1 Behinderung i.S.d. SGB IX
1.1 Menschen mit Behinderungen
1.2 Schwerbehinderte Menschen
1.2.1 Mit Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX
1.2.2 Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt
1.3 Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber
1.4 Feststellung der Behinderung
1.5 Der Schwerbehindertenausweis nach § 152 Abs. 5 SGB IX
2 Nachweis der Behinderung im Steuerrecht
2.1 Anwendung des § 65 EStDV bis 31.12.2010
2.2 Anwendung des § 65 EStDV ab 1.1.2021
2.3 Schwerbehindertenausweis als neue Tatsache
3 Übersicht über die steuerrechtlichen Vergünstigungen
4 Besonderheiten
4.1 Kfz-Kosten neben dem Behindertenpauschbetrag
4.1.1 Verwaltungsregelung bis 31.12.2020
4.1.2 Fahrtkosten-Pauschbeträge ab 1.1.2021
4.2 Behindertengerechte Umrüstung eines Pkw
4.3 Berücksichtigung von Kfz-Reparaturkosten als außergewöhnliche Belastung
4.4 Führerscheinkosten
4.5 Kosten für Begleitperson
4.6 Behindertengerechte Ausgestaltung eines Wohnhauses
4.7 Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf und Neubau
4.8 Aufwendungen für ein kontraststarkes Fernsehgerät
4.9 Behindertengerechter Gartenumbau
4.10 Behinderungsbedingte Umbaukosten einer Motoryacht
5 Vergünstigungen nach dem Grad der Behinderung
5.1 Grad der Behinderung von 25 bzw. 30 und 20 bzw. 30 ab 1.1.2021
5.1.1 Behindertenpauschbetrag
5.1.1.1 Regelung bis 31.12.2020
5.1.1.2 Regelung ab 1.1.2021
5.1.2 Kinderfreibetrag, Kindergeld
5.1.3 Kinderbetreuungskosten
5.2 Grad der Behinderung von 35 bzw. 40
5.2.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.2.1.1 Regelung bis 31.12.2020
5.2.1.2 Regelung ab 1.1.2021
5.2.2 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.3 Grad der Behinderung von 45 bzw. 50
5.3.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.3.1.1 Regelung bis 31.12.2020
5.3.1.2 Regelung ab 1.1.2021
5.3.2 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.3.3 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.4 Grad der Behinderung von 55 bzw. 60
5.4.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.4.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.4.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.5 Grad der Behinderung von 65
5.5.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.5.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.5.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.6 Grad der Behinderung von 70
5.6.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.6.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.6.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.6.4 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
5.6.4.1 Verwaltungsregelung bis 31.12.2020
5.6.4.2 § 33 Abs. 2a EStG ab 1.1.2021
5.7 Grad der Behinderung von 75
5.7.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.7.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.7.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.7.4 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
5.8 Grad der Behinderung von 80
5.8.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.8.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.8.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.8.4 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
5.9 Grad der Behinderung von 85 bzw. 90
5.9.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.9.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.9.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.9.4 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
5.10 Grad der Behinderung von 95 bzw. 100
5.10.1 Behinderten-Pauschbetrag
5.10.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
5.10.3 Kinderfreibetrag, Kindergeld und Kinderbetreuungskosten
5.10.4 Fahrkosten Behinderter gem. § 33 EStG
6 Vergünstigungen nach den Merkzeichen
6.1 Grundsätzliche Regelung nach der Schwerbehindertenausweisverordnung
6.2 Merkzeichen »G«
6.2.1 Definition
6.2.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
6.2.3 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
6.3 Merkzeichen »aG«
6.3.1 Definition
6.3.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
6.3.3 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
6.3.3.1 Verwaltungsregelung bis 31.12.2020
6.3.3.2 § 33 Abs. 2a EStG ab 1.1.2021
6.4 Merkzeichen »Bl«
6.4.1 Definition
6.4.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
6.4.3 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
6.4.4 Behinderten-Pauschbetrag
6.4.5 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
6.5 Merkzeichen »H«
6.5.1 Definition
6.5.2 Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten gem. § 9 Abs. 2 EStG
6.5.3 Fahrtkosten Behinderter gem. § 33 EStG
6.5.4 Behinderten-Pauschbetrag
6.5.5 Pflegepauschbetrag gem. § 33b Abs. 6 EStG
6.5.6 Mehraufwendungen für Begleitperson
6.6 Merkzeichen »TBl«
7 Schweregrad der Pflegebedürftigkeit
7.1 Begriff der Pflegebedürftigkeit bis 31.12.2016
7.2 Stufen der Pflegebedürftigkeit bis 31.12.2016
7.3 Begriff der Pflegebedürftigkeit ab 1.1.2017
7.4 Die Grade der Pflegebedürftigkeit ab 1.1.2017
7.5 Steuerliche Vergünstigungen
7.5.1 Mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit
7.5.1.1 Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gem. § 24b EStG
7.5.1.2 Heimunterbringung
7.5.1.3 Haushaltsnahe Dienstleistungen
7.5.2 Besonderheiten bei Pflegestufe III
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel
Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt danach vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Zu einer Behinderung können auch Suchtkrankheiten (z.B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) führen (BFH Urteil vom 16.4.2002, VIII R 62/99, BStBl II 2002, 738). Nicht zu den Behinderungen zählen Krankheiten, deren Verlauf sich auf eine im Voraus abschätzbare Dauer beschränkt, insbesondere akute Erkrankungen (s.a. BMF – koordinierter Ländererlass – vom 22.11.2010 zur steuerlichen Berücksichtigung behinderter Kinder, BStBl I 2010, 1346 unter I.).
Seelisch behindert ist, wer infolge seelischer Störung in der Funktionsfähigkeit entsprechend gemindert ist. Als solche seelische Störungen kommen körperlich nicht begründbare Psychosen, seelische Störungen als Folge von Krankheit oder Verletzung des Gehirns, Anfallsleiden oder körperliche Beeinträchtigungen, Suchtkrankheiten, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen in Betracht (BFH vom 18.6.2015, VI R 31/14, BStBl II 2016, 40, Rz. 21). Der Nachweis einer seelischen Behinderung und der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt i.S.d. § 32 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kann auch durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten erfolgen (FG Hamburg vom 23.2.2023, 5 K 191/19).
Der Begriff der Behinderung des § 2 Abs. 1 SGB IX ist u.a. von Bedeutung
für den Nachweis von → Krankheitskosten i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV (BFH vom 18.6.2015, VI R 31/14, BStBl II 2016, 40),
für das Bestehen eines Kindergeldanspruchs für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 EStG; BFH vom 27.11.2019, III R 44/17, BStBl II 2020, 558 sowie BFH Pressemitteilung Nr. 27/2020 vom 9.7.2020, LEXinform 0456914) sowie
für die Anspruchsvoraussetzungen zur behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale (§ 64 Abs. 3 EStDV, § 33 Abs. 2a EStG).
Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Arbeitsplätze i.S.d. § 156 SGB IX sind alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden.
Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen, auf denen beschäftigt werden:
behinderte Menschen, die an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen,
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften,
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt,
Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem SGB III teilnehmen,
Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden,
Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit, unbezahlten Urlaubs, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist.
Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen, die nach der Natur der Arbeit oder nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.
Bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze, auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind, zählen Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht mit. Das Gleiche gilt für Stellen, auf denen Rechts- oder Studienreferendarinnen und -referendare beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben (§ 157 SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen zustehen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises soll befristet werden. Er wird eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz schwerbehinderter Menschen erloschen ist (§ 152 Abs. 5 SGB IX).
Der Ausweis i.S.d. § 152 Abs. 5 SGB IX über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach dem SGB IX oder nach anderen Vorschriften sind, wird nach dem in der Anlage zu der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) i.d.F. vom 25.7.1991 (BGBl I 1991, 1739) abgedruckten Muster 1 ausgestellt. Die SchwbAwV enthält in § 3 die im Ausweis einzutragenden Merkzeichen mit den jeweiligen Definitionen.
Der Nachweis einer Behinderung kann folgendermaßen erbracht werden (s.a. BMF – koordinierter Ländererlass – vom 22.11.2010 zur steuerlichen Berücksichtigung behinderter Kinder, BStBl I 2010, 1346 unter II. sowie → Behindertenpauschbetrag):
bei einer Behinderung, deren Grad auf mindestens 50 festgestellt wurde, durch einen Ausweis nach dem SGB IX oder durch einen Bescheid der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV),
bei einer Behinderung, deren Grad auf weniger als 50, aber mindestens 25 festgestellt ist (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 EStDV),
durch eine Bescheinigung der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde aufgrund eines Feststellungsbescheides nach § 152 Abs. 1 SGB IX, die eine Äußerung darüber enthält, ob die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht.
Der Nachweis der Behinderung nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStDV gilt als geführt, wenn die dort genannten Bescheinigungen behinderten Menschen nur noch in elektronischer Form übermittelt werden und der Ausdruck einer solchen elektronisch übermittelten Bescheinigung vom Stpfl. vorgelegt wird (R 33b Abs. 9 EStR);
wenn dem Stpfl. wegen seiner Behinderung nach den gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, durch den Rentenbescheid oder einen entsprechenden Bescheid,
bei einer Einstufung als schwerstpflegebedürftige Person in Pflegestufe III nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI i.d.F. bis 31.12.2016 oder diesem entsprechenden Bestimmungen durch den entsprechenden Bescheid der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde (§ 65 Abs. 2 EStDV).
Ab 1.1.2017 entsprechen die Pflegegrade 4 und 5 der bisherige Pflegestufe III (§ 140 Abs. 2 Satz 3 Buchst. c und d SGB XI). Zur Einordnung in die jeweiligen Pflegegrade s. § 15 Abs. 3 SGB XI (s.a. → Pflegekosten).
Ab dem VZ 2017 steht die Einstufung in die Pflegegrade 4 und 5 dem Merkzeichen »H« gleich (BMF vom 19.8.2016, BStBl I 2016, 804; FinBeh Hamburg vom 30.1.2018, S 2286 – 2016/001 – 52, SIS 18 01 83).
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) werden ab 1.1.2021 u.a. die Voraussetzungen für die Gewährung der Behindertenpauschbeträge neu geregelt.
Derzeit wird der Pauschbetrag Stpfl. mit einem Grad der Behinderung kleiner von 50 nur gewährt, wenn
die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat,
die Behinderung auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder
dem Stpfl. wegen seiner Behinderung eine gesetzliche Rente oder Bezug zusteht.
Diese Zusatzvoraussetzungen entfallen ab dem Veranlagungszeitraum 2021 auch aus Gründen der Steuervereinfachung. Im Ergebnis können alle Stpfl. mit einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 20 die Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrags beantragen (→ Behindertenpauschbetrag).
Der Nachweis der Behinderung ist nach § 65 Abs. 1 EStDV 2021 nicht mehr abhängig von einer Behinderung mit einem Grad von mindestens 50 (bisher § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV a.F.) und einem Grad auf weniger als 50 (bisher § 65 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStDV a.F.) zu führen, da der Behindertenpauschbetrag ab dem Kj. 2021 unabhängig von irgendwelchen Zusatzvoraussetzungen ab einem Grad der Behinderung ab 20 gewährt wird.
Bei einer Behinderung, deren Grad auf mindestens 50 festgestellt ist, hat der Stpfl. den Nachweis einer Behinderung durch Vorlage eines Ausweises nach dem SGB IX oder eines Bescheides der nach § 152 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde zu erbringen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV n.F.).
Den Nachweis einer Behinderung hat der Stpfl. bei einer Behinderung, deren Grad auf weniger als 50, aber mindestens 20 festgestellt worden ist, nach § 65 Abs. 1 N 2 EStDV zu erbringen. Sofern dem Stpfl. wegen seiner Behinderung nach den gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, bestehen keine Bedenken, wenn der Nachweis einer Behinderung alternativ durch den Rentenbescheid oder den die anderen laufenden Bezüge nachweisenden Bescheid erbracht wird (BMF vom 1.3.2021, BStBl I 2021, 300; Beibehaltung der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2020 geltenden Regelung).
Beachte:
Durch Art. 10 Nr. 1 des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) vom 2.6.2021 (BGBl I 2021, 1259) wird mit Wirkung zum 1.1.2021 die im BMF-Schreiben vom 1.3.2021 (BStBl I 2021, 300) vertretene Verwaltungsregelung in § 65 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStDV gesetzlich normiert.
Die gesundheitlichen Merkmale »blind« und »hilflos« sind wie bisher nach § 65 Abs. 2 EStDV nachzuweisen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens »H« werden nach § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV n.F. an die seit 2017 neue Einteilung der Pflegegrade (statt Pflegestufen) angepasst. Nach dem neuen § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV steht dem Merkzeichen »H« die Einstufung als pflegebedürftige Person mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in die Pflegegrade 4 oder 5 nach dem SGB XI und XII oder diesen entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gleich. Die bisherige Verwaltungspraxis gem. BMF-Schreiben vom 19.8.2016 (BStBl I 2016, 804) wird gesetzlich verankert.
In § 65 Abs. 3a Satz 4 Nr. 5 EStDV wird die seit 2017 veraltete Pflegestufe III wird durch die Pflegegrade 4 oder 5 ersetzt. Dies schließt aus fachlicher Sicht jedoch nicht aus, dass auch unterhalb der Pflegegrade 4 und 5 die gesetzlichen Voraussetzungen der »Hilflosigkeit« grds. vorliegen können (BR-Drs. 432/20, 14).
§ 65 Abs. 3a Satz 1 EStDV verlangt die elektronische Übermittlung der Feststellungen der zuständigen Stelle an die zuständige Finanzbehörde. Ohne diese Mitteilung (bzw. im Fall der Übertragung ohne die Mitteilung der Daten der behinderten Person) kann der Behinderten-Pauschbetrag künftig nicht mehr gewährt werden; der Nachweis in Papierform ist nicht mehr möglich.
