1 Allgemeines
2 Der einkommensteuerrechtliche Zinsbegriff
3 Zinsen zum Erwerb einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG
4 Schuldzinsenabzug bei Wertpapieren
4.1 Keine Aufteilung der Schuldzinsen
4.2 Kein Werbungskostenabzug bei Anwendung der Abgeltungsteuer
5 Betrieblicher Schuldzinsenabzug
5.1 Darlehensverbindlichkeit als Betriebsvermögen
5.2 Nichtabzugsfähige Schuldzinsen
5.2.1 Verwaltungsanweisung im BMF-Schreiben vom 2.11.2018
5.2.2 Einteilung der Schuldzinsen
5.2.2.1 Allgemeines
5.2.2.2 Zeitlicher Anwendungsbereich
5.2.2.3 Ermittlung der betrieblichen Schuldzinsen
5.2.2.4 Eingeschränkter Schuldzinsenabzug nur bei Überentnahmen
5.2.2.5 Überentnahme in einem Verlustjahr
5.2.2.6 Überentnahmen nur in den Vorjahren
5.2.2.7 Überentnahmen bei Einnahmeüberschussrechnern
5.2.3 Maßgeblicher Gewinn für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG
5.2.4 Ausnahme vom eingeschränkten Schuldzinsenabzug
5.2.5 Schuldzinsen zur Finanzierung von Umlaufvermögen
5.2.6 Schuldzinsenabzug bei Mitunternehmerschaften
5.2.7 Schuldzinsenabzug bei Umwandlungsvorgängen
5.3 Schuldzinsenabzug nach Betriebsaufgabe/-veräußerung
5.3.1 Wirtschaftlicher Zusammenhang mit Gewinneinkunftsarten
5.3.2 Schuldzinsen als nachträgliche Betriebsausgaben
5.4 Einbringung privater Verbindlichkeit in vermögensverwaltende Personengesellschaft
6 Schuldzinsenabzug bei Vermietung und Verpachtung
6.1 Wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung
6.2 Vorab entstandene Werbungskosten
6.3 Bauzeitzinsen
6.4 Zinszahlungen ehemaliger Gesellschafter
6.4.1 Beteiligungskündigung
6.4.2 Nachhaftung für Darlehensverbindlichkeiten
6.5 Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten
6.5.1 Allgemeine Grundsätze
6.5.2 Schuldzinsen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten
6.5.3 Schuldzinsen zur Finanzierung von Erhaltungsaufwendungen
6.6 Umwidmung von Darlehen
6.6.1 Allgemeines
6.6.2 Umwidmung privater Schuldzinsen in Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung
6.6.3 Umwidmung betrieblicher Schuldzinsen in Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung
6.7 Schuldzinsen als Anschaffungskosten
6.8 Schuldzinsenabzug für Baudarlehen
6.8.1 BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsregelung
6.8.2 Wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung
6.8.3 Fremdfinanzierungskosten bei gemischt genutzten Gebäuden
6.8.3.1 Zuordnung der Herstellungskosten auf die Gebäudeteile
6.8.3.2 Zuordnung der Darlehenszinsen
6.8.3.3 Gleichbehandlung von Herstellungs- und Anschaffungsfällen
6.8.3.4 Herstellung Gebäude teilweise zur Vermietung und teilweise zur Veräußerung
6.8.3.5 Aufteilung des Kaufpreises bei gemischter Schenkung
6.8.4 Darlehensaufnahme bei Eheleuten
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
Schuldzinsen gehören wie auch sonstige Finanzierungskosten zu den steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen, wenn das zugrundeliegende Darlehen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften steht. Besteht ein Zusammenhang mit Gewinneinkünften, so sind die Schuldzinsen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG zu qualifizieren, im Falle des Zusammenhangs mit Überschusseinkünften handelt es sich um Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Schuldzinsen für Kredite, die zur Finanzierung der Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern aufgenommen werden, gehören nicht zu deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten und teilen insoweit auch nicht deren Schicksal. Das bedeutet, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen unabhängig davon zu beurteilen ist, ob die Anschaffungs- oder Herstellungskosten selbst sofort abzugsfähige Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen (z.B. bei der Finanzierung von GWG oder Erhaltungsaufwendungen), ob sie nur im Rahmen der AfA berücksichtigt werden können (z.B. bei der Finanzierung eines vermieteten Gebäudes), oder ob das finanzierte WG nicht der Absetzung unterliegt und die Anschaffungskosten damit in der Regel überhaupt nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen werden können (z.B. bei der Finanzierung von Grund und Boden).
Der Grundsatz, dass Finanzierungs- und Geldbeschaffungskosten sofort abziehbare Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten und keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind, gilt aber nur dann, wenn Schuldner dieser Kosten und Erwerber des WG identisch sind. Erstattet der Käufer eines kreditfinanzierten WG dem Veräußerer Zinsen oder sonstige Finanzierungskosten, die dem Veräußerer seinerseits im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits zur Finanzierung des Erwerbs oder der Herstellung entstanden sind, liegen daher beim Käufer keine sofort abzugsfähigen Werbungskosten, sondern zusätzliche Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für das WG vor. Entscheidend für die Abzugsmöglichkeit der Schuldzinsen ist allein, ob der Stpfl. das WG, für das er den Kredit verwendet, zur Erzielung von Einkünften nutzt bzw. nutzen möchte. Fällt der wirtschaftliche Zusammenhang des Kredits mit der Einkunftserzielung weg, ist ein weiterer Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug der Schuldzinsen in der Regel ausgeschlossen. Nicht unter den Begriff der Schuldzinsen fallen Tilgungsleistungen zur Rückzahlung des Darlehens.
Zu dem Schuldzinsenabzug als Betriebsausgaben s.a. → Agenturgeschäfte, → Darlehen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als → Werbungskosten zu berücksichtigen, soweit sie mit einer Überschusseinkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Für die zeitliche Zuordnung der abzugsfähigen Schuldzinsen gilt das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG. Von einem Finanzierungszusammenhang zwischen Darlehen und Einkünften ist nach der Rspr. des BFH zum Abzug von Schuldzinsen beim Erwerb von Immobilien auszugehen, wenn der Kaufpreis tatsächlich mit der Darlehensvaluta gezahlt worden ist (z.B. BFH Urteil vom 1.4.2009, IX R 35/08, BStBl II 2009, 663). Dies ist insbes. der Fall, wenn die Zahlung zu Lasten eines Kontos bestritten wird, dessen Guthaben aus Darlehensmitteln stammt.
Der für den Abzug von Schuldzinsen als Werbungskosten erforderliche Finanzierungszusammenhang zwischen Darlehen und Einkünften fehlt, wenn der Stpfl. die durch den Erwerb der Einkunftsquelle bedingte Überziehung des Girokontos zunächst durch Eigenmittel zurückführt und einen erst danach entstehenden erneuten Sollsaldo durch die Aufnahme eines Darlehens ausgleicht. Dass der Stpfl. von Anfang an die Darlehensmittel dem Erwerb der Einkunftsquelle widmen wollte, ist als bloßer Willensakt unbeachtlich. Dies hat der BFH mit seinem Urteil vom 25.5.2011 (BFH IX R 22/10, LEXinform 0927939) entschieden und damit die Rechtsauffassung des FG Düsseldorf bestätigt (vgl. Urteil vom 13.4.2010, 13 K 2442/07-F, LEXinform 5010715).
Der endgültige Ausfall einer privaten Darlehensforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG infolge einer Insolvenz des Darlehensnehmers führt nach Einführung der Abgeltungsteuer, also mit Wirkung ab dem 1.1.2009, zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 und Abs. 4 EStG. Von einem Forderungsausfall ist allerdings erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen aus dem Darlehen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus. Dies hat der BFH in seinem Urteil vom 24.10.2017 (VIII R 13/15, LEXinform 0950234) entschieden und zugleich das gegenteilige Urteil des FG Düsseldorf vom 11.3.2015 (7 K 3661/14 E, DStZ 2015, 697, LEXinform 5017858) aufgehoben.
Das EStG definiert nicht, was unter dem Begriff »Schuldzinsen« zu verstehen ist. Nach der Rspr. des BFH (Urteil vom 29.10.1985, IX R 56/82, BStBl II 1986, 143) sind Schuldzinsen alle Aufwendungen zur Erlangung und Sicherung eines Kredits. Dazu gehören auch die Nebenkosten der Darlehensaufnahme und die sonstigen Kreditkosten (Stark/Zimmer in Littmann EStG § 9 Rn. 391 ff., insbesondere ABC der Schuldzinsen in Rn. 530; H 21.2 [Finanzierungskosten – 7. Spiegelstrich –] EStH).
Der BFH hat mit rechtskräftigem Urteil vom 31.8.2022, X R 15/21 (LEXinform 0953824) klargestellt, dass unter Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG alle Leistungen fallen, die ein Schuldner für die Überlassung bzw. Nutzung von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat. Der Schuldzinsenbegriff sei großzügig auszulegen und umfasse alle Aufwendungen zur Erlangung und Sicherung eines Kredits, die wirtschaftlich betrachtet als Vergütung für die Kapitalüberlassung angesehen werden können. Dazu gehören nach Auffassung des BFH auch Provisionen und Gebühren für ein Aval, allerdings unter der Voraussetzung, dass durch die Bürgschaft die Rückzahlung des überlassenen Fremdkapitals gesichert wird. Darüber hinaus definiert das Gericht den Aalkreditvertrag nicht als Darlehen, sondern als einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB, der darin besteht, dass das Kreditinstitut mit seinem Namen und seinem Kredit für die Verbindlichkeiten des Kunden einzustehen bereit ist und eine Haftungszusage erteilt.
Zur weiteren einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Schuldzinsen s. die verwandten Lexikonartikel.
Zinsen, die ein Stpfl. zum Erwerb einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i.S.v. § 17 EStG (GmbH, AG) aufwendet, gehören nach dem BFH-Urteil vom 21.1.2004 (VIII R 2/02, BStBl II 2004, 551) zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das gilt unabhängig davon, ob die Zinsaufwendungen durch entsprechende Einnahmen aus Gewinnausschüttungen gedeckt sind oder ob überhaupt entsprechende Einnahmen erzielt werden.
Die Schuldzinsen sind so lange als Werbungskosten abziehbar, bis die Beteiligung veräußert wird (→ Beteiligungsveräußerung) oder bis die Kapitalgesellschaft aufgelöst und endgültig abgewickelt ist. Entstehen die Schuldzinsen erst später, können sie nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden.
Mit Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 20/08, BStBl II 2010, 787) vollzieht der BFH eine Änderung seiner bisherigen Rspr. (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 63/10 vom 21.7.2010, LEXinform 045553). Danach sind Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, ab Veranlagungszeitraum 1999 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die für Betriebsausgaben geltende ständige BFH-Rechtsprechung, nach der Schuldzinsen auf Betriebsschulden auch nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs grundsätzlich als Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG abziehbar sind, müsse analog auch für den Bereich der Werbungskosten Anwendung finden. Dies gilt aber nur, soweit die Schuldzinsen nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten getilgt werden können (BFH Urteil vom 28.3.2007, X R 15/04, BStBl II 2007, 642).
Mit Urteil vom 29.10.2013 (VIII R 13/11, BStBl II 2014, 251) macht der BFH deutlich, dass Schuldzinsen für die Finanzierung nachträglicher Anschaffungskosten einer aufgegebenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG auch dann Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sind, wenn der Zeitpunkt der Aufgabe vor dem Veranlagungszeitraum 1999 lag.
Hinweis:
Mit Einführung der Abgeltungsteuer ab dem VZ 2009 ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG grundsätzlich ausgeschlossen. Stattdessen wird bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte der Sparer-Pauschbetrag von 801 € bzw. 1 602 € (ab VZ 2023 1 000 € bzw. 2 000 €) bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern von den Einnahmen abgezogen. Mit seinem Urteil vom 1.7.2014 (VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975) hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit des Werbungskostenausschlusses bestätigt, nach Auffassung des Gerichts können Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG, die auf Zeiträume nach der Veräußerung der Beteiligung entfallen, ab VZ 2009 auch nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 68/2014 vom 15.10.2014, LEXinform 0442431).
Der Gesetzgeber hat jedoch über die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, also für Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, eine Option zur Anwendung der tariflichen ESt nach § 32a EStG anstelle des gesonderten Steuersatzes nach § 32d Abs. 1 EStG eingeräumt. Voraussetzung hierzu ist, dass der Steuerpflichtige entweder
aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe von mind. 25 % oder
aufgrund seiner unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungshöhe von mind. 1 % in Kombination mit einer entsprechenden beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft
wesentlichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft ausüben kann. Ein einmal gestellter Antrag gilt gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG für den Veranlagungszeitraum der Antragstellung und die folgenden vier Veranlagungszeiträume als gestellt. Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG findet das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG in diesen Fällen keine Anwendung, sodass die tatsächlichen Werbungskosten in Abzug gebracht werden können.
Wurde die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, für die die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ausgeübt worden ist, aufgegeben, so gelten die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG letztmalig für den Veranlagungszeitraum der Aufgabe als erfüllt. Die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG dient insoweit lediglich der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen, ersetzt jedoch nicht das Vorliegen einer Beteiligung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG. Auch wenn die Beteiligung unter die Grenzen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG von 25 % bzw. 1 % sinkt, ist in der Folgezeit ein Werbungskostenabzug ausgeschlossen, selbst wenn die Frist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG noch nicht abgelaufen ist.
Der BFH betont in seinem Urteil vom 1.7.2014 (VIII R 53/12, BStBl II 2014, 975), dass der Gesetzgeber die Optionsmöglichkeit des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG an das Vorhandensein einer Beteiligung knüpft, sodass bei einer nicht mehr existenten Beteiligung und nachlaufenden Schuldzinsen keine Option zur Anwendung des progressiven Tarifs möglich ist, sondern die allgemeinen Regeln der Abgeltungsteuer unter Ausschluss des Abzugs tatsächlicher Werbungskosten gelten. Sofern eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG fünf Jahre nach Antragstellung nicht mehr vorhanden ist, kann demnach ein erneuter Antrag auf Option zur progressiven Besteuerung gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht mehr gestellt werden, sodass ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ausscheidet.
Beispiel 1:
A hielt als Alleingesellschafter 100 % der Anteile an der A-GmbH, der Erwerb der Beteiligung wurde fremdfinanziert. Im Rahmen der ESt-Erklärung 2020 übte A sein Optionsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für Gewinnausschüttungen aus der Beteiligung an der A-GmbH aus und beantragte den Abzug der angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Am 15.12.2021 veräußerte A die Beteiligung, wobei ein Schuldüberhang verblieb. Im Rahmen seiner ESt-Erklärung 2022 macht A nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
Lösung 1:
Da A die Beteiligung im Jahr 2021 veräußert hat und die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG im VZ 2022 somit zu keinem Zeitpunkt erfüllt waren, kommt ein Abzug der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im VZ 2022 nicht mehr in Betracht.
Die Option nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG kann somit letztmalig für den Veranlagungszeitraum Wirkung entfalten, in dem die Beteiligung dem Stpfl. noch als Einkunftsquelle zuzurechnen ist. Dies ist das Jahr der Veräußerung oder in Auflösungsfällen das Jahr, in dem der Veräußerungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG realisiert worden ist (BFH Urteil vom 19.4.2005, VIII R 45/04, BFH/NV 2005, 1545). Der Veräußerungsverlust nach § 17 EStG entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Beendigung der Liquidation; auf das Jahr der Auflösung der Kapitalgesellschaft (z.B. durch Liquidationsbeschluss oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens) kommt es regelmäßig nicht an.
Ist z.B. mit Einnahmen nicht mehr zu rechnen und steht die Höhe der Anschaffungskosten fest, kann der Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung auch bereits vor diesem Zeitpunkt liegen (z.B. wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde).
Steht erst in einem späteren Jahr fest, dass mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist, besteht die Beteiligung noch bis zu diesem (späteren) Zeitpunkt fort (z.B. wenn die Höhe der Anschaffungskosten noch ungewiss ist, weil ein Rechtsstreit bzgl. abgegebener Bürgschaftsversprechen zwischen der Bank und dem Gesellschafter noch andauert).
Die Verlustberücksichtigung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem der Verlust hinreichend konkretisiert ist, d.h. mit wesentlichen Veränderungen nicht mehr zu rechnen ist (OFD Münster vom 18.1.2013, Kurzinfo ESt 7/2012).
Zu der Frage, ob eine Option auch nach dem Veranlagungszeitraum der Verlustberücksichtigung i.S.d. § 17 EStG noch Wirkung entfaltet, hat der BFH mit Urteil vom 21.10.2014 (VIII R 48/12, BStBl II 2015, 270) entschieden, dass eine Option zur Regelbesteuerung gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht eröffnet ist, wenn keine Kapitalerträge mehr aus der Beteiligung fließen und ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 2 und 4 EStG auf Antrag des Stpfl. nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister widerspricht nicht einer Beteiligung i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG.
Eine GmbH wird gem. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Die Auflösung hat indes nicht die Beendigung der Gesellschaft zur Folge. Diese tritt erst mit Löschung im Handelsregister nach Abschluss des Liquidationsverfahrens oder Insolvenzverfahrens ein. Bis zur Löschung besteht die aufgelöste GmbH fort, es wird lediglich der werbende Zweck der Gesellschaft durch den der Abwicklung überlagert. Die GmbH bleibt bis zur Beendigung als juristische Person und als Handelsgesellschaft erhalten. Als juristische Person nicht mehr existent ist eine GmbH erst nach ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister. Bis zur Löschung im Handelsregister ist folglich eine Beteiligung i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zu bejahen.
Der Zeitpunkt der Realisation eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 2 und 4 Satz 1 EStG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist ein Auflösungsverlust erst festzustellen, wenn der Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen kann und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen. Gerade im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation sind diese Voraussetzungen häufig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt. Nur wenn diese mangels Masse nicht stattfindet, ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Insolvenzeröffnung entstanden.
Von dem Grundsatz, dass bei Auflösung der Kapitalgesellschaft mit anschließender Liquidation für die Entstehung eines Auflösungsverlustes der Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation maßgeblich ist, weicht der BFH nur ab, wenn die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das ist z.B. der Fall bei Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkurs-/Insolvenzverfahrens mangels Masse, bei eindeutiger Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses oder wenn der Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensverteilung nach § 72 GmbHG nicht mehr rechnen konnte; davon ist auszugehen, wenn ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr deckt.
Im Streitfall hat das FA den Auflösungsverlust des Klägers gem. § 17 Abs. 2 und 4 EStG bereits im Veranlagungszeitraum 2007 (antragsgemäß) berücksichtigt und damit nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation abgestellt. Das allein reicht indes nicht aus, eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zu verneinen. Denn die Erwägungen, hinsichtlich der Erfassung des Auflösungsverlustes ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der Liquidation abzustellen, sondern auf den Moment, in dem die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, beruhen auf der besonderen Zwecksetzung des § 17 EStG. Nach dieser Zwecksetzung ist eine Kapitalgesellschaft – anders als nach dem Gesellschaftsrecht – bereits dann vermögenslos, wenn die Aktiva zwar für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, nicht aber auch für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreichen. Überlegungen zur zutreffenden zeitlichen Erfassung eines Auflösungsverlustes i.S.d. § 17 Abs. 2 und 4 EStG bieten aber keinen Anlass, auch für die Option gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG bereits vor Abschluss der Beendigung der Gesellschaft vom Wegfall der Kapitalbeteiligung auszugehen und die Möglichkeit der Option zu versagen.
Dafür spricht auch, dass § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG keinen Verweis auf § 17 Abs. 2 und 4 EStG enthält und die Erwägungen zum Zeitpunkt der Realisation eines Auflösungsverlustes zumindest auch von bilanzrechtlichen Überlegungen beeinflusst sind, welche im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG keine Bedeutung haben. Denn bei dieser Vorschrift geht es letztlich nur um die Frage, ob ein gem. § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnendes Wirtschaftsgut (hier: GmbH-Beteiligung) überhaupt noch vorhanden ist, während § 17 Abs. 2 und 4 EStG ein gänzlich anders gelagertes Problem behandelt, nämlich den Zeitpunkt der Realisation eines Auflösungsverlustes.
