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorgespiegelt, in Wirklichkeit jedoch versucht hat, Gegenstände, deren Erwerb zum Abzug berechtigten, seinem Privatvermögen zuzuführen, kann die Steuerbehörde rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen, da diese Abzüge aufgrund falscher Erklärungen gewährt wurden.
Beachte:
Die Finanzverwaltung geht in Abschn. 15a.2 Abs. 8 UStAE davon aus, dass bei einem Leerstand eines bereits vermieteten Objekts die Absicht entscheidend ist. Es liegt daher keine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG vor, wenn im Anschluss an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Verwendung auch künftig zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausgeführt werden sollen. Dagegen kann die Änderung der Verwendungsabsicht oder die spätere tatsächliche Verwendung zu einer Vorsteuerberichtigung führen (s.a. Anmerkung vom 20.3.2018, LEXinform 0949494).Mit Urteil vom 27.10.2020 (V R 20/20, vormals V R 61/17, BFH/NV 2021, 611, LEXinform 0952797) hat der BFH zum Vorsteuerabzug bei Erfolglosigkeit Stellung genommen.
Sachverhalt:
Die Alten- und Pflegeheim GmbH mit nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfreien Umsätzen eröffnete im Kj. 03 in einem Anbau eine Cafeteria, die für Dritte und Besucher durch einen Außeneingang und vom Speisesaal des Pflegeheims aus für die Heimbewohner zugänglich war. Laut Gewerbeabmeldung hat die GmbH die Cafeteria zum 28.2.13 vollständig aufgegeben. Seit dem Kj. 08 war kein Wareneinkauf und seit dem Kj. 09 auch keine Umsätze für die Cafeteria mehr zu verzeichnen.
Nach Auffassung des FA sowie des FG lagen zumindest ab dem Kj. 09 die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 15a UStG vor. Allein die Behauptung der Verwendungsabsicht für stpfl. Umsätze sei nicht ausreichend, sondern das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Die GmbH habe keine Unterlagen, die eine weitere Absicht zur Erzielung von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen belegten, vorgelegt. Ebenso habe die GmbH nicht belegen können, dass die Räumlichkeiten gar keiner Nutzung mehr unterlägen.
Das Café stand in den Streitjahren auch nicht gänzlich leer, sondern es erfolgte eine Nutzung durch die Heimbewohner im bisherigen Umfang. Da die umsatzsteuerpflichtige Nutzung durch auswärtige Besucher weggefallen ist, haben sich zwangsläufig die Nutzungsanteile dahingehend geändert, dass nunmehr eine Nutzung durch die Heimbewohner zu 100 % erfolgt ist. Der Grundsatz, dass durch einen Leerstand zunächst keine Nutzungsänderung i.S.d. § 15a UStG eintritt, sei hier nicht anwendbar, da ein solcher Leerstand des gesamten Cafés gerade nicht vorliege.
Die GmbH machte dagegen geltend, die Gewerbeabmeldung sei nur erfolgt, um Wartungsarbeiten und andere laufende Kosten einzusparen, welche bei einem laufenden Cafébetrieb anfallen würden. Die Absicht, ein Café zu betreiben, habe sich nicht geändert. Der Leerstand des Gebäudes sei keine andere Verwendung und ein Abstellen auf eine künftige tatsächliche Verwendung sei unzulässig. Auf den Leerstand sei die Nutzung als Café solange anzuwenden, bis eine andere Nutzung eintrete. Entscheidend für die Anwendung des § 15a UStG sei die Verwendungsabsicht des Unternehmers. Eine Änderung der Verwendungsabsicht sei nicht erkennbar, auch nicht durch die Gewerbeabmeldung aus Kostengründen. Diese Verwendungsabsicht bleibe grundsätzlich bei dem Leerstand bis zur erneuten tatsächlichen Verwendung maßgebend.
EuGH-Vorlage des BFH:
Mit Beschluss vom 27.3.2019 (V R 61/17, LEXinform 5022089) hat der BFH dem EuGH (Az. des EuGH: C-374/19, LEXinform 0651674) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (neues Az. BFH: V R 20/20, LEXinform 0952797):
Muss ein Stpfl., der einen Investitionsgegenstand im Hinblick auf eine steuerpflichtige Verwendung mit Recht auf Vorsteuerabzug herstellt (hier: Errichtung eines Gebäudes zum Betrieb einer Cafeteria), den Vorsteuerabzug nach Art. 185 Abs. 1 und Art. 187 MwStSystRL berichtigen, wenn er die zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsatztätigkeit (hier: Betrieb der Cafeteria) einstellt und der Investitionsgegenstand im Umfang der zuvor steuerpflichtigen Verwendung nunmehr ungenutzt bleibt?
Klärungsbedürftig und nach Auffassung des BFH durch den EuGH zu entscheiden ist, ob eine vom Willen des Stpfl. unabhängige Erfolglosigkeit, die zu einer bloßen Nichtnutzung eines Investitionsguts führt, eine Änderung der Faktoren bewirkt, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden (Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL).
Mit Urteil vom 9.7.2020 (C-374/19, UR 2020, 808, LEXinform 0651674) hat der EuGH die Vorlagefrage des BFH (V R 61/17) wie folgt beantwortet:
»Art. 184, 185 und 187 MwStSystRL stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der ein Stpfl., der das Recht erworben hat, die auf die Errichtung einer zur Nutzung sowohl für besteuerte als auch für steuerbefreite Umsätze bestimmten Cafeteria im Anbau eines von ihm umsatzsteuerfrei betriebenen Alten- und Pflegeheims entfallende Vorsteuer anteilig abzuziehen, zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs verpflichtet ist, wenn er jeglichen besteuerten Umsatz in den Räumlichkeiten der Cafeteria eingestellt hat, sofern er weiterhin steuerbefreite Umsätze ebendort getätigt und die Cafeteria somit nunmehr ausschließlich für diese Umsätze genutzt hat« (s.a. Anmerkung vom 9.7.2020, LEXinform 0402233).
In der Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil C-374/19 hat der BFH mit Urteil vom 27.10.2020 (V R 20/20, BFH/NV 2021, 611, LEXinform 0952797) wie folgt entschieden:
»Entfällt bei einem Gegenstand, den der Unternehmer zunächst gemischt für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze genutzt hatte, die Verwendung für die steuerpflichtigen Umsätze, während der Unternehmer die Verwendung für die steuerfreien Umsätze fortsetzt, kann dies zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führen. Demgegenüber bewirkt der bloße Leerstand ohne Verwendungsabsicht keine Änderung der Verhältnisse.«
Die Vorsteuerberichtigungen der vorgenannten Absätze des § 15a UStG sind auf nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten sinngemäß anzuwenden (Abschn. 15a.8 UStAE). Der Begriff der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen abzugrenzen (Abschn. 15a.1 Abs. 2 Nr. 6 UStAE). Voraussetzung ist, dass die nachträglichen Aufwendungen für Berichtigungsobjekte nach § 15a Abs. 1 bis 4 UStG angefallen sind. Aufwendungen, die ertragsteuerrechtlich Erhaltungsaufwand sind, unterliegen der Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 3 UStG. Die einkommensteuerrechtlichen Grundsätze gelten nicht, soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden (Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE). Dieser beim Vorsteuerabzug anzuwendende Grundsatz muss auch bei der Vorsteuerberichtigung gelten, obwohl dies in Abschn. 15a.1 Abs. 2 Nr. 6 UStAE nicht ausdrücklich geregelt ist.
Zur Ermittlung des Berichtigungszeitraums s. Abschn. 15a.8 Abs. 1 und 2 UStAE.
Zur Unterscheidung zwischen anschaffungsnahem Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwand s.o. die ausführlichen Erläuterungen und Beispiele unter dem Gliederungspunkt »Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand und Erhaltungsaufwendungen«.
Beispiel 29:
Am 15.8.13 (Übergang Nutzen, Lasten und Gefahr) erwirbt Unternehmer A ein bebautes Grundstück. Die Anschaffungskosten betragen 360 000 €; davon entfallen 60 000 € auf den Grund und Boden. Die Anschaffung des Grundstücks erfolgte im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG. Das Grundstück wird seit der Fertigstellung im Kj. 00 auch weiterhin vom Erwerber zu jeweils 50 % vorsteuerunschädlich bzw. vorsteuerschädlich vermietet (Einkünfte aus § 21 EStG). Der Erwerber hat die Mietverträge des Veräußerers übernommen.
Nach dem Erwerb lässt A folgende Modernisierungsmaßnahmen durchführen:
Rechnung I: | 10.10.14 | für Sanitärinstallation zzgl. 19 % USt | 12 000 € | 2 280 € |
Rechnung II: | 11.03.15 | für Dacheindeckung zzgl. 19 % USt | 19 000 € | 3 610 € |
Rechnung III: | 05.12.15 | für Wärmedämmung der Fassade zzgl. 19 % USt | 11 000 € | 2 090 € |
Rechnung IV: | 17.02.16 | für Elektroinstallation zzgl. 19 % USt | 8 000 € | 1 520 € |
Summe: | 50 000 € | 9 500 € |
Eine Hebung des Gebäudestandards ist nicht geplant.
Die Ingebrauchnahme der jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen soll jeweils mit Rechnungsstellung erfolgen.
Ab 1.1.17 wird das Grundstück ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet.
Lösung 29:
Ertragsteuerrechtliche Lösung:
Herstellungskosten als Folge einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung können vorliegen, wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung – in der Regel innerhalb von drei Jahren – im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen anfallen. Ob anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegt, ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes in der Regel nicht zu prüfen, wenn die Aufwendungen für Instandsetzung (Rechnungsbetrag ohne USt) in diesem Zeitraum insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Der Dreijahreszeitraum beginnt mit Anschaffung am 15.8.13 und endet mit Ablauf des 14.8.16.
Bei den nachträglichen Aufwendungen ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG unabhängig von der Abziehbarkeit der Vorsteuer stets der Nettobetrag ohne USt maßgeblich. Der Vergleichswert – nämlich die Anschaffungskosten des Gebäudes – ist hingegen nach Maßgabe des § 9b EStG zu ermitteln. Danach gehören die nichtabzugsfähigen Vorsteuerbeträge zu den Anschaffungskosten. Die Anschaffungskosten des Gebäudes betrugen 300 000 € (Vergleichswert).
Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbstständigen Gebäudeteil abzustellen, wenn das Gesamtgebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und daher in verschiedene WG aufzuteilen ist (BFH vom 25.9.2007, IX R 28/07, BStBl II 2008, 218 und BFH vom 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992; BFH Pressemitteilung Nr. 62/2016 vom 28.9.2016, LEXinform 0445137). Maßgeblich ist insoweit, ob die einzelnen Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen (R 4.2 Abs. 4 EStR) stehen (vgl. auch BFH vom 7.12.2010, IX R 14/10, BFH/NV 2011, 1302).