Nach § 84 Abs. 3g EStDV n.F. ist § 65 Abs. 3a EStDV erstmals für den Veranlagungszeitraum anzuwenden, der auf den Veranlagungszeitraum folgt, in dem die für die Anwendung erforderlichen Programmierarbeiten für das elektronische Datenübermittlungsverfahren abgeschlossen sind. Das BMF gibt im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder im BGBl den Veranlagungszeitraum bekannt, ab dem die Regelung des § 65 Abs. 3a EStDV erstmals anzuwenden ist. Mit der Anwendung von § 65 Abs. 3a EStDV ist § 65 Abs. 1 nicht weiter anzuwenden.
Zum Nachweis der Behinderung s.a. → Behindertenpauschbetrag.
Grundlagenbescheide i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte (§ 171 Abs. 10 AO). Auch Verwaltungsakte anderer Behörden, die keine Finanzbehörden sind, können Grundlagenbescheide sein (z.B. Verwaltungsakte der zuständigen Behörden i.S.d. § 152 Abs. 5 SGB IX, die den Grad einer Behinderung i.S.d. § 33b EStG feststellen; AEAO zu § 175 AO Tz. 1.1). Aufgrund eines solchen Bescheides ist ggf. eine Änderung früherer Steuerfestsetzungen hinsichtlich der Anwendung des § 33b EStG nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unabhängig davon vorzunehmen, ob ein Antrag i.S.d. § 33b Abs. 1 EStG für den VZ dem Grunde nach bereits gestellt worden ist. Die Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheides wird jedoch nur insoweit nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gehemmt, wie der Grundlagenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Einkommensteuerbescheides bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist (H 33b [Allgemeines] EStH).
Beispiel 1:
Der Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) wird im Jahr 2021 rückwirkend ab dem Jahr 2016 gestellt.
Lösung 1:
Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist für die ESt grundsätzlich 4 Jahre. Die Anlaufhemmung des § 170 AO ist zu beachten.
Der Beginn der Festsetzungsfrist für die ESt 2016 ist der 31.12.2016; Ende der Festsetzungsfrist ist der 31.12.2020. Im Jahr 2021 kann der Behindertenpauschbetrag rückwirkend für das Jahr 2016 nicht mehr berücksichtigt werden.
Beachte:
Nach dem Urteil des BSG vom 16.2.2012 (B 9 SB 1/11 R, LEXinform 1578445) ist ein Feststellungsinteresse für eine rückwirkende Feststellung des Grads der Behinderung geltend zu machen. Danach kann die beabsichtigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen ein besonderes Interesse an einer Feststellung des GdB für Zeiten vor der Antragstellung begründen.
Soweit § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses verlangt, ist dem Antragsteller die Verpflichtung zur Darlegung auferlegt, dass für ihn steuerrechtliche Vorteile für die betreffende Zeit vor der Beantragung der Feststellung des GdB konkret erreichbar sind. Das wäre z.B. der Fall, wenn die Steuerbescheide für diesen Zeitraum noch nicht bindend wären, und zwar entweder insgesamt oder bezüglich der Anerkennung der Pauschbeträge für behinderte Menschen (§ 33b EStG). Entsprechend verhielte es sich, wenn der Antragsteller – bei Vorliegen eines bindenden Steuerbescheides – die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO glaubhaft machen könnte. Zweckmäßigerweise sollte die entsprechende Glaubhaftmachung durch Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen FA erfolgen.
Im Beispielsfall besteht demnach ein steuerliches Interesse für die rückwirkende Feststellung des Grads der Behinderung nicht für 2016, sondern erst für die Zeiträume ab 2017.
Folgende steuerrechtliche Vorschriften sind bei einer Behinderung von Bedeutung:
Einnahmen einer Gastfamilie für die Aufnahme eines Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohten Menschen sind ab dem Veranlagungszeitraum 2009 nach § 3 Nr. 10 EStG steuerfrei (→ Steuerfreie Einnahmen nach dem EStG, ABC-Form).
Beim Betreuten Wohnen in Gastfamilien handelt es sich um eine Betreuungs- und Wohnform für Menschen mit Behinderung oder mit psychischer Beeinträchtigung, die (noch) nicht oder nur teilweise selbstständig leben können und daher Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags benötigen (Informationen zum betreuten Wohnen in Familien s. unter www.bwf-info.de sowie Kanzler, NWB 28/2020, 2087).
Leistungen an Menschen mit Behinderung sind nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei (R 3.11 LStR). Zu den in Betracht kommenden Leistungen s. § 29 SGB I (→ Steuerfreie Einnahmen nach dem EStG, ABC-Form).
Bestimmte Einnahmen der Pflegeperson für Pflegeleistungen nach § 3 Nr. 36 EStG.
§ 9 Abs. 2 EStG: → Entfernungspauschale.
§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG: Betreuungsaufwendungen u.a. für behinderte Kinder sind als Sonderausgaben zu berücksichtigen (→ Kinderbetreuungskosten).
§ 16 Abs. 4 EStG: Veräußerungsgewinne gehören nach § 16 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Betriebsinhaber, die das 55. Lebensjahr vollendet haben oder die im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig sind, erhalten einmalig einen Freibetrag von 45 000 € (→ Veräußerungsgewinn, → Betriebsveräußerung, → Betriebsaufgabe).
§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG: Für schwerbehinderte Menschen (Grad der Behinderung von mindestens 50; s. § 2 Abs. 2 SGB IX) ist die Altersgrenze für den Bezug von Versorgungsbezügen auf die Vollendung des 60. Lebensjahres herabgesetzt (→ Versorgungsfreibetrag, → Versorgungsbezüge).
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG: Berücksichtigung für den → Kinderfreibetrag und den Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Zur Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses mit einem erwachsenen geistig oder seelisch schwer Behinderten s. das rkr. Urteil des FG Niedersachsen vom 24.10.2001 unter → Pflegekind.
Nach dem BFH-Urteil vom 15.3.2012 (III R 29/09, BStBl II 2012, 892) ist ein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht allein deshalb zu verneinen, weil das behinderte Kind einer Erwerbstätigkeit nachgeht (→ Kinder; A 19.3 Abs. 4 DA-KG 2023, vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
§ 33 EStG: → Außergewöhnliche Belastungen, → Unterhaltsaufwendungen, → Ausbildungskosten. Kosten für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft können außergewöhnliche Belastungen sein (→ Heimunterbringung, → Pflegekosten). Werden die Kosten vom Sozialhilfeträger übernommen, braucht die Notwendigkeit der Unterbringung nicht anhand eines amtsärztlichen Attestes nachgewiesen zu werden (BFH Urteil vom 23.5.2002, III R 24/01, BStBl II 2002, 567).
§ 33b EStG: → Behindertenpauschbetrag, Pflegepauschbetrag, → Heimunterbringung und → Kinderbetreuungskosten.
Einen Pauschbetrag von 3 700 € können behinderte Menschen unabhängig vom GdB erhalten, in deren Ausweis das Merkzeichen »Bl« oder »H« (§ 69 Abs. 5 SGB IX) eingetragen ist (H 33b [Allgemeines] EStH).
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Stand 7.8.2020, LEXinform 0456911; BR-Drucks. 432/20) werden ab 1.1.2021 u.a. die Behindertenpauschbeträge verdoppelt. Der bisherige Pauschbetrag von 3 700 € erhöht sich auf 7 400 € (§ 33b Abs. 3 Satz 3 EStG n.F.).
Pflege- und Betreuungsleistungen sind neben anderen haushaltsnahen Dienstleistungen und Beschäftigungsverhältnissen i.S.d. § 35a Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG bis zu 20 % der Aufwendungen, maximal bis insgesamt 4 000 € als Steuerermäßigung zu berücksichtigen (→ Haushaltsnahe Dienstleistungen).
§ 65 EStDV: Nachweis der Behinderung.
§ 4 Nr. 16 UStG: Bestimmte Pflegeleistungen sind umsatzsteuerfrei.
§ 4 Nr. 17 Buchst. b UStG: Der Transport von behinderten Menschen ist umsatzsteuerfrei (s. BFH Urteil vom 12.8.2004, V R 45/03, BStBl II 2005, 314).
§ 4 Nr. 19 Buchst. a und b UStG: Umsätze der Blinden und Blindenwerkstätten sind umsatzsteuerfrei.
§ 3a KraftStG: Fahrzeuge, die für Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen »H«, »Bl« oder »aG« zugelassen sind, sind von der KraftSt befreit.
§ 36 GrStG: Steuervergünstigung für abgefundene Kriegsbeschädigte.
§ 2 Abs. 2 Nr. 3 WoPG: Die vorzeitige Verfügung ist unschädlich, wenn der Bausparer oder sein Ehegatte völlig erwerbsunfähig geworden ist (s.a. § 4 Abs. 4 Nr. 1 5. VermBG).
Neben den Behindertenpauschbeträgen (→ Behindertenpauschbetrag) können u.a. Kfz-Kosten bei Behinderten im Rahmen des § 33 EStG unter folgenden Voraussetzungen berücksichtigt werden (R 33b Abs. 1 Satz 4 EStR; H 33b [Neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen zu berücksichtigende Aufwendungen] und H 33.1–33.4 [Fahrtkosten behinderter Menschen] EStH; s.a. BFH Beschluss vom 21.5.2004, III B 171/03, BFH/NV 2004, 1404):
Bei geh- und stehbehinderten Stpfl. (GdB mindestens 80 oder GdB von mindestens 70 und Merkzeichen »G«) kann aus Vereinfachungsgründen ein Aufwand für Fahrten bis zu 3 000 km im Jahr als angemessen berücksichtigt werden. Ein höherer Aufwand als 0,30 €/km ist unangemessen und darf deshalb im Rahmen des § 33 EStG nicht berücksichtigt werden (H 33.1–33.4 [Fahrtkosten behinderter Menschen Nr. 3] EStH). Hat die Versorgungsbehörde eine Behinderung erst ab einem Zeitpunkt im Laufe des Kj. bescheinigt (z.B. GdB von 80 erst ab Juli), werden Kosten für Privatfahrten nur zeitanteilig berücksichtigt (Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Behinderte Menschen, Rz. 20, Loseblatt).
bei außergewöhnlich gehbehinderten Stpfl. (Merkzeichen »aG«), Blinden (Merkzeichen »Bl«) und Hilflosen (Merkzeichen »H«) sind grundsätzlich sämtliche Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben darstellen, als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, mithin nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten (BFH Urteil vom 22.10.1997, III R 203/94, BStBl II 1997, 384). Derartige Kfz-Kosten eines Körperbehinderten sind indes nur insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als sie nicht außerhalb des Rahmens des Angemessenen liegen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Deshalb können Fahrleistungen bis zu 15 000 km im Jahr im Rahmen der Angemessenheit berücksichtigt werden. Allerdings ist die tatsächliche Fahrleistung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 3.12.2009 (1 K 46/07, LEXinform 5010728) entschieden, dass bei Stpfl. mit erheblicher Geh- und Stehbehinderung, die sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich sämtliche Kfz-Kosten, soweit es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, also nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater Angelegenheiten, auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Für sämtliche Aufwendungen gilt, dass sie einen angemessenen Rahmen nicht übersteigen dürfen; im Regelfall ist eine Jahresfahrleistung von 15 000 km als angemessen zu beurteilen.
Der BFH hat mit Beschluss vom 15.6.2010 (VI B 11/10, BFH/NV 2010, 1631, LEXinform 5905622) das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 3.12.2009 bestätigt und entschieden, dass außergewöhnlich gehbehinderte Stpfl. mit einem GdB ab 80 und dem Merkzeichen »aG« neben Aufwendungen für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten von bis zu 15 000 km jährlich nicht noch zusätzlich Aufwendungen für durch die Behinderung veranlasste unvermeidbare Fahrten von bis zu 3 000 km im Jahr als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 2 EStG geltend machen können. Mit dem Pauschbetrag in H 33.1 – 33.4 Nr. 2 EStH 2005, Fahrtkosten behinderter Menschen Nr. 2, sind sämtliche Mehraufwendungen eines Behinderten für Fahrten, die der allgemeinen Lebensführung einschließlich Freizeit- und Erholungszwecken dienen, und damit sowohl die Kosten für unvermeidbare (behinderungsbedingte) Fahrten zur Erledigung privater Angelegenheiten als auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten abgegolten. Lediglich Fahrtkosten, die – wie beispielsweise Fahrtkosten zum Arzt – zu den Krankheitskosten gehören, werden von der Abgeltungswirkung nicht erfasst.
Die Aufwendungen sind bis zu 0,30 €/km als angemessen zu berücksichtigen (H 33.1–33.4 [Fahrtkosten behinderter Menschen Nr. 3] EStH). Zum Ansatz des Pauschbetrages nimmt das BFH-Urteil vom 13.12.2001 (III R 40/99, BStBl II 2002, 224) Stellung. Die Zulässigkeit eines Einzelnachweises der tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten würde den strengen Anforderungen an die Angemessenheitsprüfung nicht gerecht, die aber gerade bei außergewöhnlichen Belastungen notwendig ist. Der BFH hält es für geboten, die pauschalierten Kilometersätze zur Begrenzung der außergewöhnlichen Belastung schwer Körperbehinderter anzuwenden, weil sich kein Grund dafür finden lässt, warum die zwangsläufigen Aufwendungen eines körperbehinderten Stpfl. für die Benutzung eines Pkw höher sein sollen als die der großen Mehrzahl der Stpfl. im Durchschnitt tatsächlich entstehenden Kosten, die sich in steuerlicher Hinsicht aber mit den Pauschbeträgen zufrieden geben müssen. Der BFH macht deutlich, dass Fahrleistungen unterhalb der Hälfte der den Pauschsätzen zugrunde liegenden Jahresfahrleistungen von 15 000 km keinen Ausnahmefall darstellen, die ein Überschreiten der Pauschsätze zulässt. Die in den EStR und LStR festgesetzten Pauschbeträge sind auch anzuwenden, soweit die Fahrten zum Besuch von Ärzten oder Behandlungseinrichtungen durchgeführt werden (BFH Urteil vom 19.5.2004, III R 16/02, BStBl II 2005, 23).