Gegen die Option zur Tarifbesteuerung nach § 32a EStG spricht jedoch, dass der Kläger in den Streitjahren keine Erträge mehr aus seiner Beteiligung erzielt hat, denn der Wortlaut der Vorschrift spricht von »Kapitalerträge(n) i.S.d. § 20 Abs. 1 Nummer 1 und 2 aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn (…)«. Es fehlt damit an den für die Anwendung der Vorschrift erforderlichen Kapitalerträgen.
Jedenfalls in Fällen wie dem hier vorliegenden, in dem die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass Kapitalerträge aus der Beteiligung weder jetzt noch künftig fließen und deshalb ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 EStG ausnahmsweise nicht erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation festgestellt wird, sondern bereits zu einem zeitlich davor liegenden Zeitpunkt, weil die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, sieht der BFH aber das für die Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG erforderliche Tatbestandsmerkmal der »Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nummer 1 und 2« nicht gegeben (s.a. Anmerkung vom 19.2.2015, LEXinform 0946614 sowie OFD Nordrhein-Westfalen vom 22.4.2015, Kurzinformation ESt Nr. 13/2015, DB 2015, 1014).
Dient ein Darlehen der Anschaffung eines WG, das teilweise zur Einkunftserzielung und teilweise nicht zu diesem Zweck genutzt wird (z.B. Gebäude zur Erzielung von Vermietungseinkünften und zur Selbstnutzung), so können die anfallenden Schuldzinsen nur anteilig abgezogen werden.
Eine Aufteilung der Schuldzinsen erfolgt im Gegensatz dazu nicht, wenn der Stpfl. ein WG zur Einkünfteerzielung nutzt und den Erwerb teilweise mit eigenem und teilweise mit fremdem Kapital finanziert.
Werden in einem einheitlichen Erwerbsvorgang festverzinsliche Bundesanleihen zu einem unter ihrem Nominalwert liegenden Kurswert teils mit Krediten, teils mit Eigenmitteln angeschafft, ist die Kapitalanlage nicht in einen eigen- und einen fremdfinanzierten Anteil aufzuteilen. Bei der Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) anzusetzen und nicht in einen auf die gesamten Zinseinnahmen und einen auf die steuerfreie Vermögensmehrung entfallenden Anteil aufzuteilen. Die Einkunftserzielung steht gegenüber der steuerfreien Vermögensmehrung im Vordergrund, wenn auf Dauer die gesamten Zinseinnahmen die gesamten Zinsaufwendungen übersteigen (BFH Urteil vom 8.7.2003, VIII R 43/01, BStBl II 2003, 937).
Zu den Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei kreditfinanziertem Aktienkauf hat das FG Baden-Württemberg mit rkr. Urteil vom 28.7.2010 (4 K 289/06, LEXinform 5011035) entschieden, dass die Schuldzinsen nur dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich zu berücksichtigen sind, wenn über den Zeitraum von zehn Jahren ein Überschuss der Kapitaleinnahmen über die Werbungskosten erzielt wird. Maßgebend ist dabei das Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung, wobei jedoch nichtsteuerbare und steuerfreie Veräußerungsgewinne außer Betracht bleiben.
Nach dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) sind die Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 und 2 EStG grundsätzlich durch den besonderen Steuertarif von 25 % und den KapESt-Abzug abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Bedingt durch diese Abgeltungswirkung wird in § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG klargestellt, dass der Sparer-Pauschbetrag von 801 € bzw. 1 602 € bei Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern (ab VZ 2023 1 000 € bzw. 2 000 €) an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG tritt. Ein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist bei Anwendung des § 32d EStG somit nicht möglich (→ Einkünfte aus Kapitalvermögen, → Abgeltungsteuer).
Der tatsächliche Werbungskostenabzug ist nur noch in den Fällen des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 EStG möglich (→ Abgeltungsteuer). Auch bei der sog. »Günstigerprüfung« nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 9 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt auch hier nicht in Betracht. Zwar kommt in diesen Fällen der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende Abgeltungssteuersatz von 25 % nicht zur Anwendung, sondern der (niedrigere) progressive Steuertarif nach § 32a EStG. Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung nach § 20 EStG vorzunehmen¸ sodass auch hier das Abzugsverbot tatsächlicher Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG) Anwendung findet (BFH Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393; Pressemitteilung des BFH Nr. 20/2015 vom 11.3.2015, LEXinform 0442995 sowie Anmerkung vom 19.3.2015, LEXinform 0946693).
Zum Werbungskostenabzug s.o. die Erläuterungen zum Gliederungspunkt »Zinsen zum Erwerb einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG«.
Zu den Voraussetzungen des betrieblichen Schuldzinsenabzugs s. u. a. BFH-Urteil vom 15.5.2008 (IV R 25/07, BStBl II 2008, 715). Schuldzinsen sowie die mit einer Kreditaufnahme zusammenhängenden Finanzierungsnebenkosten sind nach ständiger Rspr. des BFH dann Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), wenn sie für eine Darlehensverbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgeblich hierfür ist allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel. Nach dieser sog. formalen Zurechnung, die eine weitergehende wertende Beurteilung wechselseitig abhängiger Finanzierungszusammenhänge ausschließt, ist der Unternehmer zwar einerseits in seiner Entscheidung frei, vorhandene betriebliche Liquidität (WG) seinem Betriebsvermögen zu entnehmen und die hierdurch entstehende Finanzierungslücke durch Aufnahme eines – gemessen am Merkmal der tatsächlichen Verwendung der Darlehensvaluta – betrieblich veranlassten Kredits zu schließen. Gleiches gilt, wenn ein betrieblich veranlasster Kredit im Zusammenhang mit der Entnahme betrieblicher Geldbestände umgeschuldet oder verlängert wird. Andererseits ist es dem Stpfl. nicht nur verwehrt, private Schulden allein aufgrund eines Willensaktes (z.B. Bilanzausweis) dem (gewillkürten) Betriebsvermögen zuzuordnen. Vielmehr sind Darlehen, die tatsächlich für private Zwecke verwendet werden, auch dann als notwendige Privatschulden zu qualifizieren, wenn die Aufwendungen durch Entnahme betrieblicher Geldmittel hätten bestritten werden können. Darüber hinaus hat die Entnahme von fremdfinanzierten WG des Betriebsvermögens zur Folge, dass auch die mit dem (entnommenen) WG im Zusammenhang stehende Verbindlichkeit in das Privatvermögen überführt wird, vgl. R 4.2 Abs. 15 Satz 1 EStR. Hieraus ergibt sich des Weiteren, dass ein Kredit dem Privatvermögen des Stpfl. zuzuordnen ist unabhängig davon, ob die Valuta unmittelbar für private Zwecke verwendet wird (originäres Entstehen einer Privatschuld) oder ob sie zunächst – in einem Zwischenschritt – beispielsweise dem betrieblichen Kontokorrent gutgeschrieben wird und erst im Anschluss hieran der Finanzierung privater Aufwendungen dient.
Werden die von einem Versicherungsmakler für Rechnung der Versicherungsgesellschaften vereinnahmten Versicherungsbeiträge (durchlaufende Posten) abredewidrig für private Zwecke verwendet und die Auskehrungsverbindlichkeiten in Vereinbarungsdarlehen umgeschuldet, sind die hierfür entrichteten Zinsen sowie die angefallenen Finanzierungsnebenkosten keine Betriebsausgaben (BFH Urteil vom 15.5.2008, IV R 25/07, BStBl II 2008, 715).
Mit Urteil vom 4.11.2004 (III R 5/03, BStBl II 2005, 277) hatte der BFH bereits entschieden, dass die aus Agenturgeschäften vereinnahmten Geldbeträge (hier Erlöse eines Tankstellenpächters für Mineralölprodukte) auch bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als durchlaufende Posten nicht als Betriebseinnahmen und die Weiterleitung dieser Beträge nicht als Betriebsausgaben zu erfassen sind. Verwendet der Unternehmer diese in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträge zunächst für private Zwecke und nimmt sodann Darlehen auf, mit denen er die Geldbeträge ersetzt, entnimmt er daher keine Betriebseinnahmen und finanziert auch keine Betriebsausgaben.
Unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 4a EStG können bestimmte Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Zur Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG nimmt die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 2.11.2018 (BStBl I 2018, 1207) ausführlich Stellung. In zwei weiteren BMF-Schreiben vom 18.1.2021 (BStBl I 2021, 119) und vom 5.11.2021 (BStBl I 2021, 2211) wurde das BMF-Schreiben vom 2.11.2018 (a.a.O.) punktuell ergänzt, insbes. an die laufende BFH-Rspr. angepasst.
Nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG können Schuldzinsen grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sog. Überentnahmen getätigt wurden. Zu den Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG gehören dabei alle Aufwendungen zur Erlangung und Sicherung eines Kredits einschließlich der Nebenkosten der Darlehensaufnahme sowie der Geldbeschaffungskosten. Auch Nachzahlungs-, Aussetzungs- und Stundungszinsen i.S.d. AO fallen unter die Vorschrift (vgl. BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 19).
Im Urteil vom 31.8.2022, X R 15/21, DStR 2022, 2661 hat der BFH zu Begriff und Umfang der Schuldzinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG Stellung genommen. Dazu gehören lt. Auffassung des Gerichts nach ertragsteuerlich weitem Begriffsverständnis zunächst alle Leistungen, die ein Schuldner für die Überlassung und Nutzung von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat. Darüber hinaus beinhaltet der Begriff der Schuldzinsen auch alle Aufwendungen zur Erlangung oder Sicherung eines Kredits, mithin Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können (vgl. BFH vom 12.2.2014, IV R 22/10, BStBl II 2014, 621). Auch Provisionen und Gebühren für ein Aval, also für eine Bürgschaft, zählen jedenfalls dann zu den Schuldzinsen i.S.v. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG, wenn dadurch die Rückzahlung von Fremdkapital gesichert wird, das dem Schuldner zeitweise zur Nutzung überlassen wurde.
Dem Abzugsverbot nach § 4 Abs. 4a EStG unterliegen nur Schuldzinsen, die betrieblich veranlasst sind, während privat veranlasste Schuldzinsen grundsätzlich zu den nicht abzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG gehören. Aus diesem Grund ist im Hinblick auf die steuerliche Abziehbarkeit der Schuldzinsen eine zweistufige Prüfung erforderlich:
Im ersten Schritt ist zu ermitteln, ob und inwieweit die jeweiligen Schuldzinsen zu den betrieblich veranlassten Aufwendungen gehören, im zweiten Schritt muss geprüft werden, ob der Betriebsausgabenabzug im Hinblick auf Überentnahmen eingeschränkt ist. Diese in Rz. 1 des BMF-Schreibens vom 2.11.2018 (BStBl I 2018, 1207) festgelegte Prüfungsreihenfolge wurde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt (BFH Urteil vom 21.9.2005, X R 46/04, BStBl II 2006, 125 sowie BFH Urteil vom 23.3.2011, X R 28/09, BStBl II 2011, 753).
In diesem Sinn hat der BFH im Urteil vom 22.3.2022, IV R 19/19 (LEXinform 0952389) nochmals klargestellt, dass vor der Überprüfung der Abzugsbeschränkung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zunächst zu klären ist, ob und inwieweit die streitigen Schuldzinsen überhaupt betrieblich veranlasst sind.
Die im Rahmen des Rechtstreits aufgeworfene Streitfrage, ob der in § 4 Abs. 4a EStG enthaltene Prozentsatz von 6 % verfassungsgemäß ist, hat der BFH nicht beantwortet, sondern das Verfahren an das vorinstanzlich zuständige FG Düsseldorf zurückverwiesen. Diesem wurde insbes. aufgetragen, Feststellungen hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung der hinzugerechneten Schuldzinsen nachzuholen. Nach Meinung der obersten Richter hat es das FG in seinem Urteil vom 31.5.2019, 15 K 1131/19 rechtsfehlerhaft unterlassen, Feststellungen zur betrieblichen Veranlassung der streitigen Schuldzinsen zu treffen. Außerdem fehlten nachvollziehbare Feststellungen dazu, ob es in den Streitjahren überhaupt zu Überentnahmen gekommen ist.
Im zugrunde liegenden angesprochenen Verfahren hatte das zuständige FA geänderte Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide erlassen, in denen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb Hinzurechnungen wegen nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG vorgenommen wurden. Dagegen machte die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken geltend und beantragte, den Hinzurechnungen einen Prozentsatz von 2,9 % statt des gesetzlich vorgesehenen Prozentsatzes von 6 % zugrunde zu legen. Die verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Ansatz eines typisierten Zinssatzes, die in Verfahren wegen der Vollverzinsung nach den §§ 233a, 238 Abs. 1 AO erhoben worden seien, träfen auch auf die hier streitige Regelung des § 4 Abs. 4a EStG zu.
Das BMF ist dem Verfahren beigetreten und führt dazu aus, die gegen die Zinshöhe in den §§ 233a, 238 Abs. 1 AO erhobenen Einwände seien aufgrund des unterschiedlichen Regelungszwecks der betroffenen Normen nicht auf § 4 Abs. 4a EStG übertragbar. Der Regelungszweck des § 4 Abs. 4a EStG unterscheide sich wesentlich vom Regelungszweck der Zinsregelung.
Abweichendes Wirtschaftsjahr
Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 6 Satz 5 EStG (früher § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG a.F.) ist § 4 Abs. 4a EStG erstmals für Wj. anzuwenden, die nach dem 31.12.1998 enden. Diese Regelung hätte bei Stpfl. mit abweichenden Wj. zur Folge, dass auch Entnahmen, die vor dem 1.1.1999 getätigt wurden, zu Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG führen könnten und bereits im Jahr 1998 entstandene betriebliche Schuldzinsen nicht uneingeschränkt abziehbar wären. Eine Einbeziehung solcher Überentnahmen bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen würde zu einem unverhältnismäßigen Verstoß gegen den rechtsstaatlich verbürgten Anspruch auf Vertrauensschutz führen (vgl. BFH Urteil vom 23.3.2011, X R 28/09, BStBl II 2011, 753).
Normen des geschriebenen Rechts werden mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung rechtlich existent. Das StBereinG 1999 ist im BGBl vom 29.12.1999 verkündet worden. § 4 Abs. 4a und § 52 Abs. 11 EStG 1999 wurden somit noch im Jahr 1999 gültig. Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 7.7.2010 (2 BvL 1/0 3, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06 [BFH/NV 2010, 1968], 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05 [BFH/NV 2010, 1959] sowie 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 [BFH/NV 2010, 1976]) an seiner früheren Rechtsprechung festgehalten, dass im Falle einer Änderung des EStG eine bloße unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) vorliegt, wenn das Änderungsgesetz zu einem Zeitpunkt verkündet wird, zu dem der hiervon betroffene Veranlagungszeitraum noch nicht abgelaufen ist (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 54/11 vom 20.7.2011, LEXinform 0436701).
Eigenkapital aus Altjahren
Überentnahme ist gem. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen eines Wj. übersteigen. Die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen werden nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wj. zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wj. und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wj. der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt. Hieraus folgt, dass die Bemessungsgrundlage der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen der Summe der jeweiligen Über- und Unterentnahmen aller in die Berechnung einzubeziehenden Wj. – d.h. einer Totalperiode – entspricht (vgl. hierzu auch Senatsurteil in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744, Rz. 19).
Mit Urteil vom 9.5.2012 (X R 30/06, BStBl II 2012, 667) hat der BFH entschieden, dass bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen für den Veranlagungszeitraum 2001 Unterentnahmen aus den Jahren vor 1999 außer Acht zu lassen sind. Die gegen das Urteil unter dem Az. 2 BvR 1868/12 (LEXinform 0929356) vor dem BVerfG eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde gem. BVerfG-Beschluss vom 7.4.2015 (Az. 2 BvR 1868/12) nicht zur Entscheidung angenommen.
Diese Rspr. steht nicht im Widerspruch zum Urteil vom 21.9.2005 (X R 47/03, BStBl II 2006, 504), in dem der BFH entschieden hatte, dass bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG – jedenfalls in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 – auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 1.1.1999 geendet haben, zu berücksichtigen sind. Wie der BFH nämlich in seinem späteren Urteil vom 9.5.2012 (X R 30/06, BStBl II 2012, 667 Rz. 36) feststellt, betrifft das Urteil vom 21.9.2005 den Veranlagungszeitraum 1999, also ein Jahr, für das die Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 zur Bestimmung des »Startkapitals« noch nicht vorhanden war; dieses Urteil ist daher für das Streitjahr 2001 nicht einschlägig. In der Entscheidung wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass ein Unterentnahmevortrag aus der Zeit vor 1999 lediglich in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 zu berücksichtigen sei. Der Wortlaut des § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG 1999 und die damalige Anwendungsregelung in § 52 Abs. 11 EStG 1999 geben keinen Hinweis darauf, dass die Berechnung der saldierten Über- und Unterentnahmen am 1.1.1999 beginnen solle. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber mit dem StÄndG 2001 die Unsicherheit bezüglich des »Startkapitals« beseitigt, indem er der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 11 EStG einen Satz 2 (jetzt § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG) hinzugefügt hat, in dem festgelegt ist, dass Überentnahmen und Unterentnahmen vorangegangener Jahre unberücksichtigt bleiben.
In einem weiteren Urteil vom 5.11.2019, X R 40-41/18 (LEXinform 0952322) hat der BFH seine Rechtsauffassung nochmals bestätigt und folgerichtig entschieden, dass positives Eigenkapital, das aus vor dem 1.1.1999 endenden Wj. herrührt, bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG unberücksichtigt zu lassen ist. Die durch das StÄndG 2001 eingeführte Anwendungsregelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG (jetzt § 52 Abs. 6 Satz 6 EStG) gebiete es, in dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wj. von einem Kapitalkonto mit dem Anfangsbestand »Null« auszugehen. Diese Regelung, nach der sowohl positives als auch negatives Eigenkapital aus vor dem 1.1.1999 endenden Wj. außer Betracht bleibt, verstoße – wie der BFH mit Verweis auf die diesbezügliche vorhergehende Rspr. feststellt – weder gegen das Rückwirkungsverbot von Gesetzen noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und auch nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Im dem Urteil zugrundeliegenden Verfahren hatte der BFH die unter Aktenzeichen X R 40/18 und X R 41/18 gegen die beiden Urteile des FG Rheinland-Pfalz vom 9.8.2018 (5 K 1375/16 und 5 K 1376/16) anhängigen Revisionsverfahren zu einer gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist betriebsbezogen auszulegen (s. BFH Urteil vom 22.9.2011, IV R 33/08, BStBl II 2012, 10). Zunächst sind die angefallenen Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Darlehensmittel der Erwerbs- oder Privatsphäre zuzuordnen. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Ausgaben, insbesondere zur Finanzierung von Entnahmen, sind nicht betrieblich veranlasst. Unterhält der Stpfl. für den betrieblich und den privat veranlassten Zahlungsverkehr ein einheitliches – gemischtes – Kontokorrentkonto, ist für die Ermittlung der als Betriebsausgaben abziehbaren Schuldzinsen der Sollsaldo grundsätzlich aufzuteilen. Das anzuwendende Verfahren bei der Aufteilung ergibt sich aus Rz. 11 bis 18 des BMF-Schreibens vom 10.11.1993, BStBl I 1993, 930 (vgl. BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 3):
Zur Bestimmung des anteiligen betrieblich veranlassten Sollsaldos sind die auf dem Kontokorrentkonto erfolgten Buchungen nach ihrer privaten und betrieblichen Veranlassung zu trennen. Hierzu ist das Kontokorrentkonto rechnerisch in ein betriebliches und ein privates Unterkonto aufzuteilen. Auf dem betrieblichen Unterkonto sind die betrieblich veranlassten und auf dem privaten Unterkonto die privat veranlassten Sollbuchungen zu erfassen. Habenbuchungen sind vorab dem privaten Unterkonto bis zur Tilgung von dessen Schuldsaldo gutzuschreiben; nur darüber hinausgehende Beträge sind dem betrieblichen Unterkonto zuzurechnen. Betriebseinnahmen werden nicht zuvor mit Betriebsausgaben des gleichen Tages saldiert. In der Schlussbilanz ist nur der nach diesen Grundsätzen für den Bilanzstichtag ermittelte Sollsaldo des betrieblichen Unterkontos auszuweisen.