Zur Durchführung von Baumaßnahmen innerhalb der Dreijahresfrist s. die Vfg. des BayLSt vom 6.8.2010 (S 2211 1.1 – 4/2 St 32, DStR 2010, 1941, LEXinform 5232850 sowie Erlass der FinBeh Berlin vom 15.1.2018, III B S 2211 – 2/2005 – 2, SIS 18 12 64 unter Tz. 6).
Veranlagungen sind nach Rz. 36 bis 38 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) vorläufig durchzuführen, wenn innerhalb der ersten drei Jahre nach der Anschaffung die Instandsetzungsarbeiten 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen oder wenn eine Sanierung in Raten (BMF vom18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 31) zu vermuten ist.
Von einer Sanierung in Raten ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Maßnahmen zur Standardhebung innerhalb eines Fünfjahreszeitraums durchgeführt werden.
Die Aufwendungen im Kj. 14 betragen 12 000 € (Rechnung I). Die15-%-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 300 000 € = 45 000 € ist nicht erreicht. Ob anschaffungsnahe Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorliegen, kann nicht abschließend geprüft werden. Bei der ESt-Veranlagung für das Kj. 14 sind die Nettoaufwendungen i.H.v. 12 000 € zzgl. 50 % der nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nichtabzugsfähigen Vorsteuer von (50 % von 2 280 € =) 1 140 €, insgesamt 13 140 €, als Werbungskosten zu berücksichtigen. Bezüglich dieser Erhaltungsaufwendungen ergeht der Bescheid allerdings mit folgender Begründung vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO:
»Eine abschließende Prüfung über die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen erfolgt nach dem dritten Jahr.«
Die Aufwendungen im Kj. 15 (Rechnung II und III) i.H.v. 30 000 € stellen Erhaltungsaufwendungen dar. Da die gesamten Erhaltungsaufwendungen i.H.v. jetzt 42 000 € die Grenze von 45 000 € nicht erreichen, kann § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG noch nicht abschließend geprüft werden. Die weitere Behandlung erfolgt wie im Kj. 14.
Die Aufwendungen vom 17.2.16 i.H.v. 8 000 € (netto) stellen dem Grunde nach Erhaltungsaufwendungen dar. Die anschaffungsnahen Aufwendungen innerhalb der ersten drei Jahre betragen danach 50 000 € und überschreiten die 15 %-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 300 000 € = 45 000 €. Die Aufwendungen i.H.v. 50 000 € sind in den jeweiligen Kj. als Herstellungskosten anzusetzen. Die ESt-Veranlagungen für die Kj. 14 und 15 sind nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern; die Vorläufigkeit ist aufzuheben. Die Umqualifizierung der Erhaltungsaufwendungen zu nachträglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten erhöht die bisherige AfA-Bemessungsgrundlage (H 7.3 [Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten] und H 7.4 [AfA nach nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten – Beispiele] EStH).
Die AfA beginnt am 15.8.13 (R 7.4 Abs. 1 Satz 1 EStR). Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG ist die AfA zeitanteilig vorzunehmen.
Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten (R 7.3 Abs. 1 Satz 1 EStR) | 300 000 € | |
2 % von 300 000 € = 6 000 € Jahresbetrag. Die AfA für 5 Monate (ab 1.8.13) beträgt | ./. 2 500 € | |
Restwert zum 31.12.13 | 297 500 € | |
bisherige AfA-Bemessungsgrundlage | 300 000 € | |
zzgl. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand im Kj. 14 | 12 000 € | 12 000 € |
zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG) | 1 140 € | 1 140 € |
neue AfA-Bemessungsgrundlage | 313 140 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 310 640 € | |
Nach R 7.4 Abs. 9 Satz 3 EStR sind die Aufwendungen so zu berücksichtigen, als wären sie zu Beginn des Jahres aufgewendet worden. | ||
AfA für Kj. 14: 2 % von 313 140 € | ./. 6 263 € | |
Restwert zum 31.12.14 | 304 377 € | |
zzgl. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand im Kj. 15 | 30 000 € | 30 000 € |
zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG; 50 % von 5 700 €) | 2 850 € | 2 850 € |
neue AfA-Bemessungsgrundlage | 345 990 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 337 227 € | |
AfA für Kj. 15: 2 % von 345 990 € | ./. 6 920 € | |
Restwert zum 31.12.15 | 330 307 € | |
zzgl. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand im Kj. 16 | 8 000 € | 8 000 € |
zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG; 50 % von 1 520 €) | 760 € | 760 € |
neue AfA-Bemessungsgrundlage | 354 750 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 339 067 € | |
AfA für Kj. 16: 2 % von 354 750 € | ./. 7 095 € | |
Restwert zum 31.12.16 | 331 972 € |
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Bei einer umsatzsteuerrechtlichen → Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG). In diesem Fall wird der für das WG maßgebliche Berichtigungszeitraum nicht unterbrochen (§ 15a Abs. 10 Satz 1 UStG) bzw. beginnt wegen des Erwerbs nicht neu zu laufen. Der Berichtigungszeitraum für das Grundstück endete nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG im Kj. 10.
Für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und Umbau eines Gebäudes, das vom Erwerber für vorsteuerunschädliche und vorsteuerschädliche Verwendungsumsätze genutzt wird, ist zu entscheiden, ob es sich um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um Anschaffungskosten handelt (BFH vom 28.9.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417; Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 1 UStAE). Handelt es sich dabei um Anschaffungskosten, kommt nur eine Aufteilung der gesamten auf den einheitlichen Gegenstand entfallenden Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab (§ 15 Abs. 4 UStG) in Betracht. Der Umfang der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf Erhaltungsaufwendungen an dem Gegenstand kann sich hingegen danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gegenstands die Aufwendungen vorgenommen werden (Abschn. 15.17 Abs. 5 UStAE). Für jeden Leistungsbezug ist die Zuordnung zum Unternehmen vorzunehmen bzw. eine Entscheidung darüber zu treffen. Dies gilt auch für Erhaltungsaufwendungen, weil die Vorsteuern aus der Anschaffung bzw. Herstellung eines Gegenstands und die Vorsteuern aus seinem Gebrauch und seiner Erhaltung einer getrennten umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung unterliegen. Erhaltungsaufwendungen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden, sind umsatzsteuerlich weiterhin wie Erhaltungsaufwendungen zu behandeln (Abschn. 15.2c Abs. 9 Satz 3 sowie Abschn. 15.17 Abs. 6 Satz 2 UStAE).
Die Begriffe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Erhaltungsaufwendungen sind nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen. Dies gilt jedoch nicht, soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden (Abschn. 15.17 Abs. 6 und Abschn. 15.2c Abs. 9 Nr. 2 mit Beispielen UStAE). Der Vorsteuerabzug aus den weiterhin vorliegenden Erhaltungsaufwendungen – keine anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen wie bei der ESt –, ist mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums zulässig, im dem die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind. So ist z.B. für die Rechnung I die Vorsteuer i.H.v. 2 280 € im Voranmeldungszeitraum Oktober nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar und i.H.v. 1 140 € (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) auch abzugsfähig (s.a. Abschn. 15.12 Abs. 1 Satz 6 ff. UStAE).
Rechnung I: | 10.10.14 | für Sanitärinstallation zzgl. 19 % USt | 12 000 € | 2 280 € |
Rechnung II: | 11.03.15 | für Dacheindeckung zzgl. 19 % USt | 19 000 € | 3 610 € |
Rechnung III: | 05.12.15 | für Wärmedämmung der Fassade zzgl. 19 % USt | 11 000 € | 2 090 € |
Rechnung IV: | 17.02.16 | für Elektroinstallation zzgl. 19 % USt | 8 000 € | 1 520 € |
Summe: | 50 000 € | 9 500 € |
Bei den ausgeführten Modernisierungsmaßnahmen handelt es sich insgesamt um Werklieferungen (→ Werklieferung). Sämtliche Neuerungen am Gebäude sind grds. als Einbau von Bestandteilen zu werten (s.a. Abschn. 15a.6 Abs. 1 UStAE). Nur wenn die Maßnahmen als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu qualifizieren wären, würden diese als Berichtigungsobjekt der Berichtigungsvorschrift des § 15a Abs. 6 UStG unterliegen (Abschn. 15a.6 Abs. 2 UStAE).
Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 UStG laufen für das Gebäude fortan unterschiedliche Vorsteuerberichtigungszeiträume. Nach § 15a Abs. 3 Satz 2 UStG sind mehrere im Rahmen einer Maßnahme in ein WG eingegangene Bestandteile zu einem Berichtigungsobjekt zusammenzufassen. Bei einem Grundstück kann dies unterstellt werden, wenn die verschiedenen Leistungen innerhalb von sechs Monaten bezogen werden (Abschn. 15a.6 Abs. 11 UStAE). Danach sind die Maßnahmen der Rechnungen I und II sowie der Rechnungen III und IV jeweils zu einem Objekt zusammenzufassen. Der Berichtigungszeitraum beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer das WG nach Durchführung der Maßnahme erstmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet.
Berichtigungszeitraum 1: | Gebäude | Kj. 00 bis Kj. 10 |
Berichtigungszeitraum 2: | Rechnungen I und II: Sanitärinstallation und Dacheindeckung | 11.3.15 bis 10.3.25 |
§ 45 UStDV: | 01.3.15 bis 28.2.25 | |
Berichtigungszeitraum 3: | Rechnung III und IV: Wärmedämmung und Elektroinstallation | 17.2.16 bis 16.2.26 |
§ 45 UStDV: | 1.3.16 bis 28.2.26 |
Die USt aus den Renovierungsarbeiten war gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG jeweils in voller Höhe abziehbar (→ Vorsteuerabzug). Die abziehbare Vorsteuer entfällt sowohl auf Abzugs- als auch auf Ausschlussumsätze. Da die Erhaltungsaufwendungen keinem Nutzungsbereich konkret zugeordnet werden können, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG durch eine sachgerechte Schätzung wirtschaftlich aufzuteilen (Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 4 UStAE). Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der Nutzflächen. Die Vorsteuer ist somit jeweils zu 50 % abzugsfähig und zu 50 % nicht abzugsfähig.
Ab 1.1.17 wird das Grundstück ausschließlich zur Ausführung stpfl. Umsätze verwendet. Es handelt sich dabei um eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG von 50 % auf 100 %, somit um 50 %.