Mit dem Pauschbetrag von 0,30 €/km sind folgende Kosten des Fahrzeugs abgegolten (s.a. H 9.5 [Einzelnachweis] und H 8.1 (9, 10) [Gesamtkosten] LStH):
die Betriebskosten,
die Wartungs- und Reparaturkosten,
die Kosten einer Garage am Wohnort,
die Kfz-Steuer,
die Aufwendungen für die Halterhaftpflicht- und Fahrzeugversicherungen,
Leasing- und Leasingsonderzahlungen anstelle der AfA,
die Absetzungen für Abnutzung. Es ist von einer AfA von 16,67 % der Anschaffungskosten entsprechend einer sechsjährigen Nutzungsdauer auszugehen (H 9.5 [Einzelnachweis] LStH).
M.E. kann auch von einer achtjährigen AfA ausgegangen werden (s. H 8.1 (9, 10) [Gesamtkosten] LStH). Das Hessische FG hat in seinem Urteil vom 23.6.2016 (6 K 2397/12, EFG 2016, 1523, LEXinform 5019302, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 28/16, LEXinform 0951004) ebenfalls eine achtjährige Nutzungsdauer zugrunde gelegt. Mit Urteil vom 21.11.2018 (VI R 28/16, BFH/NV 2019, 265, LEXinform 0951004, Rz. 17) hat der BFH die Berechnung des FG bestätigt; vgl. auch BFH Beschluss vom 29.3.2005, BStBl II 2006, 368.
Nicht zu den Gesamtkosten gehören z.B. (R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 11 LStR, H 8.1 (9,10) [Gesamtkosten – 2. Spiegelstrich (Beispiele)] LStH und H 9.5 [Einzelnachweis] LStH):
Aufwendungen infolge von Verkehrsunfällen (s.u. den Gliederungspunkt »Berücksichtigung von Kfz-Reparaturkosten als außergewöhnliche Belastung«),
Park- und Straßenbenutzungsgebühren,
Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen sowie
Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder.
Zur Behandlung der Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung eines Pkw s. den nachfolgenden Gliederungspunkt.
Nach dem BFH-Urteil vom 21.11.2018 (VI R 28/16, BFH/NV 2019, 265, LEXinform 0951004) sind Kfz-Aufwendungen eines außergewöhnlich gehbehinderten Stpfl. nicht über den Pauschbetrag i.H.v. 0,30 €/km hinaus als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, wenn sie die für ein Fahrzeug der Mittelklasse durchschnittlich entstehenden Aufwendungen nicht wesentlich überschreiten.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger außergewöhnliche Belastungen geltend, darunter u.a. Kosten für behinderungsbedingte Fahrten in der von ihm errechneten tatsächlichen Höhe von 0,77 €/km sowie anteilige Kosten für den behindertengerechten Umbau des Kleinbusses.
Der BFH hat es bisher nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein Stpfl., statt sich auf die Pauschsätze und die ihnen zugrundeliegende Schätzung zu berufen, die außergewöhnliche Belastung durch Einzelnachweis konkret belegen kann. So wird in »krassen Ausnahmefällen« ein höherer Abzug erwogen – z.B. wenn der behinderte Mensch wegen der Art seiner Behinderung auf ein besonderes Fahrzeug angewiesen ist, für das überdurchschnittlich hohe Aufwendungen anfallen, oder er sein Fahrzeug in außergewöhnlich geringem Umfang nutzt, sodass er pro gefahrenen Kilometer relativ hohe Aufwendungen zu tragen hat.
Im Streitfall ist der BFH der Ansicht des FG, es liege ein sog. krasser Ausnahmefall vor, mit Hinweis auf § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht gefolgt. Der Kläger sei zwar durch seine Erkrankungen außergewöhnlich stark behindert und deshalb auf ein besonders ausgestaltetes Fahrzeug angewiesen. Das im Streitfall gewählte Kfz verursache indes nicht derart überdurchschnittliche Aufwendungen, dass sie durch die Anwendung der Pauschsätze nicht in sachgerechter Weise abgegolten wären. Die ermittelten Kosten i.H.v. 0,7764 € pro gefahrenen Kilometer begründeten keinen »krassen Ausnahmefall«, der ein Abweichen von den Pauschsätzen rechtfertigen würde. Sie lägen nicht wesentlich über den durchschnittlichen Fahrzeugkosten von Fahrzeugen der Mittelklasse, die nicht die besonderen Eigenschaften des vom Kläger wegen seiner Behinderung verwendeten Modells aufweisen würden. So entstünden z.B. nach Berechnungen von Schwacke für ein Fahrzeug der Mittelklasse im Streitjahr bei einer vierjährigen Haltedauer und einer jährlichen Fahrleistung von 15 000 km Kosten von etwa 0,60 €/km (s.a. FinBeh Hamburg vom 15.5.2019, S 2284 – 2016/013 – 52, SIS 19 06 53).
Der BFH berücksichtigt mit Urteil vom 13.12.2001 (III R 6/99, BStBl II 2002, 198) allerdings ausnahmsweise die 15 000 km übersteigenden Fahrleistungen.
Sachverhalt:
Der Sohn ist zu 100 % behindert mit den Merkzeichen »G«, »aG« und »RF« und lebt im elterlichen Haushalt. Der Sohn ist als Student an der Universität eingeschrieben und kann die Universität infolge seiner Behinderung ausschließlich mit einem Kfz erreichen. Auch zwischen den Vorlesungen muss der Sohn nach Hause fahren. Die Eltern beantragen in ihrer ESt-Erklärung behinderungsbedingte Kfz-Kosten des Sohnes i.H.v. 10 272 € (34 241 km × 0,30 €) als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. Auf die Fahrten zwischen Wohnung und Universität entfallen 21 414 km.
Das FA berücksichtigte einen Betrag von 4 500 € (15 000 km × 0,30 €) und setzte jedoch für den Sohn zusätzlich einen Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG i.H.v. 1 420 € an.
Entscheidungsgründe:
Der Behinderte kann neben dem Pauschbetrag auch die Kfz-Kosten geltend machen. Dies gilt auch, wenn nicht der Körperbehinderte selbst, sondern derjenige, dem der Behinderten-Pauschbetrag gem. § 33b Abs. 5 EStG übertragen worden ist, die Kfz-Kosten getragen hat.
Ausnahmsweise können Fahrleistungen mit einem Pkw bei außerordentlich gehbehinderten Personen, auch soweit sie 15 000 km im Jahr übersteigen, noch als angemessen zu beurteilen und die entstandenen Aufwendungen deshalb als außergewöhnliche Belastung steuermindern zu berücksichtigen sein, sofern nach der Art und der Schwere der Behinderung nur durch den Einsatz eines Pkws eine berufsqualifizierende Ausbildung durchgeführt werden kann. In einem solchen Ausnahmefall können jedoch über die im Zusammenhang mit der Ausbildung stehenden Fahrten hinaus für weitere rein private Fahrten höchstens noch Fahrleistungen bis zu 5 000 km p.a. zusätzlich steuerlich berücksichtigt werden.
Nach dem BFH-Urteil vom 18.12.2003 (III R 31/03, BStBl II 2004, 453) sind auch bei sehr geringen jährlichen Fahrleistungen – hier 3 601 km – grundsätzlich nur die pauschal ermittelten (3 601 km × 0,30 € = 1 081 €) und nicht die tatsächlich angefallenen höheren Kosten (hier 4 165 €) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Decken die Pauschbeträge wegen der nur geringen Jahreskilometerleistung nicht die tatsächlichen Aufwendungen, kann der behinderte Stpfl. an Stelle der Pauschbeträge die Kosten, die ihm für Fahrten mit einem – behindertengerechten – öffentlichen Verkehrsmittel, ggf. auch mit einem Taxi, entstanden sind, als außergewöhnliche Belastung geltend machen.
Macht ein gehbehinderter Stpfl. neben den Aufwendungen für Privatfahrten mit dem eigenen Pkw auch solche für andere Verkehrsmittel (z.B. für Taxis) geltend, ist die als noch angemessen anzusehende jährliche Fahrleistung von 3 000 km (beim GdB von mindestens 80 oder GdB von mindestens 70 und Merkzeichen G) – bzw. von 15 000 km (bei Merkzeichen aG, BI oder H) – entsprechend zu kürzen (R 33.4 Abs. 4 EStR).
Der durch einen Unfall bei einem Pkw entstandene Vermögensverlust kann nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Eine Ausnahme gilt nur für Unfallschäden gehbehinderter Personen (BFH Beschluss vom 24.4.2006, III B 164/05, BFH/NV 2006, 1468).
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die Verwaltungsregelungen zu den Fahrtkosten behinderter Menschen in H 33.1–33.4 EStH durch eine Pauschalierungsregelung in § 33 Abs. 2a EStG n.F. ersetzt.
Anstelle des bisherigen individuellen und aufwändigen Einzelnachweises der behinderungsbedingt entstandenen Fahrtkosten wird in § 33 Abs. 2a EStG n.F. eine Pauschbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Damit werden die durch die Behinderung veranlassten Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten, bei denen es sich im Grundsatz um außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG handelt, abgegolten.
Der Pauschbetrag beträgt
900 € bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen »G« (§ 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 EStG n.F.).
4 500 € für Menschen mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen »aG«), Blinde (Merkzeichen »Bl«), Menschen mit dem Merkzeichen »TBl« und hilflose Menschen (Merkzeichen »H«; § 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 und Satz 4 EStG n.F.).
Behinderungsbedingte Fahrtkosten werden nur noch im Rahmen des Fahrtkosten-Pauschbetrags nach § 33 Abs. 2a EStG berücksichtigt. Dem Stpfl. wird dadurch der aufwändige Einzelnachweis erspart. Gleichwohl ist unter Beachtung des § 33 Abs. 1 EStG ein Antrag zu stellen, da Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen nur auf Antrag berücksichtigt werden können. Bei Erfüllen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach § 33 Abs. 2a EStG n.F. werden die Aufwendungen in Höhe der in der Verwaltungspraxis bislang maximal möglichen Beträge vereinfacht und pauschaliert anerkannt. Sollten die Anspruchsvoraussetzungen für beide Pauschbeträge (Nummer 1 und Nummer 2) erfüllt sein, ist immer nur der höhere Pauschbetrag zu gewähren (§ 33 Abs. 2a Satz 5 EStG n.F.). Die Pauschalen gelten ausdrücklich alle Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten ab. Hiernach werden somit auch die Aufwendungen für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von der Abgeltungswirkung der Pauschbeträge erfasst. Das Abzugsverbot ergibt sich aus § 33 Abs. 2a Satz 6 EStG.
Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung von individuellen, behinderungsbedingt entstandenen Fahrt- bzw. Kraftfahrzeugkosten würde der mit der Regelung angestrebten Steuervereinfachung zuwiderlaufen, weshalb der behinderungsbedingte Fahrtkosten-Pauschbetrag abgeltende Wirkung hat (§ 33 Abs. 2a Satz 6 EStG n.F.). Der neue Fahrtkosten-Pauschbetrag ist anstelle der bisher individuell ermittelten Aufwendungen für Fahrtkosten von Menschen mit Behinderung unter Abzug der zumutbaren Belastung zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 2a Satz 7 EStG n.F.).
Beachte:
Die Fahrtkostenpauschale nach § 33 Abs. 2a EStG erfasst nur die behinderungsbedingten Fahrten. Nicht abgegolten sind die erwerbs- und berufsbedingten Fahrten einschließlich der Fahrten zur Betriebs- oder Tätigkeitsstätte und der Familienheimfahrten. Stpfl., die die Fahrtkostenpauschale i.S.d. § 33 Abs. 2a EStG erhalten, können ihre erwerbs- und berufsbedingten Fahrtkosten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen (s.a. Kanzler, NWB 13/2021, 898 unter III.2).
Mit Urteil vom 22.10.2009 (VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) spricht sich der BFH für einen Sofortabzug der Umbaukosten aus. § 33 EStG enthält weder eine Verweisung auf die Vorschriften über die Absetzungen für Abnutzung noch eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung des § 7 EStG nahe legen würde. Der BFH hält es jedoch für denkbar, dem Stpfl. im Wege der abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen einzuräumen, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen entgegensteht«.
Nach der Verwaltungsregelung in R 33.4 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStR können die Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung eines Pkw im VZ des Abflusses als außergewöhnliche Belastungen neben den angemessenen Aufwendungen für Fahrten berücksichtigt werden. Eine Verteilung auf mehrere VZ ist nicht zulässig (s.u. die Erläuterungen zum Gliederungspunkt »Behindertengerechte Ausgestaltung eines Wohnhauses«).
Die OFD Frankfurt nimmt mit Vfg. vom 19.1.2011 (S 2284 A – 46 – St 221, SIS 11 32 77) zur Behandlung der Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung eines Pkw Stellung. Die Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung eines Pkw gehören zu den Anschaffungskosten des Pkw, da die Aufwendungen geleistet werden, um den Pkw in einen für den behinderten Menschen betriebsbereiten Zustand zu versetzen.
Entsprechend der BFH-Rechtsprechung vom 19.5.2004 (III R 16/02, BStBl II 2005, 23) können die Kfz-Kosten behinderter Menschen im Rahmen der Angemessenheit neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen nicht uneingeschränkt berücksichtigt werden. Sie sind – einschließlich der Anschaffungskosten des Pkw – mit den Kilometerpauschbetrag von 0,30 €/km abgegolten, sodass Anschaffungskosten dem Grunde nach nicht zusätzlich als weitere außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Der Ansatz eines höheren Kilometerpauschbetrags – der die Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung des Pkw berücksichtigt – ist unangemessen und darf deshalb i.R.d. § 33 EStG nicht gewährt werden (vgl. H 33.1-33.4 [Fahrtkosten behinderter Menschen] EStH).
Die behinderungsbedingten Umrüstungskosten können aber neben dem Kilometersatz von 0,30 € dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt werden. Es handelt sich insoweit um behinderungsbedingten und damit außergewöhnlichen Aufwand. Die Umrüstungskosten sind in Fällen der vorliegenden Art unvermeidbar, weil die Automobilhersteller keine rollstuhlfahrergerechten Pkw serienmäßig und ohne Aufpreis herstellen. Von daher handelt es sich nicht um einen unangemessenen Zusatzaufwand, der aufgrund des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeblendet werden müsste.