Schuldzinsen sind nur insoweit abzugsfähig, als sie durch Sollsalden des betrieblichen Unterkontos veranlasst sind. Ihre Berechnung erfolgt grundsätzlich nach der Zinszahlenstaffelmethode. Dabei wird nicht auf die einzelne Buchung, sondern auf die jeweiligen Soll- oder Habensalden (Zwischensalden) abgestellt. Dies hat zur Folge, dass dem Stpfl. eine Schuld nur zuzurechnen ist, soweit diese Zwischensalden negativ sind. Dementsprechend sind auch nur dann Schuldzinsen zu berechnen. Ausgehend von einem Zwischensaldo wird die Zinszahl für diesen Saldo für die Zeit (Tage) seiner unveränderten Dauer (Wertstellung) nach einer besonderen Formel berechnet (Zinszahlenstaffel):
Zinszahl |
= |
Kapital |
× |
Tage |
100 |
Am Ende der Rechnungsperiode werden die Zinszahlsummen der Soll- und Habenseite addiert und durch einen Zinsdivisor (360/Zinsfuß) geteilt.
Beispiel 2:
Datum |
Geschäftsvorfall |
Betrag |
betrieblich |
privat |
betriebliche Zinszahlen |
1.1.02 |
Saldo |
0 € |
0 € |
||
15.1.02 |
»Entnahme« |
./. 15 000 € |
0 € |
./. 15 000 € |
keine Entnahme |
Saldo bis 14.2.02 |
./. 15 000 € |
0 € |
./. 15 000 € |
keine betriebliche Schuld |
|
15.2.02 |
Wareneinkauf |
./. 20 000 € |
./. 20 000 € |
0 € |
|
Saldo bis 14.3.02 |
./. 35 000 € |
./. 20 000 € |
./. 15 000 € |
20 000 € × 30 Tage : 100 = 6 000 € |
|
15.3.02 |
Einlage |
+ 5 000 € |
0 € |
+ 5 000 € |
|
Saldo bis 14.4.02 |
./. 30 000 € |
./. 20 000 € |
./. 10 000 € |
20 000 € × 30 Tage : 100 = 6 000 € |
|
15.4.02 |
Einlage |
+ 5 000 € |
0 € |
+ 5 000 € |
|
Saldo bis 14.5.02 |
./. 25 000 € |
./. 20 000 € |
./. 5 000 € |
20 000 € × 30 Tage : 100 = 6 000 € |
|
15.5.02 |
Warenverkauf |
+ 30 000 € |
+ 25 000 € |
+ 5 000 € |
Werden Betriebseinnahmen zur Tilgung eines Sollsaldos verwendet, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht, liegt im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme vor, die bei Ermittlung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist (BFH Urteil vom 21.9.2005, X R 46/04, BFH/NV 2006, 184). |
Saldo bis 14.6.02 |
+ 5 000 € |
+ 5 000 € |
0 € |
keine betriebliche Schuld |
|
15.6.02 |
Wareneinkauf |
./. 15 000 € |
./. 15 000 € |
0 € |
|
Saldo bis 14.7.02 |
./. 10 000 € |
./. 10 000 € |
0 € |
10 000 € × 30 Tage : 100 = 3 000 € |
|
15.7.02 |
»Entnahme« |
./. 10 000 € |
0 € |
./. 10 000 € |
keine Entnahme |
Saldo bis 14.8.02 |
./. 20 000 € |
./. 10 000 € |
./. 10 000 € |
10 000 € × 30 Tage : 100 = 3 000 € |
|
15.8.02 |
Warenverkauf |
+ 15 000 € |
+ 5 000 € |
+ 10 000 € |
Entnahme, s. 15.5.02 |
Saldo bis 14.9.02 |
./. 5 000 € |
./. 5 000 € |
0 € |
5 000 € × 30 Tage : 100 = 1 500 € |
|
15.9.02 |
»Entnahme« |
./. 5 000 € |
0 € |
./. 5 000 € |
keine Entnahme |
Saldo bis 14.10.02 |
./. 10 000 € |
./. 5 000 € |
./. 5 000 € |
5 000 € × 30 Tage : 100 = 1 500 € |
|
15.10.02 |
Wareneinkauf |
./. 10 000 € |
./. 10 000 € |
0 € |
|
Saldo bis 14.11.02 |
./. 20 000 € |
./. 15 000 € |
./. 5 000 € |
15 000 € × 30 Tage : 100 = 4 500 € |
|
15.11.02 |
Kauf Maschine |
./. 20 000 € |
./. 20 000 € |
0 € |
|
Saldo bis 14.12.02 |
./. 40 000 € |
./. 35 000 € |
./. 5 000 € |
35 000 € × 30 Tage : 100 = 10 500 € |
|
15.12.02 |
»Entnahme« |
./. 5 000 € |
0 € |
./. 5 000 € |
keine Entnahme |
Saldo bis 31.12.02 |
./. 45 000 € |
./. 35 000 € |
./. 10 000 € |
35 000 € × 15 Tage : 100 = 5 250 € |
|
betriebliche Zinszahlsumme: 47 250 € |
Der Schuldzinsensatz beträgt 7 %.
Der Gewinn im Kj. 02 beträgt 20 000 €, die Sach- und Leistungsentnahmen betragen 30 000 €.
Lösung 2:
Bei einem Schuldzinsensatz von 7 % ergeben sich am Ende der Rechnungsperiode folgende Zinsen:
47 250 € × 7 : 360 = 918,75 €.
Eine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG liegt erst in dem Zeitpunkt vor, in dem der privat veranlasste Teil des Schuldsaldos durch eingehende Betriebseinnahmen getilgt wird, weil insoweit betriebliche Mittel zur Tilgung einer privaten Schuld verwendet werden (BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 6 und BFH Urteil vom 21.9.2005, X R 46/04, BStBl II 2006, 125).
Weist z.B. das gemischte Konto zum Zeitpunkt der Geldentnahme i.H.v. 40 000 € einen Schuldsaldo i.H.v. 50 000 € aus, der unstreitig betrieblich veranlasst ist, so ergeben sich durch die privat veranlasste Erhöhung des Schuldensaldos um 40 000 € auf 90 000 € höhere Schuldzinsen.
Durch die Anwendung der Zinsstaffelmethode muss der privat veranlasste Anteil der Schuldzinsen ermittelt werden. Die privat veranlasste Erhöhung des Schuldsaldos von 40 000 € führt nicht bereits zu einer Entnahme von zum Betriebsvermögen gehörenden WG und ist daher nicht bei der Ermittlung der Entnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen.
Aus Vereinfachungsgründen ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn der Stpfl. schon die Erhöhung des Schuldensaldos aus privaten Gründen als Entnahme bucht und bei der Tilgung des privat veranlassten Schuldensaldos keine Entnahmebuchung mehr vornimmt (BMF vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019 Rz. 6).
Ermittlung der Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG:
Gewinn |
20 000 € |
||
Einlagen am 15.3. und 15.4. je 5 000 € |
+ 10 000 € |
||
Zwischensumme |
30 000 € |
||
./. Entnahmen in Geld |
15.5. |
5 000 € |
|
15.8. |
10 000 € |
||
./. Sach- und Leistungsentnahmen |
30 000 € |
||
insgesamt |
45 000 € |
./. 45 000 € |
|
Überentnahme |
./. 15 000 € |
Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % von 15 000 € = 900 € ermittelt.
betriebliche Schuldzinsen |
918,75 € |
Hinzurechnungsbetrag (§ 4 Abs. 4a Satz 3 und 4 EStG) |
900,00 € |
Höchstbetrag: |
|
tatsächliche Schuldzinsen |
918,75 € |
./. Kürzungsbetrag |
./. 2 050,00 € |
verbleiben als Höchstbetrag |
0,00 € |
Der Hinzurechnungsbetrag wird auf den Höchstbetrag von 0 € begrenzt.
Der Abzug betrieblich veranlasster Schuldzinsen ist nur dann eingeschränkt, wenn sog. Überentnahmen vorliegen (§ 4 Abs. 4a Satz 1 EStG). Die Überentnahme ist in § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG wie folgt definiert:
Gewinn des Wj. |
|
zzgl. Einlagen des Wj. |
|
abzgl. Entnahmen des Wj. |
|
Summe negativ |
=> Überentnahmen |
Summe positiv |
=> Unterentnahmen |
Abb.: Über- und Unterentnahmen
Mit Urteil vom 7.3.2006 (X R 44/04, BStBl II 2006, 588) hat der BFH entschieden, dass der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG mangels besonderer Bestimmungen nach dem allgemeinen Gewinnbegriffs des § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 4 Abs. 3 EStG auszulegen ist. Nach dem BFH-Urteil vom 14.3.2018 (X R 17/16, BStBl II 2018, 744) umfasst der Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 4a EStG auch einen eventuellen Verlust, der somit ggf. die Überentnahmen erhöht bzw. die Unterentnahmen vermindert (BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 8).
Gewinnmindernde Rücklagen und Abschreibungen sind für Zwecke der Feststellung einer Überentnahme dem steuerlichen Gewinn ebenso wenig hinzuzurechnen wie Rückstellungen, Rechnungsabgrenzungsposten oder Wertberichtigungen. Auch Übergangsgewinne und -verluste, die bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart i.S.v. R 4.6 EStR anfallen, sind bei Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG einzubeziehen (BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 8 sowie BFH vom 22.11.2011, VIII R 5/08, LEXinform 5908173. Zum Entnahmebegriff für den Schuldzinsenabzug s. Wagner, NWB 2012, 670 sowie Anmerkung vom 2.8.2012, LEXinform 0941889.
Eine nur kurzfristige fremdfinanzierte Mittelzuführung auf dem betrieblichen Girokonto am Jahresende, die allein dazu dient, den Stand der Überentnahmen zum maßgeblichen Stichtag kurzfristig zurückzuführen (Windowdressing), ist gem. BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 (Rz. 13) wegen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO steuerlich nicht zu berücksichtigen, da sie nur der Umgehung des Schuldzinsenabzugsverbots des § 4 Abs. 4a EStG dient (BFH Urteil vom 21.8.2012, VIII R 32/09, BStBl II 2013, 16).
Der BFH macht aber deutlich, dass die Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto eine Einlage i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG darstellt; dies gilt auch bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (Pressemitteilung des BFH Nr. 77/12 vom 21.11.2012, LEXinform 0438775).
Im Urteil vom 22.9.2011 (IV R 33/08, BStBl II 2012, 10) kommt der BFH zum Ergebnis, dass jede Überführung oder Übertragung eines WG aus dem betrieblichen Bereich des Stpfl. in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Stpfl. grundsätzlich eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG darstellt.
In bestimmten Sonderfällen der Betriebsaufspaltung gilt die dargestellte Entnahme-Definition jedoch nicht: Wird aus dem Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft Betriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen einer Besitz-Personengesellschaft übertragen und dadurch eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung begründet, so ist diese Übertragung nicht als Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG anzusehen. Nach Ansicht des BFH bleiben die übertragenen WG latent Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebsgesellschaft, sie sind nur wegen der von der Rechtsprechung entschiedenen Bilanzierungskonkurrenz bei der Besitzgesellschaft zu bilanzieren. Damit liegt spiegelbildlich auch bei der Besitzgesellschaft keine Einlage i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG vor, was sich bei dieser Gesellschaft negativ auf den Schuldzinsenabzug auswirken kann. Positiv für Sachverhalte abseits der Zinsschranke ist in diesem Zusammenhang der ausdrückliche Hinweis des BFH zu werten, dass beim Wegfall der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung die WG wieder Sonderbetriebsvermögen der Betriebs-Personengesellschaft werden. Es kommt daher in diesen Fällen nicht zur Gewinnrealisierung, die WG werden zum Buchwert übertragen (s. Anmerkung vom 18.11.2011, LEXinform 0879195).
Ein ähnlicher Fall einer Bilanzierungskonkurrenz, der weder zu einer Entnahme beim abgebenden noch zu einer Einlage beim aufnehmenden Betrieb führt, liegt vor, wenn ein WG nach einem Verschmelzungsvorgang einem anderen Betriebsvermögen zuzuordnen ist (vgl. BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207, Rz. 12).
Beispiel 3:
Der Gewinn des laufenden Wj. 02 (= Kj.) beträgt 250 000 €. Während des Wj. wurden 50 000 € in den Betrieb eingelegt, die Entnahmen beliefen sich insgesamt auf 400 000 €. Über- bzw. Unterentnahmen wurden in den vorangegangenen Wj. nicht getätigt. An betrieblichen Schuldzinsen sind angefallen:
Fallvariante a): |
2 000 €, |
|
Fallvariante b): |
3 000 €, |
|
Fallvariante c): |
4 000 €, |
|
Fallvariante d): |
10 000 €. |
Lösung 3:
Die Überentnahme des Jahres 02 wird wie folgt berechnet:
Gewinn 02 |
250 000 € |
Einlagen 02 |
+ 50 000 € |
Entnahmen 02 |
./. 400 000 € |
Überentnahmen/Unterentnahmen vergangener Wj. |
0 € |
tatsächliche Überentnahme 02 |
./. 100 000 € |
Die nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen betragen 6 % von 100 000 € = 6 000 €.
Nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG werden betrieblich veranlasste Schuldzinsen pauschal zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben umqualifiziert, ein Schuldzinsenabzug bis 2 050 € ist allerdings unbeschränkt möglich.
Danach ergeben sich folgende Hinzurechnungsbeträge:
betriebliche Schuldzinsen |
2 000 € |
3 000 € |
4 000 € |
10 000 € |
Hinzurechnungsbetrag |
6 000 € |
6 000 € |
6 000 € |
6 000 € |
Höchstbetrag (betriebliche Schuldzinsen abzgl. 2 050 €) |
0 € |
950 € |
1 950 € |
7 950 € |
Hinzurechnung |
0 € |
950 € |
1 950 € |
6 000 € |
abzugsfähige Schuldzinsen |
2 000 € |
2 050 € |
2 050 € |
4 000 € |
nicht abzugsfähige Schuldzinsen |
0 € |
950 € |
1 950 € |
6 000 € |
Der Gewinn von 250 000 € ist außerbilanziell um die nicht abziehbaren Schuldzinsen zu erhöhen.
Beispiel 4:
Wie Beispiel 3. Im Wj. 03 beträgt der Gewinn ebenfalls 250 000 €. Die Einlagen belaufen sich auf 150 000 €, die Entnahmen auf 430 000 €.
Lösung 4:
Die Überentnahme des Jahres 03 wird wie folgt berechnet:
Gewinn 03 |
250 000 € |
Einlagen 03 |
+ 150 000 € |
Entnahmen 03 |
./. 430 000 € |
Überentnahme im Wj. 03 |
./. 30 000 € |
zzgl. Überentnahme Wj. 02 |
./. 100 000 € |
Bemessungsgrundlage |
130 000 € |
Zu beachten ist, dass die Überentnahme auf den kumulierten Entnahmenüberschuss aus Entnahmen und Einlagen der vorgehenden Wj und des laufenden Wj begrenzt ist. Dieser berechnet sich wie folgt:
Entnahmen 03 |
+ 430 000 € |
Einlagen 03 kumulierter Entnahmenüberschuss des Vorjahres |
./. 150 000 € + 350 000 € |
kumulierter Entnahmenüberschuss des Wj. |
630 000 € |
Nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG werden die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wj. zzgl. der Überentnahmen vorangegangener Wj. und abzgl. der Unterentnahmen vorangegangener Wj. ermittelt. Sie betragen somit 6 % von 130 000 € = 7 800 €.
In einem Verlustjahr ist die Überentnahme nicht höher als der Betrag anzusetzen, um den die Entnahmen die Einlagen des Wj. übersteigen (Entnahmenüberschuss; s.a. BFH Urteil vom 3.3.2011, IV R 53/07, BStBl II 2011, 688). Der Verlust ist jedoch mit Unterentnahmen vergangener und zukünftiger Wj. zu verrechnen. Entsprechendes gilt für einen Verlust, soweit er nicht durch einen Einlagenüberschuss ausgeglichen werden wird. Verbleibende Verluste sind – ebenso wie die Über- und Unterentnahmen – formlos festzuhalten.
Beispiel 5:
Der Betrieb des Stpfl. hat das Wj. mit einem Verlust von 100 000 € abgeschlossen. Im Hinblick auf die Ertragslage des Betriebs hat der Stpfl. keine Entnahmen vorgenommen. Dem Betrieb wurden aber auch keine Einlagen zugeführt. Im vorangegangenen Wj. ergab sich eine Unterentnahme von 10 000 €.
Lösung 5:
Der Verlust bewirkt keine Überentnahme. Er ist mit der Unterentnahme des Vorjahres zu verrechnen, sodass ein Verlustbetrag von 90 000 € zur Verrechnung mit künftigen Unterentnahmen verbleibt (BMF vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019, Rz. 13).
Das Gleiche gilt, wenn der Stpfl. in einer Verlustsituation Entnahmen tätigt, die zu einem Entnahmenüberschuss dieses Wj. führen. In diesen Fällen ergeben sich im Hinblick auf diese Entnahmen Überentnahmen, die sich jedoch nicht noch um den Verlust erhöhen.
Beispiel 6:
Der Betrieb des Stpfl. hat das Wj. mit einem Verlust von 100 000 € abgeschlossen. Dem Betrieb wurden Einlagen i.H.v. 80 000 € zugeführt. Der Stpfl. entnimmt keine liquiden Mittel, er nutzt indes – wie bisher – einen zum Betriebsvermögen gehörigen Pkw auch für Privatfahrten. Die Nutzungsentnahme wird nach der 1 %-Methode, bezogen auf einen Listenpreis von 60 000 €, mit 7 200 € angesetzt. Im vorangegangenen Wj. ergab sich eine Unterentnahme von 10 000 €.
Lösung 6:
Zunächst ist der Einlagenüberschuss zu ermitteln. Die Einlagen von 80 000 € abzüglich Entnahmen von 7 200 € ergeben einen Einlagenüberschuss von 72 800 €. Der Einlagenüberschuss ist mit dem Verlust zu verrechnen. Soweit der Verlust von 100 000 € nicht mit dem Einlagenüberschuss von 72 800 € verrechnet werden kann, ist er mit der Unterentnahme des Vorjahres von 10 000 € zu verrechnen. Der verbleibende Verlust von 17 200 € ist mit künftigen Unterentnahmen zu verrechnen (BMF vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019, Rz. 15).
Der BFH hat mit Urteil vom 14.3.2018 (X R 17/16, BStBl II 2018, 744, LEXinform 0951163, sowie LEXinform 0448488) sowie dem am selben Tag unter dem Az. X R 16/16, BFH/NV 2018, 939 ergangenen, im Wesentlichen inhaltsgleichen Urteil zur Berücksichtigung von Verlusten bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG Stellung genommen und dabei folgende grundsätzliche Regelungen getroffen:
Unter dem Begriff »Gewinn« i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG, der als Überentnahmen den Überschuss der Entnahmen über die Summe des Gewinns und der Einlagen definiert, ist der einkommensteuerrechtliche Gewinn zu verstehen. Damit sind nicht nur positive Einkünfte, sondern ggf. auch negative Einkünfte, also Verluste, gemeint.
Bei Anwendung des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist zu berücksichtigen, dass allein aufgrund von Verlusten keine Überentnahmen entstehen können. Insoweit ist die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen über den Gesetzeswortlaut hinaus im Wege einer sog. teleologischen Reduktion zu begrenzen.
Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist begrenzt auf den Entnahmenüberschuss (Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen) des Zeitraums von 1999 (Einführung des § 4 Abs. 4a EStG) bis zum aktuellen Wj.
Im Streitfall erzielte der Kläger als Inhaber eines Kraftfahrzeughandels in den Jahren 1999 bis 2008 teilweise Gewinne, teilweise aber auch Verluste und tätigte Entnahmen und Einlagen in stark schwankender Höhe. Das FA und das zuständige FG (Urteil FG München vom 17.12.2015, 15 K 1238/14) versagten in den beiden Streitjahren 2007 und 2008 für einen Teil der betrieblichen Schuldzinsen den Betriebsausgabenabzug, weil Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG vorgelegen hätten. Die Berechnung des FA entsprach den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 17.11.2005 ((BStBl I 2005, 1019), sodass in den Vorjahren unberücksichtigt gebliebene Verluste im Wege einer formlosen Verlustfortschreibung verrechnet wurden.