Die zu überwachende Vorsteuer beträgt | ||
Berichtigungsobjekt 1: | Berichtigungsobjekt 2: | Berichtigungsobjekt 3: |
Gebäude | Rechnungen I und II | Rechnungen III und IV |
Berichtigungszeitraum abgelaufen. | 5 890 € | 3 610 € |
Die Vereinfachungsregelungen des § 44 UStDV, nämlich
liegen vor. Für die Berichtigungsobjekte, für die die Vorsteuer nicht mehr als 2 500 € beträgt, ist die Berichtigung erst bei der Steuerfestsetzung für das letzte Kj. des im Einzelfall maßgeblichen Berichtigungszeitraums durchzuführen (§ 44 Abs. 3 UStDV). Für WG, die nach dem 31.12.2011 angeschafft oder hergestellt worden sind, ist die 2 500-€-Regelung entfallen (§ 74a Abs. 2 UStDV). § 44 UStDV ist ab 1.1.2012 neu gefasst (→ Vorsteuerberichtigung). |
Berichtigungsobjekt | Berichtigungszeitraum | Änderung der Verhältnisse | Jährlicher Vorsteuerbetrag | Vorsteuerberichtigung im Kj. | |
2: | 1.3.15 bis | von | 50 % | 294,50 € | jeweils im Besteuerungszeitraum 17 bis 25 (§ 44 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. ab 1.1.2012); jeweils 294,50 € im Kj., 49,10 € im Kj. 25 |
Rechnung I und II | 28.2.25 | auf | 100 % | 589,00 € | |
5 890 € | + | 50 % | 294,50 € | ||
3: | 1.3.16 bis | von | 50 % | 180,50 € | jeweils im Besteuerungszeitraum 17 bis 26 (§ 44 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. ab 1.1.2012); jeweils 180,50 € im Kj., 30,10 € im Kj. 26 |
Rechnung III und IV | 28.2.26 | auf | 100 % | 361,00 € | |
3 610 € | + | 50 % | 180,50 € |
Beispiel 30:
Am 15.8.13 (Übergang Nutzen, Lasten und Gefahr) erwirbt Unternehmer A ein bebautes Grundstück. Die Anschaffungskosten betragen 360 000 €; davon entfallen 60 000 € auf den Grund und Boden. Die Anschaffung des Grundstücks erfolgte im Rahmen einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG. Das Grundstück wird seit der Fertigstellung im Kj. 00 auch weiterhin vom Erwerber zu jeweils 50 % vorsteuerunschädlich bzw. vorsteuerschädlich vermietet (Einkünfte aus § 21 EStG). Der Erwerber hat die Mietverträge des Veräußerers übernommen.
Nach dem Erwerb lässt A folgende Modernisierungsmaßnahmen durchführen:
Rechnung I: | 10.10.14 | für Sanitärinstallation im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 11 000 € | 2 090 € |
Rechnung II: | 05.12.15 | für Renovierungsarbeiten im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 14 000 € | 2 660 € |
Rechnung III: | 17.02.16 | für Elektroinstallation zzgl. 19 % USt | 8 000 € | 1 520 € |
Rechnung IV: | 10.10.16 | Erneuerung der Heizungsanlage zzgl. 19 % USt | 15 000 € | 2 850 € |
Summe: | 48 000 € | 9 120 € |
Eine Hebung des Gebäudestandards ist geplant.
Die Ingebrauchnahme der jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen soll jeweils mit Rechnungsstellung erfolgen.
Ab 1.1.17 wird das Grundstück ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet.
Lösung 30:
Ertragsteuerrechtliche Lösung:
Wie bereits im vorhergehenden Beispiel erläutert, beträgt die maßgebliche Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG 15 % von 300 000 € = 45 000 €. Der Dreijahreszeitraum endet mit Ablauf des 14.8.16. Bis zum Ablauf des maßgeblichen Dreijahreszeitraums betragen die Erhaltungsaufwendungen lediglich 33 000 € und übersteigen somit nicht die 15 %-Grenze von 45 000 €. Aufwendungen zur Hebung des Standards sind in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen (FinBeh Berlin Erlass vom 15.1.2018 (III B – S 2211 – 2/2005 – 2, SIS 18 12 64, Tz. 1 sowie BFH Urteil vom 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992). Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören insbes. auch Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären.
Aufwendungen, die nach den Kriterien des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) Herstellungskosten zur Hebung des Standards darstellen, sind (und bleiben) auch dann Herstellungskosten, wenn
sie in ihrer Summe die 15 %-Grenze nicht überschreiten und/oder
sie erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums entstehen.
Veranlagungen sind nach Rz. 36 bis 38 des BMF-Schreibens vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) u.a. vorläufig durchzuführen, wenn eine Sanierung in Raten (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 31) zu vermuten ist. Von einer Sanierung in Raten ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Maßnahmen zur Standardhebung innerhalb eines Fünfjahreszeitraums durchgeführt werden.
Die Aufwendungen im Kj. 14 betragen 11 000 € (Rechnung I). Die 15 %-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 300 000 € = 45 000 € ist nicht erreicht. Ob anschaffungsnahe Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorliegen, kann nicht abschließend geprüft werden. Bei der ESt-Veranlagung für das Kj. 14 sind die Nettoaufwendungen i.H.v. 11 000 € zzgl. 50 % der nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nichtabzugsfähigen Vorsteuer von (50 % von 2 090 € =) 1 045 €, insgesamt 12 045 €, als Werbungskosten zu berücksichtigen. Bezüglich dieser Erhaltungsaufwendungen ergeht der Bescheid allerdings mit folgender Begründung vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO: »Eine abschließende Prüfung über die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen erfolgt nach dem dritten Jahr.«
Die Aufwendungen im Kj. 15 (Rechnung II) i.H.v. 14 000 € stellen Erhaltungsaufwendungen dar. Da die gesamten Erhaltungsaufwendungen i.H.v. jetzt 25 000 € die Grenze von 45 000 € nicht erreichen, kann § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG noch nicht abschließend geprüft werden. Die weitere Behandlung erfolgt wie im Kj. 14.
Die Aufwendungen vom 17.2.16 i.H.v. 8 000 € (netto) stellen dem Grunde nach Erhaltungsaufwendungen dar. Die anschaffungsnahen Aufwendungen innerhalb der ersten drei Jahre betragen danach 33 000 € und überschreiten nicht die 15 %-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 300 000 € = 45 000 €. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG sind nicht erfüllt. Es kann aber noch nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufwendungen Erhaltungsaufwendungen darstellen. Die im BMF-Schreiben vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386) aufgestellten Kriterien zur Standardhebung sind zu beachten (Rz. 9 bis 13, 31, 38).
Die Aufwendungen vom 10.10.14 (Sanitärinstallation) und vom 17.2.16 (Elektroinstallation) führen für sich gesehen noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung. Verbunden mit den Aufwendungen vom 10.10.16 (Erneuerung der Heizungsanlage) sind die vorgenannten Aufwendungen Teil einer Gesamtmaßnahme, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt und die insgesamt zu einer Hebung des Standards führt. Es handelt sich um eine Sanierung in Raten, da die Maßnahmen innerhalb eines Fünfjahreszeitraums durchgeführt worden sind.
Bei den Aufwendungen vom 5.12.15 (Wärmedämmung) bleibt es bei Erhaltungsaufwendungen.
Die Aufwendungen der Rechnungen I, III und IV sind in den jeweiligen Kj. als Herstellungskosten anzusetzen. Die ESt-Veranlagungen für die Kj. 14 und 15 sind nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern; die Vorläufigkeit ist aufzuheben.
Die Umqualifizierung der Aufwendungen erfolgt nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, sondern nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 25 ff.).
Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten (R 7.3 Abs. 1 Satz 1 EStR): | 300 000 € | |
2 % von 300 000 € = 6 000 € Jahresbetrag. Die AfA für 5 Monate (ab 1.8.13) beträgt | ./. 2 500 € | |
Restwert zum 31.12.13 | 297 500 € | |
Bisherige AfA-Bemessungsgrundlage | 300 000 € | |
zzgl. Herstellungsaufwand (Standardhebung) im Kj. 14 | 11 000 € | 11 000 € |
zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG) | 1 045 € | 1 045 € |
neue AfA-Bemessungsgrundlage | 312 045 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 309 545 € | |
Nach R 7.4 Abs. 9 Satz 3 EStR sind die Aufwendungen so zu berücksichtigen, als wären sie zu Beginn des Jahres aufgewendet worden. | ||
AfA für Kj. 14: 2 % von 312 045 € | ./. 6 241 € | |
Restwert zum 31.12.14 | 303 304 € | |
zzgl. Herstellungsaufwand im Kj. 15 | 0 € | 0 € |
AfA-Bemessungsgrundlage wie bisher | 312 045 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 303 304 € | |
AfA für Kj. 15: 2 % von 312 045 € | ./. 6 241 € | |
Restwert zum 31.12.15 | 297 063 € | |
zzgl. Herstellungsaufwand (Standardhebung) im Kj. 16 | 23 000 € | 23 000 € |
zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG; 50 % von 4 370 €) | 2 185 € | 2 185 € |
neue AfA-Bemessungsgrundlage | 337 230 € | |
insgesamt AfA-Volumen | 322 248 € | |
AfA für Kj. 16: 2 % von 337 230 € | ./. 6 745 € | |
Restwert zum 31.12.16 | 315 503 € |
Umsatzsteuerrechtliche Lösung:
Für den Umfang des Vorsteuerabzugs bei Erwerb und Umbau eines Gebäudes, das vom Erwerber für vorsteuerunschädliche und vorsteuerschädliche Verwendungsumsätze genutzt wird, ist zu entscheiden, ob es sich um Erhaltungsaufwand am Gebäude oder um Anschaffungskosten handelt (BFH vom 28.9.2006, V R 43/03, BStBl II 2007, 417; Abschn. 15.17 Abs. 5 Satz 1 UStAE). Nach dem BFH-Urteil V R 43/03 führt auch anschaffungsnaher Aufwand i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wegen Standardhebung zu Herstellungskosten. Handelt es sich dabei um Anschaffungskosten, kommt nur eine Aufteilung der gesamten auf den einheitlichen Gegenstand entfallenden Vorsteuerbeträge nach einem sachgerechten Aufteilungsmaßstab (§ 15 Abs. 4 UStG) in Betracht. Der Umfang der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge auf Erhaltungsaufwendungen an dem Gegenstand kann sich hingegen danach richten, für welchen Nutzungsbereich des gemischt genutzten Gegenstands die Aufwendungen vorgenommen werden (Abschn. 15.17 Abs. 5 UStAE).