Entsprechend dem BFH-Urteil vom 22.10.2009 (VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) sind die aufgrund der Umrüstung des Pkws entstandenen Aufwendungen im Jahr des Abflusses in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
Mit Urteil vom 21.11.2018 (VI R 28/16, BFH/NV 2019, 265, LEXinform 0951004) bestätigt der BFH seine bisherige Rspr., indem er feststellt, dass außergewöhnliche Belastungen – wie z.B. Kosten für den Fahrzeugumbau – nur im Jahr der Aufwendung und nicht anteilig im Rahmen der AfA in den Folgejahren abgezogen werden dürfen (s.a. FinBeh Hamburg vom 15.5.2019, S 2284 – 2016/013 – 52, DStR 2019, 2085).
Wird ein Zuschuss zum behindertengerechten Umbau eines Fahrzeugs gewährt, so ist für die Berechnung der tatsächlichen Fahrzeugkosten als Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung/Arbeitsstätte die AfA in der Weise zu ermitteln, dass der Zuschuss von der Summe aus den Anschaffungskosten des Fahrzeugs und den Umbaukosten abzuziehen ist (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.5.2010, 6 K 2712/07, EFG 2010, 601, LEXinform 5011395, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 89/10, LEXinform 0928266). Mit Urteil vom 14.6.2012 (VI R 89/10, BStBl II 2012, 835) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz bestätigt (s.a. Anmerkung vom 4.10.2012, LEXinform 0943163; H 9.5 [Einzelnachweis – 1. Spiegelstrich] LStH sowie Anmerkung vom 4.10.2012, LEXinform 0943163).
Bei Extras, wie einem Automatikgetriebe, einer Klimaanlage und einem Schiebedach, handelt es sich nicht um eine besondere Fahrzeugausstattung, sondern um eine solche, die auch von vielen gesunden Stpfl. wegen des mit ihr verbundenen Fahrkomforts beim Kauf eines Fahrzeugs gewünscht wird und deren Anschaffung deshalb die Merkmale der Außergewöhnlichkeit nicht erfüllt (BFH Urteil vom 14.10.1997, III R 95/96, BFH/NV 1998, 1072, LEXinform 0160719). Auch das FG Nürnberg hat mit rkr. Urteil vom 26.11.2009 (4 K 688/2009, LEXinform 5009579) entschieden, dass der Einbau eines Automatikgetriebes nicht zu außergewöhnlichen Belastungen führt.
Beachte:
Die Abgeltungswirkung der Fahrtkostenpauschale erfasst weiterhin nicht die besonderen Aufwendungen des Stpfl. für das Fahrzeug, die – wie etwa die Kosten einer behindertengerechten Umrüstung des Pkw – unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 und 2 EStG zusätzlich als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind (Niedersächsisches FG vom 6.11.1991, VIII 201/88, EFG 1992 S. 341, rkr.; OFD Frankfurt Verfügung vom 19.1.2011). Die Fahrtkostenpauschale des § 33 Abs. 2a EStG erfasst nur die behinderungsbedingten reinen Fahrtkosten.
Die Kosten der Reparatur von Gegenständen des täglichen Gebrauchs – wie einem Kraftfahrzeug – sind bereits ihrer Art nach nicht außergewöhnlich. Der vorzeitige Verschleiß, wie vorliegend des Kfz-Getriebes, stellt mithin die Realisierung eines allgemeinen Lebensrisikos dar, welches bereits durch die Freistellung des Existenzminimums abgegolten ist. Der Umstand, dass ein Kind des Stpfl. aufgrund einer Gehbehinderung auf das Kfz angewiesen ist, ändert an der Beurteilung nichts. Denn auch bei einer Gehbehinderung ist der Unterhalt eines eigenen Kfz zwar sinnvoll, aber nicht existenziell notwendig (FG Köln vom 28.4.2009, 8 K 4748/06, EFG 2009, 1299, LEXinform 5008413, rkr.).
Zur Behandlung der Aufwendungen für die Reparatur eines Pkw-Motors hat der BFH mit Beschluss vom 19.1.2017 (VI R 60/14, BFH/NV 2017, 571, LEXinform 0934928) wie folgt entschieden:
»Stpfl., die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, können grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt, neben den Pauschbeträgen für Körperbehinderte als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Der Höhe nach sind diese Aufwendungen begrenzt durch die in den EStR bzw. LStR enthaltenen Pauschsätze. Diese Begrenzung ist nicht nur zulässig sondern auch geboten. Eine Ausnahme von dieser Begrenzung ist nur in krassen Ausnahmefällen gerechtfertigt. Bei Reparaturaufwendungen zur Beseitigung eines Motorschadens handelt es sich um keinen solchen krassen Ausnahmefall, der ausnahmsweise die Berücksichtigung der Reparaturaufwendungen begründen könnte. Insoweit handelt es sich um die Verwirklichung des Risikos frühzeitiger Verschleißerscheinungen eines Kfz, die regelmäßig der privaten Sphäre zuzuordnen sind.« Hiernach sind Reparaturkosten für das Fahrzeug eines Behinderten nicht zusätzlich neben den Kilometerpauschbeträgen abziehbar. Sie sind vielmehr in den Kilometerpauschbeträgen enthalten, auch wenn die Rspr. in »krassen Ausnahmefällen« (z.B. BFH vom 13.12.2001, III R 6/99) einen höheren Abzug erwogen hat (s.a. Anmerkung vom 9.5.2017, LEXinform 0948694).
Erhöhte Kosten für den Erwerb eines Führerscheins sowie den Fahrzeugumbau sind grundsätzlich keine außergewöhnlichen Belastungen (FG Köln vom 12.9.2013, 10 K 3945/12, EFG 2013, 2010, LEXinform 5015580, rkr.). Entscheidend für die Anerkennung von Mehrkosten für den Führerscheinerwerb und einen Fahrzeugumbau wegen einer halbseitigen Lähmung aufgrund Schlaganfalls als außergewöhnliche Belastung ist nicht, dass der Stpfl. wegen seines Wohnorts in ländlicher Umgebung auf die Fortbewegung mit einem Pkw angewiesen sein könnte, sondern ob er aufgrund der Körperbehinderung zwangsläufig auf ein Fahrzeug zur Fortbewegung angewiesen ist.
Nach einer Entscheidung des BFH vom 26.3.1993 (III R 9/92, BStBl II 1993, 749) sind die Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis bei einer auf Behindertenausbildung spezialisierten Fahrschule dann als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd abzugsfähig, wenn eine Person so geh- und stehbehindert ist, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mithilfe eines Fahrzeugs fortbewegen kann. Auslösendes Moment für die Entstehung dieser Kosten ist die Gehbehinderung. Stark gehbehinderte Personen gehörten zu einer kleinen Gruppe von Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht frei über die Benutzung eines Kfz entscheiden können und deshalb nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen können. Aus diesem Grund sind diese Personen auf eine Fahrerlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs dringend angewiesen und anders als der überwiegende Teil der Führerscheinerwerber gerade nicht frei in ihren Entschluss, die entsprechende Fahrprüfung abzulegen (H 33b [Neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen zu berücksichtigende Aufwendungen, 3. Spiegelstrich] EStH).
Ein körperbehinderter Mensch, bei dem die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen ist, kann Mehraufwendungen, die ihm auf einer Urlaubsreise durch Kosten für Fahrten, Unterbringung und Verpflegung der Begleitperson entstehen, bis zu 767 € neben dem Pauschbetrag für Körperbehinderte als außergewöhnliche Belastung abziehen (BFH Urteil vom 4.7.2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765). Auf die Kosten für eine Begleitperson bei Fahrten zum Krankenhaus sind die Grundsätze dieses Urteils nicht anwendbar (BFH Beschluss vom 29.8.2003, III B 156/02, BFH/NV 2004, 41).
Unterscheidet sich die von Eltern mit ihren schwer behinderten Kindern unternommene Reise – abgesehen von den besonderen behinderungsbedingten Erschwernissen – nicht von einem üblichen Familienurlaub, so können die auf die Eltern entfallenden Reisekosten nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden (BFH Urteil vom 26.1.2006, III R 22/04, BFH/NV 2006, 1265; Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 4.7.2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765).
Fahrtkosten aus Anlass von Zwischenheimfahrten können grds. nicht berücksichtigt werden. Dies gilt nicht für Kosten der Zwischenheimfahrten einer Begleitperson, die ein krankes, behandlungsbedürftiges Kind, das altersbedingt einer Begleitperson bedarf, zum Zwecke einer amtsärztlich bescheinigten Heilbehandlung von mehrstündiger Dauer gefahren und wieder abgeholt hat, wenn es der Begleitperson nicht zugemutet werden kann, die Behandlung abzuwarten (BFH vom 3.12.1998, BStBl II 1999, 227).
Mit Urteil vom 7.5.2013 (VIII R 51/10, BStBl II 2013, 808) hat der BFH die Berücksichtigung der Mehraufwendungen aufgrund einer Begleitung durch die Ehefrau auf Auslandsreisen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG abgelehnt, auch wenn die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen ist. Als unmittelbare Krankheitskosten hat der BFH auch Aufwendungen angesehen, die einem Stpfl. dadurch entstehen, dass er während einer Urlaubsreise infolge seiner schweren Behinderung auf ständige Begleitung angewiesen ist. Wie sonstige Kosten einer Heilbehandlung bzw. von Maßnahmen zur Linderung von krankheitsbedingten Beschwerden beruhten derartige Aufwendungen darauf, dass der Stpfl. aus tatsächlichen Gründen gezwungen sei, wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung auch im Urlaub ständig fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Entscheidend für die Beurteilung als unmittelbare Krankheitskosten sei die Ursache der Aufwendungen, nämlich die Behinderung. Der Anlass für die Entstehung der Kosten – die Urlaubsreisen – sei in Bezug auf die Zwangsläufigkeit dem Grunde nach unerheblich. Aufwendungen der vorgenannten Art seien auch nicht durch den Pauschbetrag für Körperbehinderte nach § 33b Abs. 3 EStG abgegolten. Als angemessen und damit der Höhe nach zwangsläufig hat der BFH hierbei Aufwendungen von bis zu 767 € je Kj. angesehen (BFH Urteil vom 4.7.2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765). Das BFH-Urteil in BStBl II 2002, 765 betraf allerdings Aufwendungen für die Begleitung durch eine fremde Begleitperson. Nach der Entscheidung des BFH in seinem Urteil VIII R 51/10 (Rz. 51) kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass miteinander verreisende Ehegatten jeweils aus eigenem Interesse an der Reise teilnehmen und damit die insoweit rechnerisch auf sie entfallenden Kosten als Kosten der jeweils eigenen Lebensführung anzusehen sind. Sie kommen damit regelmäßig nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne eines behinderungsbedingten Mehraufwands des jeweils anderen Ehegatten in Betracht, weil sie in diesem Fall nicht durch die Behinderung, sondern das Reiseinteresse des Ehegatten verursacht sind (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 57/13 vom 4.9.2013, LEXinform 0440635 sowie Anmerkung vom 17.9.2013, LEXinform 0652210).
In einem weiteren Fall hatte der BFH über Kosten zu entscheiden, die den Eltern zweier behinderter Kinder für den mit diesen unternommenen Urlaub entstanden waren. In Abgrenzung zur vorgenannten Entscheidung hat der BFH einen Abzug der streitigen Aufwendungen (dort Kosten für den Campingplatz) als außergewöhnliche Belastungen nicht für möglich gehalten. Es habe sich – von den besonderen Erschwernissen infolge der Behinderung der Söhne abgesehen – um einen üblichen Familienurlaub gehandelt und nicht um Reisen, die – wie etwa der Aufenthalt in einer Therapieeinrichtung – in besonderer Weise auf die behinderten Kinder zugeschnitten gewesen seien. Bei den streitigen Aufwendungen habe es sich auch nicht um behinderungsbedingte Mehraufwendungen gehandelt. Die Aufwendungen wären bei einem vergleichbaren Urlaub mit nicht behinderten Kindern in derselben Höhe angefallen (BFH Urteil vom 26.1.2006, III R 22/04, BFH/NV 2006, 1265). Mit dieser Begründung hat auch das FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.2.2008, 3 K 160/07, LEXinform 5008670) die Aufwendungen, die dadurch entstanden sind, dass ein Ehemann seine schwerbehinderte Ehefrau (Grad der Behinderung 90, Merkzeichen »H«) bei Kurzreisen bzw. Kurzurlauben begleitet hat, nicht als außergewöhnliche Belastungen angesehen. Das Revisionsverfahren VI R 10/09 (LEXinform 0179748) gegen die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 27.2.2008) ist durch Beschluss vom 26.10.2010 in der Hauptsache erledigt.
Nach § 33 EStG kann der Stpfl. keine außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn er Gegenstände anschafft, die für ihn einen Gegenwert darstellen. Es handelt sich dabei um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Stpfl. nicht belastet (H 33.1–33.4 [Gegenwert] EStH).
Mit Urteil vom 22.10.2009 (VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein können, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt. Im Streitfall wurde der verheiratete Stpfl. durch einen Schlaganfall schwer behindert. Um ihm trotz seiner außergewöhnlich starken Gehbehinderung weiterhin ein Leben in seiner gewohnten Umgebung zu ermöglichen und ihm den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen, nahmen die Ehegatten verschiedene Umbaumaßnahmen an ihrem Einfamilienhaus vor. Die von der Krankenkasse nicht bezuschussten Kosten für den Bau einer Rollstuhlrampe, die Einrichtung eines behindertengerechten Bades sowie die Umwandlung des ebenerdigen Arbeitszimmers in einen Schlafraum, machten die Ehegatten i.H.v. ca. 70 000 € in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies lehnte das FA ab, gewährte jedoch den Behinderten-Pauschbetrag i.H.v. 3 700 € und den Pflege-Pauschbetrag von 924 € (§ 33b Abs. 6 EStG). Die dagegen gerichtete Klage der Erben des inzwischen verstorbenen Stpfl. wurde mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einer Belastung der Kläger, weil sie für ihre Aufwendungen einen Gegenwert erlangt hätten.