In seinen o.a. Urteilen vom 14.3.2018 ist der BFH der Auffassung der Vorinstanzen nicht gefolgt. Er begrenzt stattdessen die nach den Überentnahmen ermittelte Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen im Wege einer teleologischen Reduktion des § 4 Abs. 4a EStG auf den von 1999 bis zum Beurteilungsjahr insgesamt erzielten Entnahmen-Überschuss und damit auf den Überschuss aller Entnahmen über alle Einlagen dieses Zeitraums. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass ein in der Totalperiode erwirtschafteter Verlust die Bemessungsgrundlage für § 4 Abs. 4a EStG nicht erhöht und damit der Gefahr vorgebeugt, dass ein betrieblicher Verlust ohne jede Entnahme zur teilweisen Versagung des Schuldzinsenabzugs führen kann. Zudem wird der Verlust des aktuellen Jahres nicht anders bewertet als der Verlust aus Vorjahren. Dies kann für den Steuerpflichtigen in bestimmten Jahren günstiger, in anderen Jahren aber auch nachteiliger sein als der Verrechnungsmodus nach der Verwaltungsauffassung im o.a. BMF-Schreiben vom 17.11.2005.
Die Entscheidung ist insb. für mittelständische Unternehmen von Bedeutung, da es nunmehr gleichgültig ist, in welchem Jahr innerhalb der Totalperiode Gewinne oder Verluste erzielt sowie Entnahmen oder Einlagen getätigt wurden. Somit ist der Steuerpflichtige auch in den Jahren, in denen er Gewinne erwirtschaftet, zu einer vorausschauenden Planung seiner Entnahmen veranlasst, damit diese sich nicht durch spätere Verluste in steuerschädliche Überentnahmen verwandeln.
Eine Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG ist auch dann vorzunehmen, wenn im Veranlagungszeitraum keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen aus den Vorjahren ergibt (BFH Urteil vom 17.8.2010, VIII R 42/07, BStBl II 2010, 1041; s.a. Anmerkung vom 14.10.2010, LEXinform 0926983).
Beispiel 7: Sachverhalt und Lösung ergeben sich aus o.a. BFH-Urteil vom 17.8.2010.
Veranlagungszeitraum |
Einlagen |
Entnahmen |
Gewinn |
01 |
5 145 € |
77 471 € |
45 346 € |
02 |
3 618 € |
84 161 € |
64 241 € |
03 |
4 898 € |
84 753 € |
82 234 € |
Die betrieblichen, nicht auf Investitionsdarlehen entfallenden Schuldzinsen im Kj. 03 betragen 37 056 €.
Lösung 7:
Nach Ansicht des Klägers ist der Begriff der Überentnahme abschließend durch Satz 2 der Vorschrift definiert. Dieser sei auf das Wj. bezogen. Falls im laufenden Wj. keine Überentnahme getätigt worden sei, sei auch der gesetzliche Tatbestand des § 4 Abs. 4a EStG nicht erfüllt. Eine Gewinnerhöhung komme danach nicht in Betracht, wenn im Wj. eine sog. Unterentnahme vorliege.
Veranlagungszeitraum |
Einlagen |
Entnahmen |
Gewinn |
Überentnahme |
Unterentnahme |
01 |
5 145 € |
77 471 € |
45 346 € |
./. 26 980 € |
|
02 |
3 618 € |
84 161 € |
64 241 € |
./. 16 302 € |
|
Zwischensumme |
./. 43 282 € |
||||
03 |
4 898 € |
84 753 € |
82 234 € |
+ 2 379 € |
Gegen diese Ansicht spricht jedoch der Wortlaut des Satzes 1, der den Regelungskern der Vorschrift bildet und durch die nachfolgenden Sätze lediglich ergänzt wird. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG spricht in der Mehrzahl von »Überentnahmen« enthält aber keine zeitliche Zuordnung der Überentnahmen zu bestimmten Wirtschaftsjahren. Satz 3 der Vorschrift lässt indes erkennen, dass die Regelung periodenübergreifend angelegt ist und Schuldzinsen für Überentnahmen so lange nicht abziehbar bleiben sollen, bis der Überhang an Überentnahmen durch Gewinne und Einlagen wieder ausgeglichen ist. Diese periodenübergreifende Regelung greift auch dann ein, wenn in einem Jahr selbst keine Überentnahmen gegeben sind; allerdings sind dann – insoweit abweichend vom missglückten Gesetzeswortlaut – auch Unterentnahmen dieses Jahres zu berücksichtigen.
Die Regelung in Rz. 20, 21 des BMF-Schreibens vom 2.11.2018 (BStBl I 2018, 1207), wonach eine Überentnahme auch dann vorliegt, wenn sich diese nur aus Überentnahmen vorangegangener Wj. berechnet, entspricht daher dem Gesetzeszweck des § 4 Abs. 4a EStG. Auch bestehen gegen die Anwendung der Vorschrift keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Veranlagungszeitraum |
Einlagen |
Entnahmen |
Gewinn |
Überentnahme |
Unterentnahme |
01 |
5 145 € |
77 471 € |
45 346 € |
./. 26 980 € |
|
02 |
3 618 € |
84 161 € |
64 241 € |
./. 16 302 € |
|
Zwischensumme |
./. 43 282 € |
||||
03 |
4 898 € |
84 753 € |
82 234 € |
+ 2 379 € |
|
Saldo der Überentnahmen aus den Vorjahren |
+ 2 379 € |
||||
40 903 € |
|||||
Hinzurechnungsbetrag 6 % von 40 903 € |
2 454 € |
Mit Urteil vom 17.5.2022, VIII R 38/18, LEXinform 0952174 nimmt der BFH zur Berechnung der Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG in Fällen der Einnahmen-Überschussrechnung Stellung. Danach ist auch im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG unter sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen. Außerdem seien Überentnahmen bei Einnahmen-Überschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird. Damit widersprachen die Richter der Meinung des Klägers, der geltend gemacht hatte, die vom FA für die Streitjahre ermittelten Überentnahmen seien unzutreffend. Die Höhe der Überentnahmen sei auf die Höhe des negativen Eigenkapitals zu begrenzen, das sich aus einer vereinfachten fiktiven Bilanz bei Gegenüberstellung der Aktivposten und Passivposten (Summe aller Verbindlichkeiten) für das jeweilige Wj. ergebe.
In seiner Urteilsbegründung führt der BFH aus, die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG sei periodenübergreifend angelegt. Dies folge aus dem Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG (»Überentnahmen«), insbes. aber auch aus der Berechnungsvorschrift in Satz 3 der Vorschrift. So könnten Schuldzinsen nach ständiger Rspr. in einem Wj. auch dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr selbst keine Überentnahmen vorliegen; denn die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre beruhen. Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG auf Stpfl., die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln (§ 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG).
Die Begrenzung der Überentnahme eines Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals – wie der Kläger es beantragt – sehe das Gesetz nicht vor. Eine solche Auslegung widerspreche auch dem Normzweck der sinngemäß anzuwendenden Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG und dem Zweck der Einnahmen-Überschussrechnung als vereinfachter Gewinnermittlungsmethode.
Mit Urteil vom 3.12.2019, X R 6/18 (BStBl II 2021, 77) hat der BFH entschieden, dass der bilanzielle Gewinn für Zwecke der Berechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG nicht um steuerfreie Investitionszulagen zu kürzen ist. Umgekehrt sind nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG dem Gewinn auch nicht hinzuzurechnen.
Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG entspricht dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG und beinhaltet daher ggf. auch steuerfreie Investitionszulagen. § 12 InvZulG 2007 bzw. § 13 InvZulG 2010 erfordern lediglich eine außerbilanzielle Kürzung des Gewinns um die steuerfreien Investitionszulagen. Da für den Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG aber der bilanzielle Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG maßgeblich ist, können sich außerbilanzielle Kürzungen nicht auf den Gewinn auswirken. Soweit der Bilanzgewinn bereits um Investitionszulagen gekürzt wurde, sind diese für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn wieder hinzuzurechnen.
Überträgt man die für außerbilanzielle Kürzungen aufgestellten Grundsätze auf die Behandlung nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG, so muss deren außerbilanzielle Korrektur ebenfalls unterbleiben, auch wenn sich die Hinzurechnung gewinnerhöhend und damit für den Stpfl. günstig auswirkt. Soweit der Bilanzgewinn also um nicht abziehbare Betriebsausgaben erhöht worden ist, ist er zur Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG wieder zu mindern. Da andererseits die Investitionszulage hinzugerechnet wird, liegt im Ergebnis eine zulässige Saldierung vor (BFH Beschluss vom 19.11.2013, XI B 9/13, BFH/NV 2014, 373).
Die Nichtberücksichtigung außerbilanzieller Hinzurechnungen entspricht nicht nur dem Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG (auch »nicht abziehbare« Betriebsausgaben sind Betriebsausgaben), sondern auch dem Regelungszweck des § 4 Abs. 4a EStG: Da Betriebsausgaben buchmäßig eine negative Kapitalentwicklung zur Folge haben, würde diese negative Kapitalentwicklung wieder neutralisiert, wenn man nicht abziehbare Betriebsausgaben vor Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG wieder hinzurechnen würde. In der Folge würde die Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG einen höheren Gewinn ausweisen als buchmäßig gegeben, sodass der Stpfl. mehr als den nach Buchwerten ermittelten Gewinn entnehmen könnte, ohne die nachteiligen Rechtsfolgen des § 4 Abs. 4a EStG auszulösen. Dies würde der an der Kapitalentwicklung orientierten Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG widersprechen und wäre somit nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar.
Die Frage, ob der Gewinn im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG mit oder ohne Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG anzusetzen ist, war bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Während die Finanzverwaltung bislang von der Hinzurechnung ausging (BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207, Tz. 8) lehnt der BFH mit Urteil vom 3.12.2019 (a.a.O.) die Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben ab. Umgekehrt darf der Gewinn nach Auffassung des Gerichts auch nicht um steuerfreie Investitionszulagen gekürzt werden.
Mit BMF-Schreiben vom 18.1.2021 (BStBl 2021 I, 119 sowie LEXinform 7012597) hat sich auch die Finanzverwaltung der BFH-Rspr. vom 3.12.2019 (a.a.O.) angeschlossen und das BFH-Urteil im BStBl Teil II veröffentlicht. Dadurch war Rn. 8 Satz 4 des BMF-Schreibens vom 2.11.2019 (a.a.O.) überholt und musste neu gefasst werden. Die alte Fassung bestimmte den steuerlichen Gewinn noch unter Berücksichtigung außerbilanzieller Hinzurechnungen zum maßgebenden Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG. Nach der Neufassung der Rn. 8 Satz 4 dürfen sich nunmehr außerbilanzielle Kürzungen und Hinzurechnungen nicht mehr auf den Gewinn i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG auswirken. Hierzu gehören lt. BMF-Schreiben vom 18.1.2021 auch folgende außerbilanzielle Korrekturen:
nicht abzugsfähige Gewerbesteuern sowie zugehörige steuerliche Nebenleistungen nach § 4 Abs. 5b EStG
nach § 4d Abs. 3, § 4e Abs. 3 oder § 4f EStG verteilte Betriebsausgaben
abgezogene oder hinzugerechnete Investitionsabzugsbeträge nach § 7g EStG
aufgrund eines Wechsels der Gewinnermittlungsart nach R 4.6 Abs. 1 Satz 2 EStR verteilte Übergangsgewinne
Die Neufassung ist nach den Vorgaben der Finanzverwaltung grds. in allen offenen Fällen anzuwenden; allerdings können außerbilanzielle Hinzurechnungen auf Antrag des Stpfl. letztmals für Gewinne aus Wirtschaftsjahren berücksichtigt werden, die vor dem 1.1.2021 begonnen haben. Im Falle einer Mitunternehmerschaft muss der Antrag einvernehmlich von allen Mitunternehmern gestellt werden. Außerdem beanstandet es die Verwaltung nicht, wenn bereits durchgeführte Berechnungen von Gewinnen und Verlusten für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG unverändert fortgeschrieben werden und die Neuregelungen in diesen Fällen noch unberücksichtigt bleiben (vgl. BMF vom 18.1.2021, a.a.O., Rn. 46).
Nach § 4 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 2 EStG ist bei der Ermittlung der Überentnahme vom Gewinn ohne Berücksichtigung der nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen. Auch eine Neuberechnung der Gewerbesteuerrückstellung im Hinblick auf den gewinnerhöhenden Ansatz der nicht abziehbaren Schuldzinsen ist grds. nicht erforderlich, wird jedoch von der Finanzverwaltung auch nicht beanstandet. Dies hat die Verwaltung mit BMF-Schreiben vom 5.11.2021 (BStBl 2021 I, 2211 – LEXinform 7012925) durch eine Ergänzung der Rz. 18 des Schreibens vom 2.11.2018 (a.a.O.) klargestellt.
Der BFH hat mit Urteil vom 23.2.2012 (IV R 19/08, BStBl II 2013, 151) entschieden, unter welchen Voraussetzungen Schuldzinsen für ein Investitionsdarlehen, das auf ein Kontokorrentkonto ausgezahlt wurde, sowie Schuldzinsen für das Kontokorrentkonto auch dann als Betriebsausgaben abgezogen werden können, wenn der Unternehmer Überentnahmen getätigt hat (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 39/12 vom 6.6.2012, LEXinform 0438015). Der Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben wird durch § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt worden ist (sog. Überentnahmen). Ausgenommen von dieser Abzugsbeschränkung sind nur Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von WG des Anlagevermögens (Investitionsdarlehen). Werden Darlehensmittel auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem in der Folgezeit nicht nur die Anlagegüter, sondern auch sonstige (betriebliche und private) Aufwendungen bezahlt werden, stellt sich die Frage, inwieweit die Darlehensmittel tatsächlich gerade zur Anschaffung der Anlagegüter verwendet wurden. Denn nur die dafür entstandenen Schuldzinsen sind unbeschränkt abziehbar. Der BFH unterstellt nun in Anlehnung an die Verfahrensweise der Finanzverwaltung, dass die innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto bezahlten Investitionen mit den aufgenommenen Darlehen finanziert wurden. Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, kann der Unternehmer den Zusammenhang zwischen Auszahlung der Darlehensmittel und Bezahlung der WG im Einzelfall nachweisen. Darüber hinaus entschied der BFH, dass auch Kontokorrentzinsen, die durch die Finanzierung von Anlagevermögen entstehen, unbegrenzt abziehbar sind. Die Aufnahme eines gesonderten Darlehens ist nach Meinung des BFH nicht erforderlich. Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen, vgl. Rz. 24 des BMF-Schreibens vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 (s.a. Anmerkung vom 13.6.2012, LEXinform 0879246 sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 39/12 vom 6.6.2012, LEXinform 0438015).
Wird demgegenüber ein gesondertes Darlehen aufgenommen, mit dem teilweise WG des Anlagevermögens finanziert, teilweise aber auch sonstiger betrieblicher Aufwand bezahlt wird, können die Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a Satz 5 EStG – ungeachtet etwaiger Überentnahmen – als Betriebsausgaben abgezogen werden, soweit sie nachweislich auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der WG des Anlagevermögens entfallen. Der Stpfl. ist hierfür nachweispflichtig, vgl. BMF-Schreiben vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 26.
Nach dem BFH-Urteil vom 7.7.2016 (III R 26/15, BStBl II 2016, 837) sind auch Schuldzinsen (Zinseszinsen) für ein Darlehen, das ausschließlich der Finanzierung von Zinszahlungen eines Investitionsdarlehens i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG dient, voll abzugsfähig und unterliegen nicht der Abzugsbeschränkung. Die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 2.11.2018, BStBl I 2018,1207 Rz. 23 der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen.
Der BFH hat mit Urteil vom 23.3.2011 (X R 28/09, BStBl II 2011, 753) entschieden, dass im Fall zu hoher Privatentnahmen die auf die Finanzierung von Umlaufvermögen entfallenden Schuldzinsen auch dann nur gekürzt abziehbar sind, wenn sie auf den Erwerb eines Warenlagers entfallen (s.a. Pressemitteilung Nr. 54/11 vom 20.7.2011, LEXinform 0436701).
Der Kläger hatte im November 1998 eine Apotheke erworben und den Kaufpreis fremdfinanziert. Vom Gesamtkaufpreis entfielen 150 000 DM auf den Erwerb des Warenlagers. Seinen Gewinn ermittelte der Kläger nach einem vom Kj. abweichenden Wj. (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Seit der Betriebseröffnung kam es zu Überentnahmen, weshalb das FA den Gewinn um anteilige Schuldzinsen erhöhte. Der BFH hat die Abzugsbeschränkung im Grundsatz für rechtmäßig erklärt. Die für Zinsen auf das Anlagevermögen geltende Ausnahme erstrecke sich nicht auf den Zinsaufwand, der auf ein bei Betriebseröffnung angeschafftes Warenlager entfalle. Begünstigt seien nur Aufwendungen für betriebliche Investitionen, die dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt seien. Allerdings dürften aus Gründen des Vertrauensschutzes vor dem 1.1.1999 getätigte Überentnahmen nicht in die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen einbezogen werden (s.o.).
Entsprechend seinem o.a. Urteil vom 23.3.2011, X R 28/09, BStBl II 2011, 753 hat der BFH mit Urteil vom 27.10.2011 (III R 60/09, BFH/NV 2012, 576, LEXinform 0179936) entschieden, dass Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit der langfristigen Finanzierung der Erstausstattung des Warenlagers einer Apotheke, also mit Umlaufvermögen bei Unternehmensgründung zusammenhängen, im Falle von Überentnahmen dem Gewinn hinzuzurechnen sind. Bei der Berechnung des Schuldzinsenabzugs gem. § 4 Abs. 4a EStG bleibt nach Satz 5 der Vorschrift nur die Anschaffung von WG des Anlagevermögens, aber nicht von WG des Umlaufvermögens unberührt.
Auch nach BFH-Urteil vom 30.8.2012 (IV R 48/09, BFH/NV 2013, 187, LEXinform 0927414) bestehen gegen die Privilegierung von Anlagevermögen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG ist nicht willkürlich und verstößt insoweit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BFH Urteil vom 17.8.2010, VIII R 42/07, BStBl II 2010, 1041). Für eine Gleichbehandlung des Umlaufvermögens mit dem Anlagevermögen bestehe kein Anlass, da Umlaufvermögen zum alsbaldigen Absatz bestimmt ist und bei späteren Käufen häufig von Lieferanten Zahlungsziele eingeräumt werden. Die Differenzierung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen beim Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG ist selbst dann nicht willkürlich, wenn Umlaufvermögen anlässlich der Betriebseröffnung angeschafft wird, weil auch diese WG zum alsbaldigen Verkauf bestimmt sind und die investierten Gelder zeitnah wieder frei werden. Es liegt auch keine sinnwidrige Ungleichbehandlung der Finanzierungskosten von Anlage- und Umlaufvermögen vor, denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass es dem Stpfl. freisteht, wie er seine Privat- und Betriebsausgaben finanziert. Privilegiert werden lediglich Aufwendungen für betriebliche Investitionen, welche dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Im Übrigen seien Schuldzinsen für den Erwerb von Umlaufvermögen nicht per se nicht abziehbar, sondern lediglich dann, wenn der Stpfl. durch Überentnahmen Privataufwendungen in den betrieblichen Bereich verlagert hat. Denn auch insoweit gilt, dass die Tatsache des Vorliegens von Überentnahmen der Anknüpfungspunkt für die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ist und nicht etwa die Finanzierung von Umlaufvermögen.
Die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 23 der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen und darin geregelt, dass die Finanzierung von Umlaufvermögen, das im Rahmen der Betriebseröffnung erworben und fremdfinanziert wurde, nicht begünstigt ist.
Nach dem BFH-Urteil vom 29.3.2007 (IV R 72/02, BStBl II 2008, 420) sind bei Mitunternehmerschaften die Überentnahmen gesellschafterbezogen und nicht gesellschaftsbezogen zu ermitteln. Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 7.5.2008 (BStBl I 2008, 588) angeschlossen (vgl. auch BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 27). Das BMF-Schreiben regelt insbesondere auch den Übergang von der gesellschaftsbezogenen zur gesellschafterbezogenen Ermittlung der Überentnahmen. Danach ist die gesellschaftsbezogene Ermittlung bei gemeinsamem Antrag der Mitunternehmer noch für die Wj. anzuwenden, die vor dem 1.5.2008 begonnen haben. Zur gesellschafterbezogenen Ermittlung der Überentnahmen s.a. BMF vom 4.11.2008 (BStBl I 2008, 957).