Die Begriffe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Erhaltungsaufwendungen sind nach den für das Einkommensteuerrecht geltenden Grundsätzen auszulegen. Dies gilt jedoch nicht, soweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Erhaltungsaufwendungen zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden (Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE). Da die Umqualifizierung der Aufwendungen nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, sondern nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB erfolgt (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 25 ff.), stellen die Aufwendungen für die Standardhebung Herstellungskosten dar. Die gesamten Herstellungskosten sind nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Das gilt auch für die Aufwendungen vom 10.10.14 (Rechnung I), die lediglich den vorsteuerunschädlichen Teil betreffen.
Rechnung I: | 10.10.14 | für Sanitärinstallation im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 11 000 € | 2 090 € |
Rechnung III: | 17.02.16 | für Elektroinstallation zzgl. 19 % USt | 8 000 € | 1 520 € |
Rechnung IV: | 10.10.16 | Erneuerung der Heizungsanlage zzgl. 19 % USt | 15 000 € | 2 850 € |
Summe: | 33 000 € | 6 270 € |
Die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbare Vorsteuer i.H.v. 6 270 € ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu 50 % = 3 135 € nicht abzugsfähig.
Bei Erhaltungsaufwendungen ist vorrangig zu prüfen, ob die bezogenen Leistungen vorsteuerunschädlich oder vorsteuerschädlich verwendeten Gebäudeteilen zugeordnet werden können (Abschn. 15.17 Abs. 8 Satz 1 UStAE).
Rechnung II: | 05.12.15 | für Renovierungsarbeiten im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 14 000 € | 2 660 € |
Die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbare Vorsteuer i.H.v. 2 660 € ist in voller Höhe abzugsfähig.
Bei den ausgeführten Modernisierungsmaßnahmen handelt es sich insgesamt um Werklieferungen (→ Werklieferung). Sämtliche Neuerungen am Gebäude sind grds. als Einbau von Bestandteilen zu werten (s.a. Abschn. 15a.6 Abs. 1 UStAE). Da aber die Maßnahmen der Rechnungen I, III und IV als nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu qualifizieren sind, unterliegen diese als Berichtigungsobjekt der Berichtigungsvorschrift des § 15a Abs. 6 UStG (Abschn. 15a.6 Abs. 2 UStAE). Lediglich die Rechnung II unterliegt als Bestandteil der Berichtigungsvorschrift des § 15a Abs. 3 Satz 1 UStG.
Nach § 15a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 UStG laufen für das Gebäude fortan unterschiedliche Vorsteuerberichtigungszeiträume. Wegen der unterschiedlichen Berichtigungsvorschriften (Abs. 3 und Abs. 6) können die Maßnahmen nicht – wie im Beispiel zuvor – zu einem Berichtigungsobjekt zusammengefasst werden. Der jeweilige Berichtigungszeitraum beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer das WG nach Durchführung der Maßnahme erstmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet.
Rechnung I: | 10.10.14 | für Sanitärinstallation im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 11 000 € | 2 090 € |
Rechnung II: | 05.12.15 | für Renovierungsarbeiten im vorsteuerunschädlich genutzten Grundstücksteil zzgl. 19 % USt | 14 000 € | 2 660 € |
Rechnung III: | 17.02.16 | für Elektroinstallation zzgl. 19 % USt | 8 000 € | 1 520 € |
Rechnung IV: | 10.10.16 | Erneuerung der Heizungsanlage zzgl. 19 % USt | 15 000 € | 2 850 € |
Summe: | 48 000 € | 9 120 € |
Berichtigungszeitraum 1: | Gebäude | Kj. 00 bis Kj. 10 |
Berichtigungszeitraum 2: § 15a Abs. 6 UStG | Rechnungen I: Sanitärinstallation | 10.10.14 bis 9.10.24 |
§ 45 UStDV: | 1.10.14 bis 30.9.24 | |
Berichtigungszeitraum 3: § 15a Abs. 3 Satz 1 UStG | Rechnung II: Renovierungsarbeiten | 5.12.15 bis 4.12.25 |
§ 45 UStDV: | 1.12.15 bis 30.11.25 | |
Berichtigungszeitraum 4: § 15a Abs. 6 UStG | Rechnung III: Elektroinstallation | 17.2.16 bis 16.2.26 |
§ 45 UStDV: | 1.3.16 bis 28.2.26 | |
Berichtigungszeitraum 5: § 15a Abs. 6 UStG | Rechnung IV: Heizungsanlage | 10.10.16 bis 09.10.26 |
§ 45 UStDV: | 1.10.16 bis 30.9.26 |
Ab 1.1.17 wird das Grundstück ausschließlich zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze verwendet. Es handelt sich dabei um eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 und 1 UStG von 50 % auf 100 %, somit um 50 %.
Die zu überwachende Vorsteuer beträgt | ||||
Berichtigungsobjekt 1: | Berichtigungsobjekt 2: | Berichtigungsobjekt 3: | Berichtigungsobjekt 4: | Berichtigungsobjekt 5: |
Gebäude | Rechnungen I | Rechnungen II | Rechnung III | Rechnung IV |
Berichtigungszeitraum abgelaufen. | 2 090 € | 2 660 € | 1 520 € | 2 850 € |
Die Vereinfachungsregelungen des § 44 UStDV, nämlich
liegen vor. Für die Berichtigungsobjekte, für die die Vorsteuer nicht mehr als 2 500 € beträgt, ist die Berichtigung erst bei der Steuerfestsetzung für das letzte Kj. des im Einzelfall maßgeblichen Berichtigungszeitraums durchzuführen (§ 44 Abs. 3 UStDV). Für WG, die nach dem 31.12.2011 angeschafft oder hergestellt worden sind, ist die 2 500-€-Regelung entfallen (§ 74a Abs. 2 UStDV). § 44 UStDV ist ab 1.1.2012 neu gefasst (→ Vorsteuerberichtigung). |
Berichtigungsobjekt | Berichtigungszeitraum | Änderung der Verhältnisse | Jährlicher Vorsteuerbetrag | Vorsteuerberichtigung im Kj. | |
2: | 1.10.14 bis | von | 50 % | 104,50 € | jeweils im Besteuerungszeitraum 17 bis 24 (§ 44 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. ab 1.1.2012); jeweils 104,50 € im Kj., 78,40 € im Kj. 24 |
Rechnung I | 30.9.24 | auf | 100 % | 209,00 € | |
§ 15a Abs. 6 UStG: 2 090 € | + | 50 % | 104,50 € | ||
3: | 1.12.15 bis | von | 100 % | Keine Änderung der Verhältnisse und somit keine Vorsteuerberichtigung notwendig | |
Rechnung II | 30.11.25 | auf | 100 % | ||
§ 15a Abs. 3 Satz 1 UStG 3 610 € | + | 0 % | |||
4: | 1.3.16 bis | von | 50 % | 76,00 € | jeweils im Besteuerungszeitraum 17 bis 26 (§ 44 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. ab 1.1.2012); jeweils 76,00 € im Kj., 12,66 € im Kj. 26 |
Rechnung III | 28.2.26 | auf | 100 % | 152,00 € | |
§ 15a Abs. 6 UStG 1 520 € | + | 50 % | 76,00 € | ||
5: | 1.10.16 bis | von | 50 % | 142,50 € | jeweils im Besteuerungszeitraum 17 bis 26 (§ 44 Abs. 3 Satz 1 i.d.F. ab 1.1.2012); jeweils 142,50 € im Kj., 106,88 € im Kj. 26. |
Rechnung IV | 30.9.26 | auf | 100 % | 285,00 € | |
§ 15a Abs. 6 UStG 2 850 € | + | 50 % | 142,50 € |
Hinweis:
Unternehmer A schuldet als Leistungsempfänger nicht die Steuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 UStG, da er nicht selbst Bauleistungen erbringt (s. Abschn 13b.2 Abs. 1 i.V.m. Abschn. 13b.3 Abs. 1 UStAE).
Nach einer Zuordnung des gesamten gemischt genutzten Grundstücks zum → Unternehmensvermögen stellt nicht nur die private Nutzung eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe dar, auch eine spätere Veräußerung führt zu einer steuerbaren Lieferung des gesamten Grundstücks, die normalerweise nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei ist. Der Unternehmer kann aber unter den Voraussetzungen des § 9 UStG auf die Steuerbefreiung verzichten. Der Unternehmer hat sogar die Möglichkeit, den Verzicht auf einen abgrenzbaren Teil des Grundstücks zu beschränken (BFH Urteil vom 26.6.1996, XI R 43/90, BStBl II 1997, 98 und Abschn. 9.2 Abs. 1 UStAE). Die steuerfreie Veräußerung des dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks innerhalb des Berichtigungszeitraums von zehn Jahren kann zur → Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 8 UStG führen.
Wird ein insgesamt dem → Unternehmensvermögen zugeordnetes teilunternehmerisch genutztes Grundstück, das nach § 15 Abs. 1b UStG nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, veräußert, unterliegt der Umsatz im vollen Umfang der USt, wenn auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG wirksam verzichtet wird (§ 9 UStG, vgl. Abschn. 9.1 Abs. 5 UStAE). Es liegt insoweit eine Änderung der Verhältnisse vor, die zu einer → Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führt (§ 15a Abs. 8 Satz 2 UStG, vgl. Abschn. 15.6a Abs. 6 und Abschn. 15a.2 Abs. 2 Satz 3 Nr. 7).
Nach dem EuGH-Urteil vom 27.3.2019 (C-201/18, UR 2019, 395, LEXinform 0651633) ist die ordnungsgemäß abgezogene Vorsteuer auf Umbauten an Gebäuden nicht zu berichtigen, wenn das Gebäude anschließend Gegenstand eines Sale-and-lease-back Finanzierungsleasings wird. Nach Ausfassung der belgischen Finanzverwaltung sei der ursprünglich vorgenommene Vorsteuerabzug hinsichtlich der Umbauten in dieser »Sale-and-Lease-Back«-Situation zu berichtigen, weil das Gebäude Gegenstand eines mehrwertsteuerfreien Veräußerungsgeschäfts war.
Maßgeblich für den Umfang des Vorsteuerabzugs ist insbes. die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung des Gegenstands. Im konkreten Fall wurde das betreffende Gebäude – wie häufig bei Sale-and-Lease-Back-Konstellationen – vom Stpfl. ununterbrochen und dauerhaft für die berufliche Tätigkeit genutzt. Die für den Gebäudeumbaut bewirkten Umsätze wurden also weiterhin für die besteuerten Ausgangsumsätze des Stpfl. genutzt, so dass sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden, nicht im Nachhinein geändert haben.