Mit Urteil vom 22.10.2009 (VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) entschied der BFH nun, dass die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Hauses als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind, weil sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass auch die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 109/09 vom 23.12.2009, LEXinform 0434814 sowie Geserich in NWB 2011, 1526).
In Fortentwicklung seiner Rechtsprechung vom 22.10.2009 (VI R 7/09, BStBl II 2010, 280) hat der BFH mit Urteil vom 24.2.2011 (VI R 16/10, BStBl II 2011, 1012) entschieden, dass Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22.10.2009, VI R 7/09, BStBl II 2010, 280; entgegen BFH-Urteil vom 10.10.1996, III R 209/94, BStBl II 1997, 491). Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Stpfl. oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht. Ggf. hat das FG zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Stpfl. oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten ein Sachverständigengutachten einzuholen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 25/11 vom 13.4.2011, LEXinform 0436367 sowie H 33.1–33.4 [Behindertengerechte Ausstattung] EStH).
Mit Urteil vom 11.11.2010 (VI R 16/09, BFH/NV 2011, 501, LEXinform 0179855) hat der BFH entschieden, dass dann, wenn der Nachweis der medizinischen Indikation der Anschaffung neuer Möbel wegen einer Asthmaerkrankung gelingt, der Abzug der Anschaffungskosten nach § 33 EStG nicht durch einen Gegenwert gehindert wird. Tauscht der Stpfl. gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen (»Alt für Neu«; → Beseitigung von Umweltbelastungen).
Bei den außergewöhnlichen Belastungen kommt der Abzug von Aufwendungen eines Dritten auch unter dem Gesichtspunkt der Abkürzung des Vertragswegs nicht in Betracht (BMF vom 7.7.2008, BStBl I 2008, 717). Nach einem Urteil des FG Saarland (FG des Saarlandes vom 6.8.2013, 1 K 1308/12, Rev. nicht erfolgt) können die Auswirkungen entgegen dem Abflussprinzip bei der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen in besonderen Einzelfällen durch die Anwendung des § 163 AO korrigiert werden. Ein solcher Ausnahmefall wurde bejaht, wenn eine besonders kostenintensive außergewöhnliche Belastung (hier Umbau eines Hauses) ohne Verteilung auf mehrere VZ zum ganz überwiegenden Teil steuerlich wirkungslos bliebe. Mit Verweis auf die Regelungen in § 82b EStDV und § 34 Abs. 1 EStG erscheine eine Aufwandsverteilung im Fall von Baumaßnahmen auf bis zu fünf Jahre für angebracht. Andererseits wurde in einem anderen Fall für denkbar gehalten, in einem derartigen Fall die Aufwendungen aus Billigkeitsgründen über den Nutzungszeitraum verteilt abzuziehen. Das FG Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg vom 23.4.2015, 3 K 1750/13, EFG 2015, 1207 Nr. 14) hat dagegen eine Verteilung von Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Wohnhauses i.H.v. 166 000 € auf drei Jahre abgelehnt (Rev. wurde eingelegt). In dem anschließenden Revisionsverfahren kam der BFH mit Urteil vom 12.7.2017, VI R 36/15 zu der Überzeugung, dass Aufwendungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG grds. in dem VZ zu berücksichtigen sind, in dem der Stpfl. sie geleistet hat.
Zur Behandlung der Aufwendungen eines stark gehbehinderten Stpfl. für den Einbau eines Treppenschräglifts im Garten hat das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 6.4.2011 (4 K 2647/08, EFG 2011, 1423, LEXinform 5012068, rkr.) wie folgt entschieden: Ist ein Stpfl. schwer gehbehindert, sind Aufwendungen für die Installation eines Treppenschräglifts auch dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn dieser sich nicht innerhalb des Wohnhauses, sondern im dazugehörigen Garten befindet. Die Notwendigkeit der Nutzung eines Treppenschräglifts ist nicht auf die unmittelbare Nutzung innerhalb des Wohnbereichs beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die Nutzung des Gartens. Ein eventuell durch den Einbau des Treppenlifts erlangter Gegenwert ist aufgrund der Zwangsläufigkeit der Krankheit nicht zu berücksichtigen. Die Aufwendungen sind sofort in voller Höhe zu berücksichtigen und nicht auf die Dauer der voraussichtlichen Nutzung nach den Regelungen über die AfA gem. § 7 EStG abzuschreiben. Zusätzliche Krankheitskosten sind nicht von der Abgeltungswirkung des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b EStG erfasst (s.a. Anmerkung vom 13.10.2011, LEXinform 0941036 sowie FG Baden-Württemberg Pressemitteilung vom 10.6.2011, LEXinform 0436560).
Mit Urteil vom 5.10.2011 (VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39, LEXinform 0928368) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein können, wenn diese Maßnahme aufgrund gesundheitlicher Beschwerden medizinisch angezeigt ist. Ob es sich bei einem Treppenschräglift um ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne (etwa Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle) oder um ein Hilfsmittel handelt, welches nicht nur von Kranken, sondern etwa der Bequemlichkeit wegen auch von Gesunden angeschafft wird, ist ohne Belang. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach Bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen, es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor.
Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der BFH bislang regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangte der BFH diesen oder einen vergleichbaren formalisierten Nachweis. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung (oder einem vergleichbaren Zeugnis) zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der BFH-Senat jedoch seit dem Urteil vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) nicht länger fest.
Die erforderlichen Feststellungen, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Stpfl. medizinisch angezeigt war, ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen. Der BFH weist darauf hin, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden. Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, ggf. von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.
Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts nimmt der BFH mit Urteil vom 6.2.2014 (VI R 61/12, BStBl II 2014, 458) Stellung (s.a. Geserich, NWB 2014, 2004). Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV und des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines solchen Hilfsmittels nicht formalisiert nachzuweisen (→ Krankheitskosten). Die erforderlichen Feststellungen zur medizinischen Notwendigkeit für die Maßnahme sind nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen, beispielsweise durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Pressemitteilung des BFH Nr. 27/2014 vom 9.4.2014, LEXinform 0441627). In Fortsetzung des BFH-Urteils vom 6.2.2014 (VI R 61/12, BStBl II 2014, 458) hat das FG Köln mit Urteil vom 27.8.2014 (14 K 2517/12, EFG 2014, 2148, LEXinform 5017122, rkr.) entschieden, dass fest in ein Haus oder eine Wohnung eingebaute technische Hilfen – wie ein Aufzug oder ein Treppenlift – nicht in den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 SGB V fallen. Danach sind die Aufwendungen für die medizinisch indizierte Anschaffung eines Fahrstuhls i.H.v. 65 000 € vor Abzug der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Mit Urteil vom 19.3.2014 (1 K 3301/12, EFG 2015, 406, LEXinform 5017300, rkr.) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau der häuslichen Duschkabine in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung in Abzug gebracht werden können.
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist an Multipler Sklerose erkrankt. Im Jahre 2011 ließ sie für 5 736 € die Duschkabine in ihrer Eigentumswohnung so umbauen, dass sie bodengleich begehbar war und mit einem Rollstuhl befahren werden konnte. Aus diesem Grunde musste die Dusche neu ausgefliest werden, wobei auch die Armaturen und die Eingangstür erneuert wurden. Da für die Klägerin keine Pflegestufe bestand, lehnte die Pflegekasse die Übernahme der Umbaukosten ab.
Das beklagte FA war der Auffassung, dass nur ein geringer Teil der Aufwendungen (knapp 500 € für Duschelement, Ablauf, Rostrahmen, Unterbau und Bodenfliesen) als krankheitsbedingte außergewöhnliche Belastung bei der ESt abgezogen werden könnten, während die übrigen baulichen Maßnahmen nicht durch die Behinderung verursacht worden seien.
Dem ist das FG entgegengetreten: Es hält die vom FA vorgenommene Sezierung der Baumaßnahme in einzelne Aufwandposten für nicht praktikabel. Abziehbar seien auch die notwendigen Folgekosten für solches Material, das – wie etwa die Wandfliesen, die Tür und die Armaturen – durch den Ausbau der alten Duschwanne beschädigt worden und an die neue Tiefe der Dusche anzupassen gewesen sei. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Quantifizierung der behinderungsbedingten Mehrkosten hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (s.a. Pressemitteilung FG Baden-Württemberg vom 13.5.2015, LEXinform 0443200).
Nach der Verwaltungsregelung in R 33.4 Abs. 5 EStG können Um- oder Neubaukosten eines Hauses oder einer Wohnung im VZ des Abflusses eine außergewöhnliche Belastung darstellen, soweit die Baumaßnahme durch die Behinderung bedingt ist. Für den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ist die Vorlage folgender Unterlagen ausreichend:
der Bescheid eines gesetzlichen Trägers der Sozialversicherung oder der Sozialleistungen über die Bewilligung eines pflege- bzw. behinderungsbedingten Zuschusses (z.B. zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs. 4 SGB XI) oder
das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) oder der Medicproof Gesellschaft für Medizinische Gutachten mbH.
Eine Verteilung auf mehrere VZ ist nicht zulässig (R 33.4 Abs. 5 Satz 2 EStR).
Zuletzt nahm der BFH mit seinem Urteil vom 12.7.2017, VI R 36/15, Stellung zur Anwendung des § 163 AO bei erhöhten agB: Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist demnach atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich Aufwendungen im VZ der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben. Insgesamt wird die Frage der Verteilung der größeren, behinderungsbedingten Aufwendungen verneint, weil die fehlende Absetzbarkeit nicht im Widerspruch zu den Wertungen des EStG steht und auch sonst keine Rechtsgrundlage für eine etwaige Verteilung in Betracht kommt. Jedenfalls fehlen im Streitfall Anhaltspunkte für das Vorliegen atypischer Besonderheiten, die ausnahmsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen rechtfertigen könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde hiergegen nicht angenommen, Nichtannahmebeschluss vom 12.6.2018, 1 BvR 33/18: Billigkeitsentscheidung gem. § 163 AO (juris: AO 1977) setzt zwingende atypische Besonderheiten als Rechtfertigung einer Abweichung von den im Rahmen des § 33 EStG anzuwendenden Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung sowie des Zufluss- und Abflussprinzips voraus – hier: keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Versagung eines Billigkeitserlasses gem. § 163 AO 1977 bzgl. außergewöhnlicher Belastungen für den behindertengerechten Umbau eines Wohnhauses. Eine entsprechende Billigkeitsmaßnahme müsste von den Klägern in einem gesonderten Verfahren zunächst beim FA beantragt und gegebenenfalls nach deren abschließender Ablehnung eine Verpflichtungsklage auf Vornahme der Billigkeitsmaßnahme beim FG erhoben werden.
Der BFH hat mit Urteil vom 17.7.2014 (VI R 42/13, BStBl II 2014, 931) entschieden, dass Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.v. § 33 EStG zu berücksichtigen sind.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist schwerbehindert. Sie leidet unter Multipler Sklerose. Mit Bescheid vom 22.12.06 wurde ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt.
Die Kläger errichteten zu eigenen Wohnzwecken einen Bungalow. Aufgrund der behinderungsbedingten Anforderungen an die Wohnfläche entschieden sie sich u.a. nach fachkundiger Beratung für einen eingeschossigen Bungalow. Die gegenüber einem mehrgeschossigen Bungalow erforderliche Grundfläche des Gebäudes erforderte aufgrund der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Grundflächenzahl von 0,3 den Erwerb einer um 151,67 qm größeren Grundstücksfläche. Dadurch ergaben sich bei einem Preis von 87 €/qm Mehrkosten für den Baugrund i.H.v. 13 195,29 €. Ferner entstand den Klägern durch erforderliche behinderungsgerechte Baumaßnahmen ein behinderungsbedingter Mehraufwand von 205,45 €, den die Kläger nach Abzug von Zuschüssen der Kranken- und Pflegekassen als Eigenanteil selbst zu tragen hatten.
Entscheidungsgründe:
Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds sind zwar in der Regel aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies gilt insbesondere auch für behinderungsbedingte Mehrkosten eines Um- oder Neubaus. Denn eine schwerwiegende Behinderung des Stpfl. oder eines Angehörigen begründet eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfelds unausweichlich macht. Anschaffungskosten für ein größeres Grundstück zählen nach Auffassung des BFH hierzu jedoch nicht. Ihnen fehlt es an der für den Abzug als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Abs. 2 EStG erforderlichen Zwangsläufigkeit. Anders als Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, wie beispielsweise der Einbau einer barrierefreien Dusche oder eines Treppenlifts, sind diese Mehrkosten nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern in erster Linie Folge der frei gewählten Wohnungsgröße (Wohnflächenbedarf) des Stpfl. (Pressemitteilung des BFH Nr. 64/2014 vom 17.9.2014, LEXinform 0442312).
Mit Urteil vom 23.3.2011 (2 K 1855/10, LEXinform 5012210, rkr.) hat sich das FG Rheinland-Pfalz mit der häufig auftretenden Frage befasst, ob bestimmte Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden können.
Im Streitfall hatte der Kläger in der ESt-Erklärung 2009 verschiedene Aufwendungen i.H.v. rd. 4 000 € bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht, wovon ein Teilbetrag i.H.v. rd. 650 € auf die Anschaffung eines Fernsehgeräts entfiel. Der ESt-Erklärung war eine Erläuterung beigefügt, wonach die Ehefrau des Klägers an einer Erkrankung des rechten Auges leiden würde. Die Sehkraft des linken Auges sei ebenfalls sehr stark eingeschränkt. Durch die Sehkrafteinschränkung sei fernsehen nur mit einem kontraststarken Fernseher möglich, die Neuanschaffung sei daher unumgänglich gewesen. Demgegenüber war das FA der Meinung, die Aufwendungen für die Anschaffung des Fernsehgerätes stellten keine außergewöhnlichen Belastungen dar und lehnte ihre steuerliche Berücksichtigung ab. Der Nachweis der Zwangsläufigkeit sei nicht durch ein vor dem Kauf erstelltes amtsärztliches Attest geführt worden, außerdem liege keine wirtschaftliche Belastung vor, wenn durch die Aufwendungen ein Gegenwert geschaffen worden sei.