Der Kürzungsbetrag nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG i.H.v. 2 050 € ist gesellschaftsbezogen anzuwenden, d.h. er ist nicht mit der Anzahl der Mitunternehmer zu vervielfältigen. Er ist auf die einzelnen Mitunternehmer entsprechend ihrer Schuldzinsenquote aufzuteilen (BMF vom 2.11.2018, BStBl I 2018, 1207 Rz. 28); dabei sind auch Schuldzinsen einzubeziehen, die im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung von WG des Sonderbetriebsvermögens stehen, (BFH Urteil vom 29.3.2007, IV R 72/02, BStBl II 2008, 420).
Beispiel 8:
An der X-OHG sind A, B und C zu jeweils einem Drittel beteiligt. Weitere Abreden bestehen nicht. Der Gewinn der OHG hat im Wj. 120 000 €, die Entnahmen haben 180 000 € und die Schuldzinsen zur Finanzierung laufender Aufwendungen 10 000 € betragen. B und C haben jeweils 80 000 € entnommen, während sich A auf eine Entnahme von 20 000 € beschränkte.
Lösung 8:
A |
B |
C |
|
Gewinnanteil |
40 000 € |
40 000 € |
40 000 € |
Entnahmen |
20 000 € |
80 000 € |
80 000 € |
Über-/Unterentnahmen |
20 000 € |
./. 40 000 € |
./. 40 000 € |
6 % |
0 € |
2 400 € |
2 400 € |
anteilige Schuldzinsen |
3 334 € |
3 333 € |
3 333 € |
Mindestabzug (je 1/3 von 2 050 €) |
684 € |
683 € |
683 € |
Höchstbetrag |
2 650 € |
2 650 € |
2 650 € |
Hinzurechnungsbetrag |
0 € |
2 400 € |
2 400 € |
Bei den Gesellschaftern B und C sind Überentnahmen i.H.v. jeweils 40 000 € entstanden. Demzufolge können Schuldzinsen i.H.v. jeweils 2 400 € (= 6 % aus 40 000 €) nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Hieraus ergibt sich ein korrigierter Gewinn der Mitunternehmerschaft i.H.v. 124 800 €, der den Mitunternehmern A i.H.v. 40 000 € und den Mitunternehmern B und C zu jeweils 42 400 € zuzurechnen ist.
Die einer Personengesellschaft entstandenen Schuldzinsen für ein Darlehen des Gesellschafters sind im Rahmen der Hinzurechnung gem. § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen, soweit sie zugleich als Sondervergütung behandelt worden sind. Dies gilt auch dann, wenn der Gesellschafter, der der Personengesellschaft ein Darlehen gewährt, an dieser nicht unmittelbar, sondern mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt ist. Die Sondervergütungen, die ein mittelbar über eine Obergesellschaft beteiligter Gesellschafter von der Untergesellschaft erhält, werden bei der Gewinnermittlung der Untergesellschaft erfasst (BFH Urteil vom 12.2.2014, IV R 22/10, BStBl II 2014, 621 sowie Anmerkung vom 26.6.2014, LEXinform 0944943).
Die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG in Fällen der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) regelt Rz. 37 des BMF-Schreibens vom 2.11.2018 (BStBl I 2018, 1207) im Wege einer strikten Rechtsnachfolgeregelung. Die Über- oder Unterentnahmen sowie ein ggf. vorhandenes Verlustpotenzial werden von der Zielgesellschaft fortgeführt. Die Grundsätze einer Betriebsveräußerung/-eröffnung sind nicht anzuwenden, unabhängig vom gewählten Wertansatz bei der Umwandlung. Diese Regelung betrifft jedoch vorrangig die Fälle einer Umwandlung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft.
Die OFD Rheinland äußert sich in einer Kurzinformation vom 29.6.2011 (Nr. 31/2011, DStR 2011, 1666) zum betrieblichen Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG bei Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft: Bei der formwechselnden Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (§§ 190 ff. UmwG) führt der Übergang des Betriebsvermögens nicht zu einer Einlage i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG. Bei der Personengesellschaft ist daher für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ein Anfangsbestand von 0 € zugrunde zu legen.
Im Fall der formwechselnden Umwandlung tritt die Personengesellschaft in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein (§ 4 Abs. 2 und § 9 UmwStG). Somit wären – ebenso wie in den Fällen des § 24 UmwStG – die Über- oder Unterentnahmen von der Personengesellschaft fortzuführen. Diese betragen jedoch stets 0 €, da § 4 Abs. 4a EStG bei Kapitalgesellschaften als Rechtsvorgänger keine Anwendung findet.
Auch der Ansatz des Buchwerts der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 UmwStG bei der Ermittlung des (Übernahme-)Gewinns führt nicht zur Annahme einer Einlage i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG. Eine tatsächliche Einlage i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG bzw. eine tatsächliche Überführung/Übertragung i.S.d. § 6 Abs. 5 EStG in das Betriebsvermögen der Übernehmerin ist damit nicht verbunden; es handelt sich um eine ausschließlich für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses geltende Fiktion.
Auch das Übernahmeergebnis i.S.d. § 4 Abs. 4 UmwStG darf unter dem Gesichtspunkt der Rechtsnachfolge der Personengesellschaft (s.o.) nicht in die Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG einfließen. Durch den Umwandlungsvorgang soll kein Entnahmepotenzial generiert oder vernichtet werden.
Hat ein Gesellschafter der später umgewandelten Kapitalgesellschaft ein Darlehen gewährt, stellt die daraus resultierende Forderung des Gesellschafters infolge der Umwandlung Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft dar. Dieser Vorgang führt zu einer im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigenden Einlage nach § 4 Abs. l Satz 8 EStG.
Die für den Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 EStG erforderliche betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen ist gegeben, wenn die zugrundeliegende Verbindlichkeit durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Für die Bestimmung des Veranlassungszusammenhangs ist allein die betriebliche Verwendung des Darlehensbetrages ausschlaggebend (vgl. BFH Urteil vom 29.8.2001, XI R 74/00, BFH/NV 2/2002, 188).
Darlehenszinsen sind dagegen nicht betrieblich veranlasst, wenn zwar bei den Verhandlungen zur Darlehensgewährung beabsichtigt war, mit der Darlehensvaluta Betriebsausgaben zu finanzieren, tatsächlich aber bei Auszahlung der Valuta die betrieblichen Aufwendungen bereits mit liquiden Mitteln bezahlt waren, und daher das Darlehen zu einer privaten Festgeldanlage verwendet wird. Die Zinsen können in diesem Fall allerdings dem Grunde nach Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sein. Zu beachten ist jedoch der Werbungskostenausschluss nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG.
Zu Fällen der Betriebsaufgabe bzw. -veräußerung hat die Rspr. entschieden, dass Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten als nachträgliche Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG) abziehbar sein können (BFH Urteil vom 15.5.2002, X R 3/99, BStBl II 2002, 809). Voraussetzung hierfür ist, dass
die nicht getilgten Verbindlichkeiten während des Bestehens des Betriebs begründet wurden und damit als zurückbehaltenes passives Betriebsvermögen in Betracht kommen und
die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös oder durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können.
Nach o.a. BFH-Urteil gelten diese Grundsätze zur Abzugsfähigkeit betrieblich veranlasster Schuldzinsen nach Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung auch dann, wenn ein Betrieb zu einem Liebhabereibetrieb (→ Liebhaberei) wird. Als nachträgliche Betriebsausgaben kommen allerdings nur solche Aufwendungen in Betracht, die objektiv erkennbar auf die betriebliche Tätigkeit vor Übergang zur Liebhaberei bezogen sind.
Der BFH hat mit Urteil vom 25.1.2001 (IX R 27/97, BStBl II 2001, 573) folgenden Fall entschieden:
Sachverhalt:
Der Stpfl. wohnt im eigenen EFH und ist Alleineigentümer eines Betriebsgrundstücks, auf dem er eine Druckerei betreibt. Zum 30.6.06 veräußert er den Betrieb unter Zurückhaltung (Entnahme) des Betriebsgrundstücks, das mit noch valutierten Grundschulden i.H.v. 66 095 € belastet ist. Das zurückbehaltene Grundstück wird nach der Betriebsveräußerung zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt. Am 30.6.06 ist auch das EFH mit einer noch valutierten Grundschuld von 148 275 € belastet. Am gleichen Tag nimmt der Stpfl. ein neues Darlehen über 137 027 € auf. Der Auszahlungsbetrag von 128 120 € (93,5 % des Darlehens) und der Kaufpreis für den Druckereibetrieb (178 952 € + USt 28 632 €) fließen auf ein für die Betriebsveräußerung eingerichtetes gesondertes Konto. Das auf dem Konto befindliche Guthaben i.H.v. insgesamt 335 704 € wird wie folgt verwendet:
Begleichung betrieblicher Schulden: |
||
Grundschulden |
66 095 € |
|
Bankschulden |
77 206 € |
|
insgesamt |
143 301 € |
|
Begleichung privater Schulden: |
||
EFH |
148 275 € |
|
USt |
28 632 € |
|
Anschaffung eines Pkw |
11 310 € |
|
insgesamt |
188 217 € |
188 217 € |
zusammen |
331 518 € |
|
gesamte Mittel (128 120 € + 178 952 € + 28 632 €) |
335 704 € |
|
Restguthaben |
4 186 € |
Am 18.8.06 wird dem Stpfl. die letzte Darlehensrate von 28 315 € gutgeschrieben; am gleichen Tag wird derselbe Betrag in zwei Teilbeträgen (10 420 € und 17 895 €) zum Erwerb einer Festgeldanlage abgebucht.
Entscheidung:
Die Schuldzinsen aus dem Darlehen für das Betriebsgrundstück können nicht als nachträgliche Betriebsausgaben abgezogen werden, weil der vom Stpfl. bei der Veräußerung des Betriebs erzielte Veräußerungserlös i.H.v. 178 952 € (netto) ausgereicht hätte, um die betrieblichen Schulden von insgesamt 143 301 € zu tilgen (BFH Urteil vom 7.7.1998, VIII R 5/96, BStBl II 1999, 209).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Unerheblich ist dabei, ob und weshalb der Stpfl. vorhandene Eigenmittel nicht zum Bestreiten der mit Darlehen finanzierten Aufwendungen eingesetzt hat. Er ist frei, wie er Fremd- und Eigenmittel verwendet; seine tatsächlich durchgeführte Entscheidung ist der Besteuerung zugrunde zu legen. Nach diesen Maßstäben kommt der Abzug eines Teils der Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht, da die letzte Darlehensrate von 28 315 € zum Kauf einer Festgeldanlage verwendet wurde.
Ein weiterer Teil der Schuldzinsen ist als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig. Unterlässt es der Stpfl., einen ursprünglich für allgemeine betriebliche Zwecke aufgenommenen Kredit nach der Aufgabe des Betriebs mit Hilfe der Veräußerung des früheren Betriebsgrundstücks zu tilgen, um dieses nunmehr vermögensverwaltend zu vermieten, und löst er deshalb die betrieblichen Verbindlichkeiten durch ein neues Darlehen ab, so sind die Schuldzinsen für das neue Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Der Stpfl. hat das neu aufgenommene Darlehen nicht tatsächlich gesondert zur Tilgung der betrieblichen Schulden und den Veräußerungserlös nicht tatsächlich gesondert zur Tilgung der privaten Schulden verwendet, was durch getrennte Zahlungen über verschiedene Konten möglich gewesen wäre. Vielmehr hat er die Darlehensvaluta und den Veräußerungserlös auf dasselbe Konto geleitet und von dort sowohl betriebliche als auch private Schulden getilgt. Damit hat er die Einzahlungs- und Auszahlungsbeträge so vermischt, dass eine gesonderte Zuordnung anhand der tatsächlichen Verwendung nicht möglich ist. Die Schuldzinsen sind somit bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur anteilig wie folgt zu berücksichtigen:
Vom dem o.a. Konto wurden private Aufwendungen von 159 585 € (ohne die Umsatzsteuer) und betriebliche Aufwendungen von 143 301 € beglichen, sodass der betriebliche Anteil 143 301 € von insgesamt 302 886 €, also rund 47 %, beträgt. Zur Finanzierung der Gesamtaufwendungen sind unter anderem der Erlös aus der Betriebsveräußerung und die ausgezahlte Darlehensvaluta von 128 120 € ohne die letzte, für die Festgeldbeträge eingesetzten Rate herangezogen worden. Die auf den Anteil der Darlehensvaluta von 128 120 € entfallenden Schuldzinsen sind folglich zu 47 % als Werbungskosten des Stpfl. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbar.
Die OFD Frankfurt äußert sich mit Vfg. vom 19.4.2000 (S 2144 A – 80 – St II 20, FR 2000, 788) zur steuerlichen Behandlung von Schuldzinsen, die aus Betriebsschulden herrühren, welche im Rahmen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe zurückbehalten bzw. nicht getilgt werden konnten.
Mit Urteil vom 28.3.2007 (X R 15/04, BStBl II 2007, 642) nimmt auch der BFH erneut zum Schuldzinsenabzug im Falle einer Betriebsaufgabe Stellung. Danach sind Schuldzinsen für betrieblich begründete Verbindlichkeiten nur insoweit nachträgliche Betriebsausgaben, als die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch eine mögliche Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können; nicht tilgbare frühere Betriebsschulden bleiben so lange noch betrieblich veranlasst, bis ein etwaiges Verwertungshindernis entfallen ist. Eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Schuldenberichtigung rechtfertigen jedoch nur solche Verwertungshindernisse, die ihren Grund in der ursprünglich betrieblichen Sphäre haben (Anschluss an BFH vom 19.8.1998, X R 96/95, BStBl II 1999, 353). Es steht nicht im Belieben des Unternehmers, im Falle einer Betriebsaufgabe betrieblich veranlasste Verbindlichkeiten zu tilgen. Vielmehr hat bei der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit die Schuldentilgung Vorrang vor einer privaten Bedürfnisbefriedigung. Wer sich anders verhält, muss sich so behandeln lassen, als ob er die erhaltenen und zurückbehaltenen Aktivwerte voll zur Schuldentilgung verwendet hätte (BFH vom 11.12.1980, I R 119/78, BStBl II 1981, 460). Deshalb können in Fällen, in denen aktive WG des Betriebsvermögens nicht zur Schuldentilgung eingesetzt worden sind, Schuldzinsen nicht als nachträgliche Betriebsausgaben geltend gemacht werden.
Werden im Falle einer Betriebsaufgabe aktive WG aus privaten Gründen zusammen mit der ursprünglich betrieblich begründeten Verbindlichkeit ins Privatvermögen übernommen, sind die Schulden – gleichgültig, ob sie zur Finanzierung allgemein betrieblicher Zwecke oder bestimmter, nun nicht mehr im Betriebsvermögen vorhandener WG aufgenommen wurden – bis zur Höhe des Werts der ins Privatvermögen übernommenen WG diesen zuzuordnen.
Werden die ins Privatvermögen überführten WG im Rahmen einer anderen Einkunftsart genutzt, stehen die durch die ursprünglich betrieblichen Verbindlichkeiten verursachten Schuldzinsen nun in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dieser neuen Einkunftsart und können bei dieser ggf. als Betriebsausgaben/Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden (vgl. hierzu auch H 4.2 (15) EStH [Betriebsaufgabe oder -veräußerung im Ganzen]).
Nach dem BFH-Urteil vom 18.10.2011 (IX R 15/11, BStBl II 2012, 205) entstehen bei der Einbringung einer privaten Verbindlichkeit in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft Anschaffungskosten, es liegt kein Gestaltungsmissbrauch vor (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 100/11 vom 7.12.2011, LEXinform 0437307). Weitere Erläuterungen mit Beispiel s. unter → Grundstücksgemeinschaften.
Schuldzinsen und sonstige Darlehensaufwendungen gehören nur dann zu den Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn mit der Darlehensvaluta tatsächlich Aufwendungen für das Vermietungsobjekt gezahlt worden sind (BFH Beschluss vom 5.4.2004, IX B 66/03, BFH/NV 2004, 1251). Ein rein rechtlicher Zusammenhang oder ein zufällig auftretender Bezug zum vermieteten Grundstück genügt nicht. Die Belastung eines vermieteten Grundstücks mit einer Grundschuld oder Hypothek als Sicherheit für ein Darlehen begründet für sich allein keinen wirtschaftlichen Zusammenhang zu dem Objekt, wenn das Darlehen selbst privaten Zwecken dient. (H 21.2 [Finanzierungskosten – 1. Spiegelstrich –] EStH). Die anfallenden Darlehnszinsen können in diesen Fällen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Schuldzinsen sind vorab entstandene (= vorweggenommene) Werbungskosten, wenn sie bereits vor Beginn der Vermietungstätigkeit angefallen sind und mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen. Dies gilt auch für Geldbeschaffungskosten, wenn der Erwerber eines vermieteten Grundstücks sie aufwendet, um sich die für dessen Anschaffung oder Herstellung erforderlichen Geldmittel zu besorgen. Schuldzinsen zählen grundsätzlich nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Grundstücks, was insbesondere deshalb von Bedeutung ist, weil die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Gegensatz zu den im Jahr der Zahlung sofort abzugsfähigen Schuldzinsen und sonstigen Geldbeschaffungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG nur im Rahmen der AfA über den Zeitraum der Nutzung zu berücksichtigen sind.
Mit Urteil vom 6.12.2021, IX R 8/21, BFH/NV 2022, 713, LEXinform 0953454 hat der BFH entschieden, auch Kosten für ein Projektcontrolling unter den Begriff der Schuldzinsen fallen können. Voraussetzung für die Beurteilung als Finanzierungskosten ist, dass die Auszahlung der zur Finanzierung der Herstellung eines Vermietungsobjekts dienenden Darlehnsraten davon abhängt, dass im Rahmen des Projektcontrollings für die finanzierende Bank relevante Unterlagen und laufende Controlling-Berichte erstellt werden.
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob Aufwendungen für ein Projektcontrolling im Zusammenhang mit der Errichtung fremdfinanzierter Vermietungsobjekte sofort abziehbare Finanzierungskosten darstellen oder als Herstellungskosten nur im Wege der AfA berücksichtigt werden können. Die Auszahlung der zur Finanzierung der Bauvorhaben aufgenommenen Darlehen erfolgte nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der finanzierenden Bank unter der Voraussetzung, dass die Kläger für die Bauvorhaben einen Projektcontrollingvertrag mit einer GmbH abschließen. Die sich aus diesem Vertag ergebenden Leistungen sollten »im Rahmen der Finanzierung durch die Bank« erbracht werden. Auf Grundlage des Vertrags wurden alle zwei Monate Monatsberichte erstellt, in denen Bank und Bauherr über die wichtigsten Ereignisse zur Entwicklung der Bauvorhaben (Baufortschritt) im jeweiligen Berichtszeitraum informiert wurden.
Die Kläger machten die Kosten für das Projektcontrolling als sofort abzugsfähige Werbungskosten (Finanzierungskosten) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, während die Finanzverwaltung der Auffassung war, dass es sich bei den Aufwendungen nicht um Finanzierungskosten, sondern um im Wege der AfA zu berücksichtigende Herstellungskosten der Immobilienobjekte handle.
Der BFH bestätigte mit o.a. Urteil die Entscheidung des vorinstanzlichen FG Brandenburg vom 4.3.2021 (12 K 12180/18, EFG 2021, 1817) und sah die Aufwendungen für das Projektcontrolling als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Seiner Auffassung nach haben die im Rahmen des Projektcontrollings erbrachten Leistungen der Finanzierung des Bauvorhabens gedient, da das Projektcontrolling nach den vertraglichen Bestimmungen »im Rahmen einer Finanzierung durch die Bank« installiert worden sei. Die erstellten Monatsberichte hätten vor allem die Funktion gehabt, das am Projekt beteiligte Finanzierungsinstitut zu informieren, und damit eine Bedingung für die Auszahlung der Darlehensteilbeträge nach Baufortschritt dargestellt.