Hinsichtlich der konkreten Sale-and-Lease-Back-Situation fehlt es an einer Lieferung, d.h. einer Übertragung des Gegenstands, der die Befähigung nach sich zieht, anschließend wie ein Eigentümer hierüber zu verfügen. Denn beide Geschäfte sind als so eng miteinander verbunden zu betrachten, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Im vorliegenden Fall ist dies v.a. deshalb gegeben, weil es sich um rein finanzielle Umsätze handelt, die der Erhöhung der Liquidität des Stpfl. dienten, und das Gebäude bewusst im Besitz des Stpfl. verbleiben sollte, um weiterhin für steuerpflichtige Umsätze genutzt werden zu können.
Zur Unternehmereigenschaft bzw. zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen nach einem Zwangsvollstreckungsverfahren hat der EuGH die Vorlagefrage des rumänischen Gerichts mit Urteil vom 20.1.2021 (C-655/19, LEXinform 5217224) beantwortet.
Entscheidungssachverhalt:
A gewährte X mehrere Darlehen, die durch Grundpfandrechte an mehreren Immobilien gesichert waren. Da die Darlehen nicht zurückgezahlt werden konnten, wurden die Immobilien im Kj. 09 versteigert und A erhielt für drei von ihnen den Zuschlag. In den Kj. 10 bis 12 verkaufte A die Immobilien.
Das rumänische Vorlagegericht möchte vom EuGH wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. a (§ 3 Abs. 1 UStG) und Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL (§ 2 Abs. 1 UStG) dahin auszulegen sind, dass der Umsatz, bei dem eine Person den Zuschlag für eine Immobilie erhält, die in einem zur Beitreibung eines zuvor gewährten Darlehens eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt wurde, und die Immobilie später verkauft, eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, und ob diese Person in Bezug auf diesen Umsatz als Stpfl. (Unternehmer) anzusehen ist.
Entscheidungsgründe:
Der EuGH weist in Rz. 24 seiner Entscheidung C-655/19 zunächst darauf hin, dass die MwStSystRL der Mehrwertsteuer zwar einen sehr weiten Anwendungsbereich zuweist, diese Steuer jedoch ausschließlich Tätigkeiten wirtschaftlicher Art betrifft (s.a. Abschn. 1.1 Abs. 3 UStAE). Der Begriff des Unternehmers kann nur unter Bezugnahme auf den Begriff »wirtschaftliche Tätigkeit« i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL (§ 2 Abs. 1 UStG) definiert werden. Als solche Tätigkeit gilt insbesondere »die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen«.
Der Begriff »Nutzung« bezieht sich auf alle Vorgänge, die – ungeachtet ihrer Rechtsform – darauf abzielen, aus dem betroffenen Gegenstand nachhaltig Einnahmen zu erzielen (EuGH C- 655/19, Rz. 27).
Keine »Nutzung« eines Gegenstandes stellt z.B.
der bloße Erwerb und der bloße Verkauf eines Gegenstandes (Rz. 28),
die bloße Ausübung eines Eigentumsrechts durch den Inhaber (Rz. 29)
dar.
In seinem Urteil vom 9.7.2015 (C-331/14, UR 2015, 621, LEXinform 0589510) hat der EuGH in Bezug auf den Verkauf eines Baugrundstücks bereits klargestellt, dass ein maßgebliches Beurteilungskriterium darin besteht, dass der Betroffene aktive Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen und sich dabei ähnlicher Mittel bedient hat wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender. Derartige Initiativen erfolgen nämlich normalerweise nicht im Rahmen der Verwaltung von Privatvermögen, so dass die daraus resultierenden Umsätze nicht als bloße Ausübung des Eigentumsrechts angesehen werden können. Solche Initiativen erfolgen vielmehr im Rahmen einer Tätigkeit, die zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, und können somit als wirtschaftlich eingestuft werden.
Aus den dem Entscheidungssachverhalt ergibt sich, dass
der Darlehnsgeber A des Ausgangsverfahrens die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsgeschäfte vorgenommen hat, um sein Vermögen wiederherzustellen und seine Forderungen beizutreiben, nachdem die gewährten Darlehen nicht zurückgezahlt worden waren;
der Darlehensgeber A des Ausgangsverfahrens, der die Beitreibung seiner Forderungen und die Wiederherstellung seines Vermögens zum Ziel hat, keine aktiven Schritte zur Vermarktung von Grund und Boden unternommen und sich insbesondere keiner ähnlichen Mittel bedient hat wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL.
Beantwortung der Vorlagefrage:
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL sind dahin auszulegen, dass der Umsatz, bei dem eine Person den Zuschlag für eine Immobilie erhält, die in einem zur Beitreibung eines zuvor gewährten Darlehens eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt wurde, und diese Immobilie später verkauft, für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, wenn dieser Umsatz zur bloßen Ausübung des Eigentumsrechts und der ordnungsgemäßen Verwaltung des Privatvermögens gehört, sodass diese Person in Bezug auf diesen Umsatz nicht als Stpfl. angesehen werden kann.
Der Ort der Grundstückslieferung bestimmt sich stets gem. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG nach dem Lageort des Grundstücks (→ Ort der Lieferung).
Beispiel 31:
Ein Unternehmer errichtet ein Geschäftsgebäude, das am 1.12.06 in Gebrauch genommen und in vollem Umfang steuerpflichtig vermietet wird. Es sind 120 000 € Vorsteuern angefallen. Am 1.6.08 veräußert der Unternehmer das Grundstück steuerfrei.
Lösung 31:
Der Überwachungszeitraum beginnt am 1.12.06 und endet am 30.11.16. Im Rahmen der Umsatzsteuerjahresveranlagung 06 kann der Unternehmer die vollen 120 000 € als Vorsteuer geltend machen. Der steuerfreie Veräußerungsvorgang stellt eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG dar. Folge ist, dass der Vorsteuerabzug rückgängig zu machen ist für die Zeit vom 1.6.08 bis 30.11.16.
Dabei ergeben sich folgende Änderungen:
für 08: 7/120 des gesamten Vorsteuerbetrages = 7 000 €;
für jedes der Jahre 09 bis 15 jeweils 12/120 oder 1/10 = 84 000 €;
für die Zeit vom 1.1. bis 30.11.16 schließlich 11/120 = 11 000 €.
Dem Unternehmer verbleiben insgesamt 18 000 € als Vorsteuerabzug. Er hat im Rahmen der Voranmeldung für Juni 08 die Summe von 102 000 € zu seinen Lasten anzumelden (§ 44 Abs. 3 Satz 2 UStDV).
Grundstücksumsätze sind gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG von der USt befreit (→ Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG), wenn sie unter das GrEStG fallen. Unter die Steuerbefreiung fallen insbesondere die Lieferung von Grundstücken und Grundstücksteilen sowie die Bestellung und Übertragung von Erbbaurechten. Von der Steuerfreiheit ausgenommen und daher steuerpflichtig sind die mit dem Grundstücksumsatz in Zusammenhang stehenden Lieferungen von Scheinbestandteilen und Zubehör i.S.d. §§ 95, 97 BGB sowie die Übertragung von Betriebsvorrichtungen. Wird ein Grundstück mit Betriebsvorrichtung veräußert, ist auf jeden Fall der auf die Betriebsvorrichtung entfallende Entgeltsanteil stpfl. (Beispiel von Betriebsvorrichtungen vgl. Abschn. 4.12.10 UStAE).
Mit Urteil vom 10.9.2015 (V R 41/14, BStBl II 2016, 308) hatte der BFH zum Verhältnis der USt zur GrESt bei einer Maklertätigkeit zu entschieden (s.a. Anmerkung vom 17.11.2015, LEXinform 0947343).
In dem dem BFH-Urteil vom 10.9.2015 zugrunde liegenden Sachverhalt verpflichtete sich eine Stpfl. gegenüber Grundstückseigentümern in deren Namen, deren Grundbesitz zu einem Mindestverkaufspreis zu veräußern. Der über den Mindestverkaufspreis hinausgehende Verkaufserlös war das Vertriebsentgelt. Die auf der Vermittlung beruhenden Verträge schloss die Stpfl. nach den ihr erteilten Vollmachten im Namen der Grundstückseigentümer, nicht aber im eigenen Namen mit den Erwerbern ab. Die Maklerin erbrachte gegenüber den Grundstückseigentümern somit Vermittlungsleistungen. Entgelt für die Vermittlung war die Beteiligung der Maklerin am Verkaufspreis.
Der GrESt unterliegen nach § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dabei wendet der BFH diese Vorschrift auch auf Rechtsvorgänge an, bei denen ein sog. atypischer Makler aufgrund besonderer Abreden in einem Vermittlungsauftrag über Grundstückseigentum eine Rechtsstellung erhält, die ihm eine »Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks« einräumt und es ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, da der Grundstückseigentümer zum Abschluss von Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision zusteht. Bemessungsgrundlage für die GrESt ist der Mindestkaufpreis. Insgesamt fällt zweimal GrESt an; einmal für die Kaufvertragsparteien gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und einmal für den Makler wegen der Verwertungsbefugnis gem. § 1 Abs. 2 GrEStG.
Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG der GrESt unterliegende Rechtsvorgang des atypischen Maklervertrags ist jedoch nicht identisch mit der von der Maklerin erbrachten Vermittlungsleistung. Die Vermittlungsleistung ergab sich aus dem der Maklerin erteilten Vermittlungsauftrag, während der sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergebende Steuertatbestand darauf beruht, dass der Vermittler zusätzlich zum Vermittlungsauftrag besondere Befugnisse erhält, die ihm eine Verwertung auf eigene Rechnung ermöglichen.
Bei den Vermittlungsleistungen der Maklerin handelt es sich nicht um Umsätze, die unter das GrEStG fallen. Die Maklerin erbrachte gegenüber den Grundstückseigentümern Vermittlungsleistungen. Entgelt für die Vermittlung war die Beteiligung der Maklerin am Verkaufspreis. Diese Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei (s.a. BFH Beschluss vom 28.5.2015, V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117, LEXinform 5908115).
Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 24.3.2014 (S 7162 A – 8 – St 16, DStR 2014, 1722) äußert sich zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Unternehmern, die beim Verkauf eines Grundstücks gleichzeitig die Verpflichtung eingehen, auf diesem noch zu übertragenden Grundstück ein Gebäude zu errichten oder ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude zu sanieren (s.a. Ramb, NWB 37/2017, 2853). Zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei der GrESt sowie zur Einbeziehung der auf die Bauleistungen für den Gebäudebestand entfallenden USt in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage s. die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 20.9.2017 (BStBl I 2017, 1328) unter Tz. 5.2.