Mit seiner bei dem FG Rheinland-Pfalz angestrengten Klage legte der Kläger augenfachärztliche Bescheinigungen vor, aus denen sich eine »Visusminderung« von 80 % ergab.
Das FG Rheinland-Pfalz wies die Klage jedoch ab. Es führte u.a. aus, Ziel der Vorschrift der außergewöhnlichen Belastungen sei es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen würden. Dagegen seien aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die i.H.d. Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten seien. Aufwendungen für die Anschaffung eines Fernsehgerätes könnten nicht in diesem Sinne als außergewöhnlich angesehen werden. Ein Fernsehgerät gehöre zu den typischen Einrichtungsgegenständen eines modernen Haushalts. Die Kosten für die Anschaffung eines solchen Gerätes zählten deshalb zu den üblichen Kosten der Lebensführung, die grundsätzlich jedem Stpfl. erwachsen würden. Dass es sich um ein besonders kontraststarkes Gerät handele, ändere nichts. Es sei davon auszugehen, dass besonders kontraststarke Fernsehgeräte keine eigene Kategorie von Fernsehgeräten darstellen würden. Auch wenn man davon ausginge, dass die Anschaffung des Gerätes durch die Sehkrafteinschränkung der Ehefrau notwendig gewesen sei, ändere das nichts daran, dass dem Kläger keine größeren Aufwendungen entstanden seien als der überwiegenden Mehrzahl der Stpfl. Zudem handele es sich bei einem Fernsehgerät – anders als bei einer Brille oder einer Prothese – um einen typischen Gegenstand der Lebensführung, der grundsätzlich für jeden Stpfl. von Nutzen sein könne und dementsprechend marktgängig sei. Soweit die Rechtsprechung des BFH in bestimmten Fällen von der Anwendung der sog. Gegenwertslehre abgesehen habe, gebiete das hier schon deswegen kein anderes Ergebnis, weil der Kläger nichts dazu vorgetragen habe, inwieweit ihm durch den Austausch seines alten Fernsehgerätes ein Vermögensverlust entstanden sein könnte. Auf die Frage, ob ein amtsärztliches Attest notwendig gewesen sei, komme es hiernach nicht mehr an (Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 15.6.2011, LEXinform 0436583).
Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau des zum selbst genutzten Einfamilienhaus gehörenden Gartens sind keine außergewöhnlichen Belastungen; vgl. BFH vom 26.10.2022, VI R 25/20. Zwar seien die Umbaumaßnahmen eine Folge der Verschlechterung des Gesundheitszustands. Gleichwohl seien sie nicht zwangsläufig entstanden. Denn sie seien nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern in erster Linie Folge eines frei gewählten Freizeitverhaltens.
Mit Beschluss vom 2.6.2015 (VI R 30/14, BStBl II 2015, 775) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau einer Motoryacht dem Stpfl. nicht zwangsläufig erwachsen und deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist aufgrund eines Autounfalls querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen (Grad der Behinderung 100). Für den rollstuhlgerechten Umbau der Motoryacht entstanden ihm Kosten i.H.v. ca. 37 000 €, die er in seiner Einkommensteuererklärung vergeblich als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 EStG geltend machte.
Nach § 33 EStG sind nur zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf abzugsfähig. Aufwendungen für die Anschaffung und den Unterhalt einer Motoryacht zählen hierzu nicht. Der Stpfl. ist nicht verpflichtet, derartige Konsumaufwendungen zu tragen. Sie stehen vielmehr in seinem Belieben. Das gilt auch für Mehraufwendungen, die erforderlich sind, ein solches Boot behindertengerecht umzugestalten. Diese Aufwendungen sind nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern – anders als die krankheits- oder behindertengerechte Ausgestaltung des individuellen (existenziell wichtigen) Wohnumfelds – in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens (Pressemitteilung des BFH Nr. 49/2015 vom 15.7.2015, LEXinform 0443393 sowie Anmerkung vom 21.7.2015, LEXinform 0652688).
Nach § 33b Abs. 2 EStG werden die Behinderten-Pauschbeträge ab VZ 2021 bereits Stpfl. gewährt, deren Grad der Behinderung zwar auf weniger als 50, jedoch auf mindestens 20 (bisher 25) festgestellt ist. Bis zum VZ 2020 hatten diese sog. Minderbehinderten nach § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b EStG nur Anspruch auf einen Behinderten-Pauschbetrag, wenn ihnen wegen der Behinderung Renten oder andere laufende Bezüge zustanden oder die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hatte oder die Behinderung auf einer typischen Berufskrankheit beruhte.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG 2020 beträgt der Pauschbetrag 310 € bei einem Grad der Behinderung von 25 und 30.
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die veraltete Systematik in § 33b Abs. 3 Satz 1 aktualisiert und an das Sozialrecht angeglichen. Im Sozialrecht wird eine Behinderung bereits ab einem Grad der Behinderung von 20 festgestellt und in 10er-Schritten bis zu einem Grad der Behinderung von 100 fortgeschrieben. Der Systematik im EStG liegt hingegen noch die veraltete Systematik ab einem Grad der Behinderung von 25 zugrunde, die in 5er-Schritten fortgeschrieben wurde. Durch diese Anpassung an das Sozialrecht können ab dem Veranlagungszeitraum 2021 auch Stpfl. mit einem Grad der Behinderung von mindestens 20 ohne besondere Voraussetzungen die Gewährung eines Behinderten-Pauschbetrags beantragen.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 384 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 20 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 30 beträgt der Pauschbetrag 620 €.
Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG; R 32.9 EStR; → Kinder, → Einkünfte und Bezüge von Kindern). Die Behinderung muss ursächlich dafür sein, dass das Kind sich nicht selbst unterhalten kann. Dies ist nur gegeben, wenn die Behinderung nach ihrer Art und ihrem Umfang keine Erwerbstätigkeit des Kindes zulässt, die ihm die Deckung seines Lebensbedarfs ermöglicht.
Nach der Rspr. des BFH ist für die Beurteilung des Merkmals »Behinderung« i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG die in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX enthaltene Legaldefinition maßgeblich (s.o. den Gliederungspunkt »Menschen mit Behinderung/«; BFH vom 27.11.2019, III R 44/17, BStBl II 2020, 558, Rz. 19).
Mit dem Erfordernis, dass der altersuntypische Gesundheitszustand mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern muss, bezweckt der Gesetzgeber, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behinderungsbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen. Entscheidend ist insoweit nicht die seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung (BFH vom 18.6.2015, VI R 31/14, BStBl II 2016, 40, Rz 22). Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (BFH vom 19.1.2017, III R 44/14, BFH/NV 2017, 735, LEXinform 0950631, Rz 18 sowie BFH vom 27.11.2019, III R 44/17, BStBl II 2020, 558, Rz. 26).
Ein Kind ist bei entsprechender Feststellung durch das Gericht ungeachtet dessen als behindertes Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, dass der Arzt und Gutachter in dem von der Familienkasse aufgelegten Vordruck das Element »Behinderung« nicht angekreuzt hat. Der ärztliche Gutachter hat lediglich die Befunde seiner Untersuchung festzustellen; vgl. FG Köln vom 31.10.2019, 10 K 3059/18.
Eine drohende Behinderung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Dieser fordert in Halbsatz 1 eine »Behinderung« und setzt zudem voraus, dass die Behinderung ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt ist. Weiter erfordert Halbsatz 2, dass die Behinderung vor Vollendung der Altersgrenze »eingetreten ist« und nicht, dass sie zu diesem Zeitpunkt nur droht (BFH III R 44/17, Rz. 28). Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn § 32 EStG sieht nach seinem Abs. 3 vor, dass Kinder regelmäßig nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres im Familienleistungsausgleich berücksichtigt werden. Bei Kindern, die das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des stpfl. Elternteils nur noch unter besonderen Umständen gemindert ist. Diese besonderen Voraussetzungen orientieren sich typisierend an bestimmten typischen Unterhaltssituationen. Solche können aber nur bei einer durch eine eingetretene Behinderung ausgelösten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt angenommen werden. Eine drohende Behinderung und eine daraus resultierende drohende Unfähigkeit zum Selbstunterhalt begründet indessen noch keine typische Unterhaltssituation für den betreffenden Elternteil. Die Einführung der Altersgrenze hat bezweckt, die kindergeldrechtliche Berücksichtigung von Spätbehinderungen zu verhindern. Insbes. sollte danach ausgeschlossen werden, dass z.B. eine 80-jährige Mutter für ihren Sohn, der im Alter von 60 Jahren einen Schlaganfall erleidet und pflegebedürftig wird, Kindergeld erhalten kann.
Liegt bei einem Kind ein Gendefekt vor, der vor Erreichen der Altersgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG zu keiner mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernden Funktionsstörung und/oder zu keiner darauf beruhenden Teilhabebeeinträchtigung geführt hat, scheidet ein auf die Behinderung gestützter Kindergeldanspruch aus (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 27/2020 vom 9.7.2020, LEXinform 0456914).
Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt wird grundsätzlich anzunehmen sein, wenn der Grad der Behinderung mindestens 50 beträgt und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint oder im Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch das Merkmal »H« eingetragen ist (R 32.9 EStR; H 32.9 [Außerstande sein, sich selbst zu unterhalten] und [Ursächlichkeit der Behinderung] EStH; A 19.3 DA-KG 2023, vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
Ein Kind mit Behinderung ist imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten existenziellen Lebensbedarfs ausreicht. Hieran fehlt es, soweit die Behinderung einer Erwerbstätigkeit entgegensteht und das Kind keine anderen Einkünfte und Bezüge hat. Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG muss ein kindergeldrechtlich zu berücksichtigendes Kind »wegen« seiner Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten; die Behinderung muss somit ursächlich für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt sein. Wenn ein Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG kindergeldrechtlich (dann) zu berücksichtigen ist, wenn es »wegen« seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, stehen weder Wortlaut noch Wortsinn dieser Vorschrift dem entgegen, dass ein behindertes Kind keine Berücksichtigung findet, weil es schon aufgrund seiner Inhaftierung zum Selbstunterhalt unfähig ist. Für behinderte Kinder, die aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung untergebracht sind, besteht kein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG (BFH Urteil vom 30.4.2014, XI R 24/13, BFH/NV 2014, 1289, LEXinform 0929890 mit weiteren Fundstellen). Denn in diesen Fällen ist die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zu verneinen. Treten – wie hier mit der Inhaftierung – andere, die behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt insoweit überholende Ursachen hinzu, ist Kindergeld selbst dann zu versagen, wenn die Begehung der zur Inhaftierung führenden Straftat behinderungsbedingt ist. Während der Haft ist ein Kind unabhängig davon, ob es behindert ist oder nicht, grundsätzlich außerstande, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. In diesen Fällen steht nicht die Behinderung eines Kindes der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Bestreitung des Lebensunterhalts entgegen, sondern die Inhaftierung.
Das FG Sachsen-Anhalt nimmt mit Urteil vom 8.4.2014 (4 K 1218/12, EFG 2014, 1492, LEXinform 5016637, rkr.) zum Kindergeldanspruch für Kinder mit Behinderung ab 2012 Stellung. Auch nach Wegfall des ehemaligen § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG – Grenzbetragsregelung – durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (StVereinfG 2011 vom 1.11.2011, BGBl I 2011, 2131) besteht ein Kindergeldanspruch ab 2012 für Kinder mit Behinderung weiterhin nur dann, wenn das Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Bei Kindern mit Behinderung wirkt sich ab 2012 weiterhin die vorhandene Fähigkeit zum Selbstunterhalt kindergeldschädlich aus und ist für die Berechnungen des Grundbedarfs anstelle des bisherigen Grenzbetrages nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nunmehr der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Ansatz zu bringen (s.a. A 19.4 Abs. 2 DA-KG 2023, vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818 sowie H 32.9 [Außerstande sein, sich selbst zu unterhalten] EStH).
Verfügt das Kind mit Behinderung über ausreichende eigene finanzielle Mittel, besteht für zusätzliche Aufwendungen der Eltern grundsätzlich keine Notwendigkeit. Ob und inwieweit die Eltern ggf. aus familiären oder sozialen Gründen darüber hinaus eigene Aufwendungen für das Kind erbringen, ist unter kindergeld- und steuerrechtlichen Gründen unbeachtlich.
Bei der Prüfung, ob ein Kind aufgrund seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist der Bezug einer privaten Rente, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen der Kindsmutter und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, nur mit dem stpfl. Ertragsanteil bei den kindeseigenen Mitteln zu berücksichtigen; vgl. FG Baden-Württemberg vom 14.4.2022, 1 K 2137/21.
Die kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines volljährigen behinderten Kindes setzt nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG u.a. voraus, dass es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer monatsweise durchzuführenden Vergleichsrechnung ermittelt werden (BFH vom 8.8.2013, III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15). Hierbei sind zwei Bezugsgrößen gegenüberzustellen, nämlich
der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kindes, welcher sich typischerweise
aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und
dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammensetzt,
und
die finanziellen Mittel des Kindes, zu welchen nicht nur dessen Einkünfte und Bezüge als verfügbares Einkommen, sondern auch Leistungen Dritter gehören. Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit der Mittel ist, dass sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts des Kindes bestimmt oder geeignet sind (BFH vom 27.11.2019, III R 28/17, BFH/NV 2020, 1135, LEXinform 0951731, Rz. 16).