Die Tätigkeit des mit dem Projektcontrolling beauftragten Bauingenieurs habe in der Prüfung bzw. Buchung von Rechnungen und der Vorbereitung der Unterlagen für die auszahlende Bank sowie in der Erstellung von Controlling-Reports (Bestandsaufnahmen) bestanden. Es handle sich daher bei den Kosten für das bankseitige Projektcontrolling um Aufwendungen, die durch das Beschaffen der Geldmittel veranlasst seien. Ohne das Projektcontrolling hätte die Bank die Finanzierung nicht bereitgestellt. Dies reiche nach Auffassung des BFH zur Begründung des erforderlichen Zusammenhangs mit der Finanzierung des Objekts aus.
Gegen einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Herstellungsvorgang spreche auch, dass mit den Baumaßnahmen bereits vor Abschluss der Kreditverträge und des Projektcontrollingvertrags begonnen worden sei. Zudem habe der mit dem Projektcontrolling beauftragte Bauingenieur keine Leistungen erbracht, die im Zusammenhang mit der Gebäudeherstellung angefallen sind. Und schließlich haben die Kläger andere Unternehmen mit der Bauplanung, Bauüberwachung sowie der Baubetreuung beauftragt. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätten die von der GmbH tatsächlich erbrachten und abgerechneten Controllingleistungen allein den »Finanzierungsbereich« und nicht die Herstellung der Mietobjekte betroffen. Es handle sich demnach um Nebenkosten der Darlehensaufnahme.
Als Bauzeitzinsen werden die Zinsen bezeichnet, die auf den Zeitraum der Herstellung eines WG (Gebäudes) entfallen (BFH Urteil vom 23.5.2012, IX R 2/12, BStBl II 2012, 674, Tz. 10). Aufwendungen, die bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erwachsen, können nicht als Werbungskosten sofort abgezogen werden, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich nach § 255 Abs. 2 HGB.
Danach sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands (Wirtschaftsguts), seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten (§ 255 Abs. 3 Satz 1 HGB). Wird das Fremdkapital indes zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet, dürfen die Zinsen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (Bauzeitzinsen); in diesem Falle gelten sie nach § 255 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 HGB als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands.
Dieses handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht wird auch einkommensteuerlich gewährt (vgl. R 6.3 Abs. 5 EStR), und zwar nicht nur für bilanzierende Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, sondern auch für nicht bilanzierende Stpfl., die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermitteln.
Bauzeitzinsen sind auch bei Stpfl., die ihre Einkünfte durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermitteln, in die Herstellungskosten einzubeziehen, jedenfalls dann, wenn sie nicht schon im Zeitpunkt ihrer Leistung als Werbungskosten abziehbar sind. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4.7.1990 (GrS 1/89, BStBl II 1990, 830) sind die AfA für den Bereich der Überschusseinkünfte nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen, die auch für Gewinneinkünfte gelten.
Zur Behandlung von Bauzeitzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat der BFH mit Urteil vom 23.5.2012 (IX R 2/12, BStBl II 2012, 674) wie folgt entschieden:
Sachverhalt:
Im Urteilsfall errichtete der Stpfl. ein Mehrfamilienhaus zum Zwecke des Verkaufs, entschloss sich aber später dazu, das Gebäude ab der Fertigstellung zu vermieten. Solange das Gebäude veräußert werden sollte, waren die während der Bauphase anfallenden Finanzierungsaufwendungen keine vorab entstandenen Werbungskosten. Die Frage stellte sich aber, ob sie nach der geänderten Verwendungsabsicht insoweit in die Herstellungskosten und damit in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen werden konnten.
Lösung:
Wie bereits oben erläutert bejahte der BFH diese Frage: § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB erlaubt den Ansatz von Bauzeitzinsen, also von Zinsen, die auf den Zeitraum der Herstellung entfallen, als Herstellungskosten (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 52/12 vom 11.7.2012, LEXinform 0438178).
Führt ein Beteiligter an einer Bauherrengemeinschaft beteiligt, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, nach Kündigung des Gesellschaftsvertrags seine Tätigkeit als Gesellschafter unverändert bis zur Auseinandersetzung der Bauherrengemeinschaft fort, sind Schuldzinsen für den Zeitraum zwischen Kündigung und Auseinandersetzung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (BFH vom 4.3.1997, IX R 29/93, BStBl II 1997, 610).
Die kraft Gesetz bestimmte persönliche Haftung der Gesellschafter einer GbR kann nicht durch einen Namenszusatz oder einen anderen diesbezüglichen Hinweis, sondern nur durch eine individualvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Die Haftung gilt auch nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die während der Mitgliedschaft des Gesellschafters begründet wurden (sog. Altverbindlichkeiten) fort, soweit die Nachhaftung nicht nach § 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB begrenzt ist.
Nach dem BFH-Urteil vom 1.12.2015 (IX R 42/14, BStBl II 2016, 332) ist es für die Berücksichtigung nachträglicher Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht von Bedeutung, dass diese nicht aufgrund der ursprünglichen darlehensvertraglichen Verpflichtung (oder einer damit einhergehenden vertraglichen Haftung), sondern aufgrund einer gesetzlich geregelten Gesellschafterhaftung geleistet wurde. Die Entscheidung des Stpfl., seine Beteiligung an einer PersGes, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, zu veräußern, beinhaltet grundsätzlich den Entschluss, die Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung aufzugeben. Unbeschadet dessen führt eine Inanspruchnahme im Zuge der Nachhaftung (§ 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB) bei einem Stpfl., der seine Beteiligung an der GbR gerade zur Vermeidung einer solchen persönlichen Haftung weiterveräußert hat, zu steuerlich berücksichtigungsfähigem Aufwand, soweit er diesen endgültig selbst trägt (s.a. Anmerkung vom 29.3.2016, LEXinform 0947658).
Von nachträglichen Schuldzinsen ist auszugehen, wenn die Aufwendungen erst nach Wegfall der Einkünfteerzielungsabsicht entstehen. Davon zu unterscheiden sind die rückständigen Schuldzinsen, die während der Zeit der Einkünfteerzielung angefallen sind, aber erst nach Aufgabe der Einkünfteerzielung bezahlt werden. Letztere Aufwendungen sind uneingeschränkt als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Nach dem BFH-Urteil vom 16.9.1999 (IX R 42/97, BStBl II 2001, 528) ist bei der Frage des Abzugs von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu unterscheiden, ob der Kredit zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes oder zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten verwendet worden ist.
Mit Urteil vom 20.6.2012 (IX R 67/10, BStBl II 2013, 275) hat der BFH unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Schuldzinsen für ein Darlehen, das ursprünglich zur Finanzierung von Anschaffungskosten einer zur Vermietung bestimmten Immobilie aufgenommen wurde, grundsätzlich auch dann noch als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können, wenn das Gebäude veräußert wird, der Veräußerungserlös aber nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen (s.a. Meyer u.a., DStR 2012, 2260 sowie Geserich, NWB 2012, 3304). Dabei ist für den nachträglichen Schuldzinsenabzug maßgeblich, dass die Vermietungstätigkeit erst mit der Veräußerung des Grundstücks endet (BFH Urteil vom 20.6.2012 (IX R 67/10, BStBl II 2013, 275, Rz. 22). Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen muss somit ein »fortdauernder Veranlassungszusammenhang« gegeben sein (s.u. BFH Urteil vom 21.1.2014, IX R 37/12, BStBl II 2015, 631).
Der Kläger hatte 1994 ein Wohngebäude erworben und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der bei der Veräußerung des Grundstücks im Jahr 2001 erzielte Erlös reichte nicht aus, um die bei dessen Anschaffung aufgenommenen Darlehen vollständig abzulösen, sodass der Kläger auch im Streitjahr 2004 noch Schuldzinsen auf die ursprünglich aufgenommenen Verbindlichkeiten aufwenden musste. Mit o.a. Urteil erkannte der BFH die geltend gemachten Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an.
Mit Urteil vom 8.4.2014 (IX R 45/13, BStBl II 2015, 635) hat der BFH entschieden, dass auf ein (umgeschuldetes) Anschaffungsdarlehen gezahlte nachträgliche Schuldzinsen auch im Fall einer nicht steuerbaren Veräußerung der vormals vermieteten Immobilie grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden können (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 37/2014 vom 14.5.2014, LEXinform 0441802).
Die Entscheidung des BFH knüpft an das o.a. Urteil vom 20.6.2012 (a.a.O.) an, mit dem der BFH den nachträglichen Schuldzinsenabzug auch schon im Falle einer nach § 23 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung zugelassen hatte. Er erweitert jedoch die Möglichkeit des Schuldzinsenabzugs insoweit, als ein nachträglicher Schuldzinsenabzug grundsätzlich auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie möglich ist, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.
Auch die Finanzverwaltung hat sich der geänderten Rspr. des BFH angeschlossen und nimmt mit BMF-Schreiben vom 27.7.2015 (BStBl I 2015, 581) u.a. zur Anwendung des BFH-Urteils vom 8.4.2014 (a.a.O.) Stellung (s.a. Anmerkung vom 4.8.2015, LEXinform 0652692 sowie Anmerkung vom 28.8.2015, LEXinform 0880080).
Somit können Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten, die der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie dienen, auch nach deren Veräußerung weiter als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). Reicht hingegen der Veräußerungserlös zur Schuldentilgung aus, so sind Schuldzinsen nach Veräußerung der Immobilie auch dann nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. infolge hoher Vorfälligkeitsentschädigungen den Verkaufserlös zur Minderung der Zinslast festverzinslich anlegt (FG Münster vom 11.3.2016, 4 K 173/13 E, EFG 2016, 805, LEXinform 5018990, rkr.).
Hinweis:
Mit Schaffung einer neuen Einkunftsquelle durch den Veräußerungserlös – beispielsweise von Einkünften aus Kapitalvermögen durch Anlage des Veräußerungserlöses – wird der ursprünglich bestehende wirtschaftliche Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durchbrochen. Die Schuldzinsen können nun grundsätzlich bei dem »Surrogat«, also der neuen Einkunftsquelle, als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben angesetzt werden (vgl. BFH Urteil vom 8.4.2014, IX R 45/13, BStBl II 2015, 635).
Ohne Anschaffung einer ersetzenden Einkunftsquelle sind die Schuldzinsen nur dann anzuerkennen, wenn der Veräußerungserlös zur Schuldentilgung eingesetzt worden ist (vgl. BFH Urteil vom 16.9.2015, IX R 40/14, BStBl II 2016, 78; ebenso BMF-Schreiben vom 27.7.2015, BStBl I 2015, 581). Dem Vorrang der Schuldentilgung ist jedoch nur zu folgen, wenn keine Rückzahlungshindernisse entgegenstehen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist ein solches Hindernis.
Das FG Münster wies die Klage ab, obwohl es die Auffassung des Klägers hinsichtlich der wirtschaftlich sinnvollsten Entscheidung teilt. Aber der Grundsatz der Schuldentilgung kommt erst dann zum Ansatz, wenn eben kein Einkunftssurrogat erworben wurde. Mit der Entscheidung für eine Ersatzeinkunftsquelle ist der Zusammenhang der Schuldzinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr gegeben. Ein Ansatz der Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen wäre dem Grunde nach möglich, ist jedoch nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ausgeschlossen (s.a. Anmerkung vom 10.5.2016, LEXinform 0947778 sowie Gliederungspunkt »Kein Werbungskostenabzug bei Anwendung der Abgeltungsteuer«).
Zum aus einer Veräußerung erzielten »Erlös« zählt grundsätzlich auch eine vom Stpfl. vereinnahmte Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung, wenn diese in die Finanzierung der Anschaffungskosten einer fremdvermieteten Immobilie einbezogen und damit wesentlicher Bestandteil der Darlehensvereinbarung geworden ist. Der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung verpflichtet den Stpfl. allerdings nicht, die Beendigung des Versicherungsvertrages von sich aus herbeizuführen, wenn die Versicherung weiterhin die Rückführung des verbliebenen Darlehensrestbetrages absichert (BFH Urteil vom 16.9.2015, IX R 40/14, BStBl II 2016, 78 sowie Anmerkung vom 5.1.2016, LEXinform 0947429).
Beispiel 9:
Der Stpfl. A erwarb im Jahr 13 eine Eigentumswohnung, die in der Folgezeit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diente. Die Anschaffungskosten, die sich einschließlich Nebenkosten auf rund 236 000 € beliefen, hatte A durch ein Annuitätendarlehen (mit 1 % Tilgung) i.H.v. 60 000 € sowie durch ein Festdarlehen i.H.v. 180 000 € fremdfinanziert. Das Festdarlehen war u.a. durch einen von A im Jahr 08 abgeschlossenen und am 1.12.47 ablaufenden Kapitallebensversicherungsvertrag abgesichert, welcher an die finanzierende Bank abgetreten war. Der Jahresbetrag der von A geschuldeten Versicherungsprämien war im Darlehensvertrag unter den Darlehenskonditionen aufgeführt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 5.11.27 veräußerte A die Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 65 000 €. Der Veräußerungserlös reichte nicht aus, um die zum 31.12.27 noch mit 232 070 € valutierten Darlehensverbindlichkeiten abzulösen; es verblieb ein Darlehensrestbetrag i.H.v. 167 070 €. Der Rückkaufswert der von A abgeschlossenen Lebensversicherung betrug zu diesem Zeitpunkt 35 756 €.
Lösung 9:
Zu Sachverhalt und Lösung s. das BFH-Urteil vom 16.9.2015 (IX R 40/14, BStBl II 2016, 78).
Das FA ließ die nachträglichen Schuldzinsen nicht zum Werbungskostenabzug zu, da
die verlustbringende Veräußerung der vormals vermieteten Eigentumswohnung nicht innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stattgefunden habe und
der Abzug von nachträglichen Schuldzinsen anteilig gekürzt werden müsse, wenn und soweit der Rückkaufswert einer Lebensversicherung nicht zur Schuldentilgung eingesetzt wird.
Schuldzinsen, die durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können.
Der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung gilt jedoch so lange nicht, wie der Schuldentilgung Auszahlungshindernisse hinsichtlich des Veräußerungserlöses oder Rückzahlungshindernisse hinsichtlich der Schuld entgegenstehen. Voraussetzung ist, dass die Absicht, (weitere) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, nicht bereits vor der Veräußerung der Immobilie aus anderen Gründen weggefallen ist.
Es ist für den Werbungskostenabzug unmaßgeblich, ob die Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist erfolgt und gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar ist (so auch BFH Urteil vom 16.9.2015 (a.a.O.); s.a. Anmerkung vom 5.1.2016, LEXinform 0947429).
Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist maßgebend, wofür der Veräußerungserlös verwendet wird:
Wenn mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle finanziert wird, besteht der Veranlassungszusammenhang am neuen Objekt fort.
Wenn kein neues Objekt angeschafft wird, kommt es darauf an, ob der Verkaufspreis ausreicht, um das Darlehen (vollständig) abzulösen.
Wenn die vollständige Ablösung des Darlehens möglich wäre, endet der wirtschaftliche Zusammenhang mit der ursprünglichen Einkunftsquelle (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung).
Reicht der Verkaufserlös nicht zur vollständigen Tilgung aus, besteht auch für den nicht abgelösten Teil der Veranlassungszusammenhang fort.
Der Veranlassungszusammenhang kann auch bei Schuldzinsen, die auf Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlt werden, fortbestehen (s.a. Anmerkung vom 20.5.2014, LEXinform 0652385).
Der Werbungskostenabzug ist mangels Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu verneinen,
soweit die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis der Immobilie hätten getilgt werden können; das gilt auch bei einer nicht steuerbaren Veräußerung (s.o.);
wenn kein »fortdauernder« Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S.d. § 21 EStG anzunehmen ist.
Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von (nachträglichen) Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S.d. § 21 EStG ist nicht anzunehmen, wenn der Stpfl. zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung der Immobilie aus anderen Gründen weggefallen ist (BFH Urteil vom 21.1.2014, IX R 37/12, BStBl II 2015, 631; Anmerkung vom 11.6.2014, LEXinform 0652390 sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 38/2014 vom 21.5.2014, LEXinform 0441837). Für Schuldzinsen, die in der Zeit nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht, aber vor der Veräußerung des Mietobjekts gezahlt werden, ist kein nachträglicher Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zulässig. Derartige Schuldzinsen stehen nicht mehr mit den Einkünften gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang, sondern sind Gegenleistung für die Kapitalüberlassung, die im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Erzielung von Einkünften dient (BMF vom 27.7.2015, BStBl I 2015, 581, Tz. 3.).
In seinem Urteil vom 6.12.2017, IX R 4/17, BStBl. II 2018, 268, LEXinform 0951236 hat der BFH erneut zur Frage der Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Stellung genommen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger wurden in den Streitjahren als Ehegatten zusammen veranlagt und waren Eigentümer von zwei bebauten Grundstücken A und B, aus denen sie jeweils Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten. Die Anschaffungskosten beider Grundstücke waren von den Klägern durch Darlehen eines Kreditinstituts fremdfinanziert worden. Am 4.10.2007 veräußerten die Kläger das Objekt A innerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Eine Tilgung der zur Finanzierung der Anschaffungskosten des veräußerten Grundstücks A aufgenommenen Darlehen erfolgte zunächst nicht.
Für das Streitjahr 2009 machten die Kläger für das Objekt B Schuldzinsen i.H.v. insgesamt 211 455 € als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. In diesem Betrag waren auch Schuldzinsen aus zwei Darlehen enthalten, die zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Objekts A aufgenommen worden waren. Zum 31.7.2009 tilgten die Kläger die zur Finanzierung des Objekts B aufgenommenen Darlehen unter Verwendung eines Teils des Veräußerungserlöses aus dem Objekt A. Einen anderen Teil des Veräußerungserlöses verwendeten sie dazu, eines der beiden für die Anschaffung des Grundstücks A aufgenommenen Darlehen teilweise zu tilgen.
Das FA erkannte die Umwidmung eines der beiden für Objekt A aufgenommenen Darlehen an und berücksichtigte die dafür angefallenen Schuldzinsen ab August 2009 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus Objekt B. Für die Schuldzinsen, die darüber hinaus bei diesem Darlehen sowie für das zweite Darlehen angefallen waren, versagte das FA den Werbungskostenabzug. Im November 2009 erwarben die Kläger zwei weitere Vermietungsobjekte, deren Anschaffung sie über neu aufgenommene Darlehen finanzierten.
Für die Streitjahre 2010 und 2011 machten die Kläger wiederum die gesamten Schuldzinsen aus den beiden ursprünglich für das veräußerte Objekt A aufgenommenen Darlehen als Werbungskosten geltend. FA und FG Niedersachsen (Urteil vom 3.8.2016, 4 K 236/14, EFG 2017, 1337) erkannten wiederum nur den auf das umgewidmete Darlehen entfallenden Teilbetrag an.
In seinem o.a. Urteil hat sich der BFH der Entscheidung des FG angeschlossen und die Berücksichtigung der strittigen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgelehnt. Nach den Ausführungen des Gerichts kommt im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhangs zwischen Schuldzinsen auf ein Immobiliendarlehen und der Einkünftesphäre einerseits dem mit der Aufnahme der Darlehensschuld verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Darlehensmittel entscheidende Bedeutung zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines Vermietungsobjekts zur Nutzung besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung getätigt werden. Mit der erstmaligen objektbezogenen Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt.
Ein einmal begründeter und zwischenzeitlich auch nicht weggefallener wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang eines Darlehens mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entfällt nicht allein deshalb, weil die mit den Darlehensmitteln angeschaffte Immobilie veräußert wird. Vielmehr setzt sich der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang unabhängig von der Veräußerung und mithin auch unabhängig von der Frage ihrer Steuerbarkeit fort (sog. Surrogationsbetrachtung). Daher sind nachträgliche Schuldzinsen, die auf ein solches Darlehen entfallen, grundsätzlich auch nach einer – ggf. gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren – Veräußerung der Immobilie weiterhin als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können (Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). Für die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen ist daher maßgeblich, was mit dem Veräußerungspreis geschieht:
Schafft der Steuerpflichtige mit dem Veräußerungserlös eine neue Einkunftsquelle an, z.B. ein anderes Vermietungsobjekt, besteht der Zusammenhang am neuen Objekt fort, eventuell auch nur anteilig in Höhe des für das Surrogat verwendeten Veräußerungserlöses.