Hinweis:
Die umsatz- und grunderwerbsteuerliche Sichtweise des »Gegenstands der Lieferung« fallen auseinander. Nach der GrESt können mehrere, von dem Grundstückserwerber mit verschiedenen Unternehmern abgeschlossene Verträge als ein einheitliches, auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks gerichtetes Vertragswerk (Vertragsbündel) anzusehen sein (s.a. Ramb, NWB 37/2017, 2853 unter V.3.a). Mit Urteil vom 19.6.2013 (II R 3/12, BStBl II 2013, 965) hat der BFH seine »Vertragsbündel«-Rechtsprechung bestätigt. »Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein einheitlicher, auf den Erwerb des bebauten Grundstücks gerichteter Erwerbsvorgang u.a. vor, wenn die Personen durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss des Grundstückskaufvertrags und der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken, ohne dass dies für den Erwerber erkennbar sein muss« (Bruschke, SteuerConsultant 2014, 20; BFH Urteil vom 4.12.2014, II R 22/13, BFH/NV 2015, 521, LEXinform 0929750 sowie Anmerkung vom 16.4.2015, LEXinform 0946779; BFH Urteil vom 1.10.2014, II R 32/13, BFH/NV 2015, 230, LEXinform 0929981).
Der BFH hatte im Urteil vom 3.3.2015 (II R 9/14, BStBl II 2015, 660) darüber zu entscheiden, welche Kosten beim Kauf eines unbebauten Grundstücks in die Bemessungsgrundlage der GrESt einzubeziehen sind, wenn sich der Grundstücksverkäufer (zusätzlich) zur Errichtung eines Rohbaus auf dem Grundstück verpflichtet, und weitere Baukosten durch Ausbauarbeiten anfallen, die aber vom Grundstückskäufer bei Dritten in Auftrag gegeben worden sind.
Verpflichtet sich der Grundstücksverkäufer lediglich zur Errichtung des Rohbaus und beauftragt der Erwerber Dritte mit den Ausbauarbeiten, setzt die Einbeziehung der hierfür aufgewendeten Kosten in die Bemessungsgrundlage der GrESt voraus, dass die später mit dem Ausbau beauftragten Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags mit dem Grundstücksverkäufer personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von Abreden zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss auch der Verträge über die Ausbauarbeiten hinwirken und die zu erbringenden Leistungen dem Erwerber unter Angabe des hierfür aufzuwendenden Entgelts bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags konkret angeboten hatten (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 35/2015 vom 20.5.2015, LEXinform 0443204; s.a. Tz. 4.3 des BMF-Schreibens vom 20.9.2017, BStBl I 2017, 1328).
Diese grunderwerbsteuerliche Sichtweise wird hinsichtlich der USt weder von der Rechtsprechung noch von der Finanzverwaltung geteilt (s. Abschn. 4.9.1 Abs. 1 Satz 2 bis 4 UStAE mit Rechtsprechungsnachweisen). Allein die Grundstückslieferung des grundstücksveräußernden Unternehmers ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Die Werklieferung des Bauunternehmers sowie die Leistungen der anderen Personen auf der Veräußererseite sind steuerpflichtig (Tz. 5.2.2 des BMF-Schreibens vom 20.9.2017, BStBl I 2017, 1328). Wird in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit der Option nach § 9 UStG für die Lieferung des Grundstücks Gebrauch gemacht, geht die Steuerschuldnerschaft für die USt von dem Veräußerer auf den Erwerber über (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 UStG; → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Die auf die Leistung des grundstücksveräußernden Unternehmers entfallende USt stellt dann keine in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehende Gegenleistung dar.
Die auf die Bauleistungen der anderen Personen auf der Veräußererseite (z.B. Architekten, Bauunternehmer und -handwerker) entfallende und in Rechnung gestellte USt ist hingegen als Gegenleistung mit in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Es kann insoweit zu einer zulässigen Doppelbelastung der Bauleistungen mit Umsatz- und Grunderwerbsteuer kommen. Die Einbeziehung der auf die Bauleistungen entfallenden USt ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschluss des BVerfG vom 27.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Mit Urteil vom 27.11.2008 (C-156/08, LEXinform 0589183) hat der EuGH über das vom Niedersächsischen FG mit Beschluss vom 2.4.2008 (7 K 333/06, EFG 2008, 975, LEXinform 5006527) eingereichte Vorabentscheidungsersuchen entschieden, dass die GrESt auf den Gebäudepreis nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Mehrfachbelastungsverbot verstößt.
Umsatzsteuerlich sind die Leistungen einheitlich zu beurteilen, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und als ein unteilbares Ganzes anzusehen sind (Abschn. 3.10 Abs. 3 Satz 1 UStAE). Voraussetzung für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung anstelle mehrerer selbstständiger Leistungen ist allerdings stets, dass es sich um Tätigkeiten desselben Unternehmers handelt (Abschn. 3.10 Abs. 4 Satz 1 UStAE; s.a. BFH Urteil vom 19.3.2009, V R 50/07, BStBl II 2010, 78 sowie Anmerkung vom 11.12.2012, LEXinform 0652001). Zur Abgrenzung einheitlicher Grundstückslieferungen von Werklieferungsverträgen über die Errichtung von Grundstücken hat der für Umsatzsteuerfragen zuständige V. Senat des BFH mit Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) entschieden, dass eine einheitliche Grundstückslieferung insbesondere bei Bauträgerverträgen gegeben ist. Der Bauträger bebaut in der Regel eigene Grundstücke, während der Generalunternehmer regelmäßig auf einem seinem Auftraggeber gehörenden Grundstück baut (s.a. OFD Frankfurt vom 24.3.2014, S 7162 A – 8 – St 16, DStR 2014, 1722).
Ein sog. Bauträgermodell ist regelmäßig gegeben, wenn ein notarieller Vertrag geschlossen wird, in dem dem Erwerber ein Grundstück oder ein Anteil an einem Grundstück veräußert wird und der Veräußerer ferner die Verpflichtung eingeht, auf dem veräußerten Grundstück ein Gebäude zu errichten, fertigzustellen bzw. zu sanieren. Dieser Vertrag enthält zivilrechtlich Elemente des Kaufvertrages (§§ 433 ff. BGB) und des Werkvertrages (§§ 631 ff. BGB).
Bauträgermodelle sind dabei von folgenden Indizien geprägt:
Das zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück bzw. der Miteigentumsanteil soll erst nach Zahlung der letzten Rate auf den Erwerber übergehen. Zur Sicherung des Erwerbers ist jedoch unmittelbar eine Auflassungsvormerkung eingetragen.
Dem Erwerber wird gestattet, das Objekt bereits unmittelbar nach Abschluss des Notarvertrages zu Finanzierungszwecken mit Grundschulden bis zum Gesamtpreis (ggf. zzgl. Gebühren) zu belasten.
Für die Übertragung des bezugsfertigen Gebäudes wird ein Festpreis vereinbart. Eigenleistungen und Sonderwünsche können den Kaufpreis im Nachhinein mindern bzw. erhöhen.
Nutzen und Lasten sollen mit der Schlussübernahme des Objektes übergehen.
Ansprüche gegen die am Bau tätigen Handwerker soll der Erwerber häufig direkt diesen gegenüber geltend machen. Der Veräußerer tritt regelmäßig vertraglich erst dann wieder ein, wenn eine Abhilfe durch den Handwerker unmöglich ist.
Nach den Gesamtumständen stellt sich bei sog. Bauträgermodellen der Grundstückskäufer nicht als Bauherr, sondern vielmehr als (bewusster) Erwerber eines bebauten bzw. sanierten Grundstücks dar. In diesen Fällen erbringt der Grundstücksveräußerer umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung in Form der Übertragung eines bebauten Grundstücks. Die Grundstücksübertragung und die Bauleistung greifen so ineinander, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem bebauten bzw. sanierten Grundstück als Leistungsgegenstand zurücktreten.
Entsprechend sind auch die Fälle zu behandeln, in denen die Erbringung von Bau- bzw. Sanierungsleistungen in einem gesonderten Vertrag vereinbart sind, inhaltlich aber den sog. Bauträgermodellen entsprechen.
Die Veräußerung des Grundstücks und die Ausführung der Bau- bzw. Sanierungsleistungen sind somit in diesen Fällen als einheitliche Leistung zu beurteilen. Diese ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei, da die Übertragung von bebauten bzw. sanierten Grundstücken der GrESt unterliegt. Der leistende Unternehmer hat insoweit kein Recht auf Vorsteuerabzug (s.a. Abschn. 13b.3 Abs. 8 UStAE; → Bauleistungen in der Umsatzsteuer).
Zur folgenden Übersicht s. Ramb, NWB 37/2017, 2853, 2866 unter VII.
Sachverhalt | Umsatzsteuer | Grunderwerbsteuer | ||
Lieferung Baugrundstück und Werklieferung Gebäude durch einen Unternehmer (Bauträger): | • | einheitliche Lieferung; | • | i.d.R. einheitliches Vertragswerk; |
• | steuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG); | • | insgesamt steuerbar; | |
• | Option möglich (§ 9 Abs. 1, 3 UStG); | • | Steuersatz (je nach Bundesland zwischen 3,5 % z.B. in Bayern und Sachsen und 6,5 % z.B. im Saarland und Thüringen). | |
• | Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG); | |||
• | Vorsteuerabzug prüfen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG). | |||
Lieferung Baugrundstück und Werklieferung Gebäude durch verschiedene Unternehmer, wenn einheitliches Vertragswerk: | Lieferung Baugrundstück: | • | insgesamt steuerbar; | |
• | steuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG); | • | Steuersatz (3,5 % bis 6,5 %). | |
• | Option möglich (§ 9 Abs. 1, 3 UStG); | |||
• | Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG); | |||
• | Vorsteuerabzug prüfen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG). | |||
Werklieferung Gebäude: | ||||
• | steuerpflichtig; | |||
• | ggf. Reverse-Charge-Verfahren (§ 13b Abs. 2 Nr. 1, 4 UStG); | |||
• | Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UStG). |
Der Verzicht auf Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG ist bei Lieferungen von Grundstücken (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG) im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig. Bei anderen Umsätzen i.S.v. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann der Verzicht auf Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nur in dem gem. § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden.