Nach dem BFH-Urteil vom 27.11.2019 (III R 28/17, BFH/NV 2020, 1135, LEXinform 0951731) hat die Weiterleitung des Kindergeldes vom Kindergeldberechtigten an das behinderte Kind keinen Einfluss auf die dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel. Bei der Frage der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt gilt es festzustellen, ob das Kind sich aus eigenen Mitteln unterhalten kann oder ob es auf Mittel des Kindergeldberechtigten angewiesen ist. Deshalb sind auf der Einnahmenseite zwar laufende oder einmalige Geldzuwendungen von dritter Seite zu berücksichtigen, soweit sie nicht der Kapitalanlage dienen, sondern den Unterhaltsbedarf des Kindes decken oder die Berufsausbildung sichern und damit die Eltern bei ihren Unterhaltsleistungen entlasten sollen. Aber Unterhaltsleistungen des Kindergeldberechtigten an das Kind sind nicht als Einnahmen des Kindes zu berücksichtigen. Gleiches gilt, wenn der Kindergeldberechtigte das zu seinen Gunsten festgesetzte Kindergeld an das Kind weiterleitet, da auch diese Weiterleitung eine Unterhaltsleistung des Kindergeldberechtigten darstellt. Andernfalls könnte die dem Zweck der Kindergeldgewährung entsprechende Weiterleitung des Kindergeldes an das Kind die an sich gegebenen Anspruchsvoraussetzungen nachträglich wieder entfallen lassen (BFH III R 29/17, Rz. 27; s.a. Anmerkung vom 26.8.2020, LEXinform 0889651).
Zum verfügbaren Nettoeinkommen vgl. die ausführlichen Regelungen in A 19.5 Nettoeinkommen DA-KG 2023 vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Im Besteuerungszeitraum 2023 ist der (Jahres-)Grundbedarf nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG mit 10 908 € zu bemessen (für 2022 10 347 €; für 2021: 9 744 €; für 2020: 9 408 €; für 2019: 9 168 €). Hinzu kommt ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand, den gesunde Kinder nicht haben; erbringt der Stpfl. keinen Einzelnachweis, kann der jeweils maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b Abs. 1 bis 3 EStG) als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen (s.a. A 19.4 Abs. 4 Satz 2 DA-KG für 2022 10 347 €).
Das Elterngeld, das ein behindertes Kind, für das Kindergeld begehrt wird, wegen der Betreuung und Erziehung seines eigenen Kindes erhält, gehört in vollem Umfang zu den Bezügen, die zur Abdeckung des Grundbedarfs des behinderten Kindes geeignet sind (BFH Urteil vom 5.2.2015, III R 31/13, BStBl II 2015, 1017; → Einkünfte und Bezüge von Kindern).
Zur Berücksichtigung der Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG s. → Kinderbetreuungskosten.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 430 € bei einem Grad der Behinderung von 35 und 40.
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die veraltete Systematik in § 33b Abs. 3 Satz 1 aktualisiert und an das Sozialrecht angeglichen. S. die Ausführungen zum vorhergehenden Gliederungspunkt.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 860 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 40 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 30 beträgt der Pauschbetrag 620 € (s.o.).
S. Ausführungen zu dem vorhergehenden Gliederungspunkt.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 570 € bei einem Grad der Behinderung von 45 und 50.
Bei einem Grad der Behinderung von 50 handelt es sich um Schwerbehinderte, die allein wegen des Grads der Behinderung berücksichtigt werden (§ 33b Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die Voraussetzungen des § 33b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a oder b EStG müssen demnach nicht vorliegen.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 1 140 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 50 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 40 beträgt der Pauschbetrag 860 € (s.o.).
S. die Ausführungen zum Grad der Behinderung von 25 bzw. 30.
Behinderte, deren Grad der Behinderung weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (Merkzeichen »G«), können für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG). Ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Aufwendungen können die Fahrtkosten aus Vereinfachungsgründen auch mit den pauschalen Kilometersätzen gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG angesetzt werden. Bei Benutzung eines eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftwagens kann danach ohne Einzelnachweis der Kilometersatz von 0,30 € je gefahrenen Kilometer angesetzt werden). Unfallkosten, die auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entstanden sind, können neben dem pauschalen Kilometersatz berücksichtigt werden (H 9.10 [Unfallschäden] LStH; s.a. die Erläuterungen dazu unter → Unfallkosten zu dem Gliederungspunkt »Unfall des Arbeitnehmers mit eigenem Pkw«). Werden die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurückgelegt, kann das Wahlrecht – Entfernungspauschale oder tatsächliche Kosten – für beide zurückgelegten Teilstrecken – nur einheitlich ausgeübt werden (BFH vom 5.5.2009, VI R 77/06, BStBl II 2009, 729; → Entfernungspauschale).
Wird bei einem schwerbehinderten Menschen der Grad der Behinderung von 80 oder mehr auf weniger als 50 herabgesetzt, ist dies einkommensteuerrechtlich ab dem im Bescheid genannten Zeitpunkt zu berücksichtigen. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung können daher nicht mehr nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG bemessen werden.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen des BMF-Schreibens zur Entfernungspauschale (BMF vom 18.11.2021, BStBl I 2021, 2315 Tz. 3 sowie BMF-Schreiben zur steuerlichen Behandlung der Reisekosten (BMF vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228).
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 720 € bei einem Grad der Behinderung von 55 und 60.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 1 440 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 60 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 50 beträgt der Pauschbetrag 1 140 € (s.o.).
S. die Ausführungen zu dem vorgehenden Gliederungspunkt.
S. oben.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 890 € bei einem Grad der Behinderung von 65 und 70.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 1 440 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 60 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 70 beträgt der Pauschbetrag 1 780 € (s.o.).
S. Ausführungen zum Grad der Behinderung von 45 bzw. 50.
S. oben.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 890 € bei einem Grad der Behinderung von 65 und 70.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 1 780 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 70 (s.o.).
Behinderte, deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt, können für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und für Familienheimfahrten die tatsächlichen Aufwendungen ansetzen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG; s.o. Grad der Behinderung von 45 bzw. 50).
S. oben.
Bei einem Grad der Behinderung von mindestens 70, aber weniger als 80 und erheblicher Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen »G«) können entweder die mit der Behinderung zusammenhängenden nachgewiesenen tatsächlichen Kosten oder pauschal ohne Einzelnachweis 3 000 km pro Jahr zu einem km-Satz von 0,30 € als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (H 33.1–33.4 [Fahrtkosten behinderter Menschen] EStH). Ein höherer Aufwand als 0,30 €/km gilt als unangemessen und darf deshalb im Rahmen des § 33 EStG nicht berücksichtigt werden.
Macht ein gehbehinderter Stpfl. neben den Aufwendungen für Privatfahrten mit dem eigenen Pkw auch solche für andere Verkehrsmittel (z.B. für Taxis) geltend, ist die als noch angemessen anzusehende jährliche Fahrleistung von 3 000 km bzw. von 15 000 km (bei Merkzeichen »aG«, »Bl« oder »H«) entsprechend zu kürzen (R 33.4 Abs. 4 EStR).
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die Verwaltungsregelungen zu den Fahrtkosten behinderter Menschen in H 33.1–33.4 EStH durch eine Pauschalierungsregelung in § 33 Abs. 2a EStG n.F. ersetzt.
Anstelle des bisherigen individuellen und aufwändigen Einzelnachweises der behinderungsbedingt entstandenen Fahrtkosten wird in § 33 Abs. 2a EStG n.F. eine Pauschbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Damit werden die durch die Behinderung veranlassten Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten, bei denen es sich im Grundsatz um außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG handelt, abgegolten.
Der Pauschbetrag beträgt 900 € bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen »G« (§ 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 EStG n.F.).
Behinderungsbedingte Fahrtkosten werden nur noch im Rahmen des Fahrtkosten-Pauschbetrags nach § 33 Abs. 2a EStG berücksichtigt. Eine darüberhinausgehende Berücksichtigung von individuellen, behinderungsbedingt entstandenen Fahrt- bzw. Kraftfahrzeugkosten würde der mit der Regelung angestrebten Steuervereinfachung zuwiderlaufen, weshalb der behinderungsbedingte Fahrtkosten-Pauschbetrag abgeltende Wirkung hat (§ 33 Abs. 2a Satz 6 EStG n.F.). Der Fahrtkosten-Pauschbetrag ist anstelle der bisher individuell ermittelten Aufwendungen für Fahrtkosten von Menschen mit Behinderung unter Abzug der zumutbaren Belastung zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 2a Satz 7 EStG n.F.; s.o. den Gliederungspunkt »Fahrtkosten-Pauschbeträge ab 1.1.2021«).
Hinweis:
Da die Fahrtkostenpauschale »abweichend von Abs. 1…« gewährt wird, können ab dem VZ 2021 auch nachgewiesene oder glaubhaft gemachte höhere Fahrtkosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG in unbegrenzter Höhe geltend gemacht werden. Anders als beim Behinderten-Pauschbetrag steht dem Stpfl. kein Wahlrecht zwischen dem Abzug der Pauschale und den nachgewiesenen höheren Aufwendungen zu.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 1 060 € bei einem Grad der Behinderung von 75 und 80.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 1 780 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 70 (s.o.).
S. oben.
S. oben.
S. oben.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 1 060 € bei einem Grad der Behinderung von 75 und 80.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 2 120 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 80 (s.o.).
S. oben.
S. Ausführungen zu Grad der Behinderung von 25 bzw. 30.
S. Ausführungen zu Grad der Behinderung von 70.
Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 80 ist das Merkzeichen »G« nicht mehr Voraussetzung für den pauschalen Ansatz der 3 000 km.
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die Verwaltungsregelungen zu den Fahrtkosten behinderter Menschen in H 33.1–33.4 EStH durch eine Pauschalierungsregelung in § 33 Abs. 2a EStG n.F. ersetzt.
Anstelle des bisherigen individuellen und aufwändigen Einzelnachweises der behinderungs-bedingt entstandenen Fahrtkosten wird in § 33 Abs. 2a EStG n.F. eine Pauschbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Damit werden die durch die Behinderung veranlassten Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten, bei denen es sich im Grundsatz um außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG handelt, abgegolten.
Der Pauschbetrag beträgt 900 € bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 (§ 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 EStG n.F.; s.o. den Gliederungspunkt »Fahrtkosten-Pauschbeträge ab 1.1.2021«).
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 1 230 € bei einem Grad der Behinderung von 85 und 90.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 2 460 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 90 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 80 beträgt der Pauschbetrag 2 120 € (s.o.).
S. oben.
S. oben.
S. oben.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG beträgt der Pauschbetrag 1 420 € bei einem Grad der Behinderung von 95 und 100.
Nach § 33b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 2 840 € bei einem Grad der Behinderung von mindestens 100 und bei einem Grad der Behinderung von mindestens 90 beträgt der Pauschbetrag 2 460 € (s.o.).
S. oben.
S. oben.
S. oben.
Der Ausweis i.S.d. § 152 Abs. 5 SGB IX über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach dem SGB IX oder nach anderen Vorschriften sind, wird nach dem in der Anlage zu der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) i.d.F. vom 25.7.1991 (BGBl I 1991, 1739) abgedruckten Muster 1 ausgestellt. Die SchwbAwV enthält in § 3 die im Ausweis einzutragenden Merkzeichen mit den jeweiligen Definitionen.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 SchwbAwV ist das Merkzeichen »G« einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt i.S.d. § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB IX oder entsprechender Vorschriften ist.
Voraussetzung für den erhöhten Werbungskostenabzug mit 0,30 €/km für die Hin- und Rückfahrt ist neben dem Merkzeichen »G« ein Grad der Behinderung von weniger als 70, aber mindestens 50.
Voraussetzung für den pauschalen Abzug von 3 000 km im Kj. ist neben dem Merkzeichen »G« ein Grad der Behinderung von weniger als 80, aber mindestens 70.
Ab 1.1.2021 beträgt der Fahrtkosten-Pauschbetrag nach § 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 und Satz 2 EStG 900 € bei Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen »G« (§ 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 EStG n.F.; s.o. den Gliederungspunkt »Fahrtkosten-Pauschbeträge ab 1.1.2021«).
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAwV ist das Merkzeichen »G« einzutragen, wenn der schwer-behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert i.S.d. § 229 Abs. 3 SGB IX ist.
Schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem Grad der Behinderung von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen insbes. schwerbehinderte Menschen, die aufgrund der Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und Fortbewegung – dauerhaft auch für sehr kurze Entfernungen – aus medizinischer Notwendigkeit auf die Verwendung eines Rollstuhls angewiesen sind. Verschiedenste Gesundheitsstörungen (insbes. Störungen bewegungsbezogener, neuromuskulärer oder mentaler Funktionen, Störungen des kardiovaskulären oder Atmungssystems) können die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Diese sind als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen, wenn nach versorgungsärztlicher Feststellung die Auswirkung der Gesundheitsstörungen sowie deren Kombination auf die Gehfähigkeit dauerhaft so schwer ist, dass sie der unter Satz 1 genannten Beeinträchtigung gleichkommt.
Dazu gehören zum Beispiel Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte oder Personen, die diesem Personenkreis gleichgestellt sind und ebenfalls ständig auf einen Rollstuhl innerhalb des Hauses und außerhalb des Fahrzeugs angewiesen sind.
S. die Ausführungen zu dem vorgehenden Gliederungspunkt.
Zusätzlich zu den pauschal ohne Einzelnachweis anzusetzenden 3 000 km im Kj. (s.o.) dürfen nicht nur die Aufwendungen für durch die Behinderung veranlassten unvermeidbaren Fahrten, sondern auch Fahrten für Freizeit-, Erholungs- und Besuchsfahrten abgezogen werden. Die tatsächliche Fahrleistung ist nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Eine Fahrleistung von mehr als 15 000 km im Kj. liegt in aller Regel nicht mehr im Rahmen des Angemessenen. Ohne besonderen Nachweis können aber auch hier lediglich 3 000 km pauschal im Kj. angesetzt werden. Als Kosten/km sind höchstens 0,30 €/km zu berücksichtigen.
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die Verwaltungsregelungen zu den Fahrtkosten behinderter Menschen in H 33.1–33.4 EStH durch eine Pauschalierungsregelung in § 33 Abs. 2a EStG n.F. ersetzt.
Anstelle des bisherigen individuellen und aufwändigen Einzelnachweises der behinderungs-bedingt entstandenen Fahrtkosten wird in § 33 Abs. 2a EStG n.F. eine Pauschbetragsregelung in Höhe der bisher geltenden Maximalbeträge eingeführt. Damit werden die durch die Behinderung veranlassten Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten, bei denen es sich im Grundsatz um außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG handelt, abgegolten.