Wird hingegen kein neues Objekt und auch keine anderweitige Einkunftsquelle angeschafft, kommt es darauf an, ob der Verkaufserlös ausreicht, um das Darlehen abzulösen. Ist dies der Fall, endet der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige tatsächlich das Darlehen ablöst oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig (privat) verwendet und das Darlehen bestehen lässt.
Reicht der Verkaufserlös nicht aus, um ein hierfür aufgenommenes Darlehen abzulösen, bleibt der nicht ablösbare Teil des fortgeführten Anschaffungsdarlehens weiterhin im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die auf diesen Teil entfallenden anteiligen Schuldzinsen können folglich als nachträgliche Werbungskosten berücksichtigt werden.
Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können durch die frühere Einkünfteerzielung veranlasst sein. Daher kann auch ein Darlehen, das nicht unmittelbar dazu dient, Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer zur Erzielung von Mieteinkünften genutzten Immobilie zu finanzieren, sondern aufgenommen wird, um ein bereits früher aufgenommenes und nach Veräußerung der Immobilie fortgeführtes Anschaffungsdarlehen umzuschulden, mit Blick auf die Surrogationsbetrachtung noch in einem hinreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung stehen, soweit die Valuta des Umschuldungsdarlehens nicht über den abzulösenden Restdarlehensbetrag hinausgeht und die Umschuldung sich im Rahmen einer marktüblichen Finanzierung bewegt.
Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist dabei stets objektbezogen zu betrachten, maßgebend ist die auf ein bestimmtes Objekt ausgerichtete Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Für die Abziehbarkeit von Schuldzinsen als Werbungskosten kommt es auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem konkreten Vermietungsobjekt im Zeitpunkt ihres jeweiligen Entstehens an. Eine bloße gedankliche Zuweisung eines Darlehens durch den Steuerpflichtigen genügt nicht; die Darlehensmittel müssen vielmehr tatsächlich einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden können. Es steht nach der erstmaligen objektbezogenen Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines Vermietungsobjekts auch nach dessen späterer Veräußerung nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, ungeachtet der objektiven Umstände lediglich aufgrund einer bloßen Willensentscheidung diese Fremdmittel einem anderen Vermietungsobjekt zuzuordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass das Darlehen auch im Zeitpunkt des jeweiligen Entstehens der Schuldzinsen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften – im vorliegenden Falle von solchen aus Vermietung und Verpachtung – verwendet worden sein muss.
Da im Entscheidungsfall mit dem Veräußerungserlös aus dem Objekt A keine neue Einkunftsquelle angeschafft worden ist, dieser aber ausgereicht hätte, um die noch valutierenden Darlehen aus der Anschaffung des Objekts A abzulösen, endete im Streitfall der wirtschaftliche Zusammenhang dieser Darlehen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung im Jahr 2007.
Außerdem hat das FG nach Auffassung des BFH zu Recht entschieden, dass rechtliche Hindernisse der Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung nicht entgegenstanden. Denn auch bei einem Festzinskredit mit vertraglich vereinbarter Laufzeit begründet das Bedürfnis des Darlehensnehmers nach einer anderweitigen Verwertung des beliehenen Objekts eine Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen. Der Einwand der Kläger, dass die Tilgung eines der beiden Darlehen aus der Ablaufleistung einer zu diesem Zweck abgeschlossenen Kapitallebensversicherung erfolgen sollte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn dies hinderte die Kläger nicht daran, das Darlehen aus dem Veräußerungserlös zu tilgen und die Ablaufleistungen der Lebensversicherungen für andere Zwecke zu verwenden. Die Schuldzinsen nach Veräußerung des Objekts A waren Gegenleistung für die Überlassung der Darlehensmittel und hingen nicht mehr mit der Einkünfteerzielung aus diesem Objekt zusammen.
Die streitigen Schuldzinsen können auch nicht als (vorab entstandene) Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften aus anderen Objekten abgezogen werden, da die Mittel aus den betreffenden Darlehen nicht tatsächlich zum Erzielen von Vermietungseinkünften in den Streitjahren verwendet wurden. Die Klägerin hat den Erlös aus der Veräußerung nicht zur Anschaffung anderer Vermietungsobjekte eingesetzt, insbesondere wurden die im November 2009 neu angeschafften Immobilien allein durch die Aufnahme neuer Kredite finanziert. Die – nicht durch eine tatsächliche Verwendung begründete – (angebliche) Reinvestitionsabsicht des Veräußerungserlöses in ein noch zu erwerbendes und nicht bestimmtes Vermietungsobjekt reicht nicht aus, um der Surrogationsbetrachtung zu genügen und den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen.
Nach dem BFH-Urteil vom 12.10.2005 (IX R 28/04, BStBl II 2006, 407) und den entsprechenden Verwaltungsanweisungen (BMF vom 3.5.2006, BStBl I 2006, 363) sind Zinsen für Darlehen, mit deren Mitteln sofort abziehbare Werbungskosten (z.B. Erhaltungsaufwendungen) finanziert worden sind, auch nach Beendigung der Vermietungstätigkeit weiterhin abzugsfähig. Ob und in welcher Höhe ein Veräußerungserlös erzielt worden ist, spielt dabei keine Rolle. Dies gilt gem. BMF vom 27.7.2015, BStBl I 2015, 581 Tz. 4.2) nur insoweit, als das obligatorische Veräußerungsgeschäft (Kaufvertrag) vor dem 1.1.2014 rechtswirksam abgeschlossen wurde.
Für obligatorische Veräußerungsgeschäfte, die nach dem 31.12.2013 rechtswirksam abgeschlossen werden, gilt das o.a. BMF-Schreiben vom 27.7.2015 (Tz. 4.1). Danach ist Voraussetzung für den nachträglichen Werbungskostenabzug für Schuldzinsen aus darlehensfinanzierten Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dass der Veräußerungserlös nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen.
Der durch die tatsächliche Verwendung des Darlehens zur Finanzierung sofort abziehbarer Werbungskosten geschaffene Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bleibt zwar grundsätzlich auch nach Beendigung der Vermietungstätigkeit bestehen. Wird der Veräußerungserlös aber nicht zur Tilgung dieses Darlehens verwendet, kann eine daneben bestehende bzw. neu entstehende relevante private Motivation für die Beibehaltung des Darlehens den ursprünglich gesetzten wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang überlagern und damit durchbrechen.
Bestehen im Zusammenhang mit dem veräußerten Mietobjekt mehrere Darlehensverbindlichkeiten, ist für die steuerliche Anerkennung der Verwendung des Veräußerungserlöses zur Tilgung der Verbindlichkeiten – entsprechend der Beurteilung durch einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmann – entscheidend, dass die Darlehen nach Maßgabe der konkreten Vertragssituationen marktüblich und wirtschaftlich unter Berücksichtigung der Zinskonditionen abgelöst werden (vgl. BMF-Schreiben vom 27.7.2015, BStBl I 2015, 581, Tz. 1.1).
Ändert sich die Verwendung von Darlehensmitteln, so entfällt der anfänglich begründete wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen bleibt allerdings erhalten, wenn zeitgleich mit dem Wegfall des alten ein neuer Erwerbszusammenhang begründet wird. Das Darlehen dient dann nicht mehr dem ursprünglich angeschafften WG, sondern dem an dessen Stelle getretenen Surrogat.
Ein Stpfl. kann über die Finanzierung seiner WG frei entscheiden. Der maßgebliche Bestimmungsgrund für Schuldzinsen ist deswegen danach zu beurteilen, ob und wie die Darlehensvaluta tatsächlich verwendet wird. Der Stpfl. kann ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäude oder einem Gebäudeteil wie etwa einer bestimmten Eigentumswohnung zuordnen. Das kann allerdings nur dadurch geschehen, dass er mit den als Darlehen empfangenen Mitteln tatsächlich diejenigen Aufwendungen begleicht, die gerade für die Anschaffung oder Herstellung dieses WG anfallen (BFH Urteile vom 9.7.2002, IX R 65/00, BStBl II 2003, 389 und vom 1.4.2009, IX R 35/08, BStBl II 2009, 663). Nach dem Urteil des FG Köln vom 16.12.2010 (6 K 2370/07, LEXinform 5012075) müssen die Darlehenszinsen mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und derselben Immobilie in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Sollen Darlehenszinsen zum Kauf einer Immobilie als Werbungskosten bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sein, muss ein wirtschaftlicher Zusammenhang i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG bestehen. Dafür muss das Darlehen gerade für die Anschaffung oder Herstellung dieser Immobilie verwendet worden sein. Mit der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks wird der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Grundstück und dem durch die Finanzierung aufgenommenen Darlehen beendet. Ein späterer Rückerwerb des Grundstücks ändert hieran nichts mehr, sofern der Stpfl. zur Tilgung der Anschaffungskosten für den Rückerwerb andere Darlehen aufnimmt.
S.a. Schoor, Die steuerliche Betriebsprüfung 2007, 114.
Veräußert ein Stpfl. seine bisher selbst genutzte und durch ein Darlehen finanzierte Immobilie und verwendet er unter Aufrechterhaltung des Darlehens nur einen Teil des Verkaufserlöses dazu, durch die Anschaffung einer anderen Immobilie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, so kann er aus dem fortgeführten Darlehen nicht mehr an Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen, als dem Anteil der Anschaffungskosten der neuen Immobilie an dem gesamten Verkaufserlös entspricht (BFH Urteil vom 8.4.2003, IX R 36/00, BStBl II 2003, 706). In dem vom BFH entschiedenen Fall veräußerte der Stpfl. sein privat genutztes Einfamilienhaus für 250 000 €. Diesen Betrag verwandte der Stpfl. i.H.v. 150 000 € für die Anschaffung zweier vermieteter Eigentumswohnungen. Der quotale Schuldzinsenabzug beträgt demnach 150/250 der insgesamt angefallenen Schuldzinsen. Wie der BFH in seinem Urteil ausführt, erfährt das Darlehen mit der Veräußerung des Grundstücks eine Zweckänderung und tritt in einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem an die Stelle des Grundstücks getretenen Veräußerungserlös. Hätte der Stpfl. – statt das Darlehen fortzuführen – einen neuen Kredit aufgenommen, hätte er die Schuldzinsen in voller Höhe abziehen können.
Wird ein Gebäude, das zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden sollte, vor dem Selbstbezug und innerhalb der Zehn-Jahres-Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wieder veräußert (→ Private Veräußerungsgeschäfte), mindern den Veräußerungsgewinn nur solche Schuldzinsen aus der Fremdfinanzierung des Grundstückserwerbs und andere Grundstücksaufwendungen, die auf die Zeit entfallen, in welcher der Stpfl. bereits zum Verkauf des Objekts entschlossen war (BFH Urteil vom 16.6.2004, X R 22/00, BFH/NV 2004, 1340).
Entnimmt ein Stpfl. seinem Betriebsvermögen ein Grundstück, um es künftig zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einzusetzen, dient ein zu seiner Anschaffung oder zur Herstellung des aufstehenden Gebäudes aufgenommenes Darlehen nunmehr dieser neuen Verwendung, sodass die künftig entstehenden Schuldzinsen Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften darstellen. Die Grundstücksschulden »wandern« automatisch ins Privatvermögen (vgl. R 4.2 Abs. 15 Satz 1 EStR, Schoor, Schuldzinsenabzug bei Umwidmung eines Kredits, Die steuerliche Betriebsprüfung 2007, 114).
Zur Behandlung von Schuldzinsen, die der Erwerber eines zur Vermietung bestimmten Grundstücks für den Zeitraum nach dem Übergang von Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren bis zur später eintretenden Fälligkeit des Kaufpreises an den Veräußerer zahlen muss, hat der BFH mit Urteil vom 27.7.2004 (IX R 32/01, BStBl II 2004, 1002) wie folgt entschieden:
Sachverhalt:
Lt. notariellem Kaufvertrag geht ein Grundstück mit Wirkung ab dem 1.11.01 (Übergang Besitz, Nutzen, Lasten) auf den Erwerber über. Der Kaufpreis i.H.v. 2,1 Mio. € ist am 16.12.01 fällig. Der Erwerber muss den Kaufpreis ab 1.11.01 verzinsen und entrichtet 42 100 € Zinsen an den Veräußerer.
Lösung:
Der BFH hat am 27.10.1998 mit drei Urteilen (IX R 44/95, BStBl II 1999, 676, IX R 19/96, BStBl II 1999, 678 und IX R 29/96, BStBl II 1999, 680) zu den Voraussetzungen des Abzugs von Schuldzinsen aus Baudarlehen für die Herstellung eines teilweise vermieteten und teilweise selbst genutzten Gebäudes Stellung genommen. Die Anwendung dieser Urteile regelt das BMF-Schreiben vom 16.4.2004 (BStBl I 2004, 464).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen (und sonstige Kreditkosten) als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist. Steuerrechtlich entscheidend ist, ob der Stpfl. Aufwendungen zum Schaffen eines der Einkünfteerzielung dienenden WG tätigt und diese tatsächlich mit Kredit finanziert. Ist der wirtschaftliche Zusammenhang mit einer Einkunftsart durch eine solche tatsächliche Verwendung der Fremdmittel begründet, sind die Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar.
Der Werbungskostenabzug der Schuldzinsen setzt zunächst voraus, dass die Herstellungskosten den eigenständige WG bildenden Gebäudeteilen zugeordnet werden.
Abb.: Genaue Zuordnung der Herstellungskosten eines Gebäudes
Abb.: Keine genaue Zuordnung der Herstellungskosten eines Gebäudes
Dient ein Gebäude nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der Selbstnutzung, und werden Darlehensmittel lediglich teilweise zur Einkünfteerzielung verwandt, so sind die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig als Werbungskosten abziehbar (z.B. BFH Urteil vom 16.4.2002, IX R 65/98, BFH/NV 2002, 1154). In vollem Umfang sind sie nur dann zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. die Herstellungskosten den eigenständige Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen zuordnet und diese gesondert zugeordneten Herstellungskosten (Entgelte für Lieferungen und Leistungen) – objektiv nachprüfbar – auch tatsächlich mit Darlehensmitteln bezahlt. Finanziert der Stpfl. dagegen die Errichtung eines Gebäudes und rechnet er die Herstellungskosten einheitlich ab, ohne die auf den vermieteten Gebäudeteil entfallenden Kosten gesondert auszuweisen, sind die Darlehenszinsen nur nach dem Verhältnis der selbst genutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen, abziehbar (BFH Urteil vom 27.10.1998, IX R 29/96, BStBl II 1999, 680 und BFH Beschluss vom 14.4.2004, IX B 106/03, BFH/NV 2004, 1392).
Beispiel 10:
Die Herstellungskosten für ein Zweifamilienhaus betragen insgesamt 800 000 €. Davon entfallen
100 000 € auf den fremd vermieteten Teil (200 qm). Die Herstellungskosten sind tatsächlich genau zugeordnet;
550 000 € auf das Gesamtgebäude (Baugrube, Rohbau, Dach);
150 000 € auf die eigengenutzte Wohnung (200 qm).
Das Haus wird mit 500 000 € Fremdmitteln (Darlehen) und mit 300 000 € Eigenmitteln finanziert. Der Darlehensbetrag wird einem gesonderten Konto gutgeschrieben, von dem der Stpfl. die der vermieteten Wohnung gesondert zugeordneten Kosten bezahlt. Die Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung werden ausschließlich aus eigenen Mitteln getilgt. Die im Kj. gezahlten Schuldzinsen betragen 30 000 €.
Lösung 10:
Die Darlehensmittel von 500 000 € hat der Stpfl. i.H.v. 100 000 € (20 %) zur Finanzierung der zur Vermietung vorgesehenen Wohnung verwendet. Die darauf entfallenen Schuldzinsen von 20 % von 30 000 € = 6 000 € sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar.
Die Herstellungskosten i.H.v. 550 000 €, die das Gesamtgebäude betreffen, sind den einzelnen Gebäudeteilen nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen anteilig zuzuordnen. Danach entfallen 275 000 € (50 %) auf den vermieteten Teil. Diese anteiligen Herstellungskosten wurden nachweislich vom Baukonto ausschließlich mit Darlehensmitteln gezahlt. Die Schuldzinsen i.H.v. 30 000 € betreffen zu 80 % das Gesamtgebäude, also 24.000 €, davon sind 275/400 = 16 500 € als Werbungskosten abzugsfähig.
Beispiel 11:
Sachverhalt s. Beispiel 10. Der Stpfl. hat die der vermieteten Wohnung gesondert zugeordneten Kosten von einem »gemischten Konto« bezahlt.
Lösung 11:
Versäumt es der Stpfl., die den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen gesondert zugeordneten Aufwendungen getrennt mit Eigen-/Darlehensmitteln zu finanzieren, sind die Schuldzinsen nach dem Verhältnis der Baukosten der einzelnen Gebäudeteile schätzungsweise aufzuteilen.
Von den gesamten Baukosten i.H.v. 800 000 € entfallen 550 000 € auf die Gesamtgebäudekosten und 250 000 € auf die Innenausbaukosten der beiden Wohnungen. Die Herstellungskosten i.H.v. 550 000 €, die das Gesamtgebäude betreffen, sind den einzelnen Gebäudeteilen nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen anteilig zuzuordnen. Danach entfallen 275 000 € davon auf den vermieteten Teil. Auf die vermietete Wohnung entfallen demnach insgesamt 375 000 € anteilige Herstellungskosten oder 46,875 % von 800 000 €. Von den Schuldzinsen i.H.v. insgesamt 30 000 € sind 46,875 % = 14 062,50 € als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Beispiel 12:
Sachverhalt s. Beispiel 10. Der Stpfl. hat die Herstellungskosten nicht gesondert den jeweiligen Wohn-/Nutzflächen zugeordnet.
Lösung 12:
In diesem Fall sind die Herstellungskosten anteilig zuzuordnen. Maßstab hierfür ist das Verhältnis der selbst genutzten Wohn-/Nutzfläche des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen (hier je 50 %). Entsprechend dieser Aufteilung der Herstellungskosten erfolgt auch die Verteilung der Schuldzinsen. In diesem Fall kann der Stpfl. 50 % von 30 000 € = 15 000 € Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Stpfl. durch eigene Aufstellung die Herstellungskosten anteilig dem vermieteten Gebäudeteil zuordnet und die sich danach ergebenden Herstellungskosten mit Darlehensmittel bezahlt.
Mit Urteil vom 25.3.2002 (IX R 22/01, BStBl II 2004, 348) hat der BFH wie folgt entschieden: Finanziert der Stpfl. die Herstellung von Eigentumswohnungen, von denen eine dem Erzielen von Einkünften und die andere der Selbstnutzung dient, mit Eigenmitteln und Darlehen, kann er die Darlehenszinsen insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, als er das Darlehen tatsächlich zur Herstellung der der Einkünfteerzielung dienenden Eigentumswohnung verwendet. Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass der Stpfl. der vermieteten Eigentumswohnung die auf sie entfallenden Herstellungskosten (Sonderausstattung und Gemeinkosten) zuordnet und mit Darlehensmitteln gesondert bezahlt. Stellt der Unternehmer die Kosten des Gesamtgebäudes nur einheitlich in Rechnung, kann der Stpfl. die für die Zuordnung erforderliche Aufteilung (im Verhältnis der selbst genutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen) selbst vornehmen und die sich danach ergebenden Herstellungskosten der vermieteten Eigentumswohnung gesondert mit Darlehensmitteln bezahlen. S.a. Hilbertz, NWB 2009, 2884.
Mit Urteil vom 25.3.2003 (IX R 38/00, BFH/NV 8/2003, 1049) bestätigt der BFH seine Rspr. zum Schuldzinsenabzug für ein Darlehen, das zur Finanzierung eines Gebäudes mit einer fremd vermieteten und einer selbst genutzten Eigentumswohnung verwendet wird. Werden die Eigenmittel und die Darlehen dafür einem Konto gutgeschrieben und davon alle Gebäudeerrichtungskosten gezahlt, so sind die Darlehenszinsen nur anteilig – im Verhältnis der selbst genutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen – als Werbungskosten abziehbar.