Zur Ausübung einer vorsorglichen Option nach § 9 Abs. 1 UStG bei angenommener Geschäftsveräußerung im Ganzen und den Konsequenzen daraus nimmt die OFD Niedersachsen mit Vfg. vom 19.12.2013 (S 7198 – 117 – St 173, UR 2014, 452, LEXinform 5234825) Stellung. Nach Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE kommt eine Option im Rahmen einer → Geschäftsveräußerung im Ganzen grundsätzlich nicht in Betracht. Gehen die Parteien jedoch im Rahmen des notariellen Kaufvertrags übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen sie lediglich für den Fall, dass sich ihre rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt, eine Option zur Steuerpflicht, gilt diese vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariellen Kaufvertrag erklärte Option als mit Vertragsschluss wirksam (Abschn. 9.1 Abs. 3 Satz 2 und 3 UStAE). Es reicht somit aus, wenn die Optionserklärung – neben der Erklärung über die eigene Rechtsauffassung hinsichtlich des Vorliegens einer Geschäftsveräußerung – keine Bedingung enthält.
Bei der Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden kann die Option für eine Besteuerung nur zusammen für die Gebäude oder Gebäudeteile und den dazugehörigen Grund und Boden ausgeübt werden (EuGH Urteil vom 8.6.2000, C-400/98, BStBl II 2003, 452; Abschn. 9.1 Abs. 6 Satz 4 UStAE; → Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG).
Die Bemessungsgrundlage für an Grundstückserwerber verkaufte Grundstücke ergibt sich aus § 10 Abs. 1 UStG. Danach wird der Umsatz bei Lieferungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder von einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, abzüglich der USt. Demnach ist beim Kauf einer Sache das Entgelt für die Lieferung regelmäßig der Kaufpreis. Dies gilt auch für den Grundstückskauf. Nur der Kaufpreis bildet den Wert der Gegenleistung für das Grundstück; die Kosten der Beurkundung des Kaufvertrages und der Auflassung, der Eintragung ins Grundbuch und der zu Eintragungen erforderlichen Erklärungen, die der Käufer zu tragen hat (§ 448 Abs. 2 BGB) und die GrESt, die der Käufer vereinbarungsgemäß zahlt, erhöhen das Entgelt für die Grundstückslieferung nicht. Grundstücksveräußerer und Grundstückserwerber sind zwar regelmäßig Gesamtschuldner der GrESt; sie sind deshalb im Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 BGB); dies besagt aber nicht, dass der Grundstückserwerber, wenn er vereinbarungsgemäß die GrESt übernimmt, mit der Zahlung der GrESt zur Hälfte die GrESt-Schuld des Veräußerers tilgt. Der Grundstückserwerber, der die Zahlung der GrESt vertraglich übernommen hat, tilgt mit der Zahlung der GrESt seine eigene Steuerschuld; die GrESt zählt zu den Kosten des Grunderwerbs, ohne in das dem Veräußerer zustehende Entgelt einzugehen (BFH Urteil vom 20.12.2005, V R 14/04, BFH/NV 2006, 1233; Abschn. 10.1 Abs. 7 Satz 6 und 7 UStAE).
Hat der Verkäufer einer vermieteten Gewerbeimmobilie dem Käufer im Kaufvertrag aus den bereits abgeschlossenen Mietverträgen Mieterträge garantiert, deren Höhe durch die tatsächlich erzielten Mieten nicht erreicht werden, und zahlt er hierfür an den Käufer einen Ausgleich, steht diese Zahlung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lieferung der Immobilie und mindert deren Bemessungsgrundlage (BFH Urteil vom 11.2.2010, BStBl II 2010, 765).
Zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Verzichts auf eine Mietgarantie s. → Grundstücksvermietung unter dem Gliederungspunkt »Verzicht auf eine Mietgarantie«.
Nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG schuldet bei Umsätzen, die unter das GrEStG fallen, der Leistungsempfänger die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Für die Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ist erforderlich, dass ein wirksamer Verzicht auf die Steuerbefreiung durch den Lieferer vorliegt. Der Lieferer hat in der Rechnung auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen.
Beispiel 32:
Die Bau GmbH aus München möchte in Italien Massivhäuser erstellen und beauftragt dafür den italienischen Architekten Giovanni Planesi mit der Planung eines Prototyps unter Beachtung des italienischen Baurechts. Die Bau-GmbH möchte dann die Massivhäuser auf den von ihr erworbenen Grundstücken in Tirol errichten und dann an dortige Kunden veräußern. Für die Planung des Prototyps vereinbart die Bau-GmbH mit den Architekten ein Honorar von 80 000 €.
Lösung 32:
Der Architekt tätigt eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG. Der Leistungsort für die Leistung des Architekten bestimmt sich nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c UStG, da die Leistung nicht in einem engen Zusammenhang mit einem konkreten Grundstück steht (Abschn. 3a.3 Abs. 10 Nr. 1 UStAE). Der Leistungsort der B2B-Leistung des Architekten bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG und ist in München, da dort der Leistungsempfänger (Bau-GmbH) sein Unternehmen betreibt. Die Leistung ist somit steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG.
Die Leistung des italienischen Architekten ist in Deutschland steuerpflichtig. Nach § 13b Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG schuldet die Bau-GmbH die USt für die nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistung des im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Architekten (§ 13b Abs. 7 Satz 2 UStG). Die USt entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist.
Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 10 Abs. 1 UStG 80 000 €. Bei einem Steuersatz von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) beträgt die USt 15 200 €, die von der Bau-GmbH geschuldet wird.
Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 4 UStG ist die USt der Bau-GmbH als Vorsteuer abziehbar. Die abziehbare Vorsteuer ist dann abzugsfähig, wenn sie nicht mit Ausschlussumsätzen i.S.d. § 15 Abs. 2 UStG im Zusammenhang steht. Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen (Abschn. 15.2b Abs. 2 Satz 3 UStAE). Die bezogene Architektenleistung steht mit zukünftigen Grundstücksveräußerungen in Italien in Zusammenhang. Diese Grundstückslieferungen werden nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG in Italien ausgeführt und werden in Deutschland nicht steuerbar sein.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden, schließen den Vorsteuerabzug aus inländischen Leistungsbezügen grundsätzlich aus (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG). Der Abzug entfällt unabhängig davon, ob der maßgebliche Umsatz nach dem Umsatzsteuerrecht des Staates, in dem er bewirkt wird, steuerpflichtig ist oder als steuerfreier Umsatz zum Vorsteuerabzug berechtigt, da sich der Ausschluss vom Vorsteuerabzug ausschließlich nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht beurteilt (Abschn. 15.14 Abs. 1 UStAE). Der Verkauf der Grundstücke wäre in Deutschland nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Da eine Ausnahme vom Abzugsverbot nach § 15 Abs. 3 UStG nicht vorliegt, ist die von der Bau-GmbH zu entrichtende USt nicht als Vorsteuer abzugsfähig.
Zu den Rechtsfolgen der Nichtbeachtung des Reverse-Charge-Verfahrens s. das EuGH Urteil vom 26.4.2017 (C–564/15, UR 2017, 438, LEXinform 0651512) und die Anmerkung vom 2.5.2017 (LEXinform 0948675) sowie die Erläuterungen und das Beispiel unter → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter dem Gliederungspunkt »Bemessungsgrundlage und Berechnung der Steuer«.
Nach der BFH-Entscheidung vom 19.12.1985 (BStBl II 1986, 500) liegt unmittelbar nur eine Lieferung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Ersteher vor (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 2 UStAE). Da grunderwerbsteuerrechtlich ohnehin ein einziger Umsatz vom Eigentümer an den Ersteigerer vorliegt, fällt die Lieferung an den Ersteigerer grundsätzlich unter das GrEStG und ist somit steuerfrei gem. § 4 Nr. 9a UStG. Der Eigentümer kann aber unter den Voraussetzungen des § 9 UStG auf die Steuerfreiheit verzichten, sofern der Erwerber Unternehmer ist und das Grundstück für sein Unternehmen erworben hat.
Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG ist, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen (vgl. BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz. 29). Die Bestimmung des Art. 19 MwStSystRL erfasst die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss außerdem beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit. Der in Art. 19 MwStSystRL verwendete Begriff des Teilvermögens, das Gegenstand einer Geschäftsveräußerung sein kann, verlangt bei teilweiser Vermietung eines Grundstücks nicht, dass der vermietete Grundstücksteil ein »zivilrechtlich selbständiges WG« ist. Die Prüfung der Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung beschränkt sich auf das jeweils übertragene Teilvermögen, ohne dass es auf daneben erfolgte, weitere Übertragungsvorgänge ankommt (BFH vom 6.7.2016, XI R 1/15, BStBl II 2016, 909, Rz. 42; Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 5 und 6 UStAE). S. dazu die ausführlichen Erläuterungen unter → Geschäftsveräußerung.
Mit Urteil vom 19.12.2018 (C–17/18, UR 3/2019, 97, LEXinform 0651605) fasst der EuGH die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 10.11.2011 (C–444/10, BStBl II 2012, 848) bezüglich der »Übertragung« eines Gesamt- oder Teilvermögens i.S.v. Art. 19 MwStSystRL (§ 1 Abs. 1a UStG) zusammen und nimmt darüber hinaus Stellung zu der Frage, ob der Abschluss eines Vertrags, mit dem ein Gaststättenbetreiber eine Immobilie, in der er ein Restaurant betrieben hat, einschließlich aller Sachanlagen und Inventargegenstände verpachtet, wenn der Pächter das Restaurant unter demselben zuvor verwendeten Namen weiterbetreibt, eine Geschäftsveräußerung i.S.v. Art. 19 MwStSystRL darstellt. Zur ausführlichen Zusammenfassung der EuGH-Rechtsprechung s. → Geschäftsveräußerung unter dem Gliederungspunkt »Übertragung«.
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist mit BMF-Schreiben vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432) durch einen bundeseinheitlichen Erlass geregelt worden (s.a. Abschn. 15.2d Abs. 1 Nr. 1 UStAE).
Bauen auf fremdem Grund und Boden (→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden) liegt vor, wenn der Besteller einer Baumaßnahme auf dem nicht in seinem oder nicht in seinem alleinigen Eigentum stehenden Grundstück ein Bauwerk (Gebäude, Gebäudeteile oder Um-, Aus- oder Einbauten an einem bestehenden Gebäude) errichtet. Wird auf einem Grundstück ein Bauwerk errichtet, so ist Leistungsempfänger der Bauhandwerkerleistungen (Werklieferungen gem. § 3 Abs. 4 UStG) derjenige, dem die Verfügungsmacht an diesen Leistungen verschafft worden ist. Es kommt nicht darauf an, wer bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks ist. Eine Lieferung an den Grundstückseigentümer liegt nicht schon deshalb vor, weil er das Eigentum am Gebäude oder an dem sonstigen Gegenstand der Werklieferung kraft der zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 946, 94 BGB) erlangt hat (BFH Urteil vom 6.12.1979, V R 87/72, BStBl II 1980, 279). Leistungsempfänger i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG ist vielmehr der Besteller, der die den Leistungen zugrunde liegenden Aufträge im eigenen Namen erteilt hat und auch zivilrechtlich Vertragspartner geworden ist.