Der Pauschbetrag beträgt 4 500 € bei Menschen mit dem Merkzeichen »aG«, mit dem Merkzeichen »Bl«, mit dem Merkzeichen »TBl« oder dem Merkzeichen »H« (§ 33 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 und Satz 4 EStG n.F.; s.o. den Gliederungspunkt »Fahrtkosten-Pauschbeträge ab 1.1.2021«).).
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SchwbAwV ist das Merkzeichen »Bl« einzutragen, wenn der schwer-behinderte Mensch blind i.S.d. § 72 Abs. 5 SGB XII oder entsprechender Vorschriften ist. Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleich zu achtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.
Fährt z.B. eine Mutter ihren blinden Sohn mit dessen Pkw arbeitstäglich zu seiner ersten Tätigkeitsstätte und holt ihn wieder ab, so können auch die Kfz-Kosten, die durch die Ab- und Anfahrten des Fahrers – die so genannten Leerfahrten – entstehen, in tatsächlicher Höhe oder mit 0,30 €/km als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der ArbN keine gültige Fahrerlaubnis besitzt oder von einer Fahrerlaubnis aus Gründen, die mit seiner Behinderung im Zusammenhang stehen, keinen Gebrauch macht (R 9.10 Abs. 3 LStR).
S. oben.
Der Behinderten-Pauschbetrag gem. § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG beträgt 3 700 €. Die Inanspruchnahme des Pauschbetrages von 3 700 € schließt die Berücksichtigung pflegebedürftiger Aufwendungen im Rahmen des § 33 EStG aus. Dies gilt auch dann, wenn es sich um das pflegebedürftige Kind eines Stpfl. handelt und der Stpfl. den Pauschbetrag auf sich hat übertragen lassen (R 33.3 Abs. 4 EStR; → Heimunterbringung).
Nach § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 7 400 €.
Gem. § 24b Abs. 3 Satz 1 EStG sind Stpfl. nur dann »allein stehend«, wenn sie keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden. Nur allein stehende Stpfl. können nach § 24b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen einen Entlastungsbetrag i.H.v. 4 008 € im Kj. von der Summe der Einkünfte abziehen (→ Entlastungsbetrag für Alleinerziehende). Für jedes weitere Kind i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG erhöht sich der Betrag von 4 008 € ab dem VZ 2015 um 240 € je weiterem Kind. Nach den Ausführungen unter Rz. 13 des BMF-Schreibens vom 23.10.2017 (BStBl I 2017, 1432) besteht mit volljährigen Personen keine Haushaltsgemeinschaft, wenn diese sich tatsächlich und finanziell nicht an der Haushaltsführung beteiligen. Die Fähigkeit, sich tatsächlich an der Haushaltsführung zu beteiligen, fehlt u.a. bei Personen, die blind sind.
Beachte:
Der durch Art. 1 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512) befristet für die VZ 2020 und 2021 auf 4 008 € angehobene Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) durch die Änderung des § 24b Abs. 2 Satz 1 EStG ab dem VZ 2022 unbefristet beibehalten.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAwV ist das Merkzeichen »H« einzutragen, wenn der schwer-behinderte Mensch hilflos i.S.d. § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist.
Hilflos ist eine Person, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 33b Abs. 3 Satz 4 EStG; → Behindertenpauschbetrag).
S. oben.
S. oben.
Der Behinderten-Pauschbetrag gem. § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG beträgt 3 700 € (→ Heimunterbringung).
Nach § 33b Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.F. ab 2021 beträgt der Pauschbetrag 7 400 €.
Wegen der Pflege einer hilflosen Person wird ein Pflegepauschbetrag von 924 € im Kj. gewährt. Voraussetzung ist, dass die pflegebedürftige Person nicht nur vorübergehend hilflos ist. Zur Definition der Hilflosigkeit s. § 33b Abs. 6 Satz 3 EStG.
Ab 1.1.2021 erfolgt die Definition der Hilflosigkeit in § 33b Abs. 3 Satz 4 EStG.
Der Nachweis der Hilflosigkeit ist durch einen Ausweis nach dem SchwbG mit dem Merkzeichen »H« oder durch einen Bescheid der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörde (Versorgungsamt) mit den entsprechenden Feststellungen zu führen. Ein Bescheid über die Einstufung als Schwerstpflegebedürftiger – Pflegestufe III – wird ebenfalls anerkannt (§ 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV).
Nach § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV i.d.F. 2021 steht dem Merkzeichen »H« die Einstufung als pflegebedürftige Person mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in die Pflegegrade 4 oder 5 nach SGB XI und SGB XII oder diesen entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gleich.
Der Stpfl. darf für die Pflege keine Einnahmen erhalten.
Ab 1.1.2017 erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad 1 bis 5). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt (§ 15 Abs. 1 SGB XI). Ab dem VZ 2017 steht die Einstufung in die Pflegegrade 4 und 5 dem Merkzeichen »H« gleich (BMF vom 19.8.2016, BStBl I 2016, 804). S. dazu die Erläuterungen unter → Pflegekosten.
Mit dem Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen vom 9.12.2020 (BGBl I 2020, 2770, LEXinform 0456911) wird ab 1.1.2021 u.a. die Berücksichtigung des Pflegepauschbetrags i.S.d. § 33b Abs. 6 EStG neu geregelt.
Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 wird im Unterschied zur bisherigen Systematik ein Pflege-Pauschbetrag ab dem Pflegegrad 2 – auch unabhängig von dem Kriterium »hilflos« – gewährt. Der Pflege-Pauschbetrag leistet insoweit einen Beitrag zur Stärkung der häuslichen Pflege. An dem bislang geltenden Rechtsstand bei der Gewährung des Pflege-Pauschbetrags ergeben sich dadurch insoweit jedoch keine Änderungen.
Nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG n.F. wird als Pflege-Pauschbetrag gewährt:
1. |
bei Pflegegrad 2 |
600 € |
2. |
bei Pflegegrad 3 |
1 100 € |
3. |
bei Pflegegrad 4 oder 5 |
1 800 € |
Damit ist die bisherige und einzige Voraussetzung der Hilfslosigkeit entfallen. Um jedoch in jedem Fall Benachteiligungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand zu vermeiden, wird der höchste Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 EStG gem. § 33b Abs. 6 Satz 4 EStG künftig auch pflegebedürftigen Personen eingeräumt, die hilflos i.S.d. § 33b Abs. 3 Satz 4 EStG sind.
Die Mehraufwendungen für eine Begleitperson, die einer hilflosen Person entstehen, können in angemessener Höhe neben dem → Behindertenpauschbetrag berücksichtigt werden.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 SchwbAwV ist das Merkzeichen »TBl« einzutragen, wenn der schwer-behinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat.
Hinweis:
Der Kreis der Anspruchsberechtigten i.S.d. § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG wird um das ab 2017 neu eingeführte Merkzeichen »TBl« erweitert, um eine Gleichstellung mit dem Merkzeichen »Bl« zu verdeutlichen. Die Erweiterung ist deklaratorisch, weil Menschen mit dem Merkzeichen »Bl« und/oder dem Merkzeichen »TBl« immer auch das Merkzeichen »H« erhalten.
Mit Art. 18 Abs. 3 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl I 2016, 3234) wurde das Merkzeichen »TBl« für »taubblind« in der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) eingeführt (s. → Behindertenpauschbetrag).
Zu den steuerlichen Erleichterungen s.o. die Erläuterungen zum Merkzeichen »H«.
Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 14 Abs. 1 SGB XI).
Für die Gewährung von Leistungen sind pflegebedürftige Personen nach § 15 SGB XI einer der folgenden drei Pflegestufen zuzuordnen:
Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
Durch das Zweite Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) vom 21.12.2015 (BGBl I 2015, 2424) wurden u.a. die §§ 14 und 15 SGB XI mit Wirkung ab 1.1.2017 geändert (s.a. Marburger, NWB 3/2016, 188; Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 13.11.2015, LEXinform 0443796 sowie Mitteilung des Bundesrats vom 18.12.2015, LEXinform 0443933).
Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen (§ 14 Abs. 1 SGB XI 2017).
Ab 1.1.2017 erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt (§ 15 Abs. 1 SGB XI).
Nach den in § 15 Abs. 2 bis 3 SGB XI beschrieben Punktsystemen und den danach erreichten Gesamtpunkten sind pflegebedürftige Personen in folgende Pflegegrade einzuordnen (s.a. → Pflegekosten unter dem Gliederungspunkt »Pflegegrade ab 1.1.2017«):
Pflegegrad 1: |
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
Pflegegrad 2: |
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
Pflegegrad 3: |
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
Pflegegrad 4: |
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten |
Pflegegrad 5: |
ab 90 bis 100 Gesamtpunkte: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
S. oben.
Die Fähigkeit, sich tatsächlich an der Haushaltsführung zu beteiligen, fehlt bei Personen, bei denen mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI besteht oder die blind sind.
Mit einer sonstigen volljährigen Person besteht keine Haushaltsgemeinschaft, wenn sie sich tatsächlich und finanziell nicht an der Haushaltsführung beteiligt. Das ist in der Regel nur dann der Fall, wenn diese einen vollständig getrennten Haushalt führt oder wenn – z. B. beim Zusammenleben mit einkommenslosen pflegebedürftigen Angehörigen – jedwede Unterstützungsleistung durch die andere Person ausgeschlossen erscheint. So fehlt die Fähigkeit, sich tatsächlich an der Haushaltsführung zu beteiligen, bei Personen, bei denen mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S.d. §§ 14, 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Pflegegrade 1 bis 5) besteht, die blind oder hilflos i.S.d. § 33b Abs. 3 Satz 4 EStG sind; vgl. BMF vom 23.11.2022, BStBl I 2022, 1634, Rz. 13.
Eine krankheits- oder behinderungsbedingte → Heimunterbringung setzt nicht unbedingt die Feststellung einer Pflegestufe – bzw. ab 1.1.2017 ein Pflegegrad – nach dem SGB XI voraus (R 33.3 Abs. 1 EStR). Auch bei Personen, bei denen eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz nach § 45a SGB XI festgestellt wurde (bisher Pflegestufe 0; ab 1.1.2017: Pflegegrad 2), sind die Aufwendungen für die Heimunterbringung abziehbar; ohne Bedeutung ist dabei, ob der Stpfl. bereits vorher in einem Heim lebte.
Durch das FamLeistG vom 22.12.2008 (BGBl I 2008, 2955) wird § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ab 2009 neu gefasst. Durch die Einbeziehung des bisherigen § 33a Abs. 3 EStG erfolgt eine zusätzliche Förderung der Pflege- und Betreuungsleistungen. Der Stpfl. muss in Zukunft den Schweregrad der Pflegebedürftigkeit – ab 1.1.2017 den Pflegegrad – nicht mehr nachweisen. Der Förderhöchstbetrag beträgt nach § 35a Abs. 2 EStG insgesamt 20 % der Aufwendungen, maximal 4 000 €. S.a. → Behindertenpauschbetrag.
Nach dem BFH-Urteil vom 20.2.2003 (III R 9/02, BStBl II 2003, 476) steht die Pflegestufe III dem Merkzeichen »H« gleich (§ 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV). Zu den Vergünstigungen s.o. unter Merkzeichen »H«. Ab dem VZ 2017 steht die Einstufung in die Pflegegrade 4 und 5 dem Merkzeichen »H« gleich (BMF vom 19.8.2016, BStBl I 2016, 804; § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV).
Die gesundheitlichen Merkmale »blind« und »hilflos« sind wie bisher nach § 65 Abs. 2 EStDV nachzuweisen. Die Voraussetzungen des Merkzeichens »H« werden nach § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV n.F. an die seit 2017 neue Einteilung der Pflegegrade (statt Pflegestufen) angepasst. Nach dem neuen § 65 Abs. 2 Satz 2 EStDV steht dem Merkzeichen »H« die Einstufung als pflegebedürftige Person mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten in die Pflegegrade 4 oder 5 nach dem SGB XI und XII oder diesen entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen gleich. Die bisherige Verwaltungspraxis gem. BMF vom 19.8.2016 (BStBl I 2016, 804) wird gesetzlich verankert.
In § 65 Abs. 3a Satz 4 Nr. 5 EStDV wird die seit 2017 veraltete Pflegestufe III durch die Pflegegrade 4 oder 5 ersetzt. Dies schließt aus fachlicher Sicht jedoch nicht aus, dass auch unterhalb der Pflegegrade 4 und 5 die gesetzlichen Voraussetzungen der »Hilflosigkeit« grundsätzlich vorliegen können (BR-Drs. 432/20, 14).
Geserich, Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen, NWB 2011, 1526; Bruschke, Umbau der eigenen Wohnung als außergewöhnliche Belastung schwerbehinderter Personen, DStZ 2011, 724; Ritzrow, Aufwendungen für behinderungs- bzw. krankheitsbedingte Baumaßnahmen an Gebäuden, Steuer & Studium 2012, 209; Steinheimer, Krankheit als Behinderung, NWB 2013, 1757; Geserich, Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen, NWB 2014, 2004; Lemke, Mietvertrag für behindertengerechten Wohnraum, NWB 34/2015, 2525; Kanzler, Krankheits- und pflegebedingte Ausgaben und Einnahmen (Teil 1) – Berücksichtigung von eigenen Betreuungs- und Pflegeaufwendungen, NWB 26/2020, 1921; Kanzler, Krankheits- und pflegebedingte Ausgaben und Einnahmen (Teil 2) – Übernahme der Aufwendungen für Angehörige und Dritte, NWB 27/2020, 2000; Kanzler, Krankheits- und pflegebedingte Ausgaben und Einnahmen (Teil 3) – Steuerbefreiung von Einkünften aus Pflegeleistungen, NWB 28/2020, 2087; Kanzler, Das Behinderten-Pauschbetragsgesetz (Teil 1 und 2), NWB 12/2021, 840 und 13/2021, 898; Schmitt, Kindergeld und Kinderfreibeträge, Wichtige Gesetzesänderungen und ausgewählte Entscheidungen des BFH sowie der Finanzgerichte, NWB 39/2022, 23.
→ Außergewöhnliche Belastungen
→ Beseitigung von Umweltbelastungen
→ Haushaltsnahe Dienstleistungen
→ Kinder
→ Vermögenswirksame Leistungen
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