Mit Urteil vom 10.3.2008 (IX B 232/07, BFH/NV 2008, 1145, LEXinform 5904415) hat der BFH erneut bestätigt, dass der Werbungskostenabzug von Darlehenszinsen bei einem gemischt genutzten Gebäude u.a. voraussetzt, dass der Stpfl. die Herstellungskosten mit Geldbeträgen aus dem dafür aufgenommenen Darlehen tatsächlich bezahlt (ständige Rspr., vgl. BFH Urteile vom 9.7.2002, IX R 65/00, BStBl II 2003, 389; vom 25.3.2003, IX R 22/01, BStBl II 2004, 348; BFH Beschlüsse vom 15.5.2007, IX B 184/06, BFH/NV 2007, 1647; vom 10.4.2007, IX B 159/06, BFH/NV 2007, 1503). Im Streitfall hatte der Stpfl. die Herstellungskosten des gesamten Gebäudes über ein einheitliches Bankkonto finanziert, das sich sowohl durch verzinsliche wie auch durch unverzinsliche Darlehensbeträge speiste. Er hatte also das verzinsliche Darlehen nicht nur zum Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwendet, sondern auch zum Finanzieren des eigengenutzten Gebäudeteils. Der wirtschaftliche Zusammenhang kann nicht durch einen bloßen Willensakt des Stpfl. begründet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Stpfl. sich hierzu gegenüber Dritten – gegenüber seinen Eltern – verpflichtet hatte, das verzinsliche Darlehen nicht für die eigengenutzte Wohnung zu verwenden.
Zur Schuldzinsenaufteilung bei einem gemischt genutzten Grundstück hat der BFH mit Urteil vom 1.4.2009 (IX R 35/08, BStBl II 2009, 663) wie folgt entschieden: Nimmt der Stpfl. Darlehen zur Finanzierung unterschiedlicher Grundstücksteile auf, scheitert der Zuordnungszusammenhang zu einzelnen Grundstücksteilen aber, weil die Valuten sämtlicher Darlehen auf ein Girokonto fließen, von dem dann der Stpfl. den gesamten Kaufpreis an den Verkäufer überweist, so sind die entstandenen Schuldzinsen grundsätzlich nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen aufzuteilen. Dies gilt nicht, wenn die Parteien des Kaufvertrags den Kaufpreis in anderer Weise auf die erworbenen WG aufgeteilt haben und dieser Maßstab – weil weder zum Schein getroffen noch missbräuchlich – auch steuerrechtliche Bindungswirkung entfaltet. In diesem Fall ist der Kaufpreis nach dem Verhältnis des auf den vermieteten Grundstücksteil entfallenden Kaufpreises zum Gesamtkaufpreis aufzuteilen, die entstandenen Schuldzinsen sind i.H.d. auf den vermieteten Grundstücksteil entfallenden Anteils abzuziehen (s.a. Anmerkung vom 1.6.2009, LEXinform 0408108).
Mit Urteil vom 9.7.2002 (IX R 65/00, BStBl II 2003, 389) hat der BFH entschieden, dass die o.g. Grundsätze zur Aufteilung von Schuldzinsen bei gemischt genutzten Grundstücken auch in Anschaffungsfällen anzuwenden sind. Nach Ansicht des BFH besteht kein sachlicher Unterschied zwischen Anschaffung und Herstellung eines Objekts, sodass beide Fälle prinzipiell gleich zu behandeln sind.
Entscheidungsgründe:
Finanziert der Stpfl. die Anschaffung eines Gebäudes, das nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der Selbstnutzung dient, mit Eigenmitteln und Darlehen, kann er die Darlehenszinsen insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, als er das Darlehen tatsächlich zur Anschaffung des der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteils verwendet. Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass der Stpfl. die Anschaffungskosten im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung dem ein eigenständiges Wirtschaftsgut bildenden Gebäudeteil gesondert zuordnet und die so zugeordneten Anschaffungskosten mit Geldbeträgen aus dem dafür aufgenommenen Darlehen zahlt (s.a. BFH Urteil vom 9.7.2002, IX R 40/01, BFH/NV 1/2003, 23).
Auch die Finanzverwaltung hat sich der Auffassung des BFH angeschlossen und für Anschaffungsfälle im BMF-Schreiben vom 16.4.2004 (BStBl I 2004, 464) folgende Regelungen getroffen:
Einer nach außen hin erkennbaren Zuordnung der Anschaffungskosten durch den Stpfl., z.B. durch Aufteilung des zivilrechtlich einheitlichen Kaufpreises im notariellen Kaufvertrag, ist steuerlich zu folgen, soweit die Aufteilung nicht zu einer unangemessenen wertmäßigen Berücksichtigung der einzelnen Gebäudeteile führt.
Trifft der Stpfl. keine nach außen hin erkennbare Zuordnungsentscheidung, sind die Anschaffungskosten den einzelnen Gebäudeteilen nach dem Verhältnis der Wohn-/Nutzflächen anteilig zuzuordnen.
Die vorstehenden Grundsätze sind auch für ein vom Stpfl. beruflich genutztes häusliches Arbeitszimmer anwendbar, das als selbstständiger Gebäudeteil gilt (→ Häusliches Arbeitszimmer).
Werden unterschiedlich genutzte Doppelhaushälften einheitlich durch einen Kredit finanziert, so kommt nur eine anteilige Zuordnung der Darlehensmittel und der Schuldzinsen zu den beiden Haushälften in Betracht (BFH Beschluss vom 18.12.2002, IX B 167/02, BFH/NV 4/2003, 478).
Mit Urteil vom 4.2.2020. IX R 1/18 (BStBl. II 2020, 311) hatte der BFH über die Berücksichtigung von Schuldzinsen aus Darlehen zu befinden, die die Finanzierung von Herstellungskosten eines teilweise zur Vermietung und teilweise zur Veräußerung bestimmten Gebäude betrafen. Der BHF hat darin unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsauffassung entschieden, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und den Herstellungskosten des künftig vermieteten Gebäudeteils nur dann vorliegt, wenn die Herstellungskosten des vermieteten und die des veräußerten Gebäudeteils getrennt ermittelt und ausgewiesen werden und mit den Darlehen tatsächlich die Aufwendungen beglichen werden, die der Herstellung des zur Vermietung bestimmten Gebäudeteils konkret zuzurechnen sind.
Die zu anteilig fremdvermieteten und anteilig selbstgenutzten Gebäuden entwickelten Grund-sätze gelten nach o.a. BFH-Urteil entsprechend auch bei der Zuordnung von Darlehen zu den (anteiligen) Herstellungskosten eines Gebäudes, das teilweise zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und teilweise zur Erzielung von sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) bestimmt ist. Denn wenn die Darlehensmittel zusammen mit den Eigenmitteln und dem vom Erwerber des später veräußerten Gebäudeteils geleisteten Kaufpreis, der mit der Einzahlung dem Grunde nach ebenfalls zu Eigenmitteln wird, auf einem einheitlichen Baukonto vorgehalten werden, vermischen sich Darlehensmittel und Eigenmittel, so dass eine gezielte Zuordnung des Darlehens zum zur Vermietung bestimmten Gebäudeteil ausgeschlossen ist. Werden von einem solchen einheitlichen Baukonto sodann die Herstellungskosten des gesamten Objekts einheitlich beglichen, fehlt es zudem an der erforderlichen objektbezogenen Aufteilung der Kosten und Zahlung entsprechend der Darlehenszuordnung (vgl. BFH vom 1.4.2009, IX R 35/08, BStBl II 2009, 663).
Im Ergebnis sind die Schuldzinsen also nur dann in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, wenn das Darlehen dem vermieteten Gebäudeteil zugeordnet wird, die Herstellungskosten des vermieteten Gebäudeteils getrennt ermittelt und ausgewiesen werden und mit den Darlehensmitteln tatsächlich nur Aufwendungen beglichen werden, die der Herstellung des zur Vermietung bestimmten Gebäudeteils konkret zuzuordnen sind. Es ist daher aus Sicht des Stpfl. zweckmäßig, für jeden Gebäudeteil ein separates Baukonto (Kontentrennung) einzurichten. Dem steht die Rechtsprechung zur Durchleitung eines Darlehensbetrags durch ein privates Kontokorrentkonto (BFH v. 9.5.2017, IX R 45/15, BFH/NV 2017, 1036) nicht entgegen.
Mit Urteil vom 27.7.2004 (IX R 54/02, BStBl. II 2006, 9) hat der BFH entschieden, dass die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auch in den Fällen der gemischten Schenkung (→ Vorweggenommene Erbfolge) der Besteuerung zu Grunde zu legen ist.
Beispiel 13:
Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge überträgt Vater V seinem Sohn S ein Zweifamilienhaus mit zwei gleich großen Wohnungen. Die Wohnung im Obergeschoss wird vom Sohn zu eigenen Wohnzwecken genutzt, die Wohnung im Erdgeschoss wird vermietet. Im Übertragungsvertrag wird für die Erdgeschosswohnung ein Kaufpreis von 200 000 € vereinbart, die Wohnung im Obergeschoss soll unentgeltlich übertragen werden. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt 400 000 €.
Lösung 13:
Nach früherer Rechtsauffassung waren die Anschaffungskosten zwingend nach dem Verhältnis der Verkehrswerte der einzelnen WG zu bestimmen. Eine gesonderte Zuordnung des Kaufpreises zu der Wohnung im Erdgeschoss war nicht zulässig. Als Anschaffungskosten der vermieteten Wohnung konnten somit nur 100 000 € berücksichtigt werden.
Nach o.a. BFH-Urteil vom 27.4.2004 ist die von den Vertragsparteien vorgenommene Aufteilung auf die einzelnen WG der Besteuerung zu Grunde zu legen, sodass als Anschaffungskosten der vermieteten Wohnung 200 000 € berücksichtigt werden können.
Haben Ehegatten zur Finanzierung einer vermieteten Eigentumswohnung, die der Ehefrau gehört, zunächst ein gemeinsames Darlehen aufgenommen, dieses später aber in der Weise umgeschuldet, dass nur noch der Ehemann Darlehensschuldner ist, sind die vom ihm gezahlten Schuldzinsen für die Zeit nach der Umschuldung grundsätzlich auch dann nicht abziehbar, wenn die Ehefrau für das neue Darlehen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen und die auf ihrer Eigentumswohnung lastenden Grundpfandrechte als Sicherheit eingesetzt hat. Die Ehefrau kann die Schuldzinsen für das vom Ehemann aufgenommene Darlehen jedoch dann als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, wenn sie sie aus eigenen Mitteln bezahlt hat (BFH Urteile vom 4.9.2000, IX R 22/97, BStBl II 2001, 785 und vom 20.6.2012, IX R 29/11, BFH/NV 2012, 1952, LEXinform 0928743, Rz. 12). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sie ihre Mieteinnahmen mit der Maßgabe auf das Konto des Ehemanns überweist, dass dieser daraus die Schuldzinsen entrichten soll (BFH Urteil vom 2.12.1999, IX R 21/96, BStBl II 2000, 312).
Nehmen Eheleute ein gesamtschuldnerisches Darlehen zur Finanzierung eines vermieteten Gebäudes auf, das einem von ihnen gehört, sind die Schuldzinsen in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Eigentümerehegatten abziehbar (BFH Urteil vom 2.12.1999, IX R 45/95, BStBl II 2000, 310). Mit Urteilen vom 3.12.2002 (IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468, LEXinform 0593529) und vom 20.6.2012 (IX R 29/11, BFH/NV 2012, 1952, LEXinform 0928743) bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung zur Abziehbarkeit von Schuldzinsen aus gemeinsamer Ehegattenfinanzierung. Übernimmt der Eigentümer-Ehegatte einer vermieteten Immobilie die gesamtschuldnerische persönliche Mithaftung für ein der Finanzierung der Immobilie dienendes Darlehen des Nichteigentümer-Ehegatten, so sind die Schuldzinsen als für Rechnung des Eigentümer-Ehegatten aufgewendet anzusehen und bei ihm als Werbungskosten abziehbar. Ein gesamtschuldnerisches Darlehen liegt zwar nicht vor, wenn der Eigentümer-Ehegatte für das Darlehen eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen und seine Immobilie mit Grundpfandrechten belastet hat, wohl aber dann, wenn der Eigentümer-Ehegatte die gesamtschuldnerische Mithaftung i.S.d. § 421 BGB für das Darlehen übernommen hat (BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468, LEXinform 0593529).
Schuldzinsen, die ein Ehegatte auf seine Darlehensverbindlichkeiten zahlt, kann der andere Ehegatte auch dann nicht bei der Ermittlung seiner Einkünfte abziehen, wenn die Darlehensbeträge zur Anschaffung von WG seines Betriebsvermögens verwendet wurden (BFH Urteil vom 24.2.2000, IV R 75/98, BStBl II 2000, 314). Bei Dauerschuldverhältnissen führt eine Abkürzung des Zahlungsweges nicht zu abziehbaren Aufwendungen des Stpfl. (H 21.2 [Finanzierungskosten] EStH).
Aus dem BFH-Urteil vom 4.9.2000 (IX R 22/97, BStBl II 2001, 785) ergibt sich folgender Sachverhalt:
Beispiel 14:
Die Eheleute werden zusammen zur ESt veranlagt. Die Ehefrau ist Eigentümerin zweier Mietwohngrundstücke, aus denen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten hat der Ehemann finanziert; die Mieten sind auf seine Konten geflossen.
Lösung 14:
Da die ESt an die persönliche Leistungsfähigkeit anknüpft, kann Werbungskosten i.S.d. § 9 EStG grundsätzlich nur derjenige abziehen, der sie selbst getragen hat. Trägt ein Dritter Kosten, die durch die Einkunftserzielung des Stpfl. veranlasst sind (→ Drittaufwand), so können die Aufwendungen des Dritten im Falle der Abkürzung des Zahlungsweges als Aufwendungen des Stpfl. zu werten sein, d.h. wenn der Dritte für Rechnung des Stpfl. an dessen Gläubiger leistet.
Bezahlen Eheleute Aufwendungen für eine Immobilie, die einem von ihnen gehört, »aus einem Topf«, d.h. aus Guthaben, zu denen beide Eheleute beigetragen haben, oder aus Darlehensmitteln, die zu Lasten beider Eheleute aufgenommen worden sind, so sind diese Aufwendungen in vollem Umfang als für Rechnung des Eigentümers aufgewendet anzusehen. Gleichgültig ist, aus wessen Mitteln die Zahlung im Einzelfall stammt. Dies gilt auch für Zins- und Tilgungsleistungen auf die Darlehensschuld (BFH GrS Beschluss vom 23.8.1999, GrS 2/97, BStBl II 1999, 782). Nach dem BFH-Urteil vom 16.9.2015 (IX R 40/14, BStBl II 2016, 78) können nachträgliche Aufwendungen in Form von Schuldzinsen, die Ehegatten nach der Veräußerung einer der Einkünfteerzielung dienenden Immobilie, welche im Eigentum nur eines Ehegatten stand, gemeinsam »aus einem Topf« finanzieren, als (nachträgliche) Werbungskosten des früheren »Eigentümer-Ehegatten« abgezogen werden. Zum Schuldzinsenabzug als nachträgliche Werbungskosten s. das BMF-Schreiben vom 27.7.2015 (BStBl I 2015, 581) unter dem Gliederungspunkt »Schuldzinsen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten«.
Diese Grundsätze sind für ein Darlehen, das ein Ehegatte allein zur Finanzierung der Immobilie des anderen Ehegatten aufgenommen hat, nicht übertragbar. Denn dann leistet der Nichteigentümer-Ehegatte als alleiniger Schuldner der Zinsverpflichtung die Zahlungen für eine bürgerlich-rechtlich allein ihn betreffende Verbindlichkeit.
Bezahlt hingegen der Eigentümer-Ehegatte die Zinsen aus eigenen Mitteln, bilden sie bei ihm abziehbare Werbungskosten, auch wenn der Nichteigentümer-Ehegatte alleiniger Schuldner des Darlehens ist.
Aus den vom Eigentümer-Ehegatten auf das Konto des Nichteigentümer-Ehegatten geleisteten Mitteln (Mieteinnahmen) werden vorrangig die laufenden Aufwendungen für die Immobilie abgedeckt. Nur soweit die eingesetzten Eigenmittel (Mieteinnahmen) des Eigentümer-Ehegatten darüber hinaus auch die allein vom Nichteigentümer-Ehegatten geschuldeten Zinsen abdecken, sind diese Zinsen als Werbungskosten des Eigentümer-Ehegatten abziehbar.
Hat der Stpfl. zur Finanzierung einer zur Vermietung bestimmten Eigentumswohnung ein Darlehen aufgenommen und nimmt er sein Angebot zum Abschluss des Bauträgervertrages zurück, weil das Bauvorhaben wegen Mittellosigkeit des Bauträgers scheitert, so sind die danach aufgrund des Darlehensvertrages noch zu leistenden Zahlungen (hier: Bereitstellungszinsen und Nichtbezugsentschädigung) als vorab entstandene vergebliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar (BFH Beschluss vom 5.11.2001, IX B 92/01, BStBl II 2002, 144).
Der BFH hat mit Urteil vom 28.1.2015 (VIII R 8/14, BStBl II 2015, 397) entschieden, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 % nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der Gewährung von Darlehen zwischen Ehegatten aufgrund eines finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses ausgeschlossen ist (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 19/2015 vom 11.3.2015, LEXinform 0442996 sowie Anmerkung vom 19.3.2015, LEXinform 0946691).
Schmidt, Der Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG im Lichte der neueren Verwaltungsanweisungen und Rechtsprechung, INF 2002, 545; Hegemann u.a., Auswirkungen des betrieblichen Schuldzinsenabzugsverbots auf die Gewerbesteuer (§ 4 Abs. 4a EStG), NWB Fach 5, 1533; Hegemann, Aktuelle Fragen zum betrieblichen Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG, INF 2006, 343; Neufang, Betrieblicher Schuldzinsenabzug: § 4 Abs. 4a EStG und seine praktische Umsetzung, BB 2006, 855; Wacker, Schuldzinsenkürzung bei Mitunternehmerschaften nach § 4 Abs. 4a EStG, NWB Fach 3, 14725; Schulz, Betrieblicher Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG, NWB Fach 3, 15189; Schultes-Schnitzlein u.a., Die Zinsschranke nach dem BMF-Anwendungsschreiben v. 4.7.2008, NWB Fach 4, 5357; Lehr, Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei Vermietungseinkünften, DStR 2002, 349; Paus, Zinsaufwand nach Wegfall der Einkunftsquelle – Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12.10.2005 IX R 28/04, BStBl II 2006, 407 – DStZ 2006, 800; Schoor, Schuldzinsenabzug bei Eigen- und Fremdfinanzierung gemischt genutzter Gebäude: Rechtsprechung und Gestaltungsmöglichkeiten, INF 2003, 26; Schoor, Schuldzinsenabzug bei Umwidmung eines Kredits, Die steuerliche Betriebsprüfung 2007, 114; Schießl, Schuldzinsenabzug bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Steuer & Studium 2008, 422; Hilbertz, Schuldzinsenabzug bei gemischt genutzten Grundstücken, NWB 2009, 2884; Stoewer, Zum Abzugsverbot betrieblicher Schuldzinsen, Steuer & Studium 2011, 118; Wagner, Der Entnahmebegriff für den Schuldzinsenabzug, NWB 2012, 670; Meyer u.a., Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, DStR 2012, 2260; Geserich, Nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, NWB 2012, 3304; Möller, Beschränkung des Zinsabzugs bei Überentnahmen, NWB 2014, 3184; Cortez u.a., Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsen, Steuer & Studium 8/2013, 467; Lipp, Schuldzinsen als »nachträgliche« Werbungskosten, Steuer & Studium 3/2014, 138; Trossen, Vorfälligkeitsentschädigung keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, NWB 2014, 2316; Hilbertz, Nachträgliche Schuldzinsen bei Vermietung und Verpachtung, NWB 2014, 1934; Dürr, Beschränkter Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG – 14 Fälle –, Steuer und Studium 2/2016, 96.
→ Darlehen
→ Einkünfte aus Kapitalvermögen
→ Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
→ Gemischt genutzte Gebäude in der Einkommen- und Umsatzsteuer
→ Übertragung von Privat- oder Betriebsvermögen
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