Ist dem Besteller die Verfügungsmacht an dem auf einem fremden Grund und Boden errichteten Bauwerk verschafft worden, so ist zu prüfen, ob und ggf. wann er es an den Grundstückseigentümer (oder an die Gemeinschaft der Eigentümer) weiterliefert und ob die Weiterlieferung unter das GrESt fällt. Die Verwaltung unterscheidet hierbei zwischen einer sofortigen Weiterlieferung in Form einer Werklieferung und einer späteren Weiterlieferung in Form der Lieferung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden.
Voraussetzung für eine Weiterlieferung des Bauwerks ist, dass der Besteller der Baumaßnahme dem Grundstückseigentümer die Verfügungsmacht daran verschafft (§ 3 Abs. 1 UStG). Hierzu ist erforderlich, dass nach dem Willen der Beteiligten der Besteller die Verfügungsmacht verliert und er zugleich dem Grundstückseigentümer Substanz, Wert und Ertrag des Bauwerks zuwendet. Das bedeutet, dass der Eigentümer die volle körperliche und wirtschaftliche Sachherrschaft über das Bauwerk erhält, die zu einer uneingeschränkten Verfügungsberechtigung über diese wirtschaftliche Substanz führt (vgl. BFH Urteil vom 6.12.1979, V R 87/72, BStBl II 1980, 279). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Grundstückseigentümer als Vermieter mit dem Besteller als Mieter auch für die hinzugekommenen Teile, nicht nur für die Überlassung des Bodens, eine Miete vereinbart hat (→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden).
Der Mieter oder Pächter, der auf dem gemieteten oder gepachteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, ist als Eigentümer des Gebäudes über dieses verfügungsberechtigt, wenn er das Gebäude gem. § 95 BGB nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden hat. Aber auch dann, wenn er das Gebäude nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden hat und es gem. § 94 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers fällt, kann dem Mieter oder Pächter die Verfügungsmacht an dem von ihm errichteten und genutzten Gebäude zustehen (vgl. BFH Urteile vom 24.11.1992, V R 80/87, BFH/NV 1993, 634 und vom 12.11.1997, XI R 83/96, BFH/NV 1998, 749 und zur Vermietung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden EuGH Urteil vom 16.1.2003, C-315/00, Maierhofer, BFH/NV 2003, 104). Wird das Pachtverhältnis mit dem alten Pächter beendet und mit einem neuen Pächter weitergeführt, kann der alte Pächter die Verfügungsmacht an dem Gebäude dem neuen Pächter übertragen (BFH Urteil vom 27.3.2003, V R 33/02, BFH/NV 2003, 1224).
Wird durch Vertrag einem Mieter ein unbebautes Grundstück zur Errichtung einer Garage überlassen, liegt keine steuerpflichtige Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG vor. Vielmehr handelt es sich bei der entgeltlichen Grundstücksüberlassung um eine nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung. Nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 23.7.1986 (BStBl I 1986, 432) zur Errichtung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden liegt erst im Zeitpunkt des Übergangs der Garage auf den Vermieter gegen Entschädigung, über die nach dem Mietvertrag erst bei Beendigung des Mietverhältnisses zu befinden ist, eine Lieferung des Mieters an den Vermieter vor. Bis dahin hat der Mieter umsatzsteuerrechtlich Verfügungsmacht an der Garage mit der Folge, dass diese nicht Gegenstand der durch den Mietvertrag geregelten Gebrauchsüberlassung sein kann (Erlass FinMin Sachsen-Anhalt vom 8.10.2015, 42 – S 7168 – 13, UR 2016, 172).
Eine Lieferung eines unbebauten Grundstücks ist dann steuerbar, wenn sie von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt wird (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Vorhandene Außenanlagen (z.B. Bodenbefestigung, Umzäunung) sind wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) und damit Teil der einheitlichen Lieferung. Die Lieferung des Grund und Bodens sowie ggf. vorhandener Außenanlagen fällt grundsätzlich unter § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG.
Unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG ist eine Option zulässig. Die Option ist dann wirksam ausgeübt, wenn sie in dem notariell zu beurkundenden Kaufvertrag erklärt wird (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG).
Zu beachten ist, dass es sich nach der Option um einen Fall des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG handelt, so dass die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger, der Unternehmer ist, übergeht (§ 13b Abs. 5 UStG). Der liefernde Unternehmer ist nach § 14a Abs. 5 UStG zur Ausstellung einer Rechnung ohne USt-Ausweis verpflichtet, in der er den Passus »Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger« in der Rechnung aufnehmen muss.
Der entgeltliche Verzicht auf das an einem Grundstück eingeräumte Ankaufsrecht ist nicht umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG; der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang (BFH Urteil vom 3.9.2008, XI R 54/07, BStBl II 2009, 499).
Nach der Zuordnung des gesamten gemischt genutzten Grundstücks zum Unternehmensvermögen hat der Unternehmer auch die Möglichkeit, entweder das gesamte Grundstück oder auch lediglich den privat genutzten Teil wieder aus dem Unternehmensvermögen zu »entnehmen«. Diese Entnahme wird gem. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt und ist nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerbefreit (Abschn. 4.9.1 Abs. 2 Nr. 6 UStAE; → Unentgeltliche Wertabgabe). Ist die Entnahme für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung und wird die Entnahme innerhalb des Berichtigungszeitraums ausgeführt, ist die Vorsteuer nach § 15a UStG zu berichtigen (→ Vorsteuerberichtigung).
Vgl. hierzu die ausführliche Kommentierung unter → Nießbrauch an Grundstücken. S.a. die Beispiele unter → Geschäftsveräußerung, → Vorweggenommene Erbfolge sowie unter dem Gliederungspunkt Vorsteuerberichtigung.
Mit Vfg. vom 4.3.2016 (S 7102 A – 34 – St 110, LEXinform 5236360) nimmt die OFD Frankfurt Stellung zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der unentgeltlichen Übertragung eines unternehmerisch genutzten Grundstücks bei gleichzeitiger Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs zugunsten des Schenkers.
Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks – z.B. im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge – unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchsrechts für den Übertragenden (sog. Vorbehaltsnießbrauch) erhält der Erwerber von vornherein nur das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück. Der Übertragende behält sich mit dem Nießbrauch die Nutzungsmöglichkeit zurück, die ihm zuvor aufgrund seines Eigentums zustand.
In diesen Fällen wird dem Erwerber keine Verfügungsmacht i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG verschafft. Durch das bei der Grundstücksübertragung eingeräumte Nießbrauchsrecht wird der neue bürgerlich-rechtliche Eigentümer in seinen Möglichkeiten, über das Grundstück tatsächlich verfügen zu können, in erheblichem Umfang eingeschränkt. Der vorbehaltene Nießbrauch bringt zum Ausdruck, dass der Schenker zwar das formale Eigentum, nicht aber die Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeiten übertragen will.
Da dem Erwerber keine Verfügungsmacht verschafft wird, handelt es sich in diesen Fällen nicht um eine gleichgestellte Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gem. § 15a Abs. 8 UStG sind damit nicht erfüllt.
Mit Beendigung des Vorbehaltsnießbrauchs verliert der Schenker jedoch seine Verfügungsbefugnis über das Grundstück. Die Verfügungsbefugnis geht zu diesem Zeitpunkt auf den Erwerber über. Das führt bei dem Schenker, soweit kein Tatbestand nach § 1 Abs. 1a UStG gegeben ist, zu einer gleichgestellten Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG, da er das Grundstück zu Zwecken nutzt, die außerhalb des Unternehmens liegen.
Bei der Überlassung von Grundstücksteilen zur Errichtung von Strommasten für eine Überlandleitung, der Einräumung des Rechts zur Überspannung der Grundstücke und der Bewilligung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur dinglichen Sicherung dieser Rechte handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei ist (→ Schadensersatz, → Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Der Bewilligung der Grunddienstbarkeit kommt neben der Vermietung und Verpachtung der Grundstücke in diesem Fall kein eigenständiger umsatzsteuerlicher Gehalt zu, da sie nur der Absicherung der Rechte aus dem Miet- bzw. Pachtvertrag dient. Die vorstehenden Grundsätze gelten z.B. auch bei der Überlassung von Grundstücken zum Verlegen von Erdleitungen (z.B. Erdgas- oder Elektrizitätsleitungen) oder bei der Überlassung von Grundstücken für Autobahn- oder Eisenbahntraßen.
Die Ausgleichszahlung für beim Bau einer Überlandleitung entstehende Flurschäden durch deren Betreiber an den Grundstückseigentümer ist kein Schadensersatz, sondern Entgelt für die Duldung der Flurschäden durch den Eigentümer. Die Duldung der Verursachung baubedingter Flurschäden ist eine bloße Nebenleistung zu der einheitlichen Leistung »Duldung der Errichtung und des Betriebs einer Überlandleitung «, die ebenso wie jene nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der USt befreit ist (vgl. BFH vom 11.11.2004, V R 30/04, BStBl II 2005, 802; Abschn. 4.12.8 Abs. 2, Abschn. 1.3 Abs. 16 und Abschn. 3.10 Abs. 6 Nr. 5 UStAE).
Zur Definition der Grundstücksvermietung s. Abschn. 4.12.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE sowie die Erläuterungen unter → Grundstücksvermietung.
Spilker, Umsatzsteuerliche Behandlung von Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Veräußerung und Erwerb von Grundstücken, UR 2010, 473; von Streit, Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen (Teil I und II), UStB 2014, 120, 145; Meurer, Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen bei gemischt genutzten Gebäuden, NWB 14/2014, 980; Kessler u.a., Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden – die Fläche ist der Schlüssel, DStR 12/2014, 553; Deutschländer, Anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG, NWB 20/2014, 1523; Wäger, Vorsteueraufteilung: Renaissance des Umsatzschlüssels?, DB 25/2014, 1397; Grebe u.a., Vorsteueraufteilungsschlüssel bei gemischt genutzten Gebäuden, UStB 5/2015, 122; Hundt-Eßwein, Aufteilung der Vorsteuern bei gemischt nutzbaren Gegenständen, UStB 10/2016, 307; Ramb, Lieferung und Werklieferung von Grundstücken – eine Never-Ending-Story, NWB 37/2017, 2853; Dorn, Instandsetzung und Modernisierung von Immobilien nach Erwerb – BFH zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG –, NWB 36/2018, 2608; Denker u.a., Gestaltungsüberlegungen zur Vermeidung von anschaffungsnahen Herstellungskosten, NWB 51/2020, 3839.
→ Bauleistungen in der Umsatzsteuer
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